FC Bayern München – Real Madrid 1:2 (1:0)

Christopher Trenner 12.04.2017

Nach dem überzeugenden 4:1 Sieg gegen Borussia Dortmund wollte der FC Bayern voller Selbstvertrauen in die Partie gegen Madrid starten. Das Attentat auf den Dortmunder Mannschaftsbus verhinderte aber die rechte Vorfreude bei allen Beteiligten. Ein verschärftes Sicherheitskonzept und damit verbundene veränderte Abläufe zeigten auf, wie fragil das Leben sein kann.

Falls Ihr es verpasst habt:

Der FC Bayern wartete mit zwei sportlichen Hiobsbotschaften vor der Partie auf. Zum Einen verletzte sich Mats Hummels im sonntäglichen Training, und zum Anderen wurde Robert Lewandowski nach seiner Schulterprellung nicht rechtzeitig fit.

FC Bayern gegen Real MadridBayern gegen Real Madrid – Grundformationen

Rechtzeitig genesen waren hingegen Manuel Neuer und Thomas Müller. Letzterer vertrat Robert Lewandowski nominell im Sturmzentrum. Ansonsten vertraute Carlo Ancelotti den Spielern, die üblicherweise seine Stammelf bilden. Die Viererkette wurde gebildet von Alaba, Martínez, Boateng und Lahm. Im Mittelfeld agierten Alonso, Vidal und Thiago. Ribery und Robben flankierten Müller.

Zinedine Zidane vertraute ebenfalls seiner bestmöglichen Elf. Real Madrid musste allerdings auf Pepe verzichten, der wie Varane verletzt in beiden Spielen fehlen wird. Neben Ramos spielte daher Nacho. Der 27-Jährige kam in dieser Saison bisher auf 30 Spiele und überzeugte meist mit einer souveränen Leistung. Vor Navas spielte die Viererkette Marcelo, Ramos, besagter Nacho und Carvajal, der zwar vor dem Spiel angeschlagen war, aber sich rechtzeitig fit meldete. Im Mittelfeld vertraut Zidane auf eine Dreierreihe um Kroos, Casemiro und Modric. Benzema spielte im Sturmzentrum, auf den Flügeln Ronaldo und Bale.

Der FC Bayern hatte früh viel Ballbesitz und konnte sich bereits drei Eckbälle in den ersten vier Minuten erspielen. Real Madrid verteidigte zunächst in einem 4-4-2 mit Ronaldo und Benzema in der Spitze.

Aber auch Madrid hatte in der Anfangsphase überraschend viel den Ball. Bayern verteidigte im letzten Drittel ebenfalls in einem 4-4-2, ohne aber zwingend Druck auf den ballführenden Spieler zu bekommen. Meist war es erst die Viererkette um Martínez und Lahm, die die entscheidenden Zweikämpfe gewinnen konnten.

In der 15. Minute konterte Real Madrid über die linke Seite und Boateng foulte Benzema an der Strafraumkante. Aus knapp 20 Metern verlegte Ronaldo aber deutlich den Freistoß. Nur zwei Minuten später konnte sich Benzema nach einer Halbfeldflanke im Kopfball durchsetzen und Neuer und die Unterkante der Latte verhinderten den Führungstreffer für die Königlichen.

Das Bayernspiel litt in dieser Phase unter zu großen Abständen im Spielaufbau. Thiago und Alonso wurden von Modric und Casemiro gut aus dem Spiel genommen. Zur Hälfte der ersten Halbzeit kam Alonso gerade einmal auf 13 Ballkontakte.

Der vierte Eckball brachte den FC Bayern in Front. Nachdem die ersten Versuche bereits auf Vidal geschlagen worden waren, setzte sich der Chilene im vierten Versuch gegen Nacho durch und wuchtete den Kopfball relativ zentral über die Linie. Navas bekam die Hände nicht mehr rechtzeitig hoch (25.).

Die Führung gab dem Münchner Spiel mehr Sicherheit. Thiago fand sich im Zwischenraum besser zurecht und konnte den Ball öfter auf Ribery und Robben verteilen. Dadurch ergaben sich aber keine Torchancen, da sowohl Marcelo als auch Carvajal wenig anboten.

Robben wurde die Innenseite meist von Kroos zugestellt, so dass nur die Außenbahn blieb. In der 40. Minute machte dies Robben aber wenig aus. Nachdem Vidal den Ball im Mittelfeld gut erobern konnte, setzte er sich auf der Außenbahn durch und flankte mit rechts ins Zentrum. Dort köpfte Vidal nur knapp an seinem zweiten Kopfballtreffer vorbei.

Bayern blieb weiter am Drücker. In zentraler Position konnte sich Ribéry durchsetzen und kam im Strafraum zum Abschluss. Carvajal fing den Schuss mit der Schulter ab, und Rizzoli wertete diese Klärung als Handspiel und zeigte fälschlicherweise auf den Punkt. Da mit Lewandowski der etatmäßige Elfmeterschütze fehlte, trat Vidal an. Dieser versuchte den Ball unter die Latte zu schweißen, doch verfehlte das Tor um gut zwei bis drei Meter. Gewissermaßen ausgleichende Gerechtigkeit, doch abermals vergab der FC Bayern in einem KO-Spiel einen Elfmeter. So ging es mit einer 1:0 Führung in die Kabine.

Ohne Wechsel kamen beide Mannschaften aus der Kabine. Die Münchner waren aber noch nicht vollends auf dem Platz, da musste Alonso sich zunächst die gelbe Karte abholen und dann noch das 1:1 hinnehmen. Ribéry arbeitete nicht ausreichend zurück und Casemiro fand Carvajal. Dieser konnte unbedrängt flanken und fand im Zentrum Ronaldo, der die Flanke direkt nahm und unhaltbar ins untere linke Eck traf (47.).

Nur acht Minuten später war Real sogar nah dran an der Führung; abermals über Carvajal setzten sie sich auf der rechten Seite durch. Modric flankte scharf ins Zentrum auf Bale, doch der scheiterte an Neuer, der mit einer Weltklasseparade den FC Bayern im Spiel hielt.

Der FC Bayern agierte nach der Pause kopflos mit vielen Fehlern im Aufbau. Die Konsequenzen dafür musste Javi Martínez tragen. Zunächst nach einem taktischen Foul holte er sich völlig verdient eine gelbe Karte ab. Nur drei Minuten später war es abermals ein Konter und wieder konnte sich Martínez nur mit einem Foul retten. Rizzoli zeigte keine Gnade und stellte den Spanier mit Gelb-Rot vom Platz (61.). Ancelotti reagierte mit einem Doppelwechsel. Bernat komplettierte die Viererkette, dafür ging Alonso runter. Nur Sekunden später war der Abend auch für Ribéry beendet. Für ihn kam Costa (66.).

Real schob im Laufe der zweiten Hälfte immer weiter nach vorne. Manuel Neuer verhinderte zunächst gegen Benzema (71.) und Ronaldo (74.), war in der 76. Minute allerdings machtlos. Nach einer Halbfeldflanke von Asensio setzte sich Ronaldo gegen Bernat durch und tunnelte mit seinem Abschluss Neuer. Die mittlerweile verdiente Führung für Real Madrid.

Real verpasste es sogar, in den letzten Spielminuten das Ergebnis noch klarer zu gestalten. Die Münchner gewannen fast keine Zweikämpfe mehr und Real dominierte in Folge des Platzverweises mit 93% Passquote und 67.5% Ballbesitz den FC Bayern und das Spiel. Vor dem Platzverweis war das Schussverhältnis mit 11:10 noch einigermaßen ausgeglichen, danach war es 2:13. Das Rückspiel wird zeigen, ob sich Real Madrid noch ärgern wird, dass sie aus dieser zweiten Halbzeit nicht mehr rausgeholt haben.

Für einen so erfahrenen Trainer und Mannschaft war die Leistung nach der gelb-roten Karte indiskutabel. Hier fehlte es an der nötigen Cleverness, aber auch an einer taktischen Idee, wie mit der Situation Unterzahl umgegangen werden soll. Real Madrid zeigte auf der Gegenseite die völlige Abgezocktheit einer Spitzenmannschaft. Mit konsequenter Strafraumbesetzung in der zweiten Halbzeit und starken Balleroberungen spielten sie den FC Bayern her.

3 Dinge, die auffielen:

1. Verletzt und zugenäht

Es passierte vor der Partie das, was nicht passieren sollte: Robert Lewandoski fehlte verletzt. Gleichzeitig zeigte die Verletzung, dass der breiteste Kader nicht zwangsläufig breit genug sein kann, sein wird. In jeder Mannschaft gibt es unersetzliche Spieler. Beim FC Bayern sind es zur Zeit Robert Lewandowski und Thiago. Fällt einer von beiden aus, verändert sich die Gemengelage.

Auf der Stürmerposition ist der FC Bayern unterbesetzt. Das liegt zum einen daran, dass Robert Lewandowski immer fit ist, aber auch zum anderen, weil der Verein nach dem Abgang von Claudio Pizarro keine adäquate Lösung präsentieren konnte oder wollte. Den Nasenbeinbruch von Lewandowski vor zwei Jahren, damals kurz vor dem Halbfinale gegen Barcelona, sollte ein einmaliger Ausrutscher bleiben. Die Verantwortlichen wissen jetzt, er war es nicht.

Müller konnte nicht vollends überzeugen.
(Bild: ODD ANDERSEN/AFP/Getty Images)

Thomas Müller vertrat also Robert Lewandowski im Sturm. Eine Position, die nicht seine ist. In den ersten 45 Minuten hatte Müller lediglich 19 Ballaktionen. Die größte Möglichkeit aus dem wenigen was zu kreieren vergab er in der 39 Minute, als er ein Zuspiel von Lahm nicht schnell genug im Strafraum verarbeiten konnte. Müller versuchte die Stürmerposition nach seiner Art zu interpretieren, dadurch besetzte er in manchen Szenen nicht nachhaltig genug das Sturmzentrum. Somit konnten die Innenverteidiger von Real besser auf die jeweilige Situation reagieren und die Bayernflügelzange bzw. den nachstoßenden Vidal besser abdecken.

In der zweiten Halbzeit war Müller dann vollends Opfer des zusammenfallenden FC Bayern. Er kam zwar noch auf 17 weitere Ballaktionen, konnte aber keinerlei Impuls geben.

Insgesamt muss sich Ancelotti hier den Vorwurf gefallen lassen müssen taktisch nicht reagiert zu haben. Lewandowski ist kein Müller. Das war vor dem Anpfiff schon klar. Eine Systemänderung bzw. eine taktische Varianz wäre nötig gewesen. So verpuffte aber Müller in der Lewandowski-Rolle.

2. Mittelfeld

Der FC Bayern hatte in der ersten Halbzeit über weite Strecken die Kontrolle über das Mittelfeld. Zwar zeigte Real Madrid immer mal wieder gute Pressingansätze und zwang den FC Bayern zu langen Klärungen, aber spätestens nach der Führung hatten die Münchner die Partie unter Kontrolle. Casemiro ließ sich immer wieder fallen und verknappte so den Raum zwischen den Ketten, was stellenweise gut funktionierte, aber sich die Münchner durch einen einrückenden Ribery dann besser befreien konnten.

In der zweiten Halbzeit ging Zidane dann mehr Risiko. Er ließ Ronaldo, Bale und Benzema offensiv stehen. Dadurch ergab sich eine Unterzahl Situation für Vidal und Thiago. Da der FC Bayern viele Fehler im Spielaufbau einstreute, hatten beide große Räume zu decken, was letztendlich auch zum Platzverweis von Martinez beitrug. In einer Szene spielte beispielsweise Alonso einen viel zu riskanten Ball ins Zentrum, der zum Konter für Madrid führte. Verstärkt wurden die Lücken auch durch Ribery und Robben, die beide nicht mehr konsequent genug nach hinten arbeiteten. Vidal gewann zwar sechs Zweikämpfe und Thiago vier, die restliche Mannschaft konnte das 4-4-2 aber nicht stabil genug halten. Dadurch gewann Madrid mit Modric und Kroos die Oberhand im Mittelfeld und somit auch die Partie.

3. Rückspiel als Rettungsanker

Das Hinspiel deutete zunächst an, dass Carlo Ancelotti mit seiner Aussage “die Entscheidung fällt im Rückspiel” recht behalten sollte. Zu sehr auf Augenhöhe agierten beide Mannschaften, vor allem wenn sie gegen den Ball arbeiten durften. In der ersten Halbzeit neutralisierten sich so beide Mannschaften. Die Münchner gingen durch eine Standardsituation in Führung und hätten mit dem Elfmeter das Spiel deutlicher in ihre Richtung drehen können. Es kam anders. Der Ausgleich und der berechtigte Platzverweis für Martínez ließen das Spiel kippen. Real Madrid siegte in München und schlug damit das Tor zum Halbfinale weitestgehend zu.

Der einzige Vorteil an dieser Situation ist die Ausweglosigkeit. Bayern kann in Madrid nichts mehr verlieren. Nur noch gewinnen. Wie schwer es ist, eine hohe Führung zu verwalten, zeigten die Münchner gegen Arsenal. Paris vergab sogar eine uneinholbare Führung.

Der FC Bayern reist mit einer schweren Hypothek nach Madrid. Ob Robert Lewandowski und Mats Hummels in der Partie wieder mitwirken können, wird sich zeigen. Selbst mit ihnen wird es eine sehr schwere bis nahezu unlösbare Aufgabe. Dies hat sich der FC Bayern allerdings mit dieser zweiten Halbzeit selbst zuzuschreiben.

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FC Bayern – Real Madrid 1:2 (1:0)
FC Bayern Neuer – Lahm, Martínez, Boateng, Alaba – Xabi Alonso (63. Bernat), Vidal – Robben, Thiago, Ribéry (66. Costa) – Müller (81. Coman)
Bank Ulreich, Rafinha, Kimmich, Sanches
Real Madrid Navas – Carvajal, Nacho, Ramos, Marcelo – Modric (90. Kovacic), Casemiro, Kroos – Bale (58. Asensio), Benzema, Ronaldo (83. James)
Bank Casilla, Morata, Danilo, Isco
Tore 1:0 Vidal (25.); 1:1 Ronaldo (47.); 1:2 Ronaldo (77.)
Karten Gelb: Alonso, Martínez, Vidal / Kroos, Carvajal, Gelb-Rot: Martínez
Schiedsrichter Rizzoli (Italien)
Zuschauer 70.000 (ausverkauft)