Vorschau: FC Bayern München – Real Madrid
Für dieses erste große Highlight der Saison haben wir uns mal wieder einen Interview-Gast eingeladen. Clemens erzählt uns, was sich bei Real Madrid seit dem letzten Aufeinandertreffen getan hat, was er von Zidane hält, wie er die kommenden Partien einschätzt und vieles mehr.
Hallo Clemens, zunächst möchte ich, dass Du dich unseren Lesern etwas vorstellst. Wie bist Du Real-Madrid-Fan geworden und sind die Königlichen dein einziger Herzensverein?
Hallo. Ich bin 22 Jahre alt und studiere zur Zeit Volkswirtschaftslehre in Wien. Wenn andere immer von dem EINEN Moment erzählen, in dem sie Fan wurden, werde ich immer ein bisschen eifersüchtig. Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht mehr genau wie es passiert ist. Auf jeden Fall mache ich das Team um 2002 mit Raúl und Ronaldo dafür verantwortlich. Neben Real Madrid unterstütze ich noch den SK Rapid Wien (auch wenn es momentan schwer fällt) und Borussia Dortmund.
Real war unter Ancelotti für die beste Form in den wichtigsten Spielen bekannt. Die Zeit des Italieners war sehr erfolgreich. Weshalb musste er gehen und vermisst man ihn etwas?
Wieso er gehen musste, ist schnell erklärt: Er blieb in der Saison 2014/15 titellos. Das klingt zwar sehr hart – und ist es auch – aber das ist eben die Vorgehensweise des Vereins, auch wenn es mit Sicherheit nicht allen Fans gefällt.
Ich glaube es wird sehr schwer sein, Fans des Vereins zu finden, die sagen, dass sie Ancelotti überhaupt nicht vermissen; dafür hat er zu wenig polarisiert, dafür ist er zu charismatisch. Wie sehr man den „Mister“ vermisst, wird aber wohl maßgeblich davon abhängen, wie man die Entwicklungen nach dessen Entlassung beurteilt.
Ich glaube schon, dass der Großteil der Fangemeinde wenig erfreut darüber war, dass er nach nur zwei Jahren schon wieder gehen musste, gerade nachdem er eine Saison zuvor mit dem Gewinn der La Décima – des zehnten Champions-League-Titels – einen Meilenstein in der Vereinsgeschichte erreicht hatte. Auch sein zweites Jahr verlief lange sehr gut. Real Madrid war den Großteil der Saison Spitzenreiter in der heimischen Liga und spielte den wohl besten Fußball, den ich jemals von ihnen gesehen habe. Durch die fehlende Rotation und die Verletzungen von Schlüsselspielern wie Luka Modric oder Karim Benzema kam es dann gegen Saisonende zum Leistungseinbruch.
Nachdem Benítez auch relativ bald gehen musste, kam Zidane. Er gewann zwar die Champions League, aber so richtig zufrieden wirken einige Madrilenen trotzdem nicht. Wieso nicht?
An Zidane scheiden sich die Geister und das, obwohl man ihm ergebnistechnisch wenig vorwerfen kann. Mit 2,42 Punkten pro Spiel lässt er Ancelottis Madrid und Peps Barca (beide mit 2,36 PPS) hinter sich.
Für die einen ist er ein pragmatischer Trainer, der nach der gescheiterten Amtszeit von Rafael Benítez den Karren wieder aus dem Dreck gezogen und den elften Titel in der Champions League geholt hat. Probleme wie beispielsweise die unkoordinierte Arbeit gegen den Ball, habe er mit der Beförderung von Casemiro zum Stammspieler geschickt gelöst.
Andere wiederum kritisieren, dass der gezeigte Fußball weit unter dem Niveau ist, das eigentlich mit einem so starken, breit aufgestellten Kader möglich sein sollte. Das Offensivspiel sei zu simpel, man würde praktisch nur durch Flanken und Standards Gefahr erzeugen.
Die letzte Meisterschaft ist fünf Jahre her. Genügt das wegen den beiden Champions-League-Siegen und einem Pokalsieg trotzdem noch den Ansprüchen?
Nein, natürlich nicht. Wenn man sich ansieht, welche Möglichkeiten der Verein hat – seien es der momentane Kader oder die finanzielle Potenz -, dann ist das eindeutig zu wenig; selbst bei einer so starken Konkurrenz wie es der FC Barcelona oder seit einigen Jahren auch Atlético Madrid ist.
Real Madrid fehlt einfach die Konstanz, sowohl was die Trainerposition, als auch die Kaderzusammenstellung angeht; neue Baustellen werden aufgemacht, bevor die vorherigen abgeschlossen wurden. Die jüngste Episode um Ancelotti, Benítez und Zidane ist das beste Beispiel hierfür.
Kommen wir zur Aktualität. In der Liga ist es mal wieder ein unglaublich enges Rennen mit dem FC Barcelona. Aktuell ist Real Tabellenführer mit drei Punkten Vorsprung auf den Rivalen. Wie siehst Du die Titelchancen?
Die Ausgangslage ist nicht schlecht, der Vorsprung beträgt momentan drei Punkte und könnte durch das Nachholspiel in Vigo bis auf sechs Punkte anwachsen. Aber selbst das wäre noch keine Vorentscheidung, denn am 23. April kommt es nämlich noch zum direkten Duell mit dem FC Barcelona und das Restprogramm ist für keinen der beiden Großclubs leicht. Stand heute ist Real Madrid wohl zu favorisieren, aber alles ist noch möglich.
Duelle mit dem FC Bayern dürften auch für Fans von Real Madrid noch etwas ganz besonderes sein. Was war deine erste Einschätzung, als die Partie gelost wurde?
Ich war sehr froh über dieses Los, auch wenn vermutlich jeder andere Gegner leichter gewesen wäre. Duelle wie dieses sind es, die für mich den Reiz der Champions League ausmachen. FC Bayern München und Real Madrid, das ist womöglich die größte Rivalität die der internationale Klubfußball zu bieten hat.
Nun hattest Du einige Zeit, das ganze einzuordnen. Was für Spiele erwartest Du und wo siehst Du die größten Schwachstellen bei den Bayern?
Ich glaube ich lehne mich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass Real Madrid im Hinspiel zunächst einen passiveren Ansatz verfolgen und den Fokus eher auf das Beibehalten einer sauberen Staffelung legen wird. Bei Umschalt- und Schnellangriffen erwarte ich, dass speziell die Flügelräume anvisiert werden. Einerseits ist das natürlich durch das Spielermaterial gegeben, andererseits bin ich aber auch der Meinung, dass das eine Schwachstelle der Bayern diese Saison ausnutzen könnte. Zwar sind sie gut, das Zentrum zu versperren und die Gegner auf die Flügel zu leiten, wenn sie aber erst einmal dort sind, dann verschiebt der FCB teilweise unsauber und hat infolgedessen Probleme den Ball zurückzugewinnen.
Welche Schwächen offenbarte Real Madrid zuletzt immer wieder, die den Münchnern in die Karten spielen könnten?
Die kollektive Arbeit gegen den Ball lässt die meiste Zeit zu wünschen übrig. Nicht umsonst kassiert Real Madrid unter Zidane durchschnittlich mehr als ein Tor pro Spiel. Durch die strategische Herangehensweise, mit der ich zumindest im Hinspiel rechne, sollte es jedoch möglich sein, diese Schwäche teilweise zu kaschieren. Sollte es zu einer Ausgangslage kommen, in der Real Madrid gezwungen ist Tore zu schießen, dann kann ich mir aber auch vorstellen, dass sie damit Probleme haben könnten. Die Strukturen in Ballbesitz sind nicht wirklich gut. Oft stellt sich eine U-Form ein, bei der von einem Flügel zum anderen verlagert wird, das Zentrum aber verwaist bleibt. Infolgedessen werden viele Flanken geschlagen, was aber für ein Team auf diesem Niveau nicht unbedingt die beste Herangehensweise ist, um auf konstante Art und Weise Chancen herauszuspielen.
Wenn Du dir einen Bayern-Spieler für Real aussuchen dürftest: Wer wäre es und wieso?
Manuel Neuer. Thiago, Boateng und Müller schätze ich zwar auch sehr, aber für die gibt es schon gute Alternativen im Kader. Den größten Leistungsunterschied sehe ich eindeutig auf der Torhüterposition. Neuers Timing beim Herauslaufen und seine Qualität am Ball wären meiner Meinung nach ein großes Upgrade.
Abschließend würde ich dich bitten, beide Partien zu tippen. Wer schafft es in die nächste Runde und wieso?
Selten fand ich es schwieriger, den Ausgang des Duells zu prognostizieren, aber alles in allem würde ich die Bayern als leichten Favoriten sehen. Sie haben mehr von der von Ancelotti vielzitierten Balance, weisen weniger Schwächen auf und spielen insgesamt einfach den besseren Fußball, obwohl ich den Kader von Real Madrid etwas besser einschätze.
2:1 im Hinspiel, 2:2 im Rückspiel.
Bereits in unserem Round-Up zur Auslosung hatten wir darüber berichtet, dass es das 23. Kapitel des am meisten gespielten Duells in der Königsklasse ist. Historisch gesehen gab es viele Partien, auf die es sich lohnen würde zurückzublicken.
Doch die jüngste Erinnerung dürfte für die beiden Spiele in den nächsten Tagen die größte Bedeutung haben.
Ein bisschen was hat sich bei beiden Teams getan. Reals damaliger Trainer steht nun an der Seitenlinie des FC Bayern und Zidane, einst Co-Trainer Ancelottis, verantwortet die Königlichen. Überdies haben auch die beiden Regisseure ihrer Teams, Kroos und Alonso, die Seiten gewechselt. Komplettiert wird das Ex-Klub-Spielchen durch Arjen Robben, der zwischen 2007 und 2009 in Madrid 50 Spiele absolvierte und 11 Tore erzielte.
Beide Teams können trotz personeller Veränderungen von einem Rückblick profitieren. Für Real dürfte die Marschroute sein, eine ähnlich gute Leistung abzurufen, während die Münchner Lösungen für das gegnerische Pressing entwickeln müssen.
Real dominiert und kontrolliert das Spiel ohne Ball
Guardiolas Mannschaft war in ihrer ersten Saison. Mit dem Triple im Rücken und der klaren Idee, Spiele mit dem Ball zu kontrollieren, ging es im Halbfinale gegen Ancelottis Madrid. Dieser drehte als Anpassung an einigen Schrauben und stellte auf ein extrem gut organisiertes Mittelfeldpressing um, das nur selten in ein Angriffspressing überging.
Sein 4-4-2, das gelegentlich durch ein Aufrücken Bales (bzw. im Hinspiel Isco) oder di Marias zum 4-3-3 wurde, hatte das Ziel, drei wichtige Zonen in Bayerns Spiel zu isolieren. Da waren zum einen beide Außenbahnen, die für die Münchner auch heute noch essenziell sind. Ganz wichtig waren aber die Pressingfallen im Zentrum.
Kroos und Schweinsteiger, die mit ihrem Passspiel großen Anteil am schnellen Erfolg des Guardiola-Systems hatten, sollten so früh wie möglich unter Druck gesetzt werden. In dem Wissen, dass die Bayern auf ihr Kurzpassspiel bestehen werden und eher einen riskanten Pass, als einen überbrückenden spielen würden, ging Ancelotti dort bewusstes Risiko.
Schaut man sich die Begegnung im Detail an, so wird immer wieder ein ähnliches Muster erkennbar. Die Madrilenen lenkten den Spielaufbau der Münchner, die nur eine Scheinkontrolle über das Spiel besaßen, mit Benzema und Ronaldo in vorderster Linie.
Immer wieder waren die Bayern gezwungen, Pässe in Zonen zu spielen, in denen Bale (Isco), Modric und di Maria bereits die Situation antizipiert hatten. Der Druck war schließlich oftmals zu groß, um im Mittelfeld die Kontrolle zu bekommen.
Woran es lag, dass die Bayern in beiden Partien nur selten Lösungen kreieren konnten, ist müßig zu diskutieren. Fakt ist aber auch, dass der Mythos, dass die Guardiola-Elf wegen der vielen gefährlichen Konter verloren habe, schlicht zu vereinfacht dargestellt wird.
Es ist durchaus richtig, dass der Katalane im ersten Jahr, ähnlich wie aktuell bei Manchester City, seine Probleme hatte. Konteranfälligkeit war eines, das er erst in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit weitestgehend in den Griff bekam. Das Los einer brutal offensiven Mannschaft.
Doch die Probleme des FC Bayern resultierten aus schlechten Entscheidungen und einem Positionsspiel, das Reals Pressingfallen wenig entgegensetzen konnte. Es war also nicht der viele Ballbesitz, der dem fünfmaligen Champions-League-Sieger das Genick brach, sondern die Art und Weise sowie die Sturheit, mit der dieses Konzept durchgezogen wurde.
Schaut man sich die Ära Guardiolas im Zeitraffer an, so sieht man in den Jahren 2 und 3 Entwicklungen, die der Mannschaft in den beiden Partien gegen Real Madrid fehlten. Dazu zählen die langen Bälle Boatengs, die Qualität Thiagos, mehrere Positionen im Mittelfeld gleichzeitig zu besetzen und ein Spielaufbau, der sich gut organisiertem Pressing entziehen kann.
Letztendlich waren beide Siege Reals auf ihre Art und Weise verdient. Eine reife, durchorganisierte und eingespielte Elf traf auf einen FC Bayern, der unter Guardiola noch zu viele Schwachstellen offenbarte.
Dennoch muss man auch festhalten, dass das Endergebnis von 5:0 deutlich zu hoch ausfiel.
Auf höchstem Niveau kann man taktische Prozesse zu Genüge analysieren, äußere Umstände ausklammern und sich auf Statistiken fokussieren. Aber oft wird nicht beachtet, dass jede Begegnung ihre eigene Geschichte schreibt. Bayerns Leistung war bis zu den beiden Ramos-Toren in der Allianz Arena keinesfalls eine schlechte. Danach ließ man sich jedoch gehen.
Wie wäre das Spiel wohl gelaufen, wenn die Münchner im Hinspiel das späte 1:1 durch Mario Götze erzielt hätten? Die Ausrichtung im Rückspiel wäre vermutlich eine andere gewesen. Eine ruhigere, die nicht auf ein schnelles Tor ausgelegt gewesen wäre.
Drei der fünf Tore waren Standards. Gegentreffer, die mit einer Spielphilosophie nicht zu erklären sind. In der Offensive hingegen war man nicht in der Lage, sich genügend Chancen zu erspielen. Dafür hätte es den angesprochenen Zugriff im Mittelfeld gebraucht.
Alles in allem sollte die Erfahrung von 2014 deshalb nicht zu negativ bewertet werden. Die Bayern können aus der Vergangenheit lernen und die Fehler nun, drei Jahre später, korrigieren und verbessern. Was genau es dafür braucht und wie Ancelotti seinen Ex-Klub bezwingen kann, erfahrt Ihr auf Seite 3.
Real Madrid hat sich wenig verändert. Ausrichtung, Personal und Grundidee sind im Kern gleich geblieben. Für den FC Bayern gilt es, die eigene individuelle Klasse zu forcieren, um die gegnerische einzuschränken. Doch auch taktisch ist es wichtig, einige Stärken Reals zu beachten.
Die Königlichen haben seit 2014 zwei Mal die Königsklasse gewinnen können. Nicht, weil sie den besten, schönsten und taktisch cleversten Fußball spielen, sondern, weil sie in den wichtigen Momenten da sind. Und, weil sie Sergio Ramos haben.
Gegneranalyse und Spielvorschau
Über Schlüsselspieler und Schlüsselduelle
Die Qualität der einzelnen Spieler ist riesig. Ramos, Marcelo, Kroos, Modric und Ronaldo bilden den Stamm dieser Mannschaft. Zwar ist letzterer längst nicht mehr in jedem Spiel so präsent und einflussreich wie vor einigen Jahren, aber auch Bale und Benzema bringen enorme Qualitäten mit.
Gerade Bale verbindet Dynamik, Geschwindigkeit, Physis und Torgefährlichkeit miteinander, wenngleich seine Saison nicht optimal verläuft. Mit ihm dürfte es Alaba zu tun bekommen, der sich im Vergleich zu seiner bisherigen Saison arg steigern muss.
Ein häufig unterschätzter Faktor ist dafür Marcelo. Der Brasilianer steht als Linksverteidiger nur selten im Fokus, sorgt mit seinen Vorstößen aber für eine wichtige Dynamik in Zidanes System. Er entlastet durch seine Laufwege nicht nur Ronaldo und den jeweils halblinken Achter, sondern bringt die technischen Fähigkeiten sowie die Spielintelligenz eines offensiven Mittelfeldspielers mit.
Auf Bayerns rechter Seite dürften Lahm und Robben auflaufen. Deren Rolle wird spielentscheidend sein. Zusammen mit Thiago oder Vidal, je nachdem wer gerade in der Nähe ist, müssen sie Marcelo bestenfalls in der eigenen Hälfte binden. Natürlich ist er nicht der einzige Faktor im Spiel der Madrilenen, aber ein großer, dessen Einschränkung ein Gewinn wäre.
Benzema ist vom Spielertypus Lewandowski sehr ähnlich. Er ist sogar noch etwas stärker darin, Verbindungen zu kreieren, sich der Deckung zu entziehen und seine Mitspieler, insbesondere Ronaldo, in Szene zu setzen. Die Innenverteidigung der Bayern wäre also gut beraten, sich nicht zu häufig vom Franzosen aus der Formation ziehen zu lassen. Seine Bewegungsabläufe gilt es mit reibungslosem und schnellem Übergeben zu verteidigen.
Xabi Alonso, der vermutlich auf der Sechs beginnen wird, muss deshalb zwei Sahnetage erwischen, die ihm die Reaktionsschnelligkeit aus dem Rückspiel gegen Atlético Madrid vor einigen Monaten einbringen. Am Samstag zeigte sich der Routinier in sehr guter Form. Doch er wird nicht nur auf Benzema in seinem Rücken achten müssen, sondern gemeinsam mit Thiago und Vidal die wichtigste Aufgabe angehen.
Wie im Rückblick beschrieben, musste sich der FC Bayern 2014 vor allem deshalb geschlagen geben, weil es an Mittelfeldkontrolle fehlte. Schweinsteiger und Kroos ließen sich zum Teil vom Pressing überrumpeln, wurden teilweise aber auch von ihren Mitspielern in Situationen involviert, die zwangsweise in einem Ballverlust resultieren mussten.
Das gilt es mit cleveren Positionierungen und genügend Verbindungen zu vermeiden. Zwar haben die Münchner nicht mehr Guardiolas nahezu perfektes Positionsspiel der vergangenen Saison, aber sie haben immer noch Thiago. Zusammen mit Alonso wird er das Spiel seiner Mannschaft strukturieren. Die beiden Spanier werden sich dem Pressing so entziehen müssen, dass sie, im Gegensatz zum Bayern-Mittelfeld von 2014, mehr gefährliche Bälle in das letzte Drittel bekommen.
Ein weiterer Vorteil zu damals ist die Konstellation um Vidal und Thiago. Mehrfach analysierten wir, dass die beiden das beste Pressingduo der Bundesliga, vielleicht sogar Europas bilden. Entfachen sie ihre Urgewalt gegen den Ball, wird es für Madrid um Kroos und Modric deutlich schwerer, das Spiel so zu kontrollieren wie Ancelottis Real damals.
Modric und Kroos sind jedoch auf unterschiedliche Art schwer zu verteidigen. Zum einen ist da der Kroate, der mit seinen diagonalen Dribblings Räume öffnet, die ein normaler Mensch gar nicht erkennen würde. Zum anderen gibt es den Ex-Bayern-Spieler Kroos, der von vielen Fans seiner Zeit für seine Querpässe angeprangert wurde.
Doch der Deutsche hat sich entwickelt. Während sein Nebenmann Räume mit Läufen und Dribblings öffnet, macht Kroos dasselbe mit Zuspielen, die einen Gegner innerhalb von Sekunden auseinander nehmen können. Dabei spielt er nur selten den letzten Pass. Viel mehr sind es Bälle, die die Offensive in die bestmögliche Ausgangsposition bringen.
Beide werden Thiago und Vidal vor eine Aufgabe stellen, deren Ergebnis zeigen könnte, ob sie wirklich das bestmögliche Duo gegen den Ball sind. Diese vier Spieler werden einen großen Anteil am Ausgang und Verlauf der Partien haben.
Über mannschaftstaktische Ausrichtungen und einen möglichen Spielverlauf
Wie diese beiden Teams auftreten werden, dürfte also relativ klar sein. Real Madrid wird sich ähnlich verhalten wie 2014, während die Bayern sich wahrscheinlich verändert präsentieren.
Unter Ancelotti gibt es immer wieder diese Phasen, in denen sich der Deutsche Meister zurückfallen lässt, tiefer presst und den Gegner etwas kommen lässt. Stört man in diesen Momenten Modric und Kroos dennoch in ihren Aktionen, kann das durchaus erfolgsversprechend sein. Viele Tore sind in den vergangenen Wochen auch deshalb gefallen, weil das Pressing ungleich effektiver zur Hinrunde ist.
Ist der FC Bayern aber in Ballbesitz, wird es ein ähnliches Spiel wie vor drei Jahren. Und das ist absolut nicht negativ gemeint. Die Münchner wollen immer noch mit dem Spielgerät kontrollieren.
Der gravierende Unterschied zu damals liegt tatsächlich darin, dass nun auch mal lange Bälle gespielt werden und das Münchner Spiel vertikaler geworden ist. Ein ähnliches Pressing von Real wie 2014 wäre deshalb risikoreich. Es hinterließ nämlich Lücken, die man sich nur gegen Barcelona oder die frühen Guardiola-Bayern erauben konnte, da die auf ihr Kurzpassspiel fixiert sind und waren.
Mit schnellen Kombinationen, viel Bewegung und viel Pressingresistenz ist es dennoch möglich, große Lücken hinter Kroos und Modric aufzureißen. Die Frage wird deshalb sein, ob Zidane mit Casemiro einen absichernden Defensivspieler aufstellt oder mit beispielsweise Isco einen offensiveren, der den Aufbau der Ancelotti-Elf zusätzlich stören könnte. Beide Varianten bringen ihre Vor- und Nachteile mit.
Spielt Real mit absicherndem Sechser, wird es für die Bayern schwieriger zwischen die Linien zu kommen. Ähnlich zum Rückspiel 2014. Doch dort war mit Alonso ein deutlich spielstärkerer Akteur auf dem Platz, der mit Druck besser zurecht kam als das bei Casemiro der Fall wäre.
Die offensivere Lösung würde hingegen mehr Druck nach vorne ausüben, dafür aber die angesprochenen Lücken beim Herausrücken des Mittelfelds hinterlassen. Zumal auch Ramos nicht immer Sattelfest in der Defensive erscheint.
Im Fall Ramos gibt es aber natürlich eine weitere Facette des Duells zu klären: Die Standards. Im Rückblick stellten wir fest, dass die Bayern auch deshalb verloren haben. Der FCB muss bei Ecken und Flanken hellwach sein, darf aber auch nicht zu viele Freistöße verschenken. Ramos erzielt das entscheidende Tor zur Not auch in der fünften Minute der Nachspielzeit und deshalb sollte ein Fokus der Vorbereitung auf diesen Situationen liegen bzw. gelegen haben.
Ähnlich wie die Bayern, schlägt Real Madrid gerne Flanken, wenn es spielerisch keine Lösungen gibt. In der Liga haben sie bereits 25 Treffer nach Standards erzielt und sie sind Meister darin, späte Siege zu erzwingen
Alles in allem sind zwei Spiele zu erwarten, die mehr durch die individuelle Klasse, die Mentalität und den Willen geprägt werden, als durch taktische Facetten. Für den FC Bayern gilt es das Zentrum an sich zu reißen, um von dort die Flügelspieler und Lewandowski in Szene zu setzen. Real hingegen wird organisiert, aggressiv und auf Konter bedacht agieren.
Wichtig ist für beide Teams zudem, dass die Personalsituation sehr gut aussieht. Bei den Bayern wird Hummels wegen einer Sprunggelenksverletzung ausfallen und auch bei Real Madrid sind fast alle Spieler fit. Lediglich Varane und Pepe, der am Wochenende mit doppeltem Rippenbruch ausgewechselt wurde, werden fehlen. Neben Ramos wird deshalb Nacho auflaufen, der eine starke Saison spielt, aber physisch nicht die Robustheit der anderen Verteidiger mitbringt. Vielleicht ein ganz kleiner Vorteil für Lewandowski.
Am Ende wird das Team in die nächste Runde ziehen, das die wichtigen Momente für sich entscheidet. Sei es ein Zweikampf im Mittelfeld, ein Standard oder ein glücklicher Treffer in der Nachspielzeit. Real Madrid und Bayern München ähneln sich mehr, als es in der taktischen Analyse scheint. Sie sind auch deshalb einzigartig in Europa, weil sie die Qualität haben, jede Partie zu jedem Zeitpunkt zu drehen.
Außerdem begegnen sie sich auf Augenhöhe. Fast alle Schlüsselspieler befinden sich auf ihrem Zenit und treffen somit auf allerhöchstem Niveau aufeinander. Das macht die ganze Geschichte nochmal spannender. Die Münchner gehen in der Champions League in die 23. und 24. Runde mit den Königlichen und es verspricht ein packendes Duell zu werden.
Fünf Thesen zum Hinspiel
- Der FC Bayern gewinnt die Partie.
- Lewandowski trifft.
- Arjen Robben wird an mindestens einem Treffer direkt beteiligt sein.
- Auch Real Madrid trifft.
- Es wird mindestens drei gelbe Karten geben.
Fünf Thesen zum Rückspiel
- Der FC Bayern erreicht das Halbfinale der Champions-League.
- Real trifft wieder.
- Die Münchner gewinnen das Rückspiel nicht nach 90 Minuten.
- Arjen Robben wird wieder an wenigstens einem Tor beteiligt sein.
- Ronaldo wird in beiden Spielen keinen Treffer erzielt haben.
Die BVB-Vorschau war ein Volltreffer. Alle fünf Thesen bewahrheiteten sich. Gesamt: 97/180.