Vorschau 1. Bundesliga-Spieltag: Hamburger SV
Der Hamburger SV hat sich wie kein zweiter Verein zum Stehaufmännchen der Bundesliga entwickelt. In den beiden vergangenen Saisons musste sich das Team jeweils in der Relegation sein Startrecht in Liga 1 erspielen. In der Vorsaison rettete sich der HSV erst in der letzten Relegations-Spielminute in die Verlängerung. Vier Trainer und jede Menge Geschichten im Boulevard sind Überbleibsel der Vergangenheit. Die neu implementierten Strukturen – das Modell „HSV Plus“ soll in diesem Jahr nun endlich besser greifen. Altlasten im Kader wurden radikal aussortiert. Das Portal „transfermarkt.de“ zählt 12 Zu- und 13 Abgänge im Kader der Hanseaten. Ins Alter gekommene Profis wie van der Vaart oder Heiko Westermann haben den Verein verlassen. Marcell Jansen, der ehemalige Bayernspieler, hat sogar mit 29 Jahren seine Fußballschuhe an den berühmten Nagel gehangen. Gehen durften darüber hinaus bekanntere Namen wie Behrami und Rajkovic, aber auch das hochgelobte Talent Jonathan Tah. Neu im Verein sind größtenteils Spieler mit Perspektive, wie der Österreicher Gregoritsch, der aus Bochum gekommen ist oder Albin Ekdal von Cagliari Calcio. Der Rekordtransfer ist Lewis Holtby (24) – bei ihm griff eine Klausel. Er kostet die Hamburger stolze 6,5 Mio. Euro. Ablösefrei kam zudem Emir Spahic.
Bisheriger Verlauf der Vorbereitung
Die Hamburger haben es innerhalb einer Woche geschafft, sich von einem Gewinner der Vorbereitung zu einem Verlierer-Team zu transformieren. Aber der Reihe nach. Es scheint so, als werde Bruno Labbadia seinen Ruf als Startkönig erneut gerecht (siehe positive ELO Effekte am Anfang jeder Amtszeit). Er rettete die Hamburger mit viel Glück und Geschick vor dem sicheren Abstieg und startete mit achtbaren Ergebnissen in die Saisonvorbereitung. Nach hohen Siegen gegen unterklassige Teams gelang den Hamburgern beim „Telekom Cup“ ein Achtungserfolg. Nach einem Sieg gegen Gastgeber Gladbach im Elfmeterschießen und einem 2:1 Sieg über Bayern-Bezwinger Augsburg blickten viele Hamburger Fans erwartungsvoll in die neue Saison. Erste Risse gab es bei der Generalprobe für Arminia Bielefeld. Das Team aus Ostwestfalen gewann relativ souverän gegen die Elf von Labbadia mit 2:0.
Anschließend folgten aber drei weitere Siege gegen Hessen Kassel, Aalborg BK und Hellas Verona. Am Wochenende trat das Team schließlich zum ersten Pflichtspiel in Jena an. Der Viertligist Carl Zeiss bot dabei eine überaus kämpferisch, aber auch taktisch gute Leistung und belohnte sich mit einem 3:2 Sieg nach Verlängerung. Auch der zwischenzeitliche (irreguläre) Ausgleichstreffer, sowie die Rettung in die Verlängerung in der Nachspielzeit der regulären 90 Minuten, brachten den Hamburgern keine Sicherheit. Im Gegenteil. Vieles erinnerte an ideenlose Auftritte der vergangenen Saison. Alte Probleme sind noch nicht behoben. Nach wie vor hat das Team Probleme beim Spielaufbau. Gegen Jena wurde oftmals der 10er-Raum unzureichend besetzt, was die Abstände untereinander extrem vergrößerte. Albin Ekdal wirkte noch nicht reif genug, das Team zu führen. Das gleiche gilt für Lewis Holtby. Des Weiteren hat das Team Probleme Standardsituationen zu verteidigen. Das 1:0 fiel durch einen Freistoß aus 35 Metern. Der 3:2 Siegtreffer für Jena aus einen Einwurf. Probleme hat das Team zudem beim verteidigen von individuell starken Spielern und beim Unterbinden von Kontersituationen. Hier wirkte das Abwehrduo, dieses mal Spahic und Cleber, alles andere als eingespielt. Die Versuche von Pierre-Michel Lasogga, ins Pressing zu kommen, lassen sich mit „bemüht“ noch wohlwollend umschreiben. All diese Facetten konnten beim Pokalspiel und zu großen Teilen in der abgelaufenen Saison beobachtet werden. Es gibt für den Hamburger SV noch viel zu tun, will er dieses Jahr nicht wieder gegen den Abstieg spielen.
Bruno Labbadia reagierte auf seine eigene Art und Weise auf die Niederlage in Jena und ordnete ein „Straftraining“ am Montagmorgen an. Ob das nach 120 Minuten Fußball bei fast 40 Grad die richtige Trainings- und Belastungssteuerung ist, wird sich vielleicht schon am Freitag beim Spiel gegen den FC Bayern München zeigen.
Worauf muss der FC Bayern achten?
- Eine Lehre aus der bisherigen Vorbereitung ist die eigene mangelnde Chancenverwertung. Auch im DFB Pokal gegen den FC Nöttingen ließen die Münchner einige hochkarätige Chancen aus bzw. spielten Angriffe zu umständlich zu Ende. Setzen die Hamburger erneut auf ein starres 4-4-2 in München, könnten Chancen zunächst Mangelware sein.
- Der Hamburger SV hat sich zunehmend darauf spezialisiert sein Spiel über physische Härte zu definieren. Im Vorjahr war das Team aus dem Norden mit Abstand Tabellenletzter in der Fair-Play-Wertung. 83 gelbe, 3 gelb-rote und 2 rote Karten zeugen von dieser Mentalität. Auch die beiden letzten Münchner Auftritte in Hamburg waren geprägt von überdeutlich vielen Zweikämpfen. So tat sich die Mannschaft der Bayern in der Liga äußerst schwer. Im Pokal half dann zunächst ein individueller Fehler der Hamburger.
- Die Bayern müssen im Vergleich zu den ersten beiden Pflichtspielen einen Weg finden, die defensiven Außenbahnen besser zu decken. Sowohl der Ausgleich gegen Wolfsburg als auch der Ehrentreffer für Nöttingen fielen nach Flanken über die linke Abwehrseite. Der HSV wird sicherlich versuchen diese Schwäche zu bespielen und Stoßstürmer Lasogga mit Flanken zu füttern. Obwohl die „Sahneseite“ des HSV im Vorjahr eher die eigene linke Seite, also die bayerische rechte Außenbahn war.
- Zudem muss die Elf von Pep Guardiola die individuellen Fehler der bisherigen Pflicht-, aber auch Testspiele vermeiden. Den Münchner Spiel war zuletzt deutlich anzumerken, dass die Saison noch jung ist. Gerade das Aufbau- und Kombinationsspiel litt unter vielen individuellen Fehlern. Neuzugänge wie Vidal, Kimmich und Costa müssen ins Spiel integriert werden. Die Lauf- und Passwege müssen automatisiert werden. Dieses war bisher noch nicht der Fall, was immer wieder gefährlichen Umschaltaktionen der Gegner begünstigte.
- Positives gibt es aus der Statistik-Abteilung: Seit Bestehen des Eröffnungsspiels hat der Meister noch nie verloren (zehn Siege, drei Unentschieden) und Robert Lewandowski war in seinen letzten 8 Spielen gegen den HSV an 11 Toren beteiligt (6 Tore, 5 Assists).