Vorschau: Borussia Mönchengladbach – FC Bayern München

Justin Trenner 05.12.2019

Borussia Dortmund, RB Leipzig und – natürlich! – der FC Bayern. Das dürften vor der Saison die meist genannten Antworten auf die Frage gewesen sein, wer denn in der Bundesliga-Saison 2019/20 Deutscher Meister wird.

Nach 13 Spieltagen steht nun aber Borussia Mönchengladbach an der Spitze. Ein Punkt trennt sie von Leipzig, auf die Bayern sind es vier Punkte Vorsprung und Dortmund ist bereits fünf Zähler hinter dem Spitzenreiter. Eine Überraschung? Nur bedingt.

Obwohl Dieter Hecking mit den Fohlen keinesfalls unerfolgreich war, ging allen voran Max Eberl den mutigen Schritt des Trainerwechsels. Mit Marco Rose, René Marić und Alexander Zickler gelang es ihm, ein Trio zu verpflichten, das sich bei RB Salzburg in den Fokus vieler Klubs arbeitete. Nicht mal ein halbes Jahr ist nun seit Amtsantritt vergangen und es darf die These aufgestellt werden, dass diese Entscheidung richtig war. Denn Gladbach ist zurzeit eine der interessantesten und unterhaltsamsten Mannschaften Europas.

Ballbesitz? Umschalten? Alles!

Wer vor allem die Karriere von René Marić in den letzten Jahren verfolgte, seine Texte und Tweets las, der dürfte schnell gemerkt haben, dass er sehr angetan von Pep Guardiola ist. Bei seinen bisherigen Stationen ließen sich dementsprechend viele Elemente des Katalanen beobachten, die jedoch an die jeweiligen Mannschaften angepasst wurden.

Ein klares Positionsspiel, hohes Pressing, viel Kurzpassspiel, aber auch einzelne taktische Elemente wie der in Zwischenräume ausweichende Neuner sind beispielsweise jetzt schon in Gladbach zu beobachten. In Ballbesitz prägt eine hohe Diagonalität das Spiel der Mannschaft, die oftmals nur schwer zu verteidigen ist. Gerade die vielen kleinen Läufe der Spieler wirken bereits gut aufeinander abgestimmt. Gemeinsam mit seinem Cheftrainer Marco Rose und dem gesamten Team hat er einen Fußball entwickelt, der nicht nur attraktiv, sondern auch erfolgreich zu sein scheint.

https://twitter.com/stirling_j/status/1201658458275274752

So auch in dieser Situation nach einem Einwurf. Die Seite wird verlagert und plötzlich zieht sich das Spiel der Gladbacher auf links zusammen. Freiburg schiebt nach, will dort Druck ausüben, doch wegen der vielen und gut positionierten Spieler, aber auch wegen der technischen Qualität der Einzelspieler gelingt es der Borussia, sich zu befreien. Durch das Zusammenziehen der Freiburger entstanden Räume zwischen den Linien, die anschließend stark bespielt werden. Die Spieler der Gladbacher haben stets alle Zonen im Blick und schaffen es durch kluge Läufe (gerade auch Tiefenläufe) solche Spielzüge wie diesen zu kreieren.

Die Borussia hat sich aber in allen Phasen des Fußballspiels verbessert und nicht nur in ihrer Arbeit mit dem Ball. Schnelles Umschalten in alle Richtungen und eine gut organisierte Arbeit gegen den Ball gehören zu den Faktoren, die den aktuellen Erfolg ermöglichen. Gladbach gelingt es gut, die Spielfeldmitte zu kontrollieren und den Gegner auf die Außenbahnen zu lenken, wo anschließend in kurzer Zeit Überzahlsituationen hergestellt werden. Besonders auffällig ist, wie viel handlungsschneller die Spieler im Vergleich zur letzten Saison zu sein scheinen.

Wie könnte Gladbach gegen Bayern spielen?

Die Mannschaft bewegt sich individuell aber auch als Kollektiv sehr klug. Kurze Abstände und viele Spieler in Ballnähe erlauben einerseits das Auflösen von engen Situationen und andererseits ein aggressives und druckvolles Gegenpressing bei Ballverlusten.

Raute(n) gegen die Bayern?

Gegen die Bayern könnte Gladbachs Pressing in etwa so aussehen. Unabhängig davon, ob Rose sich nun auf dem Papier für eine klassische Mittelfeldraute (4-3-1-2) entscheidet oder für das zuletzt gegen Freiburg praktizierte 4-3-3, scheint diese Formation gegen die Bayern die naheliegendste zu sein.

Eine Erkenntnis aus dem Leverkusen-Spiel der Bayern ist, dass sie es gerade in der ersten Halbzeit nicht geschafft haben, die Außenverteidiger zu unterstützen. Deshalb kam es zu Ballverlusten wie vor dem 0:1. Die Idee, das Mittelfeld aus dem Spiel zu nehmen, um ähnliche Situationen wie gegen Leverkusen zu provozieren, könnte in den Köpfen der Gladbacher ebenfalls eine Rolle spielen.

Individuelle und kollektive Klasse

Aus dem 4-3-3 vom vergangenen Woche heraus könnte einer der drei Angreifer etwas abkippen, um die Passwege auf den Sechser zu verhindern oder ihn zwischen die Innenverteidiger zu drücken. Das muss nicht zwingend Sturmspitze Breel Embolo sein, der sich aber ohnehin häufig ausweichend bewegt, also in den Zehner-Raum oder in die Halbräume kippt. So war Patrick Herrmann gegen Freiburg auch mal hinter den Spitzen zu finden. Gladbach rochiert hier viel und wechselt dementsprechend auch die Staffelung sehr flexibel.

Einer der Schlüsselspieler ist im Moment aber fraglos Embolo. Er ist nicht nur wegen seiner ausweichenden Bewegungen, sondern auch wegen seiner Tiefenläufe und ganz besonders wegen seiner Qualität mit dem Rücken zum Tor sehr wichtig für die Mannschaft. Er kann als eine Art Wandspieler ebenso funktionieren wie als Vollstrecker vorn. Hinzu kommt seine Wucht, die Gladbach gegen den Ball hilft. Mit Marcus Thuram, Alassane Pléa, Lars Stindl, Herrmann und eben Embolo ist die Auswahl vorn aber sehr groß.

Die drei tieferen Mittelfeldspieler und insbesondere die Rautenachter wären in der oben dargestellten Variante dafür verantwortlich, Bayerns Achter aus dem Spiel zu nehmen. Gelingt ihnen das so wie in der Grafik, wäre eine Reproduktion des ersten Bailey-Tores denkbar. Der wichtigste Mann im Mittelfeld der Rose-Elf dürfte aber Denis Zakaria sein, der sowohl im Spiel nach vorn, als auch in beiden Umschaltmomenten fast immer entscheidend beteiligt ist. Ihn gilt es aus dem Spiel zu nehmen, will man gegen Gladbach das Mittelfeld besser im Griff haben.

So könnte Bayern antworten

Allerdings besteht in der Raute immer auch das Risiko, dass die Abstände in den Halbräumen nach hinten oder nach vorn zu groß werden und so Räume für den Gegner entstehen. Und das wurde sowohl im 4-3-3 deutlich, wo der Mittelstürmer die Raute mit den drei Mittelfeldspielern bildet, als auch im für die Raute klassischeren 4-3-1-2. Trotzdem ist der Druck enorm, den die Gladbacher entfachen können.

Bayerns Lösungsmöglichkeiten sind vielfältig. Eine stärkere Einbindung von Manuel Neuer, um ein 4-gegen-3 in der Zentrale zu erzeugen, ist ebenso denkbar wie eine generelle Anpassung in der Formation. So könnte Benjamin Pavard bewusst tiefer und zentraler stehen, während Alphonso Davies auf der anderen Seite höher schiebt und sich ein Achter fallen lässt. Eine 3-2-Struktur im Spielaufbau könnte gut zu Gladbachs Grundausrichtung passen. Gerade dann, wenn sie mit einer Raute im Mittelfeld pressen.

Unabhängig davon, wie Gladbachs Formation gegen den Ball letztendlich aussieht, wird es Bayerns Aufgabe sein, sie mit viel Bewegung herauszufordern. Denn eines hat der bisherige Saisonverlauf auch gezeigt: Die neue Spielweise ist wegen kleinerer Fehler in Drucksituationen noch anfällig. In den Top 5 der Liga hat Gladbach die meisten Expected Goals Against1 (20,0 [fbref.com]; 19,87 [understat.com]).

Mehr Geduld, weniger Hektik

Sie haben aber eben nach den Bayern auch die meisten Expected Goals (28,5 [fbref.com]; 32,93 [understat.com]). Und deshalb wird es für die Bayern selbstverständlich wichtig sein, im eigenen Ballbesitz Risiko einzugehen und das Tempo hoch zu halten. Entscheidend ist aber, dass sie kontrolliert bleiben und keine Hektik zulassen. Gerade gegen Leverkusen gab es zu viele Situationen, in denen sie sich vom Gegner zu Vertikalität verleiten ließen, anstatt das Spiel zu beruhigen. Vor beiden Gegentoren wollten die Münchner zu viel und verloren den Ball letztendlich unter unnötigem Druck.

Für „Hansi“ Flick wird es deshalb wichtig sein, die Ruhe seiner Mannschaft am Ball, aber auch das Gefühl der Spieler dafür zu stärken, wann eine Tempoerhöhung richtig ist und wann nicht. Gladbach weiß Fehler mindestens genauso hart zu bestrafen wie Leverkusen. In Flicks Gedankenspielen könnte deshalb auch Thiago wieder eine Rolle spielen.

Bayerns Mittelfeld machte es gegen Leverkusen keinesfalls schlecht. Im Gegenteil: Kein einziges Mal haben sie sich den Ball vom Fuß nehmen lassen und gerade Goretzka überzeugte mit klugen Bewegungen und gutem Passspiel. Thiago kann dem Spiel seiner Mannschaft in Bestform aber noch einen Tick mehr geben, wenn es darum geht, ein aggressives Pressing zu bespielen. Er ist unter Druck weniger anfällig für Fehler, kann mit seinen Läufen Räume für Mitspieler öffnen und selbst durch Pässe für Raumgewinne sorgen. Gegen den Ball ist sein Niveau ebenfalls sehr hoch, wenngleich Flicks Argumente für Goretzka und Thomas Müller hier überzeugend sind. Gemeinsam mit Kimmich könnte Thiago für den Trainer aber vielleicht das entscheidende Puzzleteil sein, um Gladbachs Pressing aufzulösen und noch mehr Sicherheit ins Spiel zu kriegen.

Ein Fußballfest für alle

Ob es mit Thiago gegen Leverkusen noch besser gelaufen wäre, bleibt aber eine Mutmaßung. Denn die Bayern haben sehr viel richtig gemacht. Und wenn dieses Spiel schon unterhaltsam war, dürfte das Gastspiel bei der Borussia nochmal mehr versprechen. Zwei Teams, die nicht nur selbst agieren wollen und offensiv denken, sondern auch in der Lage sind, den Gegner ohne Ball zu lenken.

Aber eben auch zwei, die nicht fehlerfrei spielen. Einerseits Gladbach, die nach so kurzer Zeit längst nicht da sein können, wo das Trainerteam sie haben möchte (was ob der Erfolge beeindruckend genug ist) und andererseits die Bayern, die nach einer komplizierten Phase im Herbst ebenfalls einen anderen Fußball spielen als zuvor, aber längst noch nicht ihre beste Leistung abrufen.

Gladbach konnte bisher zwar noch keinen Sieg gegen eine Mannschaft aus den Top 5 holen, doch sie werden der größte Gradmesser sein, den die Bayern bisher hatten. Am Niederrhein fangen die ersten Menschen bereits an, groß zu träumen. Gewinnen sie am Wochenende gegen den Rekordmeister, werden noch ein paar weitere dazu kommen. Der FC Bayern wird wiederum zeigen wollen, dass diese Träume nicht zur Realität werden. Und allein diese Konstellation verspricht ein Fußballfest für alle.

1 Expected Goals ist eine Metrik, die versucht Qualität von Torabschlüssen zu messen, indem sie jedem Abschluss eine Wahrscheinlichkeit zuordnet. Die Modelle funktionieren jeweils unterschiedlich, weshalb es zu starken Abweichungen zwischen ihnen kommen kann. Im Verbund mit anderen Statistiken und dem subjektiven Eindruck können sie aber eine Annäherung an Objektivität ermöglichen.

Vorschau-Tippspiel

Im Vorschau-Tippspiel tippe ich den gesamten Bundesliga-Spieltag. In unserer Kicktipp-Gruppe könnt ihr euch mit mir und allen anderen messen. Der oder die GewinnerIn der Kicktipp-Runde bekommt von mir ein signiertes Exemplar Generation Lahmsteiger.

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Spieltagssieger

Klaus und ThomasK sind Spieltagssieger. Hier die Top 5:

  1. Beltiboy – 169 Punkte (0 Spieltagssiege)
  2. Edlan – 168 Punkte (0 Spieltagssiege)
  3. Isarläufer – 168 Punkte (0 Spieltagssiege)
  4. Dominik – 167 Punkte (0,33 Spieltagssiege)
  5. Olorin – 167 Punkte (0,33 Spieltagssiege)

Lahmsteiger: Platz 59 – 144 Punkte (0 Spieltagssiege)

So läuft es gegen Gladbach …

Es wird ein tolles und packendes Fußballspiel mit Chancen auf beiden Seiten. Die Bayern werden letztendlich, was Expected Goals und Spielanteile angeht, einen leichten Vorteil haben. Gladbach wird sich jedoch sehr gut präsentieren und die Bayern auf sehr hohem Niveau herausfordern. Am Ende steht ein knapper 2:1-Auswärtssieg für die Bayern, der aber auch gut ein 2:2 hätte sein können.

So könnte Bayern spielen …

4-3-3: Neuer – Pavard, Martínez, Alaba, Davies – Kimmich – Goretzka, Müller – Gnabry, Lewandowski, Coman

Es fehlen: Hernández, Süle, Arp

So läuft der Spieltag …

Frankfurt 1:1 Hertha
Augsburg 2:1 Mainz
Dortmund 3:1 Düsseldorf
Freiburg 2:1 Wolfsburg
Leipzig 3:1 Hoffenheim
Gladbach 1:2 Bayern
Leverkusen 1:2 Schalke
Union 2:1 Köln
Bremen 2:1 Paderborn



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