Vorschau: FC Schalke 04 – FC Bayern München

Justin Trenner 21.09.2018

Dort wartet ein Gegner, der die Euphorie der Vizemeisterschaft nicht in die neue Saison bringen konnte. Oder war es zu viel Euphorie? In der Bundesliga steht Schalke nach drei Spielen auf dem vorletzten Tabellenplatz. Klingt nach einem gefundenen Fressen für den FC Bayern, oder?

Tedescos zweites Jahr

Am Dienstag wollte Schalke dann den ersten Schritt in die richtige Richtung machen. Zu Gast war der FC Porto. Ein Gegner der Fußball spielen kann und will. Endlich eine Mannschaft, die Schalke wieder etwas mehr in die Karten spielen könnte. Keinem war Anspannung und Motivation so sehr anzumerken wie Domenico Tedesco. Auch für den Trainer ist es eine wichtige Saison.

An der Seitenlinie ist der 33-Jährige immer sehr aktiv. Auch gegen Porto gab er Anweisungen, versuchte in jeder Szene Einfluss auf Mannschaft und die Schiedsrichter zu nehmen. Schalke kämpfte, Schalke rannte, Schalke versuchte, alles reinzuwerfen, um hinten nichts anbrennen zu lassen. Es war keine Augenweide, doch allein in der defensiven Ordnung ein erster Fortschritt.

Mitte der ersten Halbzeit gewinnt Tedescos Mannschaft an der Seitenlinie einen nicht allzu bedeutenden Zweikampf. Tedesco applaudiert wild, läuft entschlossen in Richtung Offensive und will seine Spieler mitnehmen. Doch den Einwurf kriegt der FC Porto. Tedesco bleibt stehen, sieht den Linienrichter ungläubig und grimmig an. Sein Gesicht sagt mehr als alle Worte, die er an diesem Abend noch äußern wird.

Schalke hat dieser Tage auch mit den äußeren Faktoren zu kämpfen. Unglückliche Schiedsrichterentscheidungen erschweren den Saisonstart, der schon aufgrund der internen Faktoren kompliziert genug ist. Gegen Porto hagelt es wieder zwei umstrittene Elfmeter gegen sie. Am Ende reicht es nur zu einem 1:1.

Während der letzten Saison wurde Tedesco mit vielen Vorschusslorbeeren geschmückt. Seine Mannschaft stellte nach Bayern und Stuttgart die beste Defensive der Liga – 37 Gegentore sind tatsächlich ein ordentlicher Wert. Meist verschob Schalke im 5-3-2, 5-2-3 oder 5-4-1 sehr Kompakt. Spielsituation und Gegner entschieden darüber, für welche Raumaufteilung Tedesco sich entschied und wann seine Spieler ins Pressing gehen sollten.

Es kommt ihm auf die Umschaltmomente an. Dort soll Schalke möglichst schnelle und richtige Entscheidungen treffen, in wenigen Sekunden Vorteile herausspielen. Er wird nicht müde, zu betonen, dass es im Pressing auf den richtigen Moment ankommt.

Im Interview mit Spielverlagerung.de stellte er folgende Fragen dafür in den Mittelpunkt: „Was ist der Pressingauslöser? Welche Bälle vom Gegner sind als Pressingsignal wahrzunehmen?“ Es gäbe zwar auch allgemeine Auslöser, „aber das variiert schon stark von Gegner zu Gegner“, so Tedesco.

Während der ersten Pflichtspiele stimmten die Pressingmomente häufig nicht. Tedescos Bemühungen an der Seitenlinie haben sich gefühlt nochmal vervielfacht. Immer wieder gibt er lautstarke Anweisungen, damit sein Team die Ordnung hält. Zu häufig gehen einzelne Spieler ins Pressing, obwohl der Auslöser aus Sicht des Trainers nicht gegeben war. Das Timing ist spürbar schlechter als im Vorjahr.

Spannend ist zudem, dass Schalke in dieser Saison deutlich effektiver mit den eigenen Schwächen konfrontiert wird. Bisher hatte die Mannschaft große Probleme damit, das Spiel selbst zu gestalten.

Gerade auf der Sechserposition und im Spielaufbau hat Königsblau große Schwierigkeiten. Oft sind die Abstände riesig, das Mittelfeld nicht gut besetzt und so kommt es vor, dass der Ball minutenlang ohne Raumgewinn in den eigenen Reihen bleibt.

Rudy soll dort in Zukunft Abhilfe schaffen. Der Neuzugang vom FC Bayern hat die Möglichkeit, sich als wichtiges Bindeglied und kreativer Spielmacher aus der Tiefe zu beweisen. Bisher gelang es ihm noch nicht, doch die Umstellung vom bayrischen Positionsspiel auf Tedescos Fußball ist nicht einfach. Zumal die Gegner sich auch auf den neuen Rudy-Fokus einstellen konnten.

Fakt ist, dass Tedesco sich nun als der Taktiktüftler beweisen muss, der in der Öffentlichkeit gerne dargestellt wird. Die Vorschusslorbeeren hat er sich mit einer starken Defensivtaktik verdient. Jetzt muss seine Mannschaft aber den nächsten Schritt gehen und sich in Ballbesitz weiterentwickeln. Die beiden Umschaltmomente sind viel wert. Doch wenn der Gegner kein Interesse daran hat, den Schalkern mit Offensivfußball in die Karten zu spielen, dann braucht es kreative Alternativen.

Für Spielgestalter Rudy wird er Lösungen finden müssen. In Hoffenheim war er damals der Taktgeber, den Bayern nur kurze Zeit bestaunen konnte und den Schalke jetzt braucht. Beim Rekordmeister verlor er seine Qualitäten auch deshalb, weil er nicht seinen Stärken entsprechend eingebunden wurde. Rudy braucht eine passende Rolle für sich mehr als viele andere Spieler.

Tedesco ist ein junger Trainer und zeigte sich bisher als kritikfähig. Das könnte ihm helfen, Schalke erneut zu stabilisieren. Er geht jetzt in seine zweite Saison. Wie erfolgreich diese wird, hängt vor allem davon ab, wie schnell er seine eigenen Vorstellungen hinterfragen und erweitern kann. Nur mit Defensivfußball wird er in den kommenden Monaten nicht mehr so erfolgreich sein wie im ersten Jahr.

Tedesco ist derzeit oft unzufrieden, wenn seine Mannschaft ins Pressing geht.
(Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

FC Bayern: Keine Zeit für Freude

Beim FC Bayern feierte man am Mittwoch ausgelassen den nächsten Sieg – im Vergleich zu Schalke ist das eine andere Welt. Auch den Neuzugang mit der Nummer 35 ließ man ordentlich hochleben. Renato Sanches scheint seine erste Saison in München mittlerweile entsorgt zu haben. Es ist ein Neuanfang für ihn. Mit neuem Selbstbewusstsein wagt er seinen zweiten Anlauf, der am Mittwochabend mit seinem ersten Startelfeinsatz der Saison begann.

Sanches überzeugte. Er traf sogar und genoss die Reaktionen von allen Seiten sichtlich. Nicht nur Mitspieler und Trainer überschütteten ihn mit Zärtlichkeiten, auch das sensible Publikum in Lissabon applaudierte für den ehemaligen Benfica-Spieler.

Doch damit musste am Donnerstag schon wieder Schluss sein. In München hat man keine Zeit, sich großartig über Teilerfolge zu freuen. „Du gewinnst beim FC Bayern nicht, damit du dich über den Sieg freuen kannst, sondern damit du am Sonntag deine Ruhe hast“, sagte Müller im Gespräch mit The Players‘ Tribune.

Noch ist nichts erreicht. Der Rekordmeister ist souverän in die Saison gestartet – das ist die unaufgeregte Meldung der ersten Kovač-Wochen, die eigentlich nicht überraschen sollte.

Und doch ist in München deutlich zu spüren, dass es einen Hauch von Zufriedenheit gibt. Kovač rotiert in seiner ersten englischen Woche durch, trifft dabei viele richtige Entscheidungen. Ohne Thiago stand in Lissabon die große Frage im Raum, ob der FC Bayern spielerisch genug entgegensetzen würde.

Das gelang. Wie Sanches im Zusammenspiel mit James und Martínez für Kontrolle sorgte, war bemerkenswert. Hier und da fehlte die letzte Schärfe in den Aktionen der Bayern, doch insgesamt wirkte das alles sehr durchdacht, geplant und gewollt. Positionsspiel und Struktur sind erkennbar, die Ballzirkulation sah in vielen Phasen richtig gut aus. Auch weil die Mannschaft sich gegenseitig unterstützt, Dreiecke bildet und die Halbräume so stark überlädt wie in den besten Zeiten.

Doch es gibt auch andere Phasen. Dann wirken die Münchner etwas unkonzentrierter, spielen leichte Fehlpässe. Das kann und darf nicht ignoriert werden. Dafür sind die Ansprüche zu groß. Nicht immer kann die individuelle Klasse solche engen Situationen retten.

Welcher Ansatz gegen Schalke?

Gegen Benfica sah man einen weiteren Ansatz, der für die Zukunft sehr spannend sein dürfte. Bayern spielte durchaus viel auf Ballbesitz. In den längeren Phasen mit Ball war man auch immer in der Lage, das Tempo zu verschärfen und Gefahr zu erzeugen. So entstanden die meisten Chancen sowie die beiden Tore – in bester Guardiola-Manier.

Doch in vielen Phasen ließ sich der FC Bayern auch mal tiefer fallen. Unter Ancelotti gab es solche Momente ebenfalls zu beobachten. Dies war aber stets mit einem Kontrollverlust verbunden. Die Münchner schafften es nicht, den Gegner ohne Ball zu kontrollieren und zitterten sich so von Aktion zu Aktion. War der FCB nicht in Ballbesitz, gab es ständig das Gefühl, dass jeden Moment ein Gegentor fällt.

Dieses Gefühl gab es in Lissabon nur zwischen der 27. und der 32. Minute. Benfica kam dort einmal sehr gefährlich vor Neuers Tor. Sonst stand die Mannschaft aber sehr stabil und sicher. Dominanz mit und ohne Ball wechselten sich ab und immer war man Herr der Lage.

Will man das auch in Duellen mit größeren Mannschaften sein, braucht es noch mehr Präzision und Konzentration – vor allem in Ballbesitz muss das Spiel noch dominanter und kontrollierter werden. Doch die Ansätze sehen gut aus. Kovač hinterlässt ganz klar eine Handschrift, die zu Recht Vorfreude auslöst.

Gegen Schalke wird es vor allem auf die eigene Ballzirkulation ankommen. Die Tedesco-Elf wird auch mal ein etwas höheres Mittelfeldpressing wagen, sich größtenteils aber mit einer tiefen Fünferkette an den eigenen Sechzehner stellen, um dann auf Konter zu lauern. Dort fühlt sie sich weiterhin am wohlsten. Kovač wird diesmal Lösungen gegen eine Fünferkette finden müssen, die die sonst fokussierten Halbräume durchaus effektiver zustellen kann als eine Viererkette.

Schalke mag aktuell nicht so erfolgreich sein, doch das Spiel gegen die Bayern spielt ihnen zum jetzigen Zeitpunkt in die Karten. Für die Bayern kommt es am Samstagabend auf Ruhe, Tempo, Kontrolle und eine gute Konterabsicherung an. Sollte das alles passen, schaut Tedesco vielleicht wieder so grimmig wie am Dienstagabend, als er den Linienrichter am liebsten mit seinen Blicken aus dem Stadion befördert hätte. Denn dann hat kaum eine Mannschaft auf der Welt eine Chance gegen diesen FC Bayern.

Das Thesen-Duell

Die Regeln findet ihr hier. Die Zahl für These 3 wurde diesmal von Justin gewählt. Kurzfristige Änderungen sind bis zum Spieltag noch möglich.

Ergebnis des letzten Spieltags: Justin 1,8 : 3,4 Fatbardh

Zwischenstand insgesamt: Justin 16,6 : 12 Fatbardh

Justins Tipps

  1. Torschütze: Robert Lewandowski
  2. Freie These: Schalke trifft nicht.
  3. Über/Unter 2,5: Über!
  4. Aufstellung: Neuer – Kimmich, Süle, Hummels, Alaba – Thiago – Goretzka, Müller – James, Lewandowski, Ribéry

Fatbardhs Tipps

  1. Torschütze: Robert Lewandowski
  2. Freie These: Goretzka sammelt einen Scorerpunkt.
  3. Über/Unter 2,5: Über!
  4. Aufstellung: Neuer, Kimmich, Boateng, Süle, Alaba, Thiago, Goretzka, Müller, Robben, Lewandowski, Gnabry