Vorschau: FC Bayern München – Eintracht Frankfurt im Pokalfinale

Justin Trenner 17.05.2018

Bekanntes Szenario für Jupp Heynckes

Er kennt dieses Gefühl. Am 1.6.2013 hat er genau dieses Szenario schon mal erlebt. Der damals 68-Jährige hatte das Ende seiner Karriere bereits lange Zeit vorher verkündet. Seine Mannschaft opferte sich für ihn auf, und holte neben der Bundesliga auch die Champions League. Eigentlich schon der Höhepunkt aller Gefühle.

Doch da stand ein weiteres Spiel auf dem Plan. Der VfB Stuttgart forderte Heynckes zum aller letzten Tanz heraus. Zwischen dem Triumph in der Königsklasse und diesem Spiel kritisierte das Trainerteam die lasche Einstellung der Mannschaft. Man war nicht zufrieden.

Was für Außenstehende merkwürdig wirkte, ist vielleicht ein Charakterzug, der den großen Erfolg von Jupp Heynckes und Peter Hermann erklärt. Sie fordern viel von ihren Mannschaften. Fast schon perfektionistisch achtet das Duo auf die kleinsten Details. Sei dies taktischer oder aber zwischenmenschlicher Natur. In einem Moment, in dem das Team unaufhaltbar schien, und sie abzuheben drohten, äußerten Heynckes und Hermann ihre Unzufriedenheit darüber. Deutlich. Es drohte ein böses Erwachen, wenn der Fokus nicht zurückkommen würde.

Sie erinnerten den großen FC Bayern daran, dass in wenigen Tagen Geschichte geschrieben werden könnte, und die Chance vermutlich nie wieder größer sein würde. Die Spieler verstanden, und wussten sich ausreichend zu fokussieren. Nach einer Stunde stand es 3:0. Just in diesem Moment schien sich die Prophezeiung der Trainer aber zu bewahrheiten.

Der Kopf war schon bei der Party danach, die Beine wurden geschont und Stuttgart kam zurück in die Partie. Letztendlich stand dennoch der knappe und etwas glückliche 3:2-Erfolg. Heynckes hatte den Triple-Thron erklommen. Seine Mannschaft feierte in der Berliner Ostkurve, als gäbe es kein Morgen mehr.

Der Trainer selbst war hingegen im Tunnel. Wie einst Beckenbauer schritt er über das weite Grün, und saugte jede Emotion spürbar auf. Er ging zu Peter Hermann, drückte ihn innig, und beobachtete die Party seiner Spieler. Bis die Fans ihren Jupp sehen wollten, und sein Name lautstark durchs Olympiastadion hallte. Dann ging auch er aus sich heraus. Die Mannschaft schmiss ihren Trainer in die Luft. Bilder, die bis heute unvergesslich bleiben, und Gänsehaut erzeugen. Eine Heldengeschichte, die man nicht besser hätte schreiben können.

Jupp Heynckes und sein Trainerteam feiern den Pokalsieg 2013 gegen Stuttgart.
(Foto: Christof Koepsel / Bongarts / Getty Images)

Wenn da nicht dieser verdammte Plottwist wäre. Am 19. Mai wird Jupp Heynckes nämlich wieder zum letzten Mal den Berliner Rasen betreten. Weil er Uli Hoeneß einen Freundschaftsdienst versprach, als Erfolge wie dieses Finale in weiter Ferne schienen. Die Kameras werden ihn nun aber erneut ein letztes Mal jagen, und hoffentlich wird er zum letzten Mal dieses goldene Ding in den Nachthimmel hieven. Ein Wahnsinn, dass der Mann schon wieder an diesem Punkt ist. Noch vor einigen Monaten war diese Situation schwer vorstellbar. Jetzt ist sie greifbar nah.

Gibt es die K.O.-vacn für die Bayern?

Doch auf der anderen Seite gibt es ein Team, das diese Wiederholung verhindern möchte. Freilich ist die Situation auch für den FC Bayern eine etwas andere. 2013 ging es darum, Geschichte zu schreiben. Das Triple, das Louis van Gaal 2010 noch knapp verwehrt blieb, musste er gegen Stuttgart klar machen. Auch für ihn persönlich ein gewisser Erfolgsdruck.

Diesmal kann Heynckes absolut nichts mehr verlieren. Selbst bei einer Niederlage hätte der FC Bayern kein Argument mehr, seinem Trainer eine Statue an der Säbener Straße zu verwehren. Trotzdem ist die Situation ähnlich. Heynckes war auch in dieser Woche nicht hundertprozentig zufrieden. Eine 1:4-Niederlage gegen den VfB Stuttgart war der denkbar schlechteste Abschied aus der Bundesliga. Sein Team dürfte dies unter der Woche zu spüren bekommen haben.

Auch wenn Bayern mit einigen Amateuren im Team dafür sorgte, dass Frankfurt vor kurzer Zeit in der Allianz Arena unterging, so ist die Situation am Samstagabend eine völlig andere. Die SGE wird in der Endphase der Saison unterschätzt. Zwar spricht die Bilanz der letzten Wochen nicht unbedingt für die Hessen, doch an guten Tagen sind sie eine gefährliche Mannschaft.

Das zeigte sich auch im Hinspiel der Bundesliga, als die Bayern spätestens in der zweiten Halbzeit die Kontrolle gänzlich verloren. Frankfurt kann gut, aber vor allem variabel verteidigen. Sie verschieben schnell, decken viele Zonen des Spielfelds in tieferer Formation ab, pressen in den richtigen Momenten aber auch mal höher, ohne die Kompaktheit zu verlieren.

Haben die Bayern nicht die nötige Konzentration und Haltung, droht die K.O.-vacn durch den zukünftigen Trainer. Auch der hat seine Ziele. Vermeintlicher Autoritätsverlust durch die Bekanntgabe seines Wechsels sowie die Zukunft spielen nicht mal eine kleine Rolle. Die Eintracht will diesen Pokal nach der Erfahrung im vergangenen Jahr nun endlich nach Frankfurt bringen.

Bei den Münchnern müssen deshalb von Beginn an Passschärfe, Passgenauigkeit und Positionsspiel stimmen. Die drei großen P, wenn man so will. Wie das aussehen kann, erklären wir in einer Videoanalyse, die taktisch etwas tiefer ins Detail geht:

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Jupp Heynckes, Trainergott!

Taktik, Emotionalität, besondere Geschichten, Brisanz, ein goldener Pokal, ein volles Stadion – der Pokalabend bringt alles mit. Es ist angerichtet. Die Jupp-Heynckes-Abschiedstour, die nach der großen Begeisterung im Jahr 2013 nun nochmal eine Ehrenrunde dreht, wird wirklich zu Ende gehen. Wirklich! Auch der Bayern-Vorstand hat dies mittlerweile realisiert.

Und wenn der Schiedsrichter dann am Samstagabend in Berlin ein letztes Mal in die Pfeife pustet, wird der Protagonist seiner eigenen Heldengeschichte hoffentlich ein letztes Mal die Arme in die Luft reißen. Ein letztes Mal würde er dann die Möglichkeit bekommen, gemeinsam mit Peter Hermann und seinem Trainerteam über den Rasen zu schleichen, seine feiernde Mannschaft zu beobachten und wenig später den Pokal in den Berliner Nachthimmel zu hieven.

Bis aus der Ostkurve die unmissverständliche Forderung nach seiner Person kommt. Dann wird Jupp Heynckes sich ein letztes Mal in die Luft schmeißen lassen, bevor er als größter Bayern-Trainer der bisherigen Vereinsgeschichte in den diesmal endgültigen Ruhestand gehen kann. Am Ende dieser Heldengeschichte sollte stehen, dass der Klub seiner Legende die längst fällige Statue gebaut hat. Mit der Aufschrift: „Jupp Heynckes, Trainergott!“

Die kann er dann selbst tagtäglich bestaunen, wenn er – wie von Thomas Müller bereits angedeutet – im Oktober zurückkehrt. Verdammte Plottwists.