Vorschau: Hertha BSC – FC Bayern München

Justin Trenner 27.09.2018

Wenn der Rekordmeister in der Hauptstadt zu Gast ist, ist das Olympiastadion meistens ausverkauft. Es ist einer dieser wenigen Tage der Saison, in der Hertha vor einer wirklich beeindruckenden Kulisse spielt.

Für den FC Bayern sind diese Gastauftritte nicht selten unangenehm. Meistens mussten sie ihre Reise im Februar oder März antreten – bei bitterkalten Temperaturen, denn so will es das Gesetz. Wohfühltemperaturen gibt es nicht, wenn Bayern auswärts bei der alten Dame spielt.

Und dann hat Hertha unter Pál Dárdai in den letzten Jahren auch noch eine Grundaggressivität entwickelt, die es jedem Gegner erschwert, Punkte aus Berlin mitzunehmen. Eine Reise nach Berlin ist deshalb nichts für Schönwetter-Fußballer.

Hertha und der nächste Schritt

Und doch ist die saisonübergreifende Saisonbilanz der Herthaner im heimischen Olympiastadion nicht allzu rosig. Nach dem 2:2 gegen den FC Bayern im vergangenen Jahr gab es 6 Siege, 6 Unentschieden und 6 Niederlagen in Pflichtheimspielen. Das lag nicht zuletzt an einer sehr durchwachsenen Rückrunde.

In der neuen, noch sehr jungen Saison gab es immerhin zwei Siege gegen Nürnberg und Gladbach. Gerade gegen die Borussia wusste Hertha zu überzeugen. Oft als graue Maus verschmäht, weil sie zu selten spielerisch überzeugen konnte, zeigte die Mannschaft von Dárdai erste Fortschritte im Vergleich zu den letzten Jahren.

Das Problem, dass Hertha aus dem eigenen Spielaufbau heraus keine gefährlichen Torszenen herausspielen kann, scheint sich vor allem durch die Neuzugänge beheben zu lassen. Als Hauptursache wurde dabei das zentrale Mittelfeld ausgemacht. Hier schafften es die Berliner in der Vergangenheit viel zu selten, Anspielstationen zu kreieren und den Spielaufbau auch mal über das Zentrum laufen zu lassen. Meist gingen die Bälle schnell auf die Außenbahnen, wo dann Einzelaktionen oder Flanken das Mittel waren. Das war mitunter zu berechenbar.

Neuzugang Marko Grujic schien dem zuletzt Abhilfe zu schaffen. Gerade gegen Gladbach wusste die Leihgabe vom FC Liverpool mit seinen technischen Fähigkeiten und klugen Laufwegen zu überzeugen. Gemeinsam mit Arne Maier sorgte er im Zentrum nicht nur für Stabilität, sondern auch für mehr Anspielstationen zwischen den Ketten des Gegners. Das verstärkte die Ballzirkulation der Berliner und brachte zudem auch endlich mal etwas Risiko in den Spielaufbau.

Statt immer nur quer zu spielen, bekam man endlich Tempo und Vertikalität ins eigene Spiel. Das liegt auch an Ondrej Duda, der auf der Zehn nicht nur die Zwischenlinienräume gut besetzt, sondern mit seinen Vorstößen Ibisevic zu unterstützen weiß.

Insgesamt hat sich das Zentrum der Hertha also vor allem technisch deutlich weiterentwickelt. Doch nun ist Grujic erstmal verletzt. Das bedeutet, dass Dárdai Lösungen finden muss, die den tieferen Maier und den offensiven Duda verbinden. Mit Lustenberger funktionierte das in Bremen nicht allzu gut und so wurde das höhere Risiko von einer ebenfalls spielstarken Mannschaft bestraft.

Doch wenn der Spielaufbau über das Zentrum nicht funktioniert, hat Dárdai noch zwei weitere Waffen. Auf den beiden Außenbahnen wirbeln derzeit Lazaro (nomineller Rechtsverteidiger) und Dolrosun (Linksaußen). Beide sind schnell, dribbelstark und nur schwer aufzuhalten. Gerade Lazaro sorgte mit seinen diagonalen Dribblings aus der Tiefe häufig für Gefahr, wenn der eigene Spielaufbau nicht in die Gänge kam.

Auch gegen die Bayern wird die alte Dame versuchen, in solche Dribblings zu kommen und sich Platz zu verschaffen. Bereits in den vergangenen Duellen gelang es Hertha, das Zentrum kompakt zu gestalten und mit Kontern Nadelstiche zu setzen. Ähnlich wird es auch diesmal wieder sein.

Beim letzten Auftritt in Berlin gab es bis auf ein Fahnenmeer der Fans wenig zu bestaunen.
(Eigenes Foto)

Nach Augsburg die richtigen Schlüsse ziehen

Umso wichtiger ist es für den FC Bayern, dass das eigene Passspiel sicherer ist als noch gegen den FC Augsburg. Dort fehlte dem Rekordmeister ein Ankerspieler auf der Sechs. Martínez zeigte seine üblichen Schwächen im Spielaufbau und verschwand häufig im Deckungsschatten. In Berlin dürfte deshalb Thiago auf den Platz zurückkehren.

Mit ihm hat Bayern die notwendigen Mittel, um zwischen die engen Viererketten der Berliner zu spielen. Auf den Achterpositionen ist zudem mit James zu rechnen, der zuletzt stark aufspielte. Allein diese Achse sollte ausreichen, um Hertha vor Probleme zu stellen.

Aus der Partie am Dienstagabend sollte Kovač nicht zu viele negative Schlüsse ziehen. Seine grundsätzliche Idee, vor den schweren Duellen mit Hertha und Ajax zu rotieren, war richtig. Vielleicht sollte er in Zukunft aber mehr darauf achten, im Mittelfeld wenigstens einen strategischen Fixpunkt zu haben, der den Spielaufbau im Mittelfeld verstärkt.

Das hätte gegen Augsburg beispielsweise passieren können, indem Kimmich bei Ballbesitz einrückt und Martínez sich zwischen die Innenverteidiger fallen lässt. Vor allem sollte Kovač aber mitnehmen, dass seine Wechsel einen entscheidenden Einfluss auf die Partie hatten.

Ribéry konnte dem Bayern-Spiel nicht mehr so helfen, wie es Gnabry tat. Ohnehin war es etwas unverständlich, wieso Gnabry, der zuletzt wenig spielte, so früh vom Platz musste. Vielleicht liebäugelt Kovač sogar mit einem Einsatz in Berlin.

Auch durch die Auswechslung Wagners sendete Kovač möglicherweise ein falsches Signal. Doch all das zählt zum Entwicklungsprozess, den Mannschaft und Trainer gehen müssen. Die Rotation wegen eines schlechten Resultats in Frage zu stellen, wäre der falsche Ansatz. Bayern wird noch mehrere Spiele in dieser Saison haben, in denen Kovač Kompromisse eingehen muss. Das gehört ebenso dazu wie der eine oder andere Punktverlust.

Gegen Hertha muss Kovač die Stabilität zurückbringen. Das gelingt nur, wenn seine Mannschaft in allen Spielphasen die Kontrolle behält. Auf Patreon haben wir am Mittwoch in unserer Kolumne erklärt, wie Mannschaften in Ballbesitz, den Umschaltmomenten und ohne Ball das Spiel kontrollieren können. Kovač kann diese Phasen ausbalancieren und Schwächen der Berliner ausnutzen.

Herthas Lazaro mag in der Offensive sehr talentiert und gefährlich sein, doch durch seine Vorstöße ergeben sich auch Räume. Der gelernte Flügelstürmer lässt sich hier und da noch überrumpeln. Auch das spräche für einen Einsatz von Serge Gnabry, der, anders als Ribéry, zuletzt mit Durchschlagskraft und Zielstrebigkeit überzeugte.

Schon in Berlin kann der FC Bayern wieder auf die Erfolgsspur kommen. Pünktlich zum Gastauftritt der Bayern wird es in Berlin und Brandenburg etwas kühler – so will es eben das Gesetz. Doch mit erwarteten 11 Grad am Abend ist immerhin nicht mit bitterkalten Temperaturen zu rechnen.

Dárdai wird seine Mannschaft aber auf Betriebstemperatur bringen und so erwartet die Münchner erneut ein aggressiver, kompakter und diesmal vielleicht sogar spielstarker Gegner. Es könnte nach einem Rückschlag einfachere Aufgaben geben, um weitere Punktverluste zu vermeiden.

Blog-Empfehlung: Hertha BASE 1892 beschäftigt sich mit sehr viel Herzblut umfassend mit der alten Dame. Auch dort werdet ihr spätestens am Freitag eine Vorschau finden, die euch nochmal eine andere Perspektive gibt. Schaut vorbei.

Das Thesen-Duell

Die Regeln findet ihr hier. Die Zahl für These 3 wurde diesmal von Justin gewählt. Kurzfristige Änderungen sind bis zum Spieltag noch möglich.

Ergebnis des letzten Spieltags: Justin 2,4 : 2,2 Fatbardh

Zwischenstand insgesamt: Justin 23,0 : 16,6 Fatbardh

Justins Tipps

  1. Torschütze: Robert Lewandowski
  2. Freie These: Hertha trifft.
  3. Über/Unter 2,5: Über!
  4. Aufstellung: Neuer – Kimmich, Boateng, Hummels, Alaba – Thiago – James, Müller – Robben, Lewandowski, Gnabry

Fatbardhs Tipps

  1. Torschütze: Robert Lewandowski
  2. Freie These: Bayern trifft nach einem Standard.
  3. Über/Unter 2,5: Über!
  4. Aufstellung: Neuer, Kimmich, Boateng, Hummels, Alaba, Thiago, James, Sanches, Robben, Lewandowski, Gnabry