Bundesliga Saison­vorschau III: Die Spitzenteams

Justin Trenner 20.08.2018

Seven up? Schreibt der FC Bayern München weiter Geschichte? Holen sie wirklich den siebten Titel in Folge? Wir checken die Voraussetzungen der fünf Klubs, die dem Rekordmeister am ehesten gefährlich werden könnten.

Der erste Teil beschäftigte sich mit dem Kampf um den Klassenerhalt. Im zweiten Teil ging es eher ums Mittelfeld der Liga. Diesmal geht es ums große Geld, die besten Platzierungen und den Bundesliga-Titel.

RB Leipzig

Kann Rangnick noch modern?

Oliver Mintzlaff, Geschäftsführer von RB Leipzig, betont dieser Tage, dass es kein Übergangsjahr geben soll. Der Ehrgeiz sei dafür zu hoch, die Möglichkeiten zu gut.

Fakt ist aber, dass Ralf Rangnick das Geschehen bei den Roten Bullen nur für ein Jahr übernehmen wird. Dann beginnt Julian Nagelsmann seinen neuen Job.

So richtig schlau wird man aus den Leipzigern im Moment nicht. Dass Hasenhüttl gehen musste, war auch dadurch begründet, dass seine Mannschaft in Ballbesitzphasen zu große Probleme offenbarte.

Rangnick will nun back to the Roots. „Wir müssen schauen, dass wir unseren Fußball wieder zu 100 Prozent auf den Platz bringen“, sagte der Trainer auf Zeit dem Kicker. Im Sonderheft des Kicker für die neue Bundesliga-Saison wird er als „Vater der Spielidee mit aggressivem (Gegen-)Pressing und überfallartigem Umschaltspiel“ bezeichnet.

Tempo, Aggressivität, Umschaltmomente – damit war RB in der ersten Bundesliga-Saison sehr erfolgreich. Im darauffolgenden Jahr waren die Leistungen nicht konstant genug, das eigene Spiel zu unkreativ – besonders in Ballbesitz. Rangnick wird diese Erfahrungen nicht ausblenden können.

Er wird dafür sorgen müssen, dass seine Mannschaft Lösungen mit Ball findet. Andernfalls droht eine Enttäuschung. Denn die Bundesliga hat sich auf die Leipziger eingestellt. Sie wissen, mit welchen Gegenmitteln sie dem RB-Fußball den Zahn ziehen können.

Nagelsmann hat in Hoffenheim gezeigt, dass er seiner Mannschaft in allen Situationen einen vernünftigen Plan an die Hand geben kann. Auch deshalb dürfte RB Leipzig sich für ihn entschieden haben. Nagelsmann steht nicht für einen Stil, sondern für Flexibilität und Kontrolle in allen vier Phasen des Fußballs – frei nach Louis van Gaal.

Rangnick stand als Trainer hingegen sehr lange für das, was die Bundesliga mittlerweile als Markenzeichen verkaufen könnte: Ballgewinn und Abschluss in wenigen Sekunden.

In Leipzig coacht er nun einen Favoriten auf die Champions-League-Teilnahme. Die für Umschaltfußball nötigen Räume wird Leipzig in den wenigsten Spielen erhalten. Bei aller Qualität im Kader stellt sich deshalb die Frage, ob Rangnick dazu in der Lage ist, sich von einem Schema F zu lösen. Kann er der Mannschaft mehr vermitteln als blitzartiges Umschalten und aggressives Pressing?

Rangnick galt einst als Revolutionär des deutschen Fußballs, mittlerweile als der Kopf von RB Leipzig. Andere Trainer haben aber aufgeschlossen, ihn teilweise sogar überholt. Kann er zurückschlagen und in der Saison 2018/19 erneut zeigen, dass er ein ausgesprochen talentierter Stratege ist?

Ihm dürfte in jedem Fall helfen, dass der Kader größtenteils zusammengeblieben ist und letztes Jahr wichtige Erfahrungen gesammelt hat. Nachteilig hingegen ist der Wechsel Naby Keitas. Der Mittelfeldmann wäre der perfekte Spieler gewesen, um den sich ein besseres Konzept in Ballbesitz entwickeln ließe. Nun muss Rangnick eine andere Lösung finden.

Das Ergebnis wird darüber entscheiden, unter welchen Bedingungen Nagelsmann im Jahr darauf übernehmen kann. Gerade deshalb dürfte „Übergangsjahr“ ein guter Begriff sein. Denn Übergang und Ambitionen schließen sich nicht aus.

Man will sich in Leipzig fußballerisch weiterentwickeln. Je nachdem wie schnell das gelingt, wird RB für die Top-Mannschaften der Liga wieder ein ernstzunehmender Konkurrent werden.

Unsere Prognose: Leipzig spielt wieder eine durchwachsene Saison, wird diesmal Fünfter.

Ralf Rangnick hat große Ambitionen.
(Foto: Christof Koepsel / Bongarts / Getty Images)

Experten-Interview

Wir haben mit dem Rotebrauseblogger über RB Leipzig gesprochen.

Leipzig hatte im Prinzip keine so schlechte Saison, wie sie gern geschrieben wurde. Platz 6 in der Liga dürfte trotzdem nicht der Anspruch sein. Was muss sich besonders verbessern, um oben wieder anzugreifen zu können?

In der zweiten Bundesliga-Saison hatte RB Leipzig mit klassischen Wachstumsproblemen zu tun. Probleme, mit der Dreifachbelastung klarzukommen. Probleme, Neuzugänge in die funktionierende Aufstiegsmannschaft zu integrieren. Probleme, sich taktisch weiterzuentwickeln. Aufgabe müsste es entsprechend sein, wieder den teaminternen Zusammenhalt zu stärken und andererseits die eigene Spielphilosophie wieder klarer und konstanter umzusetzen. An beiden Aufgaben arbeitet man. Insbesondere Teamchemie und Integration von neuen Spielern und Auflösen von (auch sprachlich bedingten) Gruppen stehen bei Ralf Rangnick in seinen ersten Wochen als Trainer ganz oben auf der Agenda.

Mit Keita ging ein sehr wichtiger Spieler. Bist du mit der Transferphase bisher so zufrieden, dass du trotzdem keinen großen Qualitätsverlust erwartest? Wie wird man Keita ersetzen?

Das ist bisher schwer zu beantworten. Ein Keita-Ersatz wurde noch nicht verpflichtet und ist von der Qualität her nicht zu kriegen. Eigentlich hätte man gern den Salzburger Amadou Haidara geholt, der aber in Österreich blieb und in vielerlei Facetten seines Spiels an Keita erinnert und vielleicht sogar noch zielstrebiger agiert. Derzeit sieht es nicht danach aus, als würde RB noch einen Spielertypen wie Keita holen (von der Qualität, die ein solcher Neuzugang hätte, mal ganz abgesehen).

Entsprechend wird man wohl vor allem in der Variabilität im zentralen Mittelfeld Abstriche machen müssen, weil die Spielertypen, die da sind, sich sehr ähneln und Keitas Dynamik, Aggressivität und Eins-gegen-Eins-Qualitäten nicht ersetzen können. Abgesehen von dem Fragezeichen hinter dem zentralen Mittelfeld war es bisher aber eine sehr gute Transferperiode. Mit Cunha, Mukiele und Saracchi hat man sich in der Breite und in Sachen Dynamik noch mal breiter und besser aufgestellt. Wenn man noch Lookman (oder einen anderen offensiven Spieler aka Spieler für die linke Zehn) kriegt und sich im zentralen Mittelfeld breiter aufstellt (denkbar wäre, dass Laimer wieder dort spielt und dafür noch jemand für rechts hinten kommt, wo Laimer zuletzt auflief), dann ist es perfekt und man hat eine Gruppe von 20 Feldspielern, in der es bei Wechseln kaum Substanzverlust gibt. Damit würde man sich kadertechnisch irgendwo hinter den Bayern und Dortmund im vorderen Verfolgerfeld eingruppieren.

Erwartest du mit dem neuen Übergangstrainer eine veränderte strategische Ausrichtung? Wo liegen seine größten Baustellen?

Ralf Rangnick hat bereits klargemacht, dass er wieder zurück zu den RB-Ursprüngen will. Entsprechend geht es in der Vorbereitung vor allem um Pressing und Gegenpressing. Der erste Eindruck ist, dass man wieder sehr viel höher attackiert als zuletzt unter Hasenhüttl, was die Anfälligkeit für Konter nicht mindert. Ein wenig fühlt es sich wie ein Rückschritt an, weil die Aufgabe eigentlich in der letzten Saison war, Pressing- und Gegenpressingelementen ein gutes Ballbesitzspiel (und sei es zur kraftsparenden Verwaltung von Vorsprüngen) hinzuzufügen. Das war zumindest Hasenhüttls Idee, die sich in der Praxis leider nicht einlöste.

Auch der künftige Trainer Nagelsmann steht ja für die flexible Verbindung verschiedener Spielstile. Dass man die kommende Saison unter Rangnick aber offenbar mit einer radikaleren Version von Anlaufen und Umschalten bewältigen will, erstaunt ein bisschen. Auch weil ja eventuell mit der Europa League ein zusätzlicher Wettbewerb auf dem Programm steht. Man darf gespannt sein, wie das dann während einer langen Saison funktioniert. Zumindest dürfte dann Nagelsmann in einem Jahr auf ein Team treffen, das in Sachen Umschalten bei Ballgewinn und bei Ballverlust recht gut aufgestellt ist…

Auf welchem Platz landet RB Leipzig und wer wird Meister

RB Leipzig will in die Champions League und wird das als Vierter auch schaffen. Meister werden die Bayern.

Bayer 04 Leverkusen

Weiterhin alles Herrlich?

Im Jahr 2017 stand man in Leverkusen vor einem richtungsweisenden Jahr. Der Klub, der über Jahre eine der wenigen Konstanten in der Liga war, hatte sich aus dem ersten Drittel der Tabelle verabschiedet. Die Suche nach einem passenden Trainer gestaltete sich schwer, bis sich Heiko Herrlich die Möglichkeit bot, sich in der ersten Liga zu beweisen.

Eine Entscheidung, die kontrovers diskutiert wurde. Kann ein Trainer aus der dritten Liga für den Umschwung sorgen? Er konnte. Herrlich machte aus dem talentierten Kader der Leverkusener wieder eine Einheit, brachte Ordnung ins Spiel.

Unter Roger Schmidt stand Bayer für gnadenlosen Offensivfußball, hatte aber hinten zunehmend Probleme. Den Trainern danach fiel es schwer, die richtige Mischung zu finden. Erst Herrlich gelang es, eine gute Balance aus Offensive und Defensive zu finden.

44 Gegentore waren es am Ende, Platz Fünf sprang dabei heraus. Ein großes Manko war die Effizienz der Offensive. Mit 15 Abschlüssen pro Spiel erarbeitete sich Leverkusen nach den Bayern aber die meisten Gelegenheiten. 58 Treffer sind als Ausbeute zwar okay, aber ausbaufähig.

„Wir müssen lernen zu killen“, sagte Herrlich dem Kicker. Volland, Bailey, Brandt, Havertz, Bellarabi, Paulinho, Alario – das Potanzial in der Offensive ist riesig. Herrlich hat die Mannschaft defensiv in die Spur gebracht. Jetzt muss er vorne nachjustieren.

Nur mit mehr Toren kann Leverkusen seinen hohen Ansprüchen gerecht werden. Erreichen sie wieder nicht die Champions League, wird es schwer sein, die Leistungsträger noch ein weiteres Jahr zu halten.

Diese Komponente ist keinesfalls zu unterschätzen. Zwar steht die Mannschaft nicht mehr bei Null. Sie steht dafür aber unter größerem Druck. Nach der guten Saison wird von Bayer 04 jetzt mehr erwartet. Mindestens die Champions-League-Qualifikation sollte es sein.

Wie gut kann Herrlich, wie gut können die jungen Spieler damit umgehen? In Leverkusen riecht es wieder nach Erfolg. Doch genau das kann auch blockieren und eine gute Saison gefährden. Der Trainer hat im richtungsweisenden Jahr überzeugt, sein Team auf die Spur gebracht. Jetzt gilt es, die Früchte der guten Arbeit endgültig einzufahren.

Unsere Prognose: Leverkusen wird eine herausragende Saison spielen und auf Platz 3 landen.

Nicht nur der DFB, sondern auch Europa soll bald wieder von Bayer Leverkusen hören.
(Foto: Adam Pretty / Bongarts / Getty Images)

Experten-Interview

Mit Frank Lussem haben wir einen Experten vom Kicker für unsere Saisonvorschau gewinnen können. Er gibt uns einen Überblick zu Bayer 04 Leverkusen.

Leverkusen stand ganz lange für eine unfassbare Konstanz. Die Champions-League-Plätze wurden eigentlich immer sicher gebucht. Dann ging es plötzlich auch mal nach unten. Wie optimistisch bist du, dass jetzt an die Konstanz alter Tage angeknüpft werden kann?

Jede Dekade seit Bundesliga-Zugehörigkeit stand Bayer einmal in großer Abstiegsgefahr. Relegation 1981, Rettung in letzter Sekunde 1996 und 2003, große Probleme 2016. Die Gründe waren vielschichtig. Außer 1981 fing sich das Team jeweils sehr schnell und zog im Jahr danach in den europäischen Wettbewerb ein: 1997 und 2004 Champions League. 2017 Europa League. Zwischen diesen Problemjahren lagen lange Phasen der Konstanz. In der 20-Jahres-Tabelle liegt Bayer auf Platz zwei, in der 10-Jahres-Tabelle auf Rang drei. Sehr innovatives Scouting, dank der Bayer AG eine tolle Infrastruktur und mit Calmund, Reschke und nun Boldt Männer, die dies alles zu nutzen wussten. Ich bin sicher, Bayer wird auch in den kommenden Jahren oben mitspielen, wenn nicht vieles schief läuft. Boldt geht die Sache forsch an, spricht bewusst nicht mehr von 2 bis 6 als Ziel, sondern sagt: „Wir wollen in die Champions League!“

Herrlich wurde vor einem Jahr noch etwas belächelt, wusste aber zu überraschen. Wo muss sich Leverkusen in seiner Spielanlage trotzdem noch verbessern, um weiter erfolgreich zu sein?

Wenn Herrlich mutiger wird, kann seine Mannschaft davon nur profitieren. Bayer ist in jedem Bereich top und vielseitig besetzt, in meinen Augen stärker als der BVB oder Schalke. Lediglich für Alario fehlt ein Backup, allerdings ist die Offensive dermaßen talentiert, dass selbst ein Ausfall des Argentiniers kein großes Loch reißen würde. Fußballerisch passt alles, mental leider noch nicht. Leverkusen muss mutiger werden, selbstbewusster auftreten, Aggressivität und Dominanz ausstrahlen. Ich bin sicher, 15 von 17 Gegnern fühlen große Unruhe vor den Spielen gegen Bayer – das muss auf dem Platz zu spüren sein. Hier ist Herrlich als Mentalcoach gefragt.

Spieler wie Julian Brandt haben sich ganz bewusst für Bayer 04 entschieden. Was macht Leverkusen besser als viele andere Top-Teams der Liga, die ihre Talente früh verlieren?

Ganz einfach: In Leverkusen spielen die Tahs, Wendells, Baileys, Harvertz und wie sie alle heißen. Paulinho, der gerade 18-jährige Brasilianer, ist der Nächste in dieser Riege. Wenn Herrlich die Spieler nicht in Watte packt (Stichwort: Doppelbelastung), dann können sie eine Rolle spielen, die ihrem Potenzial entspricht. Dettmar Cramer drückte es einmal prosaisch so aus: „Willst du Männer formen, musst du Jünglinge fordern.“ Klingt altväterlich doof und pathetisch, hat aber etwas. Spieler wie Tah, Havertz oder Brandt wissen natürlich, dass sie sich unsterblich machen, wenn sie mit Bayer einen Titel holen. Dies treibt sie zusätzlich an.

Auf welchem Platz landet Leverkusen am Ende der Saison und wer wird Meister?

Bayern München wird Meister, Bayer Leverkusen landet auf 2 bis 4. Mehr kann es werden, wenn sie kapieren, dass man die beiden Spiele gegen den FC Bayern durchaus verlieren darf. Aber nicht die gegen schwächere Teams.

Auf der nächsten Seite geht es um Dortmund und Hoffenheim.


Lucien Favre und Julian Nagelsmann – das sind nicht nur zwei hochbegabte Trainer, sie haben in der kommenden Saison auch noch viel vor. Wo landen Borussia Dortmund und die TSG Hoffenheim?

Borussia Dortmund

Favre auf dem Hochseil

Für Artisten ist es eine komplizierte Aufgabe, die Balance auf dem Hochseil konstant zu erhalten. Ein Fehler, ein Moment der Unaufmerksamkeit und sie fallen. Immerhin sind sie in den meisten Fällen vor tiefen Abstürzen gesichert.

Auch Lucien Favre wird bei Borussia Dortmund auf dem Hochseil balancieren. Die Fallhöhe des Klubs ist mittlerweile aber riesig. Nach der erfolgreichen Tuchel-Saison ging es für den BVB immer weiter bergab.

Die Gründe dafür sind mehrschichtig. Doch die sind jetzt egal. In Dortmund stehen alle Uhren auf Neuanfang. Watzke blickte nach vorn, holte Favre, Sammer und Kehl. Letztere stehen dabei für große Selbstkritik.

Watzke und Zorc können nicht zufrieden sein mit den letzten Jahren. Sie hielten es für notwendig, frischen Wind in die Führungsetage zu bringen. Kehl als Leiter der Lizenzspielerabteilung und Sammer als eine Art Berater sollen für Veränderungen stehen, aber auch eine kritische Diskussionskultur in den Klub bringen.

Favre hat hingegen die Aufgabe, den BVB sportlich auszubalancieren. Weder unter Bosz noch unter Stöger gelang es, Defensive und Offensive unter einen Hut zu bringen. Der Bosz-Ansatz war zu viel Harakiri, Stöger ging das Risiko gänzlich ab.

Der neue Trainer sucht den Mittelweg. Bei all seinen Stationen hat der Schweizer bleibenden Eindruck hinterlassen – meistens positiv, nur selten negativ. Favre gilt zurecht als Taktikfuchs. Zu Unrecht wird er auf Umschaltfußball beschränkt.

Ob in Berlin, Gladbach, Nizza oder sonst wo, seine Mannschaften spielten für ihre jeweiligen Möglichkeiten ansehnlichen, flexiblen Fußball. Wird über die besten und besondersten Trainer Europas geredet, fällt sein Name auch deshalb nicht, weil er den Schritt zu einem Top-Klub bisher nicht ging.

In Dortmund kann er es allen beweisen. Nötig hat er das nicht mehr, aber es wäre ein netter Nebeneffekt, wenn er auch dort wieder erfolgreich ist. Sein Kader ist im Mittelfeld und – mit Einschränkung einer echten Neun – im Angriff herausragend besetzt. Hinten hat er mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie seine Vorgänger.

Favre definiert sich aber nicht nur über individuelle Qualität. Sein System ist der Star, seine Mannschaften verteidigten stets diszipliniert, leidenschaftlich und konsequent. Junge Spieler wie Akanji, Diallo und Zagadou können zudem den nächsten Schritt machen. Im defensiven Mittelfeld soll Axel Witsel die ersehnte Stabilität bringen.

Viele Augen blicken in dieser Saison nach Dortmund. Favre, Kehl, Sammer – wie erfolgreich wird der Neuanfang? Der Artist Favre steht vor einer riesigen Herausforderung.

Der BVB könnte in der Bundesliga ein Klub von vielen werden. Wenn sie fallen. Bringt Favre aber die nötige Balance, könnte wieder etwas sehr Besonderes entstehen. Die Hoffnung darauf ist in Dortmund groß.

Unsere Prognose: Favre und Dortmund – das passt! Platz 2.

Bringt Favre die Balance zurück?
(Foto: Christof Koepsel / Bongarts / Getty Images)

Experten-Interview

Stefan Buczko – u.a. für ESPN, den Yellow Wallpod, Onefootball und als Buchautor tätig – gibt für uns seine Saisonprognose zum BVB ab.

Beim BVB ging es gewissermaßen drunter und drüber in der jüngeren Vergangenheit. Wie optimistisch bist du, dass Dortmund das Komplettpaket aus Anschlag und sportlicher Achterbahnfahrt jetzt hinter sich lassen kann?

Es ist natürlich schwierig zu sagen, inwieweit die Mannschaft den Anschlag hinter sich lassen kann, da der Gerichtsprozess noch nicht abgeschlossen ist und die Thematik wieder sehr präsent sein wird. Aus sportlicher Sicht kann man sogar etwas positives aus der letzten Saison ziehen, da sie wirklich jedem klar gemacht hat, dass grundlegende Veränderungen her müssen. Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc haben ein gesundes Maß an Selbstkritik bewiesen, indem sie sich eingestanden haben, dass sie in der Vergangenheit zu viele Fehler gemacht haben. Die Reaktion darauf würde ich bis hierhin positiv bewerten. Man hat eine neue Position geschaffen für einen Teammanager, der enger an der Mannschaft ist als Zorc es momentan sein könnte, um gewisse Fehlentwicklungen innerhalb des Teams schnell zu erkennen und gegenzusteuern. Mit Sebastian Kehl hat man eine gute Besetzung für die Rolle gefunden.

Und bei Miasanrot ist natürlich auch längst bekannt, dass es nur zuträglich sein kann, wenn Matthias Sammer seine Expertise zur Verfügung stellt. Zumindest mittelfristig würde ich davon ausgehen, dass man sich im Großen und Ganzen in der Entscheidungsfindung optimiert und somit auch wieder mehr aus den vorhanden Möglichkeiten macht.

Unser Motto bei Miasanrot: mindestens 11 Sammers sollt ihr sein. Aber wie zufrieden bist du mit der Verpflichtung von Lucien Favre und welche strategische Ausrichtung erwartest du?

Während der Saisonvorbereitung hat sich vieles von dem bewahrheitet, was Favres Ruf vorauseilt: Das Training unter ihm ist höchst anspruchsvoll und sehr abwechslungsreich und, wie Marco Reus so schön über den 60-jährigen sagt, er ist “detailbesessen”.

Es wird wieder mehr Wert auf ein sauberes Passspiel beim BVB gelegt als es unter den beiden Peters der Fall war. Auffällig ist auch, dass Favre und sein Trainerteam sehr darauf achten, dass die Spieler die Übungen technisch sauber ausführen. Man konnte schon früh in den ersten Testspielen erkennen, dass die Schwarzgelben eine höhere Kompaktheit mit und gegen den Ball aufzeigen als in der Vorsaison. Allgemein würde ich behaupten, dass die Staffelung präziser ausgeführt wird.

Durch die Vielfalt an Mittelfeldspielern ist es wahrscheinlich, dass die Herangehensweise oft gegnerbezogen ist. Man hat in der Vorbereitung gesehen, dass Favre ein 4-3-3/4-1-4-1-System bevorzugt, aber bisher war auch noch keine Spielform in Stein gemeißelt. Demnach kann ich es nur grob formulieren: Man wird diese Saison wahrscheinlich einen sehr sachlichen BVB erleben, der viel Geduld im Aufbauspiel an den Tag legen wird und in der Defensive häufig auf ein Mittelfeldpressing oder einen sehr tiefen Block zurückgreifen wird. Die Tage, an denen Dortmund an der gegnerischen Strafraumkante Dauerdruck aufbaut, sind gezählt. Dazu sei gesagt, dass das schnelle Umschaltspiel der Schwarzgelben in den Testspielen Hand und Fuß hatte, während man sich noch oft schwer tat, das eigene Aufbauspiel raumgreifend aufzuziehen.

Nichtsdestotrotz scheint man mit Favre eine sehr gute Lösung gefunden zu haben, die perfekt mit dem Umschwung auf eine etwas robustere Spielweise passen sollte, ohne komplett auf fußballerische Glanzpunkte verzichten zu müssen.

Dortmund war jetzt zweimal hintereinander nicht die zweitstärkste Mannschaft im Land. Was muss sich verbessern, dass der BVB da wieder hinkommt und ist das eine realistische Zielsetzung?

Plump gesagt: die Defensive. Mit 47 Gegentoren stellte man in der letzten Saison nur die neuntbeste Verteidigung der Liga.

Ich lehne mich jetzt mal gefährlich weit aus dem Fenster und behaupte, dass man in der kommenden Saison weniger als 39 Gegentore schlucken wird. Die Absicherung der Viererkette wird mit Spielern wie Thomas Delaney und Axel Witsel automatisch besser funktionieren und mit Manuel Akanji und Abdou Diallo hat man einen Anwärter auf das beste Innenverteidiger-Duo der Liga. Nur die Außenverteidigung mit Marcel Schmelzer und Lukasz Piszczek sind weiterhin ein Grund zur Sorge und stellen eine Baustelle dar, die man besser früher als später angehen sollte.

Ob es für Platz 2 in der kommenden Saison reichen wird, mag dann aber auch davon abhängen, ob man noch einen Stürmer von Format vor Ende des Transferfensters verpflichten kann. Marco Reus und Maximilian Philipp sind sicherlich für ein paar Tore gut, aber in sehr engen Spielen macht die individuelle Klasse eines echten Stürmers meist den Unterschied. Ich gehe davon aus, dass es 2018/19 schwieriger wird, den zweiten Platz zu belegen, als es 2017/18 der Fall war.

Auf welchem Platz landet der BVB am Ende der Saison und wird der FC Bayern wieder Meister?

3. – lasst mich doch in Ruhe mit eurem Scheiß. [Wir werten das mal als Tipp auf den FC Bayern, d.Red.]

TSG Hoffenheim

Lame Duck oder Ente gut, alles gut?

Noch während der WM ging eine Meldung durch die Medien, die zu diesem Zeitpunkt mehr als überraschend war. Es gab viele Gerüchte rund um Julian Nagelsmann, doch dass die Bekanntgabe seines Wechsels im Sommer 2018 kommen würde, hätten nur wenige gedacht.

Auch der Zeitpunkt war etwas seltsam. Hoffenheim und RB Leipzig verkündeten, dass Nagelsmann zum Sommer 2019 nach Leipzig wechseln würde. Rumms! Die folgenden Diskussionen waren groß, die WM für kurze Zeit nur Nebensache.

Wieso machen sie das zu diesem Zeitpunkt? Bringt das nicht Unruhe in die letzte Saison? Könnte Nagelsmann damit zur „Lame Duck“ werden – also jemand, der seine Strahlkraft, Glaubwürdigkeit und seinen Einfluss auf die Mannschaft verliert?

Nur wenige Wochen später kann man prognostizieren, dass das eher nicht der Fall sein wird. Schon im Jahr 2017 schrieben den jungen Trainer viele Fans und Experten ab. Sein Kader verlor wichtige Stammspieler, die Hinrunde verlief schwierig. Doch Hoffenheim kämpfte sich zurück, Nagelsmann wusste wieder zu überzeugen.

Während andere Mannschaften ohne ihren Strategen auf der Sechs, ohne ihren Torjäger und ohne ihr größtes Abwehrtalent untergegangen wären, zog die TSG in die Champions League ein. Vor Dortmund, vor Leverkusen, vor Leipzig – Platz 3 war gemessen an den Voraussetzungen ein Traumergebnis.

Nagelsmann will aber noch mehr. Er strebt nach einer weiteren fußballerischen Weiterentwicklung. Wohin das seine Mannschaft tragen könnte, lässt sich nicht prognostizieren. Zu groß ist der Abstand auf Klubs wie Bayern, Schalke, Leipzig oder Dortmund. Die jüngsten Ergebnisse beweisen aber, dass Vorsprung durch Strategie immer noch wirkungsvoll sein kann.

Er strebe immer nach dem Maximum und das Maximum sei der Titel, sagte Nagelsmann. Doch er grenzte eben ein, dass eine realistische Zielsetzung die Top 6 sind. Eine „Lame Duck“ klingt jedenfalls anders. Leipzig ist noch nicht in seinem Kopf.

Die Mannschaft brennt auf den Saisonstart gegen die Bayern und will direkt zeigen, dass der dritte Platz kein Zufall war. Entwickelt sich der Kern seines Kaders genauso konsequent weiter wie in den letzten Jahren, winken weitere Erfolge.

Nagelsmann formte aus einem Abstiegskandidaten eine Mannschaft, die mit Drucksituationen auf technisch sehr hohem Niveau umgehen kann. Wie sich die TSG aus Unterzahlsituationen befreien kann, ist bemerkenswert. Tempo, Dynamik, Offensivfußball, gutes Umschalten in beide Richtungen – Nagelsmann brachte absolute Flexibilität und strategische Disziplin nach Sinsheim.

Schon jetzt redet kaum noch jemand darüber, dass Nagelsmann ja nach Leipzig wechseln würde. Insofern war der Zeitpunkt der Bekanntgabe womöglich gut gewählt. Sobald es mal weniger erfolgreich wird, werden die Artikel über eine lahme Ente aber zunehmen. Nur, wenn Hoffenheim seine spielerische Qualität weiterhin zeigen kann, heißt es: Ente gut, alles gut!

Unsere Prognose: Hoffenheim wird wieder schwer zu schlagen sein. Platz 4.

Nagelsmann eine „Lame Duck“? Schwer vorstellbar.
(Foto: Christian Kaspar-Bartke / Getty Images)

Experten-Interview

Hoffenheim-Blogger und -Fan Julian wird uns darüber aufklären, wie hoch das Risiko einer „Lame Duck“ auf der Bank tatsächlich ist.

Die Nagelsmann-Entscheidung kam zu dem Zeitpunkt etwas überraschend. Wie bewertest du das alles und glaubst du, dass das Risiko besteht, dass Nagelsmann eine „Lame Duck“ wird?

Nagelsmann hat dasselbe gemacht wie beispielsweise Firmino und Volland vor ihm. Als eine Öffentlichkeit sich mit möglichen Zukunftsplänen für ihn überschlug, hat er sich erst einmal für einen Verbleib in Hoffenheim entschieden. Wie Firmino und Volland geht er dann ein oder zwei Jahre später anderswohin, nicht ohne der TSG damit einen hohen Geldbetrag einzuspielen. Das ist in Ordnung, Hoffenheim hat sich gut entschieden, ein Ausbildungsverein zu sein, immer auch für Trainer.

Nagelsmann hat neulich ausgeführt, was ihn an Hoffenheim wie Leipzig reize, sei die Möglichkeit, prägend für einen Verein zu sein. Er will also selbst am allerwenigsten, dass man sich an ihn als lahme Ente erinnert.

Die TSG war immer wieder oben dabei, obwohl sie wichtige Schlüsselspieler verloren hat. Wie ist die Zielsetzung für die kommende Saison?

Die TSG war eigentlich erst zweimal oben dabei, 16/17 und 17/18. Und wenn sie dann nicht mehr oben dabei ist, ist das normal, entspricht der Ausrichtung, dem Selbstverständnis und dem Budget des Klubs. In den vergangenen Jahren wurden intern jeweils verschiedene Bundesligaplätze und Pokalrunden in den Abstufungen realistisch und ambitioniert ausgegeben. Dazu Saisonziele, die über Siegen und Niederlagen stehen, für die öffentliche Kommunikation. Ich nehme an, zur Groborientierung wird es all die auch in diesem Jahr wieder geben. Über der schriftlichen Ausfertigung für die Kabine stand mal: »Bescheidenheit – das Tun steht vor dem Haben«.

Wo muss sich das Team aus taktisch-strategischer Perspektive noch verbessern, um weiter erfolgreich zu sein?

2016/17 gab es noch einige Teams, die gegen die Hoffenheimer Abwehr ein halbherziges Angriffspressing versuchten. Die waren schnell überspielt und 2017/18 waren es die eingeigelten Nichtstuer wie Braga oder Stuttgart, die Hoffenheim die größten Probleme bereiteten. So gingen Spiele durch eine zu weit vorgeschobene Verteidigung mit zu riskanten Offensivaktionen verloren. Es gelang auch oft nicht, herausgespielte Chancen beständig umzusetzen. Beide Probleme waren in den späteren Vorbereitungsspielen völlig abwesend. Gegen den Ball sind etwa die Standardverteidigung und eine gelegentliche Hühnerhaufigkeit, die ich im Detail nicht auf Anhieb beschreiben kann, Schwächen der TSG.

Schon zum Auftakt geht es gegen den FC Bayern. Optimistisch?

In einer Saison nach einem WM-Sommer ist der erste Spieltag doch kein schlechter Zeitpunkt, um auf den FC Bayern zu treffen. Die TSG hatte nur zwei Spieler bei der WM und konnte sich über Wochen, über fast zwei Monate nahezu geschlossen und gezielt vorbereiten. Der FC Bayern musste auf seine wichtigsten Spieler warten und die hatten auch noch weniger Erholung. Der neue Trainer konnte seine Inhalte zunächst nur einer B-Elf vermitteln und verreist wurde dorthin, wo ein Markt zu erobern ist und ein Promoter die Fußballklubs angeworben hat. Natürlich hat der FCB die besseren Spieler, aber als Mannschaft wird die TSG am ersten Spieltag schon weiter sein.

Auf welchem Platz landet die TSG und wer wird Meister?

Das Tun steht vor dem Haben, aber wenn man vieles richtig tut, kann man auch vieles haben. Im Kicker hat Nagelsmann das ausgesprochen: »Ich strebe immer nach dem Maximalen, das geht, und das Maximale ist der Meistertitel«. Dann kann die TSG also Meister werden.

Auf der letzten Seite schauen wir uns mit Vizemeister Schalke und dem Rekordmeister aus München.

Schalke und Bayern – zwischen dem Vizemeister und dem Champion lagen viele Punkte. Werden die Münchner wieder Meister? Kann Schalke spielerisch den nächsten Schritt machen?

FC Schalke 04

Mehr als eine Binde

Vergangene Woche erhielt Ralf Fährmann von den Ultras des FC Schalke 04 ein besonderes Geschenk. Der Kapitän bekam eine Armbinde überreicht, die den Zusammenhalt zwischen Fans und Team repräsentiert.

Auf Schalke war diese Verbindung längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Im Pott ticken die Fans etwas anders, etwas emotionaler als der Rest in Deutschland. Das kann durchaus positiv sein. Stimmen die Leistungen aber nicht, wird es ganz schnell unangenehm. Mit dieser Emotionalität in guten wie in schlechten Zeiten klarzukommen, ist nicht immer einfach.

Nach der Vizemeisterschaft in der vergangenen Saison ist derzeit aber alles gut. Eine Ruhe ist rund um den Verein eingekehrt, die vor zwei, drei Jahren noch undenkbar war. Sicher gibt Erfolg automatisch Ruhe, aber wirklich bemerkenswert war es, dass der Klub auch in schwierigen Saisonphasen abgeklärt und souverän blieb.

Großen Anteil daran haben Tedesco und Heidel. Sie haben unpopuläre und mutige Entscheidungen getroffen, wurden für ihre Geduld aber belohnt. Schalke erarbeitete sich seinen zweiten Platz vor allem durch defensive Stabilität und viel Disziplin.

Ehrlicherweise muss man sich in Gelsenkirchen aber auch eingestehen, dass die Konkurrenz aus Dortmund und Leipzig einfach nicht konstant genug war. Will Schalke diesen Erfolg wiederholen, muss die Mannschaft spielerisch mindestens einen Schritt machen.

Zu oft war das Spiel zu statisch, zu selten gab es aus Ballbesitzphasen Überraschungsmomente. Tedesco wird daran arbeiten müssen. In der vergangenen Saison waren die Königsblauen eine Art Überraschung. Es gab nicht viele Menschen, die auf Schalke als Vizemeister setzten.

Umso höher ist aber auch die Erwartungshaltung in dieser Saison. Intern ist man sich einig, dass es die Champions-League-Qualifikation sein soll – mindestens. Extern ist der Druck immer noch ein kleines bisschen größer.

Genau da liegt die Herausforderung in der kommenden Saison. Kann Tedesco die Mannschaft nun auch durchschlagskräftiger machen? Kann er die Abgänge kompensieren? Kann er den Druck weiter so gering halten, dass es auf Schalke ruhig bleibt?

Es wird eine richtungsweisende Saison für einen Klub, der von seiner Größe und seiner Strahlkraft her ganz sicher in die Champions League gehört. Die Kapitänsbinde der Fans demonstriert Zusammenhalt. Inwiefern der auch gegeben ist, wenn es mal nicht so läuft, könnte sich im kommenden Jahr zeigen. Dann, wenn Schalke regelmäßig in drei Wettbewerben ran muss. Zuzutrauen ist den Schalkern – wie immer – absolut alles!

Unsere Prognose: Wieder eine Überraschung! Schalke verpasst den notwendigen Schritt mit dem Ball und wird nur Siebter! (Dafür kommen sie in Europa weit.)

Fans und Mannschaft rücken eng zusammen. Wie lange wird das anhalten?
(Foto: Christof Koepsel / Bongarts / Getty Images)

Experten-Interview

Hoffentlich kommt Schalke-Experte Hassan nach unserer Prognose nochmal wieder, denn zu Königsblau hat er immer eine starke Meinung! So auch in unserem Experten-Interview.

Schalkes Vize-Meisterschaft war ein großer Erfolg, der sicher Lust auf mehr macht. Was macht das mit der königsblauen Erwartungshaltung?

Es könnte durchaus zu einem Problem werden. Mit dem zweiten Tabellenplatz haben wohl nur die kühnsten Optimisten gerechnet. Schalke 04 hat in meinen Augen overperformed. Man wollte sich Schritt für Schritt steigern und diesen Plan hat der – zweifellos großartige – sportliche Erfolg der Vorsaison ein wenig ad absurdum geführt. Besser wird es höchstwahrscheinlich nicht, denn besser wäre in diesem Fall die Deutsche Meisterschaft – und die halte ich für utopisch, angesichts des FC Bayern und der wohl wiedererstarkten Borussia aus Dortmund. Demnach könnten Teile der Fans mit einem fünften oder sechsten Tabellenplatz unzufrieden sein.

Wie sehen die langfristigen Ziele des Klubs aus?

Christian Heidel spricht sehr gerne von Nachhaltigkeit. Es geht mit ihm nun ins dritte Jahr und man kann durchaus sagen, dass Schalke 04 nun einen Christian-Heidel-Kader hat. Die Ziele des S04 sind einfach zu beschreiben, haben aber einen Unterschied zu früheren Tagen. Zunächst ist das Minimalziel internationaler Fußball, primär soll es aber möglichst jedes Jahr in die Champions League gehen.

Sollte dies mal nicht gelingen oder gefährdet sein, soll es auf Schalke allerdings keine Panik geben, wie zu Horst Heldts Zeiten. Mit Heidel am Ruder ist Königsblau bereits weg vom Image des nervösen Chaosklubs. Der sportliche Erfolg und das öffentliche Bild vereinen sich in Seriosität. Schalke erfindet sich neu und dieser Prozess ist bereits im Gange.

Tedesco steht vor einem schwierigen zweiten Jahr. Worauf wird es für ihn ankommen, um seinen Erfolg zu bestätigen? Wo muss sich das Team in seiner Spielanlage noch verbessern?

Diese Frage lässt sich ganz einfach beantworten: Schalke 04 mangelte es an Offensivpower gepaart mit der nötigen Kreativität. Die Ergebnisse sind meistens sehr knapp erspielt. Mit der Defensive hat Domenico Tedesco ein echtes Prunkstück. Die Schalker stehen hinten dicht und vorne reicht ihnen meist nur ein Treffer. Jedoch ist auch dies eine krude Situation. Sollte die Defensive mal einen schlechten Tag erwischen, kann man nicht unbedingt davon ausgehen, dass die Offensivabteilung das ausbügelt. So hat Schalke in der letzten Saison seine Spiele verloren. Demnach wurde auf dem Transfermarkt gehandelt. Ob das Ungleichgewicht einer spielerischen Balance gewichen ist, wird sich herausstellen.

Auf welchem Platz landet Schalke und wer wird Meister?

Ich sehe den S04 zwischen Platz drei und fünf. Deutscher Meister wird Bayern München.

FC Bayern München

Und schon wieder Deutscher Meister…

Neuer Trainer, junge Spieler auf dem Sprung in die Stammelf, alternde Stars, drohende Sattheit in nationalen Wettbewerben – die möglichen Gründe für eine weniger gute Saison sind durchaus präsent. Ganz Deutschland sehnt sich nach einem anderen Meister. Naja fast ganz Deutschland.

Die Fans, Spieler und Verantwortlichen beim FC Bayern sind natürlich weiter hungrig. Sie wollen auch den siebten Titel in Folge. Langeweile? Vielleicht für die anderen, aber nicht für den Rekordmeister. In München wird gerne Geschichte geschrieben.

Doch es könnte endlich mal wieder enger werden. Ribéry und Robben werden weiter älter, haben nicht mehr den großen Einfluss von damals. Auf der Sechs geht den Bayern seit den Abgängen von Schweinsteiger, Lahm und Alonso ein spielmachendes Element ab, wenn nicht gerade Thiago durch irgendwelche Umstände dort landet.

Schon in den letzten beiden Jahren war der FCB dadurch verwundbar. Allerdings war kein Konkurrent zur Stelle. Dass der Bundesliga-Titel auch für die dominanten Münchner kein Selbstläufer ist, zeigte die Anfangsphase der letzten Saison.

Kovač soll ein Übergangsjahr moderieren. So ähnlich führte es auch Uli Hoeneß aus. Mit Ribéry und Robben wurde kommuniziert, dass sie auch mal auf der Bank sitzen werden. Spieler wie Süle, Kimmich und Coman sollen die nächsten Schritte machen, um das große Loch irgendwann zu stopfen, das die Generation Lahmsteiger hinterließ.

Spätestens zur nächsten Saison könnte es dann größere Ausgaben geben. Der Weg macht in der Theorie Sinn. Für den Übergang wurde längst gesorgt. Jetzt ist es an der Zeit, Worten endlich Taten folgen zu lassen.

Ob das zu Kosten einer Meisterschaft passiert? Wahrscheinlich ist dieses Szenario nicht unbedingt. Doch mit Favres Dortmund, RB Leipzig, Bayer 04 Leverkusen, Schalke 04 und Julian Nagelsmann gibt es mindestens fünf Mannschaften, die zur großen Überraschung in der Lage sind, wenn alles bei ihnen läuft.

Und wer weiß? Vielleicht heißt es dann am Ende ausnahmsweise mal nicht: „Und schon wieder Deutscher Meister, FCB!“

Unsere Prognose: Das Lied wird wieder gesungen, die Konkurrenz wird nicht weit genug sein. Bayern wird Meister!

Gibt es am Ende der Saison wieder ähnliche Bilder?
(Foto: Christof Koepsel / Bongarts / Getty Images)

Experten-Interview

Wie sieht das Christian Nandelstädt? Bekannt als texterstexte bloggt er in unregelmäßigen Abständen zum FC Bayern.

Was erwartest du von Niko Kovač und seinem Trainer-Team?

Mein Wunsch wäre eine stärkere Durchlässigkeit zwischen erster und zweiter Mannschaft. Dass in der Bundesliga mehr Nachwuchsspieler eingesetzt werden. Macht Kovac das nicht im Rahmen einer Totalrotation, sondern pro Spiel mit einem Nachwuchsspieler und 10 gestandenen Profis drumherum, sollte das gutgehen.

Dann hoffe ich, dass Kovac eine Trainingssteuerung gelingt, die uns im Frühjahr die übliche Verletzungsmisere erspart.

Drittens erwarte ich die Deutsche Meisterschaft von ihm. In der Champions League wäre es ein Erfolg, unter die letzten 8 zu kommen.

Wie zufrieden bist du mit dem Kader für die neue Saison und wo hättest du dir noch einen Kauf oder Verkauf gewünscht?

Ich bin Stand jetzt mit dem Kader total zufrieden. Wir haben eine großartige Mischung aus erfahrenen Profis, Talenten und Spielern, die vor dem Durchbruch stehen. Den Abgang von Vidal bedaure ich nicht. Einen Abgang von Boateng würde ich jedoch sehr bedauern. Ich finde es heftig, wie derzeit über einen Spieler gesprochen wird, der letztens noch als einer der besten Innenverteidiger und Spieleröffner der Welt galt.

Katar, populistische Interviews, Kontakte zur BILD… – es gibt vieles, worüber man sich als Bayern-Fan derzeit kopfschüttelnd ärgern kann. Worauf freust du dich aber am meisten in der Zukunft unseres Klubs?

Was die Vereinspolitik angeht, bin ich für die nahe Zukunft skeptisch. Da wird derzeit vor allem darauf geachtet, den Fußballkonzernen aus Paris und Manchester nachzueifern. Auf lange Sicht hoffe ich mit frischem Wind in der Führungsetage auf einen Wandel hin zu einer Vereinspolitik, die ihre wirtschaftlichen Aktivitäten tatsächlich nach den Werten des FCB ausrichtet. Ich habe kein Problem mit der Internationalisierung, es geht aber um das Wie. Wir sind nicht auf Teufel komm raus auf Gelder aus „unschönen“ Quellen angewiesen. Es ginge auch anders. Mit nem echten bayerischen Weg.

Gut, vielleicht freust du dich ja wenigstens sportlich auf die kommende Saison! Sechsmal Meister – eine unfassbare Serie. Werden Kovač und der FCB sie fortführen können?

Klares Ja. Seven up! Die Bundesliga wird auch in der kommenden Saison nicht die Qualität haben, den FC Bayern ernsthaft zu gefährden.

Fazit

Damit sind all unsere Prognosen komplett. Hier nochmal die Abschluss-Tabelle, wenn es nach Miasanrot geht:

  1. FC Bayern München
  2. Borussia Dortmund
  3. Bayer 04 Leverkusen
  4. TSG Hoffenheim
  5. RB Leipzig
  6. VfB Stuttgart
  7. FC Schalke 04
  8. SV Werder Bremen
  9. Borussia Mönchengladbach
  10. Hertha BSC
  11. FC Augsburg
  12. Eintracht Frankfurt
  13. SC Freiburg
  14. 1. FC Nürnberg
  15. 1. FSV Mainz 05
  16. VfL Wolfsburg
  17. Fortuna Düsseldorf
  18. Hannover 96

Natürlich ist das alles wilde Spekulation. Vielleicht kommt es am Ende ganz anders. Vielleicht liegen wir goldrichtig oder komplett daneben. In der Bundesliga entscheiden oft so kleine Dinge, dass es unmöglich ist, die Überraschungen vorherzusehen. Dann wären es ja auch keine Überraschungen mehr.

Wie man in Wolfsburg sagt: Gut Kick! Auf eine geile Saison und großen Dank an alle Gäste!

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