Vorschau: FC Bayern München – VfL Wolfsburg

Justin Trenner 21.09.2017

Immer wenn Antonia bei uns zu Gast ist, wird beim VfL der Trainer entlassen. Wie zufrieden sie mit der Entscheidung ist und was sie vom VfL erwartet, erzählt sie uns im Interview. Außerdem gibt sie Einblicke in einen Fanfilm, in dem sie mitspielen durfte. Eine Empfehlung für alle, die den Werksclub mit Vorurteilen betrachten.

(Foto: Alexander Hassenstein / Bongarts / Getty Images)

Hallo Antonia, bei unseren letzten Interviews hast Du jeweils Trainerentlassungen vorhergesehen. Diesmal kam dir der VfL zuvor. Eine folgerichtige Entscheidung?

Die Entscheidung mag vielleicht richtig gewesen sein, der Zeitpunkt ist allerdings (schon wieder) eine Katastrophe. Wie schon bei Hecking und Ismael, hat man nicht die Sommer – bzw. Winterpause genutzt, um einen neuen Trainer zu finden, sondern es kurz danach mitten in der Saison gemacht. Irgendwann sollte man aus seinen Fehlern auch mal lernen. Wenn man an Jonker geglaubt hätte, hätte man ihm mehr Zeit als 4 Spieltage geben sollen. Wenn nicht, hätte man im Sommer genug Zeit gehabt, nach einer passenden Lösung zu suchen. Das ist einfach unprofessionell.

Wieso bekommt dieser Kader die PS nicht auf die Straße?

Dieselbe Frage wie letzte Saison und vermutlich auch die gleiche Antwort – die ich aber nicht weiß. Der VfL hat sicher keinen Kader mehr, mit dem man locker die Champions League erreicht. Vergleicht man ihn aber mit dem Rest der Liga, müsste mindestens das gesicherte Mittelfeld drin sein. Gegen Bremen hat man in der 1. Halbzeit gesehen, wie es laufen kann. Doch dann wurde Werder in der 2. Halbzeit besser und der VfL sofort so unsicher, dass sie am Ende noch glücklich gepunktet haben. Das muss man unbedingt aus den Spielern rauskriegen.

Wie zufrieden bist du mit Martin Schmidt als Lösung und was erwartest Du dir von ihm?

Wenn der Trainer entlassen wird, macht man sich natürlich immer erstmal Hoffnung auf die ganz große Lösung. Aber dass ein Thomas Tuchel nach Wolfsburg kommt, ist einfach unrealistisch. Ich denke, in unseren Möglichkeiten ist das eine gute Lösung. Martin Schmidt scheint (von außen betrachtet) eher jemand zu sein, der mal auf den Tisch haut, als der ruhige Jonker. Und immerhin hat er Mainz in die Europa League geführt.

Welche Ziele sind in dieser Saison realistisch?

Ich wünsche mir einfach nur eine langweilige, ruhige Mittelfeld-Saison. Keine Relegation, keinen Abstiegskampf. Von europäischen Plätzen müssen wir bei unserer aktuellen Leistung überhaupt nicht reden und das verlangt, nach der letzten Horror-Saison, auch niemand.

Gegen Bayern muss es schon eine große Wende geben. Wie muss der VfL in München auftreten, um überhaupt eine Chance auf einen Punktgewinn zu haben?

Da müsste sich Martin Schmidt schon etwas ganz Großes ausdenken. Ich denke der VfL wird versuchen, die Bayern überhaupt nicht in Strafraumnähe zu lassen und dann, bei Gelegenheit, zu kontern. Das wird aber mit der Qualität unserer Defensive gegen die Qualität eurer Offensive eher nicht klappen. Man sollte nur versuchen, nicht schon wieder sich so abschießen zu lassen. Unser schlechtes Torverhältnis hat uns (nach einem 0:5 und 0:6 gegen die Bayern) letzte Saison in die Relegation gebracht. Mit einem 0:2 könnte man schon “zufrieden” sein und es abhaken können.

Vor einigen Wochen hast Du bei einem Film zum VfL mitgewirkt. Welche Intention stand dahinter und wie zufrieden warst Du mit dem Endergebnis?

Der VfL ist seit diesem Jahr 20 Jahre in der Bundesliga. Um diesen Jahren und vor allem den Fans Tribut zu zollen, haben sich drei VfL-Fans zusammengetan und einen großartigen Film produziert, in dem ich auch mitwirken durfte. Das Endergebnis ist super, die perfekte Mischung aus Erinnerungen an große Tage aus Fan- und Spielersicht, wie z.B. dem Pokalsieg, aber auch das 4:1 gegen euch nach Junior Malandas Tod. Über das 2:0 gegen Real Madrid durfte ich mit Maxi Arnold reden. Wer das sehen möchte, muss jetzt auf die DVD warten.

Wenn ich mich richtig erinnere, hast Du dich damals für Lewandowski entschieden. Gómez machte zumindest in der Rückrunde einen ganz guten Job. Würdest Du dich wieder für den Polen entscheiden, wenn Du einen Spieler der Bayern haben könntest?

Jonker hat Gómez‘ Sturmtalent quasi wiederbelebt. Ob das unter Martin Schmidt weiter klappt, bleibt nur zu hoffen. Aber mit Divock Origi haben wir noch einen guten Mann für den Sturm dazu bekommen. Tatsächlich würde ich jetzt vielleicht doch auf Lewandowski verzichten (allein aus traumatisierten 9 Minuten Gründen), und stattdessen mich für Thiago entscheiden. Einen so guten und intelligenten Mittelfeldspieler könnten wir echt gebrauchen. (Nimm’s mir nicht übel, Maxi!)


Wolfsburg hat sich wieder mal vor einem Spiel gegen den FC Bayern in eine unangenehme Position gebracht. Kann die große Überraschung unter diesen Umständen gelingen oder gewinnt der Rekordmeister auch dieses Duell souverän?

Martin Schmidt weiß jedenfalls, wie man in München etwas mitnimmt. In 3 Duellen konnte er 4 Punkte mit den Mainzern holen. In der vergangenen Saison ein 2:2 am 30. Spieltag und ein Jahr zuvor gelang ihnen sogar ein 2:1-Sieg in der Allianz Arena. Damals in einer sehr entscheidenden Saisonphase. Borussia Dortmund konnte dadurch den Abstand zu den Münchnern verringern und hatte am darauffolgenden Spieltag die Chance, den Meisterschaftskampf richtig spannend zu machen.

Martin Schmidt konnte in der Vergangenheit schon öfter Punkte aus München mitnehmen.
(Foto: Lennart Preiss/Bongarts/Getty Images)

Diesmal geht es wieder um viel für die Bayern. Dortmund hat einen Punkt Vorsprung und ein Heimspiel vor der Brust. Der Serienmeister kann den Druck bereits am Freitag mit 3 Punkten gegen Wolfsburg erhöhen.

Schritt für Schritt zur Bestform

Dafür gilt es, erneut einen Schritt zu machen. Nach dem doch enttäuschenden Auftritt gegen Anderlecht, gab es eine solide Leistung gegen Mainz und eine gute auf Schalke. Die Bayern haben sich innerhalb weniger Spiele verbessert. Dies gilt vor allem für die Offensive, die am Dienstag so variabel spielte wie schon lange nicht mehr.

Bemerkenswert ist, dass Ancelotti „Robbéry“ schonte. Ohne die Flügelzange gab es die Chance für Coman, Müller und James, sich zu beweisen. Gerade der Kolumbianer deutete erstmals an, dass er ein großartiger Mehrwert für den Kader ist. Es ist lange her, dass eine Dreierreihe hinter Lewandowski so viel rochierte.

Jeder war mal auf einer der drei Positionen. Mit Robben und Ribéry ist das eher statischer, vor allem aber breiter ausgelegt. James und Müller bekleideten ihre Rollen zentraler und auch Coman wurde meist über den Halbraum gefährlich. Rafinha und Kimmich gaben dem Spiel stattdessen Breite. Ein Fingerzeig dafür, wie das System der Bayern in der Zukunft aussehen könnte.

Durch dieses variablere Spiel gelang der Ancelotti-Elf viel häufiger der Durchbruch über Kombinationen. Nur 21 Flanken waren es gegen Schalke – ein großer Fortschritt im Vergleich zu den 30 oder gar 40 in den vergangenen Partien. Coman war super eingebunden und musste deshalb nur ein einziges Mal zu diesem Mittel greifen. Auch Lewandowski half die Präsenz in der Zentrale. Müller tut dem Polen einfach gut und gerade James hatte einen großen Anteil daran.

Die kompakte Schalker Abwehrreihe wurde so ziemlich schnell im Spiel mehrmals geknackt. Es ist aber noch lange nicht alles Gold, was glänzt. Zwar erspielten sich die Bayern mehr Chancen, aber es gibt immer noch Luft nach oben. Was gegen Schalke schon gut war, muss spätestens in Paris noch verfeinert werden. Der nächste Schritt wäre noch mehr Bewegung und noch mehr Spieler, die sich zwischen den Ketten anbieten, um über Passdreiecke in den Strafraum zu kommen. Zudem wird Bayern diese Variabilität und Präsenz nun auch mit Robben und Ribéry zeigen müssen. Es wird spannend zu sehen, ob das Duo nachlegen kann.

Bei allem Lob für die Offensive muss jedoch auch das Defensivverhalten angesprochen werden. Damit ist keinesfalls die Viererkette gemeint. Martínez hatte zwar einen unglücklichen Auftritt, doch das Zweikampfverhalten der Abwehr ist definitiv nicht problematisch. Sie ist eher die letzte Rettung für das manchmal sehr chaotische Pressing. Bayern muss hier an der Kompaktheit arbeiten. Schalke bekam zu oft die Gelegenheit, das aggressive Pressing zu überspielen und dann war die Viererkette die letzte Hoffnung der Münchner.

Die gesamte Mannschaft muss sich strukturierter gegen den Ball positionieren. Gerade Martin Schmidt wird versuchen, genau diese Schwächen auszunutzen. Seinen ersten Sieg gegen die Bayern erreichte er mit einem 5-2-3, das gerade im Mittelfeld sehr aggressiv in die Zweikämpfe ging. Die dort provozierten Ballverluste nutzten sie mit schnellem Umschalten und einer effektiven Verwertung. Hinten standen sie mit einer Fünferkette sehr stabil, vorne setzte die Dreierreihe den Aufbau des Gegners unter Druck. Dazwischen zwei Sechser und die Außenverteidiger, denen eine große Rolle zukam. Deren Balance war ein entscheidender Faktor.

Ist Wolfsburg mutig?

Ob Schmidt diese mutige Interpretation nach so kurzer Zeit auch mit Wolfsburg gelingen wird, ist natürlich fragwürdig. Vielleicht setzt er deshalb auf eine sehr tiefe Fünferkette. Erfahrungsgemäß wird er damit jedoch nur erfolgreich sein, wenn genügend offensive Entlastung vorhanden ist. Auch ein normales 4-4-2 ist denkbar. Damit holte Schmidt – ähnlich offensiv ausgerichtet wie mit dem 5-2-3 – im April immerhin einen Punkt.

Der Trainer hat sicherlich Lösungen für Bayerns Schwächen. Doch können seine Spieler diese umsetzen? Für Wolfsburg wird es eine extrem schwere Aufgabe. Wenn die Münchner es schaffen, die Leistung der letzten beiden Spiele zu bestätigen, dürfte es eine klare Angelegenheit werden.

Kann der VfL aber die Probleme im (Gegen-)Pressing nutzen, um in einem unglücklichen Moment zuzuschlagen, wird die Reaktion spannend. Auch gegen Schalke gab es einige Situationen, in denen das Spiel zu kippen drohte. Der FC Bayern war in dieser Saison oft genug nicht konstant und selbstsicher genug, um Rückschlägen souverän standzuhalten. Ob es gegen Wolfsburg überhaupt so weit kommt, wird sich zeigen. Das zuletzt getankte Selbstvertrauen dürfte aber helfen.

Wissenswertes zum Spiel

  • In München konnte der VfL Wolfsburg noch nie gegen die Bayern gewinnen.
  • Lewandowski und Müller trafen jeweils schon 10 Mal gegen die Wölfe. Nur Elber (13) war erfolgreicher. Grafite und Dzeko sind gemeinsam mit Claudio Reyna die Toptorschützen des VfL gegen die Bayern (jeweils 4 Tore).
  • Das Spiel wird am Freitagabend um 20:30 Uhr angepfiffen und auf Eurosport 2 HD Extra übertragen. Wenn wir Glück haben, auch im Eurosport-Player.

Expertentipp

Im Expertentipp tippt ein externer Experte den Spielausgang. Für den richtigen Tipp gibt es drei Punkte und für die richtige Tendenz (Sieg, Unentschieden, Niederlage) einen Punkt. Verglichen wird dies dann mit einem zweiten Expertentipp, der vom Autorenteam von Miasanrot.de kommt. Am Ende der Saison wird sich zeigen, ob die eingeladenen Experten mehr Punkte erreicht haben, als die Redaktion.

Bayern gewann auf Schalke mit 3:0. Micho erhöht mit seinem Tipp deshalb auf 10:6 für die Redaktion. Diese Woche trete ich selbst mal wieder an, um gegen Antonia die nächsten Punkte zu holen.

Antonia: Ich denke, der VfL wird am Anfang versuchen, mutig und offensiv aufzutreten. Das könnte auch die ersten 15 Minuten klappen, vielleicht sogar mit einer guten Torchance. Dann wird aber Bayerns Qualität überwiegen und das 1. Tor fallen. Danach konzentriert sich der VfL aufs Verteidigen, unterliegt aber der individuellen Klasse der Bayern-Offensivspieler. Endstand: 3:0.

Justin: Bayern wird sich für die schwere Aufgabe in Paris Selbstvertrauen holen wollen. Freitagabendspiele sind meist zäh und ich traue Schmidt zu, dass er einen guten Plan für die Wolfsburger hat. Nach schwieriger Anfangsphase werden die Münchner aber ins Rollen kommen und der VfL einbrechen. Ich tippe ein klares 5:1.