Vorschau: TSG Hoffenheim – Bayern München

Tobias Trenner 26.09.2020

In Sinsheim blickt man auf eine etwas turbulente Saison 2019/20 zurück. Nach dem Abwandern von Julian Nagelsmann gen Leipzig holte man sich mit Alfred Schreuder einen kompetenten und modernen Nachfolger. Diese Ehe stellte sich allerdings als äußerst unglücklich heraus. Schreuder und Hoffenheim, das schien nie wirklich zu passen. Der ehemalige Co-Trainer von Erik ten Haag bei Ajax Amsterdam hinterließ mit seiner Aufstellung stets viele Fragezeichen, nicht nur bei den Hoffenheimer Fans, sondern scheinbar auch bei den Verantwortlichen. Nach einer durchwachsenen Hinrunde schien sich die TSG ein wenig zu stabilisieren und spielte nach dem Umbruch am Ende eine solide Saison. Jedoch wurde diese nicht mit Schreuder beendet. Das Kapitel Hoffenheim war für ihn bereits am 30. Spieltag zu Ende. Nach einem Unentschieden trennten sich die Hoffenheimer von Schreuder, der sich damals bereits auf Europa-League-Kurs befand. Den Verantwortlichen schien allerdings eher die langfristige Perspektive mit Schreuder zu fehlen. Mangelnder Erfolg konnte sicherlich nicht der Grund sein, nichtsdestotrotz konnte man sich unter Interimstrainer Rapp sogar noch einen Platz klettern und wurde letztlich Sechster.

Im Sommer übernahm nun Sebastian Hoeneß das Amt in Hoffenheim. Hoeneß führte letzte Saison die zweite Mannschaft des FC Bayerns zur Meisterschaft in der dritten Liga. Beeindruckend von den Ergebnissen und der generellen Entwicklung von Hoeneß als Trainer, bestimmte die TSG den Sohn von Dieter Hoeneß zum Nachfolger von Alfred Schreuder. Hoeneß ließ sich nicht zweimal bitten und nutzte die Gelegenheit in der Bundesliga zu arbeiten.

Sonst hat sich in Sinsheim nicht viel getan. Auch bei der TSG muss man in Zeiten von Corona kleinere Brötchen backen. Im letzten Jahr musste man aufgrund einer Vielzahl an Abgängen von Leistungsträgern wie Joelinton, Kerem Demirbay oder Nadiem Amiri nachlegen. Dieses Jahr hingegen blieb der Kern des Teams bestehen und wurde einzig durch Mijat Gacinovic und Kevin Vogt, der von seiner Leihe aus Bremen zurückkehrte, verstärkt. Außerdem kehrte Bruno Nazario von seiner Leihe zurück, wird sich aber ähnlich wie die vier Spieler, die aus der eigenen Jugend dazustießen, hinten anstellen müssen.

Was kann man bisher über die TSG Hoffenheim unter Sebastian Hoeneß sagen? Noch recht wenig. Der ehemalige Trainer der Bayern-Amateure hatte schließlich bisher noch recht wenig Zeit mit seiner Mannschaft zu arbeiten und seine Ideen von Fußball zu implementieren. Beim knappen Auftaktsieg in Köln lief die TSG, wie bereits in den letzten Jahren mehrfach, mit einer Dreier-/Fünferkette auf. In Hoeneß‘ 3-4-1-2 spielten der immer noch hochtalentierte Geiger neben dem nicht weniger talentierten Samassékou auf. Mit den beiden hat Hoffenheim ein durchaus spielstarkes Mittelfeld, das in der Spieleröffnung stets Akzente setzen kann und auch unter Druck ruhig am Ball bleibt. Zusammen von Kevin Vogt besitzt das Team von Sebastian Hoeneß eine spielstarke Achse, deren Aufgabe es sein wird mittels eines sauberen Aufbauspiels die Offensive um den starken Baumgartner, Stürmer Dabbur und Topstar Andrej Kramaric einzusetzen. Das besonders Letztgenannter immer noch in Hoffenheim spielt, ist durchaus überraschend. Kramaric zählt zu den wohl stärksten Angreifern der Liga und würde sicherlich auch vielen Top-Teams gut zu Gesicht stehen.

In München entwickelte sich Hoeneß stets weiter. Wurde er zuerst noch für seine taktische Ambitionslosigkeit bei der U19 kritisiert, entwickelte er bei der U23 der Münchner viele verschiedene Bewegungen im Aufbauspiel. Normalerweise nutzte Hoeneß das 4-Raute-2 oder ein 4-2-3-1. Dabei gab Stiller stets den Fixpunkt im defensiven Mittelfeld, während ihn einer der Achter unterstützte. So versuchten die Münchner das Spiel stets mit 2-4 oder 2-3 Staffelungen aufzubauen und Lücken zu reißen. Auffällig war dabei, dass Hoeneß sehr viel Wert auf das geschickte Anlocken des Gegners legte, um Räume in höheren Zonen zu öffnen. Die saubere Staffelung der kleinen Bayern erlaubte es ihnen, diese Räume danach dynamisch zu bespielen. Durch die Nutzung von einrückenden Flügelspielern oder einem System ohne echte Flügelspieler ergaben sich viele Passoptionen zwischen Mittelfeld und Abwehrlinie des Gegners. Die Bayern versuchten mittels dieser dann durch schnelle Flachpasskombinationen hinter die letzte Linie zu gelangen.

Die Ausrichtung der Hoffenheimer bisher deutet daraufhin, dass auch dies das Ziel von Hoeneß in Sinsheim sein wird. Durch ein sauberes Aufbauspiel in einer 3-2 Staffelung den Gegner anlocken, um dann den Zwischenlinienraum zu überladen und schnell hinter die letzte Kette zu gelangen. Dafür finden sich im Kader der Hoffenheimer passende Spieler. Erstens kennen viele diese Vorgehensweise noch aus Zeiten unter Julian Nagelsmann. Darüber hinaus sind Spieler wie Dabbur oder Kramaric mit ihrer Spielintelligenz, technischen Versiertheit und intelligenten Läufen ohne Ball prädestiniert für diesen Spielstil. Mit einem Stürmer wie Bebou gibt es des Weiteren einen Akteur, der gerne die Tiefe attackiert und dafür auch die notwendige Geschwindigkeit mitbringt.

Wer mehr über Hoeneß Spielstil aus der letzten Saison erfahren will, dem sei diese Analyse ans Herz gelegt.

Was erwartet die Bayern gegen die TSG?

Die Bayern werden sicherlich vor größere Probleme gestellt werden, als es beim Bundesliga-Auftakt der Fall war. Insbesondere, wenn Hoeneß seine Aufstellung vom Wochenende beibehält und gegen den Rekordmeister mit einer Fünferkette aufläuft. Hoffenheim verteidigte bereits in der Vergangenheit sehr gerne im 5-3-2, ein System, das nur sehr schwer zu bespielen ist.

Gerade die Bayern hatten bereits im Champions-League-Turnier in Lissabon größere Probleme gegen das 5-3-2, das Olympique Lyon im Halbfinale nutzte. Die Gründe liegen auf der Hand. Bayerns Spiel ist stark auf das Zentrum ausgerichtet. Seitdem Hansi Flick das Ruder bei den Bayern übernommen hat, gilt als oberste Prämisse die Überladung des Zwischenlinienraums – dem Raum zwischen Abwehr- und Mittelfeldlinie des Gegners. Auch gegen Schalke konnte man diese Muster immer wieder beobachten. Neben Robert Lewandowski und Thomas Müller schoben die Flügelspieler Leroy Sané und Serge Gnabry stets ins Zentrum bzw. in den Halbraum. Wurde der Flügel mal doppelt besetzt, hatte einer der Sechser die Erlaubnis weiter nach vorne zu schieben.

Durch das extreme Überladen des Zentrums möchten die Münchner Anspielstationen zwischen den Linien schaffen und die gegnerische Mittelfeldlinie vor Probleme stellen. Durch die vielen Spieler zwischen den Linien soll es dem Gegner unmöglich gemacht werden alle Passlinien zu schließen. Dazu schoben die Außenverteidiger gegen Schalke weiter nach vorne, um nicht nur Breite zu geben, sondern als Ausweichroute in den Zwischenlinienraum zu dienen. Daraus folgte, dass die Innenverteidiger stets drei Anspielstationen hinter der Schalker Mittelfeldlinie hatten. Zum einen die Außenverteidiger, darüber hinaus Müller oder Lewandowski mittels eines diagonalen Pass ins Zentrum, oder Sané und Gnabry im Halbraum. Des Weiteren besetzten die Münchner sehr sauber unterschiedliche horizontale Linien und starteten regelmäßig passend in die Tiefe. Die Viererkette der Schalker konnte so nicht einfach herausrücken, ohne einen anderen Spieler im freien Raum zu lassen. Dementsprechend bekamen die Bayern viel Platz und konnten durchbrechen, sobald der Ball über eine der Routen in den Zwischenlinienraum gelangte.

Eine ausführliche Erklärung des bayerischen Offensivspiels gegen Schalke, findet ihr übrigens in diesem Video.

Im Gegensatz zum Schalker 4-4-2 könnte ein 5-3-2 aus verschiedenen Gründen die Lösung sein, um Bayerns Offensivspiel einzudämmen. Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen verschließt das 5-3-2 die Halbräume automatisch besser, da hier die beiden Achter bereits positioniert sind. Anders als im 4-4-2 ergeben sich für den Gegner also kaum Zuordnungsprobleme. Des Weiteren ist auch der diagonale Pass ins Zentrum durch den Sechser leichter zu verteidigen. Entsprechend werden die Routen durch das Zentrum und den Halbraum vermehrt versperrt sein.

Gegen Lyon mussten die Münchner dann früher auf den Flügel ausweichen, konnten aber auch hier einfacher isoliert werden. Der Wingback der Fünferkette schob aggressiv heraus, während der ballnahe Achter stets in der Lage war den diagonalen Passweg ins Zentrum zu schließen. Der Sechser hingegen sicherte ab. Dies bereitete den Bayern lange Probleme, insbesondere da die beiden Stürmer immer noch Druck auf das Aufbauspiel der Münchner ausüben konnten.

Auch wenn die Bayern mal in den Zwischenlinienraum gelangen, könnten die Innenverteidiger der TSG, sofern diese wirklich mit einer Fünferkette agieren, leichter herausrücken, ohne große Löcher für die bayerischen Offensivspieler zu reißen. Dementsprechend würde sich deutlich weniger Raum für die Bayern ergeben.

Wie können die Bayern den Schlüssel dagegen finden?

Wo liegen denn jetzt eigentlich die Schwächen des 5-3-2 und wie kann man dagegen spielen?

Auf Twitter und in einem ausführlicheren Artikel habe ich mir darüber bereits Gedanken gemacht. Der Schlüssel für die Bayern wird sicherlich der tiefere Halbraum sein. Da der Achter mit dem Versperren der Passwege zum Flügelspieler im Halbraum beschäftigt sein wird, werden wir seltener ein Herausrücken beobachten. Folglich haben die Innenverteidiger Platz anzudribbeln.

Insbesondere wenn sich Goretzka wieder zwischen die beiden fallen lassen wird, um eine Dreierkette zu bilden, können Boateng/Alaba und Süle aggressiv andribbeln und den Gegner zum Herausrücken zwingen. Dies wiederrum wird Räume öffnen, die die Mannschaft von Hansi Flick nutzen kann.

Auch die Außenverteidiger können der Schlüssel zum Erfolg werden. Insbesondere im Zusammenspiel mit einem breiten Flügelspieler. Dann wiederrum müsste einer der Sechser weiter nach vorne schieben, während der andere nicht abkippt, sondern seine Position hält. Aus einer tieferen Grundposition könnten die Münchner Außenverteidiger mit Ball andribbeln oder ohne Ball starten und Räume für die Dribblings der Flügelzange Gnabry und Sané öffnen.

Des Weiteren spielen Verlagerungen vom Flügel durch das Zentrum in den ballfernen Halbraum eine entscheidende Rolle. Lyon schaffte es beispielsweise nicht diese zu unterbinden, sodass Bayern damals über Thiago zu Verlagerungsmöglichkeiten kam. Man darf nämlich nicht vergessen, dass Dreiermittelfeld im 5-3-2 ist horizontal weniger kompakt aufgrund des fehlenden vierten Mannes.  

Fazit

Es wird spannend zu sehen sein, ob und wie die TSG gegen den FC Bayern agieren wird. Fakt ist, das Spiel wird deutlich schwerer als die Auftaktpartie gegen Schalke. Die Reise nach Budapest und das Spiel gegen Sevilla kommt noch dazu. Folglich ist damit zu rechnen, dass Flick eine erste kleine Rotation vornimmt, schließlich stehen viele Spieler für die Münchner in nächster Zeit an.