TSG Hoffenheim: Wirtschaftlicher Steckbrief vor den Bayern

Alexander Trenner 22.10.2022

442 Millionen EUR statt Aufstellung 4-4-2, Hauptsponsor statt Hauptrivale lautet das Motto. Die Meisten kennen die sportlichen Profile der Gegner der Bayern, aber wie steht es eigentlich um ihre wirtschaftliche Situation? Wie viel Geld erlösen die Vereine von ihrem Hauptsponsor? Von ihrem Ausrüster? Von der DFL? Machen sie Verluste oder Gewinne und wie investieren sie ihr Geld? In Steine? In Beine? Und wie stehen sie eigentlich im Vergleich zum FC Bayern da? Nach einem Blick auf die Zahlen schließt der Artikel mit einem kurzen Ausblick auf das Sportliche.

Die Eckdaten

Die „Turn- und Sportgemeinschaft Hoffenheim 1899 e. V.“ (TSG Hoffenheim) entstand im Jahr 1945 aus dem Zusammenschluss des im Jahr 1899 gegründeten Turnvereins „TV Hoffenheim“ und des im Jahr 1921 gegründeten Fußballvereins „FV Hoffenheim“. Vom älteren Verein stammen Turnen, Leichtathletik und Gründungsdatum, vom jüngeren die Fußballabteilung. Turnen, Leichtathletik und Fußball sind nach wie vor die drei Sportarten, in denen die TSG Hoffenheim sportlich aktiv ist. Im Fußball gibt es neben der Herrenmannschaft auch eine Damenmannschaft und nach Alter gestufte Jugendmannschaften bis hinunter zur U9. Die TSG Hoffenheim zählt gegenwärtig ungefähr 11.000 Mitglieder und ist damit der größte Verein der Rhein-Neckar-Metropolregion. Hoffenheim ist ein Stadtteil der Stadt Sinsheim in der malerischen Hügellandschaft Kraichgau im baden-württembergischen Teil der historischen Kurpfalz im Nordwesten des Landes.

Der organisierte Fußball derTSG Hoffenheim 1899 e. V. wurde im Jahr 2004 in die „TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH“ ausgegliedert, welche den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Profifußballs zunächst vom e. V. anpachtete und dann im Jahr 2015 käuflich erwarb, nachdem die DFL Dietmar Hopp als drittem Fall nach VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel auf Basis seiner mehr als 20 Jahre andauernden, ununterbrochenen und erheblichen Förderung des Vereins gewährt hatte und die Vereinsmitglieder der Übernahme durch Hopp zugestimmt hatten. Hopp hält 96 % der Anteile an der Spielbetriebs-GmbH, die verbleibenden 4 % hält der e. V. Hopp ist ein sogenannter „atypischer stiller Gesellschafter“, das heißt, er ist ab dem Zeitpunkt seiner ersten Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie am Wertzuwachs der TSG Spielbetriebs-GmbH beteiligt. Außerdem genießt er je nach vertraglicher Ausgestaltung umfangreiche unternehmerische Mitspracherechte bis hin zum Recht auf Tätigkeit in der Geschäftsführung oder auch Einflussnahme auf die geschäftliche Ausrichtung.

Einfluss auf das geschäftliche Geschehen nimmt Dietmar Hopp sicher, aber unmittelbar in der Geschäftsführung der Spielbetriebs-GmbH arbeitet er nicht. Diese besteht aus drei Mitgliedern, dem Sportwissenschaftler und Diplom-Psychologen Dr. Jan Mayer für Innovation und Unternehmensentwicklung, dem Diplom-Kaufmann Frank Briel für Personal/IT, Finanzen und Organisation sowie dem ehemaligen Fußballer und Diplom-Kaufmann Denni Strich für die Bereiche Sales, Marketing, Vertrieb und Kommunikation. Auf zweiter Ebene komplettiert wird das Leitungsteam durch den ehemaligen Spieler und studierten Sportfachwirt Alexander Rosen als Sportdirektor sowie den vormaligen Journalisten Christian Frommert als Kommunikationschef. Präsident des e. V. ist der ehemalige Spieler Kristian Baumgärtner.

Die Spielbetriebs-GmbH ist Muttergesellschaft mehrerer Tochterunternehmen. Zu ihr gehören die „TSG 1899 Hoffenheim Akademie GmbH“, eine sportwissenschaftliche Beratungseinrichtung, die Trainingskonzepte entwickelt und verkauft sowie Fortbildungen für Trainer anbietet; die „achtzehn99 Reha GmbH“ (80%-Anteil), die die physiotherapeutische Betreuung der Fußballer der TSG durchführt und externe Patienten behandelt; die „TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Besitzgesellschaft mbH & Co. KG“, die das Eigentum an wesentlichen von der TSG Hoffenheim genutzten Liegenschaften wie dem Stadion und der Geschäftsstelle in Zuzenhausen hält und an die Spielbetriebs-GmbH verpachtet; sowie die „TSG Research Lab gGmbH“, geleitet von Mayer, die als gemeinnützige Gesellschaft sportwissenschaftliche Forschung im Bereich Leistungssport durchführt und die dabei gesammelten Erkenntnisse in die Gesellschaft trägt und der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. 

Mit diesem im Jahr 2019 gegründeten Research Lab betreibt die TSG wahrscheinlich eine der modernsten und fortschrittlichsten, sicherlich aber ambitioniertesten Einrichtungen an der Schnittstelle von wissenschaftlicher Forschung und Praxis im deutschen Leistungsfußball. Das Lab beschäftigt sich intensiv mit wissenschaftlicher, stark datengetriebener Forschung im Bereich der Trainings- und Leistungsdiagnostik, Untersuchung von körperlicher und psychischer Belastung und Ermüdung, der psychologischen Persönlichkeitsforschung, den Grenzen und Möglichkeiten datengestützter Leistungs- und Spielanalyse sowie der Talententwicklung. Zu diesem Zweck kooperiert das Lab mit mehreren Hochschulen, die Ergebnisse werden regelmäßig in wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert. Das Lab greift dabei in der fortschrittsfreundlichen Tradition des Vereins und des sehr technik- und innovationsaffinen Dietmar Hopp auf umfangreiche, technologisch fortschrittliche Hilfsmittel zurück. Zu größerer Bekanntheit auch über Hoffenheim hinaus haben es beispielsweise der Footbonaut und die 360°-Helix gebracht. Das Research Lab ist ein zentraler Bestandteil der Trainings- und spielerischen Ausbildung des Vereins und wird mit seinen Erkenntnissen, Methoden und Apparaten stark in den Trainingsalltag der Spieler integriert

Dietmar Hopp und der Aufstieg der TSG

Der im deutschen Fußball von heute sehr ungewöhnliche Aufstieg eines Vereins von der Kreisliga in die Bundesliga ist untrennbar mit dem Namen Dietmar Hopp, seinen finanziellen Zuwendungen und seinem Tatendrang verbunden. Das erste Mal finanziell unter die Arme griff er der TSG Hoffenheim im Jahr 1989, der Legende nach enttäuscht vom Abstieg der Mannschaft von der Bezirks- in die Kreisliga, dass er live im Stadion miterleben musste, mit 10.000 Mark für Bälle und Trainingskleidung. In den Jahren danach intensivierte er seine Zuwendungen, die TSG wurde erfolgreicher und Mitte der 2000er Jahre, nachdem der Verein inzwischen unter einem gewissen Hansi Flick bis in die Regionalliga aufgestiegen war, fasste er den Entschluss, „all the way“ zu gehen und die TSG in die Bundesliga zu führen. Innerhalb kurzer Zeit krempelte er den Verein nahezu vollständig um und bürstete ihn auf Leistung. Zu seinen wesentlichen Taten, die er jetzt im Eiltempo ausführte, gehörten unter anderem: die Ausgliederung des Spielbetriebs in eine Kapitalgesellschaft (erfolgt 2004); der Bau eines neuen Trainingsgeländes in Hoffenheim (eröffnet 2005); der Bau eines neuen Trainingszentrums plus Geschäftsstelle in einer barocken Schlossanlage in der Sinsheimer Nachbargemeinde Zuzenhausen (eröffnet 2009); der Bau eines brandneuen, modernen und bundesligatauglichen Stadions mit über 30.000 Plätzen mit der „Rhein-Neckar-Arena“ in Sinsheim (eröffnet 2009); dazu im sportlichen Bereich die Verpflichtung von Ralf Rangnick vor der Saison 2006/07 und eine weitgehende Neuaufstellung des Kaders in Höhe von rund 19 Mio. EUR vor der Saison 2007/08, dem Zwanzigfachen der bis zu diesem Zeitpunkt in der gesamten Vereinsgeschichte zuvor insgesamt für Spieler ausgegebenen Beträge. Rangnick gelang direkt in seiner ersten Saison 2006/07 der Aufstieg in die zweite Liga und dann, mit dem generalüberholten Kader 2007/08, der sofortige Durchmarsch in die Bundesliga, wo der Verein bis heute spielt. 

Der Löwenanteil des finanziellen Investments von Dietmar Hopp bei der TSG entfiel auf diese Phase höchster Aktivität der Jahre 2006 bis 2011. In diesem Zeitraum führte er dem Verein in jährlichen Tranchen von mehreren 10 bis zu 100 Mio. EUR insgesamt rund 240 Mio. EUR an finanziellen Mitteln zu, wovon allein rund 90 Mio. EUR für den Ausgleich der damals jedes Jahr anfallenden Verluste der Spielbetriebs-GmbH benötigt wurden, die ganz wesentlich den hohen Ausgaben für neue Spieler geschuldet waren. Im Jahr der großen Zäsur in der Kaderpolitik 2007/08 beispielsweise gab die TSG mit ca. 20 Mio. EUR ungefähr 166 % ihres Umsatzes von 12 Mio. EUR und damit knapp 50 % der Gesamtausgaben in der 2. Bundesliga für neue Spieler aus, wobei die Ausgaben für neue Spieler in den Folgejahren tendenziell weiter zunahmen. Der Personalaufwand in jenem Jahr betrug rund 18 Mio. EUR, ein für die 2. Bundesliga zur damaligen Zeit sehr hoher Betrag. Auch diese Gehaltszahlungen nahmen in den Jahren danach tendenziell immer weiter zu. Parallel zu seinen alljährlichen Kapitaleinlagen finanzierte Hopp außerdem die Investitionskosten für die Rhein-Neckar-Arena von rund 60 Mio. EUR, das neue Trainings- und Geschäftsstellenzentrum in der Zuzenhausener Schlossanlage von rund 15 Mio. EUR sowie einige weitere kleinere und größere Erweiterungsbauten und Modernisierungen an anderen Standorten und Einrichtungen des Vereins nahezu vollständig aus seiner Tasche. Nach 2011 hörten Hopps jährliche Einlagen in die Spielbetriebs-GmbH auf, bis heute dürfte er den Verein summa summarum zwischen 350 und 400 Mio. EUR in Geld und Sachwerten zur Verfügung gestellt haben. Vom Erbe dieser Zuwendungen profitiert die TSG Hoffenheim mit ihren finanziellen Möglichkeiten, eine gute Mannschaft zu finanzieren, ihrem modernen Stadion, ihren modernen Büroräumen und Trainingsplätzen sowie der ligaweit höchsten Eigenkapitalquote noch heute. Es ist nur schwer vorstellbar, dass der Verein ohne Hopps finanziellen Turbolader und seinen Tatendrang, gepaart mit unternehmerischer Expertise in der zweiten Hälfte der Nullerjahre den Weg in die erste Liga gefunden hätte und sich dort heute als feste Größe hätte etablieren können.

Die Finanzkennzahlen

Seit dem Geschäftsjahr 2017/18 veröffentlicht die DFL jedes Jahr im Zuge einer Transparenzverpflichtung eine Reihe wesentlicher Finanzkennzahlen der Bundesligavereine. Einige ausgewählte davon für die TSG Hoffenheim sind (Angaben in EUR):

*Rohrergebnis = Umsatz – Materialaufwand
Quelle: DFL-Finanzkennzahlen

Im Geschäftsjahr 2020/21 brach das Jahresergebnis der TSG Hoffenheim von im Jahr davor 58 Mio. EUR, dem höchsten jemals in der Bundesliga erzielten Nachsteuergewinn, auf -23 Mio. EUR ein, ein Rückgang von über 80 Mio. EUR. Geschuldet war dieser Rückgang im Wesentlichen einem bestimmten Umstand. Während sich die DFL-TV-Einnahmen und die Einnahmen aus Werbung, Handel und Sponsoring im Rahmen einer normalen Schwankungsbreite bewegten und selbst beim Spielbetrieb durch das leerbleibende Stadion nur ca. 12 Mio. EUR fehlten, stürzten vom Geschäftsjahr 19/20 zu 20/21 die Transfereinnahmen von rund 114 Mio. auf rund 11 Mio. EUR ab. 

Schon der Fall Borussia Dortmund hat gezeigt, wie signifikant stark das Transferergebnis den Umsatz und den Jahreserfolg eines Fußballclubs nach unten oder oben bewegen kann. Im Vergleich zum BVB hat die TSG Hoffenheim jedoch eine wesentlich niedrigere strukturelle Basis bei den operativen Einnahmen, so dass bei ihr größere Bewegungen bei den Transfereinnahmen noch stärker auf das Jahresergebnis durchschlagen als beim BVB. Bei der TSG liegen die gewöhnlich zu erwartenden Einnahmen aus Werbung und Sponsoring gegenwärtig bei rund 20 bis 25 Mio. EUR pro Jahr, Tendenz langsam steigend (zum Vergleich: FC Bayern 200 Mio. EUR, Faktor 10), die Einnahmen aus dem Bundesliga-Spielbetrieb bei rund 12 bis 15 Mio. EUR, Tendenz stagnierend (FC Bayern 100 Mio. EUR, Faktor 7) und die Einnahmen aus der DFL-Zentralvermarktung in Abhängigkeit vom Tabellenplatz zwischen 50 und 60 Mio. EUR (FC Bayern 90 Mio. EUR, Faktor 1,5). In der Summe macht das eine Einnahmebasis von rund 80 bis 100 Mio. EUR für die TSG Hoffenheim. Was sie an Einnahmen über diese Summe hinaus erzielen kann und erzielt, hängt stark vom Abschneiden des Vereins in den UEFA-Clubwettbewerben und dem Erfolg auf dem Transfermarkt ab.

Die Transfereinnahmen hat die TSG Hoffenheim daher auch als eine strategische Einnahmequelle definiert. Den Vereinsverantwortlichen ist bewusst, dass sie zwar – ähnlich wie die Teilnahme an den Europapokal-Wettbewerben – nur sehr bedingt planbar sind (Spieler verletzen sich, Talente zünden nicht, gewünschte Ablösen werden nicht erzielt), aber diese Klasse von Einnahmen weist wesentlich mehr kurzfristige Aufwärtsdynamik auf als etwa die Einnahmen aus dem Spielbetrieb oder dem Sponsoring, die zwar planbarer und verlässlicher sind, aber dafür auch im Umfang relativ gering und auch nur langsam wachsend. Die TSG Hoffenheim legt daher auch großen Wert auf ihre Nachwuchsarbeit, die in fast allen Jugendjahrgängen bis hinauf zur U23 sehr erfolgreich ist und auch schon so manchen guten Erstligaspieler hervorgebracht hat, unter anderem Niklas Süle, Jonas Hofmann, Nadiem Amiri, Kenan Karaman, Manuel Gulde, Dennis Geiger, Pascal Groß, Philipp Ochs, Jeremy Toljan und einige mehr. Eine wichtige Komponente des Erfolgs in der Jugendarbeit sind die technologischen Lösungen und sportwissenschaftlichen Erkenntnisse aus der vereinseigenen Forschung und Entwicklung, die die TSG in ihre Trainingskonzepte und -methoden einfließen lässt. Die Jugendarbeit ist auch in den kommenden Jahren als eine feste Säule des Vereins zur Generierung von sportlichem und wirtschaftlichem Kapital vorgesehen.

Die TSG Hoffenheim hat sich in der Corona-Krise als wirtschaftlich enorm robust erwiesen. Der einschneidende Umsatz- und Ergebniseinbruch im Geschäftsjahr 20/21 hat sich zwar deutlich sichtbar in den Büchern niedergeschlagen, aber den Verein in seiner wirtschaftlichen Substanz und Zahlungsfähigkeit nicht sonderlich erschüttert. Dank der atypischen stillen Einlage Dietmar Hopps in Höhe von 240 Mio. EUR liegt die Eigenkapitalquote selbst nach dem Jahresverlust von 23 Mio. EUR immer noch beim Ligabestwert von 86 %. Hopps Einlagen haben auch dazu geführt, dass die TSG Hoffenheim eine üppig gefüllte Kriegskasse hat, die sie gegen jedwede Insolvenzgefahr absichert. Zum Stichtag 30.06.2021 hatte der Verein rund 65 Mio. EUR an liquiden Mitteln in der Kasse oder auf dem Konto, trotz des Umsatzeinbruchs ein Minus von lediglich 10 Mio. EUR im Vergleich zum Vorjahresstichtag. Die kurzfristigen Verbindlichkeiten mit Laufzeit von < 1 Jahr lagen zum selben Stichtag bei knapp 20 Mio. EUR. Damit hat der Verein eine Liquidität 1. Grades von über 300 % bzw. eine gut dreifache Überdeckung der kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen durch Bankguthaben und Bargeld. Das ist ein mehr als großzügiges Verhältnis, als Maßstab für einen gesunden Wert gelten je nach Branche rund 20 bis 30 %. Setzt man dieses Verhältnis an, hätte die TSG einen Spielraum von rund 50 Mio. EUR an sofort verfügbarem – und gering verzinstem – Kapital, das sie ohne weiteres in neue „Steine oder Beine“ investieren könnte. Dank des im Bundesligavergleich einmalig niedrigen Verschuldungsgrades respektive einmalig hohen Eigenkapitalanteils hätte sie weiterhin die Möglichkeit, weitere dutzende Mio. EUR niedrig verzinsten Kapitals aufzunehmen (gegebenenfalls sogar direkt bei Hopp), um diese Investitionen noch auszudehnen.

Aber solche Schritte sind von der TSG Hoffenheim nicht zu erwarten. Der Verein ist wirtschaftlich nicht auf maximale Rendite poliert oder sportlich auf maximalen Erfolg ausgerichtet, koste es, was es wolle. Als ein Investor im Stile von Windhorst, Ponomarev oder Ismaik, der mit viel Geld schnellen Erfolg zu erzwingen versucht, hat sich Dietmar Hopp nicht erwiesen. So sind die Ausgaben des Vereins für den Spielerkader nach wie vor moderat. Der Personalaufwand liegt seit Jahren mit 80 +/- 10 Mio. EUR im biederen Tabellenmittelfeld der Bundesliga und wuchs auch schon vor der Pandemie deutlich langsamer, als es der finanzielle Hintergrund des Vereins erlauben würde. Das grundsätzlich konservative Wirtschaftsverständnis des Vereins spiegelt sich auch auf dem Transfermarkt wider. Statt teure Spieler zu kaufen, versucht der Verein, gezielt (vornehmlich junge) entwicklungsfähige Spieler günstig zu verpflichten und mit ihrem späteren Weiterverkauf Gewinne zu erzielen. Mit Erfolg. Sowohl über einen Fünf- als auch Zehn-Jahres-Zeitraum betrachtet, hat die TSG Hoffenheim den höchsten Transferüberschuss aller Bundesligavereine, im Zehn-Jahres-Zeitraum dies sogar mit deutlichem Abstand (133 Mio. EUR, vor dem BVB mit 80 Mio. und Mainz mit 75 Mio. EUR). Die TSG kauft keine teuren Spieler und bezahlt sie gut, sie bildet gute Spieler aus und verkauft sie teuer.

Alles in allem präsentiert sich die TSG Hoffenheim als ein finanziell sehr solides und wirtschaftlich konservativ geführtes Unternehmen, das nicht zu großen finanziellen Extravaganzen neigt: hohe Eigenkapitalquote, niedrige Verschuldung, hoher Bestand an liquiden Mitteln, moderater Personalaufwand, gemäßigte Transferausgaben und geprägt von einem sehr zurückhaltenden Einnahmen-/Ausgaben-Verhältnis im Verhältnis zu dem, was theoretisch möglich wäre. Fraglos hat der Verein in seiner Aufstiegsgeschichte von einem großen Gönnerbonus profitiert, den andere Konkurrenten in dieser Form nicht vorweisen können, und tut es noch. Gerade in der Phase zwischen 2006 und 2011 hat Hopp dem Verein mit der Bereitstellung mehrerer hundert Mio. EUR an Kapital umfangreiche Investitionen in Spieler und Infrastruktur ermöglicht, ohne die der Verein seinen damaligen sportlichen Aufstieg von Liga 3 in Liga 1 innerhalb nur zwei Jahren sowie die anschließende Etablierung im Bundesligageschäft so nicht hätte bewerkstelligen können. Auch weite Teile der großzügigen und modernen Infrastruktur – die zwei Stadien, die zum Geschäftszentrum umfunktionierte Schlossanlage -, die nach wie vor die Basis des heutigen Erfolgs des Vereins bilden, hätte es ohne Hopps finanzielle Zuschüsse, aber auch seinen innovativen Unternehmergeist, sein Commitment und seinen „Can-do-Spirit“ nie gegeben.

Trikotsponsor, Ausrüster, DFL-TV-Einnahmen

Trikotsponsor

Der Trikotsponsor der TSG Hoffenheim ist seit 2013 der Waldorfer Softwarehersteller SAP, das Unternehmen, das Hopp mitgegründet hat. SAP folgte auf Suntech Power, einem chinesischen Hersteller von Solarmodulen, der 2013 insolvent ging. SAP soll dem Vernehmen nach rund 6 Mio. EUR pro Jahr für den Platz auf der Trikotbrust an die TSG überweisen. Der Betrag wirkt ordentlich, aber angesiedelt in der betragsmäßigen Nachbarschaft von Vereinen wie Union und Augsburg keinesfalls vermessen großzügig. Der Vertrag ist 2020 bis ins Jahr 2025 verlängert worden. Das SAP-Sponsoring ist ein schönes Beispiel dafür, wie Gönner oder Mäzene ihrem Verein auch indirekt helfen können, indem sie etwa wertvolle Kontakte vermitteln und Beziehungsnetzwerke bereitstellen.

Quellen: Sponsors, ISPO, Kicker, verschiedene Tageszeitungen

Ausrüster

Ausrüster der TSG Hoffenheim ist seit der Saison 19/20 der spanische Sportartikelhersteller Joma Sports, der den italienischen Sportartikelhersteller Lotto Sport Italia ablöste. Der Vertrag läuft noch bis in den kommenden Sommer. Joma soll jährlich ca. 2 Mio. EUR an die TSG überweisen, was im Feld der Bundesliga-Konkurrenz einen hinteren Platz ausmacht.

Quellen: Sponsors, ISPO, verschiedene Tageszeitungen

DFL-TV-Einnahmen

Aus den Ausschüttungen der TV-Zentralvermarktung der DFL erhält die TSG Hoffenheim in der laufenden Saison planmäßig 57 Mio. EUR, womit sie sich im Mittelfeld der Liga einsortiert. Der Abstand nach unten zu den Einnahmen aus dem Trikotsponsoring und vom Ausrüster anhand der jeweiligen Tabellenplätze zeigt, dass die TSG in den anderen beiden Kategorien gemessen am sportlichen Erfolg tendenziell unterbewertet ist, sich die Höhe der Entlohnung aus dem Sponsoring aber auch an dem Grad der öffentlichen Aufmerksamkeit für einen Verein orientiert und die TSG in dieser Kategorie womöglich mit ihrem Platz relativ fair bewertet ist.

Quelle: www.fernsehgelder.de

Der Vergleich mit dem FC Bayern

Der Vergleich der TSG Hoffenheim mit dem FC Bayern zeigt zwei Vereine, die wirtschaftlich gleichermaßen solide aufgestellt sind – sich beispielsweise während der Pandemie mit hoher Eigenkapitaldecke und solider Finanzmittel-Ausstattung enorm krisenfest gezeigt haben – und trotz großer Unterschiede in manchen Punkten einige interessante Parallelen aufweisen. Beide Vereine haben einen sehr hohen Eigenkapitalanteil am Gesamtvermögen, aber der der Hoffenheimer Spielbetriebs-GmbH stammt überwiegend von einem zentralen Gesellschafter, während die Anteile an der AG des FC Bayern im Eigentum seiner Mitglieder und einiger großer DAX-Unternehmen ist. Beide Vereine sind mit Ausnahme kurzfristiger Lieferantenkredite weitgehend schuldenfrei, aber Hoffenheim hat es nicht nötig, Geld aufzunehmen, und die Bayern wollen es nicht (und haben es im engeren Sinne ebenfalls nicht nötig). Auf Seite der Mittelverwendung legen beide Vereine ein Augenmerk auf technische Innovation, wobei sich dieses bei Hoffenheim überwiegend eng am eigentlichen Betriebszweck – dem Sport – orientiert (sportwissenschaftliche Forschung, Footbonaut, Helix, ökologisch fortschrittliche PreZero-Arena) und bei den Bayern mit dem „FC Bayern München Digital & Media Lab“ und dem „FC Bayern Media Lab“ (ja, das sind zwei unterschiedliche Gesellschaften) eher auf dem Bereich des IT-Entrepreneurship, der IT Services und Medien liegt. Neben der Telekom ist übrigens auch SAP ein wichtiger Partner der Bayern in diesem Kontext. 

Im Kernbereich des Sports, dem Spielerpersonal, handeln beide Vereine finanziell eher konservativ. Die Personalaufwandsquote der TSG ist zwar deutlich höher als die der Bayern (ungefähr 65 vs. 50 %), aber selbstverständlich wäre gleichzeitig dank Dietmar Hopp im Hintergrund deutlich mehr möglich. Die Bayern wiederum achten sehr darauf, ihren Personalaufwand in einem stets gut aus der eigenen Geschäftstätigkeit heraus darstellbaren Verhältnis von rund 50% zum Umsatz zu halten. Spektakuläre Exzesse auf dem Transfermarkt in der Hoffnung auf kurzfristige Renditen sind beiden Vereinen fremd.

Dieser Konservatismus spiegelt sich auch im besten Sinne im Handeln des Managements bei der Vereine wider. Fortschrittlich, was Technik angeht und im Falle der Bayern die Tatkraft, neue Märkte zu erschließen, aber zurückhaltend und von alter Schule, was finanzielle Experimente am Transfermarkt und das Bemühen, die Payroll für das Personal im Griff zu behalten, betrifft. 

Transfers

Die Transfers zur Saison 22/23

Die TSG Hoffenheim hat traditionell in jedem Jahr viele Zu- und Abgänge zu verzeichnen. Vor der laufenden Saison gab es acht Zugänge und 14 Abgänge. Der finanziell größte Abgang war der Verkauf von David Raum an RB Leipzig für 26 Mio. EUR, der größte Zugang Stanley Nsoki für 12 Mio. EUR vom FC Brügge (alle Zahlen und Daten zu den Transfers wie immer von transfermarkt.de).

Im Kaderwertvergleich zwischen der TSG und den Bayern liegen die Bayern, wie es in der Bundesliga schöne Regel ist, deutlich vorne. Im Ligavergleich befinden sie sich auf Platz 1, die TSG aus Hoffenheim auf Platz 8.

Über die genauen Gehälter der Hoffenheimer Spieler was macht der Verein keine Angaben, aber einschlägigen Internetportalen und Medien sollen die Bestverdiener um Leute wie Angeliño, Sebastian Rudy, Munas Dabbur und Andrej Kramarić zwischen 3 und 5 Mio. EUR verdienen, was ungefähr einem Viertel der Bestverdiener der Bayern entspricht.

Transferflüsse zwischen der TSG Hoffenheim und den Bayern

Der Spielerverkehr zwischen der TSG Hoffenheim und dem FC Bayern München ist nicht besonders umfangreich, dafür aber namhaft besetzt. Schillernster Name: Edson Braafheid. Im Geschäftsbericht der TSG Hoffenheim Spielbetriebs-GmbH für das Geschäftsjahr 2010/11 heißt es: „Zur Stabilisierung der Mannschaft wurden gleichzeitig auch erfahrene – ebenfalls mit sehr hohem Entwicklungspotenzial versehene – Spieler wie Ryan Babel vom FC Liverpool und Edson Braafheid vom FC Bayern München verpflichtet.“

Der sportliche Ausblick auf die Begegnung am Wochenende

Die TSG Hoffenheim und der FC Bayern München haben bisher 28 Spiele in der Bundesliga gegeneinander bestritten. Die TSG ist unter den aktuellen Bundesligisten nach Union Berlin und RB Leipzig die Mannschaft mit der kürzesten Ligazugehörigkeit. Ihr Aufstieg fällt in die Zeit der großen Hegemonie der Bayern und dementsprechend sieht auch die Bilanz beider Mannschaften gegeneinander aus. Von 28 Spielen konnten die Bayern 18 gewinnen (Siegquote 64 %) und haben nur vier verloren.

Die sicherlich außergewöhnlichste Partie zwischen beiden Mannschaften – und eine der bemerkenswertesten in der Geschichte der Bundesliga – war das denkwürdige 0:6 der Bayern in Sinsheim im Februar 2020, nur wenige Wochen bevor COVID-19 die Welt weitgehend stilllegte, bei dem sich die Spieler beider Mannschaften während der letzten Viertelstunde den Ball nur noch ins lockere Gespräch vertieft gegenseitig zupassten, nachdem das Spiel zuvor wegen Schmähungen gegen Dietmar Hopp aus der Kurve der Bayern abgebrochen worden war. Der letzte Sieg der Hoffenheimer stammt vom Spieltag danach, dem zweiten Spieltag der Saison 20/21, und war ein 4:1 Heimsieg. Im Durchschnitt kassieren die Bayern gegen Hoffenheim weniger als ein Tor pro Spiel und schießen mehr als zwei.

Screenshot: www.fussballdaten.de

Für den heutigen Samstagnachmittag in der Sinsheimer PreZero-Arena fehlen bei den Bayern Leroy Sané mit einem Muskelfaserriss im Oberschenkel, Bouna Sarr mit Patellasehnenproblemen, Lucas Hernández mit einem Muskelbündelriss, Manuel Neuer mit einer Schultereckgelenksprellung und Thomas Müller mit Magen-Darm-Problemen. Bei Hoffenheim fehlen Kevin Vogt mit einer Gelbsperre, Fisnik Asllani mit einem Bänderriss im Sprunggelenk, Luca Philipp mit einer Fingerverletzung, Ermin Bičakčić mit einem Kreuzbandriss, Ihlas Bebou mit Knieproblemen und Benjamin Hübner mit einer Innenbandverletzung im Sprunggelenk. 

Taktisch hat Julian Nagelsmann die Spielweise seiner Mannschaft im Angriffsdrittel in den letzten Partien in Richtung einer etwas größeren Ausnutzung der gesamten Spielfeldbreite angepasst. Weniger als noch vor einigen Wochen bespielt die Mannschaft im Angriffsspiel im Wesentlichen kompakt das Zentrum in der Absicht, das Spielgerät nach Ballverlusten schnell im eng gestaffelten Gegenpressing wiedergewinnen zu können. Die stärkere Ausnutzung der Breite im Aufbau hat optisch zu einem Bild von etwas weniger Hektik und etwas mehr planvoller Spielkultur und Umsicht hinter einzelnen Aktionen beigetragen. In ungefährer zeitlicher Übereinstimmung mit dieser Anpassung steht eine Ergebnisverbesserung der Mannschaft. Inwieweit hier auch eine kausale Verbindung besteht oder ob die zuletzt positiven Ergebnisse lediglich ein Ausweis der Schwäche der jeweiligen Gegner waren, wage ich nicht zu beurteilen.

Die TSG Hoffenheim ihrerseits ist gut in die Saison gekommen und steht nach zehn Spieltagen auf Platz vier. Von den letzten fünf Partien in der Bundesliga hat sie nur eine verloren. André Breitenreiter, den so mancher Beobachter vor der Saison kritisch sah, hat sich allem Anschein nach bei seinem neuen Team gut eingefunden und auch noch nicht verbraucht. Seine mittlere Verweildauer bei einem Verein als Trainer beträgt 61 Spiele und seine kürzeste 39, dies bei seiner letzte Station FC Zürich. Bei der TSG steht seine Uhr auf 12 Partien, etwas Zeit hat er statistisch also wohl noch, bevor es für ihn knifflig wird. Breitenreiters nach Anzahl der Partien gewichteter Punkteschnitt als Trainer beträgt 1,53 Punkte pro Spiel, bei der TSG sind es bisher 1,92. Er leistet also zurzeit oberhalb seines langjährigen Mittels, hat mit der TSG allerdings auch die nominell stärkste Mannschaft seit Schalke 04 2016 zur Verfügung. Die Wettquoten rechnen mit einer Chance von gut 60 % auf einen Auswärtssieg der Bayern, gut 20 % auf ein Unentschieden und knapp 20 % auf einen Heimerfolg der TSG.

Anstoß ist am Samstagnachmittag um 15:30 Uhr MESZ in der Sinsheimer PreZero-Arena. Viel Spaß!

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Die vorherigen Ausgaben dieser Serie befinden sich hier: VfL Bochum, Borussia Mönchengladbach, 1. FC Union Berlin, VfB Stuttgart, FC Augsburg, Bayer Leverkusen, Borussia Dortmund, SC Freiburg.

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