3:1! Bayern siegt auch im Ländle
Die Reise in die Wiege der deutschen Automobilindustrie war für die Münchner für lange Zeit so erfreulich wie ein Kolbenfresser, doch zuletzt war der bayerische Rennwagen zu leistungsstark für die Schwaben. Der letzte Punktverlust in Stuttgart datiert auf das Jahr 2009 zurück. Beim letzten Aufeinandertreffen gewann man dank zweier Tore von Lewandowski mit 3:0.
Falls ihr es verpasst habt
Die Aufstellung
Im Vergleich zum Sieg gegen Salzburg unter der Woche, brachte Hansi Flick die zuletzt angeschlagenen Tolisso und Hernández. Der Rekordmann hat bisher in 25 Ligaspielen noch nicht verloren. Das Mittelfeld bildete das Duo Tolisso und Goretzka, das in der Vergangenheit immer wieder Probleme hatte ein Spiel zu kontrollieren. Auf den Flügeln bekamen erneut Coman und Gnabry den Vorzug.
Auch bei den Schwaben wechselte Trainer Matarazzo mehrfach durch. Didavi stand aufgrund muskulärer Probleme sogar nicht einmal im Kader. Der Aufsteiger spielte mit seiner neuen Generation der jungen Wilden um Stürmer Wamangituka, wobei Castro der einzige Routinier auf dem Feld war.
Die erste Halbzeit
Die Münchner spielten zu Beginn bereits deutlich motivierter als in den vorigen Spielen. Die erste Chance köpfte Lewandowski an den Pfosten (3.). Doch in der Folge zeigte die junge Stuttgarter Truppe, weshalb sie in der Liga auf Platz 7 liegt. Ohne jegliche Angst spielten sie mit und liefen die Münchner immer wieder hoch an.
In der 20. Minute gingen die Hausherren dann in Führung. Mit Geschwindigkeit bekam Wamangituka den Ball in den Lauf, von wo er ihn in die Mitte flankte. Dort kam Neuer zu spät und der 19-jährige Coulibaly erzielte sein erstes Bundesliga-Tor.
Während die Münchner langsam wieder versuchten ins Spiel zu finden, hatten die Stuttgarter zwei Großchancen ihre Führung auszubauen. Zunächst scheiterte Förster nach Flanke von Sosa, danach vergab der junge Offensivspieler aus fünf Metern frei vorm deutschen Nationalkeeper.
Wenn man sie vorne nicht macht … Diese alte Weisheit aus der Kreisliga bestätigte sich einmal mehr, als nur zwei Minuten später Coman den Ausgleich erzielte (38.). Mit seiner neu entdeckten Torgefahr schloss er einen Konter aus fünfzehn Meter ins linke untere Eck ab.
Doch das Spiel beruhigte sich nicht. Stattdessen erzielte Förster das 2:1. Doch das Tor zählte nicht, da Neuer zunächst von Coulibaly leicht runtergezogen wurde. Anstatt weiterzuspielen, hatte der Keeper seinen Reklamierarm bemüht und Glück, dass der Schiedsrichter sich hier für seine Seite der Geschichte entschied.
Ein weiterer Fernschuss brachte den Münchnern in der Nachspielzeit vor der Pause dann sogar noch die Führung. Mit Tempo liefen die Gäste auf das Tor der Stuttgarter zu, wobei Coman in die Mitte legte. Der nachfolgende Abschluss von Lewandowski war dann einfach große Klasse und drehte sich fast unhaltbar für Kobel ins Tor.
Die zweite Halbzeit
Ohne Wechsel kamen beide Mannschaften aus der Kabine. Zunächst konnte keine Mannschaft sich große Chancen erarbeiten. Stuttgart konnte sich zwar hin und wieder in den Strafraum kombinieren, ohne dabei jedoch zu hochwertigen Abschlüssen zu kommen. Bei den Münchnern sorgte lediglich Coman per Distanzschuss für Gefahr.
Nach einer knappen Stunde brachte Flick Süle für Hernández, da der Franzose nach einer schmerzhaften Begegnung mit der Werbebande etwas angeschlagen war. Von nun an agierte Alaba in seiner alten Rolle als Linksverteidiger. Fünf Minuten später kamen Sané und Costa für Coman und Gnabry. Zudem feierte Nianzou sein Debüt. Der Franzose ersetzte Boateng, der unrund vom Platz lief.
Dass das Spiel aufgrund der knappen Führung aber durchaus noch auf Messers Schneide war, wurde den Münchnern spätestens nach der Großchance von Mangala klar. Dieser konnte aus sechs Metern abschließen, doch Süle lenkte den Ball ab, so dass dieser etwa einen Meter am linken Pfosten vorbei trudelte.
Mit Tolisso musste schließlich auch noch der dritte Spieler an diesem Nachmittag angeschlagen vom Platz. Der Achter wurde von Martínez ersetzt. Dem jungen Roca brachte Flick erneut nicht das nötige Vertrauen entgegen. Nach seinen vielversprechenden sechzig Minuten gegen Salzburg bitter.
Mittlerweile war das Spiel zum Einbahnstraßen-Fußball verkommen. Ohne Unterlass drängen die Hausherren auf den Ausgleich. Doch Anton, Klimowicz und Kalajdzic scheiterten spätestens an Neuer. Der Spielverlauf wurde auf den Kopf gestellt, als Costa mit dem nächsten Fernschuss aus halbrechter Position den Endstand zum 1:3 erzielte (88.).
Dinge, die auffielen
1. ¿Qué es juego de posición?
Wenn sich Pep Guardiola in diesen Tagen ein Spiel des FC Bayern im Fernsehen anschaut, wird er seinen Ex-Club kaum noch wiedererkennen. Das vom Spanier gepredigte Positionsspiel ist, gerade ohne die ordnende Hand von Kimmich, in den letzten Wochen fast komplett aus dem Spiel des Rekordmeisters verschwunden.
Es war eine der großen Stärken von Hansi Flick das Münchner Spielsystem in der letzten Saison zu komplettieren. Auf das Grundgerüst des Ballbesitzfußballs setzte der Triple-Trainer ein aus aggressivem Pressing forciertes Umschaltspiel. Diese Kombination aus schnellen, nadelstichartigen Angriffen und ermüdenden sowie erdrückenden Passstafetten war das Patentrezept der Bayern für den Weg zurück auf Europas Thron.
Ohne eine vernünftige Vorbereitung fiel das Positionsspiel jedoch genauso ab, wie das aggressive Pressing ohne ausreichende Sommerpause. Die komplexen und lange einstudierten Automatismen gehen der Mannschaft völlig ab, was sie im Angriffsspiel in einen zahmen Tiger verwandelt. Herausgespielte Torchancen mit Kombinationen in den Strafraum sind Mangelware geworden. Stattdessen dominieren planlose lange Bälle, mehr oder weniger erfolgreiche Fernschüsse und endlose Halbfeldflanken.
Das Fehlen von Kimmich macht sich hierbei genauso stark bemerkbar, wie der Verkauf von Thiago. Der Ruhepol im Orkan und das Kreativzentrum im Aufbau fehlen dem Münchner Spiel merklich, und das aufgeweitete Korsett des Positionsspiels kann diesen Ausfall nicht mehr auffangen. Man kann nur hoffen, dass Flick in der Winterpause die richtigen Stellschrauben findet, um die alten Muster wieder ins Bewusstsein zu holen.
2. Verteidigen ist ein Mannschaftssport
Der Treffer durch Coulibaly besiegelte das siebte Spiel in Folge mit einem Gegentor. Die Münchner scheinen das Verteidigen verlernt zu haben. Auch hier spielt das fehlende Positionsspiel eine Rolle, nur dieses Mal gegen den Ball. Die großen Abstände zwischen den Mannschaftsteilen führen dazu, dass Gegner schnell Räume überbrücken können und den Münchnern der Zugriff im zweiten Drittel fehlt. Steht dann die hinterste Abwehrlinie so hoch, wie dies bei den Bayern der Fall ist, dann führen Bälle hinter diese Linie zu vielen Eins-gegen-Eins-Situationen. Spekulieren dann noch einzelne Spieler, so wie Hernández beim Hochschieben vor dem 1:0 oder Alaba allzu oft beim Rausrücken, dann ist das Resultat eine Großchance für den Gegner.
Doch das Problem ist auch eins der gesamten Mannschaft. Speziell in der ersten Hälfte halfen Gnabry und Coman nur selten hinten mit aus. Was gerade auf den Außen zu Überzahlsituationen für Stuttgart führte. Speziell in der zweiten Hälfte hatte hier Sosa alle Freiheiten. Zugleich ist das Pressing der Münchner seit geraumer Zeit zahnlos, wodurch die Anzahl der einfachen Ballgewinne stark zurückgegangen ist. Durch die unsortierte Offensivreihe der Bayern können die Gegner leichter kombinieren.
3. Coman and conquer
Während sich viele seiner offensiven Partner heute schwer taten, zeigte Kingsley Coman sich erneut von seiner besten Seite. Fast still und leise hat sich der Franzose nach seinem Finaltor in Lissabon zum verlässlichsten offensiven Flügelspieler der Münchner gemausert. Beim wichtigen Ausgleichstreffer stellte er seinen mittlerweile stark verbesserten Abschluss zur Schau. Kurz danach bewies er Übersicht, als er quer auf Lewandowski legte, der danach zur Führung abschloss.
Es waren seine achte und neunte Torbeteiligung in dieser Saison in elf Spielen. Sein Höchstwert im roten Dress liegt bisher bei 18 Torbeteiligungen in 35 Spielen in seiner Premierensaison an der Isar. Vier Key-Pässe und zwei gewonnene Dribblings, beides Höchstwert im Team zum Zeitpunkt seiner Auswechslung, rundeten seine gute Leistung ab. Zwischen Gnabry (4), Müller (7) und Lewandowski (5) hatte der Franzose (2) auch die wenigsten Ballverluste in der Offensivreihe.
4. Am Ende lacht doch Bayern
Es zieht sich seit Oktober durch fast jedes Spiel: Die Münchner spielen nicht gut und gewinnen am Ende dennoch. Der Unterschied an diesem Nachmittag lag einmal mehr in der Chancenverwertung. Während die Schwaben beste Gelegenheiten ausließen, reichten den Bayern drei Fernschüsse zum Sieg. Es ist nicht glorreich und es reicht dennoch, meistens zumindest. Durch die gleichzeitige Niederlage der Dortmunder gegen Köln konnte man den größten Kontrahenten vorerst distanzieren.
Spannend wird jedoch die Partie gegen den direkten Verfolger aus Leipzig am nächsten Wochenende. In diesem Spiel wird die heutige Leistung wohl kaum reichen. Wie man trotz einer instabilen Defensive, den Stuttgartern eigentlich ab der sechzigsten Minute das Spiel fast komplett überließ, ist weit entfernt von der totalen Kontrolle vergangener Tage.
Bisher konnte sich die Flick-Elf jedoch dadurch auszeichnen, dass sie in den großen Spielen noch einmal ungeahnte Kraftreserven freispielen kann. Das war sowohl im wichtigen Gruppenspiel der Champions League gegen Atlético als auch im Liga-Topspiel gegen den BVB so. Am nächsten Samstag wird eine ähnliche Über-Performance nötig, wenn man die aktuelle Verfassung als Maßstab anlegt.