Round-Up: Für mehr Wettbewerbsfähigkeit nach Amerika

Marc Trenner 08.03.2018

Die Wahrnehmung ist, dass das Playoff-System und die Gehaltsobergrenzen vieler großer Sportligen in den USA ein Maß an Chancengleichheit geschaffen haben, das in der europäischen Landschaft fehlt. Die eigentliche Frage ist, ob diese Ideen im europäischen Fußball erfolgreich sein könnten.

Playoffs

Ein beliebter Vorschlag ist, ein Playoff-System einzuführen. Die Logik dahinter liegt auf der Hand. Es gibt fast jedes Jahr Überraschungen im amerikanischen Sport und nur sehr wenige Mannschaften, die in der Lage sind, im Laufe der Jahre beständig Titel zu gewinnen.

Zusätzlich kann in einem Playoff-System jedes Team, das die Playoffs erreicht, davon träumen, eine Trophäe zu gewinnen. Bei den großen europäischen Ligen sind es im Gegensatz dazu jeweils meist nur zwei bis drei Teams, die vorne mitspielen. Die Playoffs sorgen für mehr Spannung und wecken das Interesse von Fans, das regelmäßig verlorengeht, wenn die Liga im Februar entschieden ist.

Während diese Perspektiven eine gewisse Wahrheit enthalten, übersehen sie einige der größten Nachteile eines Playoff-Systems.

Dominante Teams

Ein Playoff-System beseitigt nicht automatisch dominierende Teams. Es gibt viele „Dynastien“ im amerikanischen Sport. Die Yankees (27) und die Cardinals (11) im Baseball, Celtics (17) und Lakers (16) im Basketball, Steelers (6) Cowboys (5) und Patriots (5) im Football sowie die Canadians (24), Maple Leaves (13) und die Red Wings (11) im Hockey – sie alle Blicken auf anhaltenden Erfolg in ihren jeweiligen Franchise-Geschichten zurück.

Es stimmt zwar, dass einige Initiativen ihrer jeweiligen Führungsgremien (MLB, NBA, NFL & NHL) versucht haben, diese dominierenden Teams zu einzuschränken, aber diese Bemühungen waren nur von bedingtem Erfolg gekrönt. Die Patriots haben die NFL seit über einem Jahrzehnt dominiert. LeBron James hat seine Teams zu sieben NBA-Finals in Folge geführt. Chicago, Pittsburgh und L.A. haben die letzten sechs Stanley-Cup-Trophäen gewonnen.

Baseball ist hier womöglich noch am spannendsten. In den letzten zehn Jahren gab es Baseball acht verschiedene Meister. Das ist insofern von Interesse, als dass Baseball der Sport mit den wenigsten strengen Regeln in Bezug auf Gehaltsobergrenzen und andere Initiativen zur Verhinderung von „Super-Teams“ oder „Dynastien“ ist.

Ein atemberaubender Prozentsatz der Meisterschaften in den Profi-Sportligen wurde von den fünf besten Mannschaften der Liga gewonnen. Bei La Liga fällt der Effekt mit 95% am drastischsten aus. 66% machen die beiden Spitzenteams allein unter sich aus. Die NFL ist die einzige Liga mit einem geringeren Anteil an Meisterschaften, die von den fünf besten Mannschaften gewonnen wurden (48%). Die Bundesliga kommt auf 54%. Tatsächlich ist die Bundesliga über alle Kategorien hinweg vergleichsweise ausgewogen.

Reguläre Saison

Ein weiterer großer Nachteil des Playoff-Systems ist, was es für die reguläre Saison bedeutet. Die reguläre Saison im amerikanischen Sport ist fast völlig bedeutungslos. Das Playoff-Szenario lässt sich meist schon nach einer halben Saison ablesen. Zwar kämpfen meist ein paar Teams bis zum letzten Tag um den Einzug in die Playoffs, aber selten versuchen die Mannschaften, tatsächlich Erster zu werden.

Wer den ersten Platz belegt, bekommt als einziegen Vorteil den „Home Field Advantage“ zugesprochen. Wie bereits erwähnt, hat LeBron James es in sieben NBA-Finals in Folge geschafft. Sobald die Playoffs sicher sind, ist der Kampf um Rang 1 Kraftverschwendung. Seine Energie teilt sich LeBron daher lieber für die Playoffs ein.

Kurzum, die Mehrheit der Ligen hat in der zweiten Saisonhälfte nur sehr wenig zu bieten. In den meisten Fällen haben sich die besten 8-10 Teams vom Rudel distanziert, die unteren 10-15 Mannschaften sind so weit zurück, dass sie keine Hoffnung mehr auf sportlichen Erfolg haben. Dazu kommt, dass die schlechtesten Teams beim folgenden Draft-Pick mit den begehrtesten Talenten ausgestattet werden. Es lohnt sich also zu “tanken”, mangelnde Motivation wird durch den Anreiz zum verlieren noch verstärkt. Dann bleiben noch 5-10 Teams übrig, die bis zum Schluss um einen Playoff-Platz kämpfen und für Spannung sorgen.

Man mag sich fragen, was der Sinn des Spielens in der erschöpfenden regulären Saison ist, wenn es keine wirkliche Belohnung dafür gibt, das beste Team in diesen Spielen zu sein. Vor zwei Jahren gewannen die Golden State Warriors 73 Spiele in der regulären Saison, verloren aber gegen die Cavaliers im Finale. Im Nachhinein sind diese 73 Siege vollkommen wertlos, weil sie nicht zur Meisterschaft geführt haben.

Es gibt eine allgemeine Apathie in den USA in Bezug auf das Team mit dem besten regulären Saisonrekord. Niemand feiert wirklich den Gewinn seiner Division, außer der Tatsache, dass er in den Playoffs ist und eine Chance auf den echten Wettbewerb hat.

Dies ist ein großes Defizit in der Funktionsweise des US-Profisports. Playoffs bieten zweifellos ein hohes Maß an Aufregung – zumindest für die Mannschaften und Fans, die daran beteiligt sind. Aber es scheint auch ziemlich sinnlos, eine lange Saison voller Spiele zu spielen, von denen ein großer Anteil keinerlei Bedeutung hat.

Der europäische Rahmen für den Fußballsport bietet unter diesem Gesichtspunkt das Beste aus beiden Welten. Das Team, das über eine lange Saison hinweg das beste ist und die meisten Punkte sammelt, gewinnt die Liga. Das Team, das in K.o.-Spielen gut spielt und eine Reihe von guten Einzelleistungen zusammenstellen kann, gewinnt den Pokal.

Der DFB-Pokal ist ein Wettbewerb, auf den jedes Team hoffen kann, denn Glück und kurzfristige Form sind wichtige Faktoren.

Das ist ein Gleichgewicht, das funktioniert und nicht verloren gehen darf. Bayern war in dieser Saison eindeutig die beste Mannschaft in der Bundesliga. Das sollte mit Blick auf den Ligatitel anerkannt und als solcher gefeiert zu werden.

Die Dominanz der Bayern in der Liga bedeutet jedoch nicht, dass sie den Pokal sicher gewinnen werden. Obwohl sie die offensichtlichen Favoriten sind, wäre es nicht schockierend, wenn sie gegen eine der verbleibenden Mannschaften in einem solchen Format verlieren würden. Wenn sie dennoch gewinnen sollten, dann sollte man das für sich genommen feiern, da es sich um verschiedene Wettbewerbe handelt.

Das zeigt das wirkliche Problem mit dem Playoff-System. Im Wesentlichen wird dabei eine Trophäe für zwei Wettbewerbe vergeben. Das ist zwar etwas, das Amerikaner gewohnt sind und was bis zu einem gewissen Grad funktioniert, stellt aber keine Änderung dar, die die Bundesliga in Betracht ziehen sollte.

Gehaltsobergrenze

Die Gehaltsobergrenze ist eine weitere Anregung, die häufig gemacht wird. Auch hier ist die Logik, die dahinter steckt, offensichtlich. Wenn für Mannschaften wie Bayern die Höhe der Ausgaben beschränken, klafft die Lücke gegenüber finanziell schlechter gestellten Klubs nicht ganz so weit auf.

In der Theorie gibt das letztendlich jedem die Chance zu gewinnen. Die Ergebnisse dieser Bemühungen sind jedoch weitgehend uneinheitlich. Die NFL zum Beispiel ist die finanziell ausgeglichenste. Doch das hat Teams wie die Patriots und Steelers nicht davon abgehalten, die Liga weitgehend zu dominieren.

Wie bereits erwähnt, ist das nicht nur bei der NFL der Fall. Das wirklich Beunruhigende, das möglicherweise denen verborgen bleibt, die die NFL in der letzten Dekade nicht regelmäßig verfolgt haben, ist die Abnahme in der Qualität des Spiels. Während die gesamte Liga zum größten Teil konkurrenzfähig ist, gibt es keine Mannschaften, die auf einem wirklich erstklassigen Niveau spielen.

Die tatsächlichen Ergebnisse der Gehaltsobergrenze und der Parität sind ligaweite Mittelmäßigkeit. Spiele sind gespickt mit einfachen Fehlern und inkonsistentem Spiel. Teams, die in der einen Woche aussehen wie das beste der Liga, gehen eine Woche später raus und verlieren gegen das Schlechteste.

Die Szene auf dem Münchner Marienplatz ist allzu vertraut geworden, denn der FC Bayern dominiert die Bundesliga seit fünf Saisons in Folge.
(Bild von Alexandra Beier/Bongarts/Getty Images)

Ausgeglichenheit

Chancengleichheit ist in der Theorie großartig, aber sie funktioniert nur, wenn man genügend Talent hat, um ein hohes Wettbewerbsniveau aufrechtzuerhalten. Mit Blick auf die amerikanischen Profi-Sportligen scheint dies nicht möglich zu sein. Die Qualität des Spiels für die Wettbewerbsfähigkeit der Liga einzutauschen, macht nur kurzfristig Sinn.

Während die NFL gleichberechtigter geworden ist, hat auch die Zuschauerzahl abgenommen. Es gibt natürlich eine Vielzahl von Faktoren, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, es dürfte sich bei dieser Korrelation um mehr als Zufall handeln.

Die andere Seite einer Gehaltsobergrenze ist: Wohin geht das Geld, wenn nicht zu den Spielern? Professionelle Sport-Franchise-Unternehmen in Amerika haben sich zu Gelddruckmaschinen für die Eigentümer entwickelt. Gewinnbeteiligung und Gehaltsobergrenzen bedeuten, dass große Teile der Einnahmen des Teams direkt in die Taschen der Eigentümer fließen.

Man kann sich natürlich fragen, wofür Profite von professionellen Sportclubs gehen sollten. Es muss allerdings ein besseres Gleichgewicht geben, als das derzeit in Ligen wie der NFL und der NBA der Fall ist, wo Teams an einzelnen Starspielen große Summen verdienen, die im Gegenzug davon aber vergleichsweise wenig sehen.

Wettbewerbsfähigkeit in Europa

Eine letzte Frage mit Hinblick auf die Gehaltsobergrenzen in der Bundesliga ist die Frage, wie sich dies auf die Wettbewerbsfähigkeit in Europa auswirken würde. Wenn die UEFA keine Gehaltsobergrenze vorschreibt, würde eine Liga, die sich dafür entscheidet, die Ausgaben ihrer Teams für Spieler zu begrenzen, sich um die Fähigkeit berauben, mit den anderen zu konkurrieren.

Die besten Spieler würden zweifellos in Ligen spielen, in denen sie mehr Geld verdienen können, was bedeutet, dass die Qualität der weniger zahlenden Ligen deutlich abnehmen würde.

Belege für diese Spielerflucht finden sich zur Genüge bei den Spielern, die Europa beispielsweise nach China verlassen. Diese Spieler opfern eine bessere Liga mit höherem Niveau und damit oft die Chance, von der Nationalmannschaft ausgewählt zu werden, nur weil ihnen so viel Geld angeboten wird.

Die chinesische Super League lockt talentierte Spieler aus Europa mit riesigen Löhnen trotz minderwertiger Qualität an. Die Einführung einer Gehaltsobergrenze würde wahrscheinlich zu ähnlichen Ergebnissen innerhalb Europas führen, wenn sie in einer einzigen europäischen Liga umgesetzt würde.

Es besteht auch die Gefahr, dass Spieler das System manipulieren, um zu bestimmten Mannschaften zu gelangen. Elitespieler wollen mit anderen Elitespielern spielen, und wenn das nicht organisch geschehen kann, werden sie – wie man es in der NBA häufig sieht – es manchmal arrangieren.

Außerdem sind und bleiben Teams wie die Yankees, Lakers und Celtics – ähnlich wie Bayern – aufgrund ihrer Geschichte attraktive Ziele für große Stars. Eine Gehaltsobergrenze ändert daran nichts, und die Marketing- und Sponsoringmöglichkeiten, die sie durch das Spielen für diese Teams erhalten können, bieten einen größeren Anreiz, sich ihnen anzuschließen.

Die bestmögliche Lösung könnte hier etwas ähnliches sein, wie es in der Major League Baseball der Fall ist. Teams, die über eine bestimmte Grenze gehen, müssen eine „Luxussteuer“ zahlen, die davon abhängt, wie sehr das Ausgabenlimit überschritten wurde. Diese „Steuer“ könnte dann über den Rest der Liga verteilt werden und würde die Teams mit hohen Ausgaben abschrecken. Aber auch hier müsste ganz Europa mit an Bord sein, damit das auch praktikabel ist.

Das Bedürfnis nach Super-Teams

Letztendlich stellt sich die Frage, ob Ausgeglichenheit tatsächlich das Beste für Sportligen ist. Aus meiner Erfahrung mit dem Beobachten von Sportarten verschiedener Niveaus und Organisationen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Super-Teams den Sport interessanter machen.

Wer sind die Teams, an die man sich Jahrzehnte später erinnert und über die man spricht? Es sind diejenigen, die eine bestimmte Epoche dominieren. Die Mannschaften, die das Spiel auf ein neues Level bringen oder etwas Einzigartiges vollbringen. Die „Super-Teams“. Die „Dynastien“.

Was die Befürworter von Ausgeglichenheit nicht begreifen, ist, dass jede Form der Unterhaltung einen Helden und einen Schurken braucht. In Deutschland nimmt Bayern beide Rollen ein, so wie es in jeder Sportliga weltweit der Fall ist.

Ligen wie die NFL, wo die Parität der Realität am nächsten kommt, werden zunehmend langweilig. Wenn die Fans ihren Spielplan durchgehen, gibt es keine Teams mehr, die sie sich anstreichen, weil die “auf keinen Fall zu verpassen” sind.

Sport ist schließlich Unterhaltung für uns Zuschauer, und das Schlimmste, was man über jede Form von Unterhaltung sagen kann, ist, dass sie langweilig ist. Auch wenn der Ligatitel nicht das Drama liefert, das die Menschen sich erhoffen, so ist Bayern doch ein Team, das niemand ignorieren kann. Liebe sie oder hasse sie, du wirst nicht gleichgültig sein.

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