Internationale Wochen gegen Rassismus: Was kann der Fußball bewegen?
Die Stiftung gegen Rassismus hat sich zum Ziel gesetzt, rassistische Diskriminierung in Deutschland zu überwinden. Ihr Fokus liegt dabei auf der Planung und Koordinierung der jährlich stattfindenden bundesweiten UN-Wochen gegen Rassismus. In diesem Jahr finden die Internationalen Wochen gegen Rassismus vom 11. bis zum 24. März statt.
Blickt man auf die vergangenen zehn Jahre, so zeigt sich zunächst einmal positives Bild: Jedes Jahr beteiligen sich mehr Menschen und – mit Ausnahme der ersten beiden Jahre der Corona-Pandemie – steigt Jahr für Jahr auch die Anzahl der organisierten Veranstaltungen. Mittlerweile finden bundesweit über 4.000 Veranstaltungen statt, an denen über 250.000 Menschen teilnehmen. Auch die Formate werden immer breiter und diverser. Städte und Landkreise organisieren inzwischen ganze eigene Wochen und weiten das Programm an vielen Orten schon auf drei Wochen aus, um alles unterbringen zu können.
Laut Isabel Schmidt, Referentin bei der Stiftung gegen Rassismus, wurde der Internationale Tag gegen den Rassismus, der offiziell am 21 März begangen wird, in Deutschland aber lange kaum beachtet.
„Das änderte sich nach den gewaltsamen, rassistisch motivierten Übergriffen im September 1991 in Hoyerswerda und später in Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen“, so Schmidt. „Viele Menschen bundesweit waren schockiert.“
Nach verschiedenen Vorgesprächen gründeten Expert*innen aus der Migrationsarbeit am 31. August 1994 in Frankfurt am Main den Interkulturellen Rat, der verschiedene Initiativen zum 21.3. entwickelte. Im Jahr 2008 wurde der Aktionszeitraum auf Grund der Vielzahl der Veranstaltungen und steigenden Beteiligung auf zwei Wochen ausgeweitet.
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Die Rolle des Fußballs
Besonders erfolgreich waren Kooperationen mit dem Sport, vor allem dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutschen Fußball-Liga (DFL), den Volkshochschulen, Kommunen und Aktionsgruppen. Um diese wichtige Arbeit nachhaltig zu sichern, gründete der Interkulturelle Rat 2014 eine gemeinnützige Stiftung – die Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus. Dies geschah auf Initiative von Dr. Theo Zwanziger, dem ehemaligen Präsidenten des DFB, mit Unterstützung des Interkulturellen Rates in Deutschland e.V., der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, des Fördervereins PRO ASYL e.V. und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
„Der Fußball und vor allem das Stadion ist ein zentraler Ort der gesellschaftlichen Begegnung“, sagt Isabel Schmidt. „Das Bewusstsein für existierenden Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus ist hier in den letzten Jahren erfreulicherweise stark gewachsen und Maßnahmen wurden von verschiedenen Akteuren in den Stadien eingeführt. Trotzdem passieren tagtäglich rassistische Vorfälle, die verletzend sind, und oft sind die Betroffenen weiterhin mit den Folgen allein.“
Rassismus im Fußball gibt es in ganz unterschiedlichen Erscheinungsformen: Auf dem Spielfeld oder unter den Zuschauer*innen durch diskriminierende Aussagen; manchmal ist es der diskriminierende Umgang von Schiedsrichter*innen gegenüber Menschen mit migrantischen Wurzeln. Strukturell äußert er sich aber vor allem auch in der Unterrepräsentation von Menschen mit Migrationsgeschichte in Vorständen oder als Trainer*innen – laut Stiftung gegen Rassismus sind 96% der Führungskräfte im deutschen Fußball weiß.
Was kann der Fußball bewirken?
„Sportvereine und Spieler*innen sind jeden Tag gefordert, Haltung zu zeigen und es ist wichtig, dass hinter den einzelnen Vorfällen vor allem auch das strukturelle Problem gesehen und darüber gesprochen wird“, sagt Isabel Schmidt. Deswegen sei es wichtig, hier nachhaltig Verhaltensweisen zu verändern und jede Form von Rassismus, Antisemitismus und menschenfeindliche Diskriminierung zu bekämpfen.
„Beim Fußball kommen viele verschiedene und sehr diverse Menschen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen zusammen, die sich abseits vom Platz so vielleicht nicht begegnen“, fügt sie hinzu. „Der Fußball kann eine sehr wichtige integrative Funktion übernehmen: Das gemeinsame Bewegen auf dem Platz kann Brücken bauen und Vorurteile überwinden.“
Der Sport kann immer da, wo verschiedene Menschen aufeinandertreffen auch Integration und interkulturelle Öffnung bedeuten. Immer da, wo Begegnung passiert, wird beiderseitiges Verständnis gefördert. Sport, und vor allem auch der Fußball, sind ein wichtiges Mittel.
Was können Funktionäre bewirken?
Funktionäre und Vereine sind besonders gefordert, wenn es um das Verstehen und Anerkennen der strukturellen Dimension hinter einzelnen Rassismus-Vorfällen geht. Sie haben eine große Strahlkraft – auch in die Politik und die Zivilgesellschaft hinein und können sichtbare Zeichen setzen: gegen Rassismus und für 100 % Menschenwürde.
Dies ist gerade angesichts der aktuellen politischen Situation wichtiger denn je: Rechtsextreme Parteien erstarken in Deutschland und könnten bei den kommenden Wahlen weiter an Stimmen gewinnen. Die Wähler*innen sind auch im Verein und im Fußball tätig. Welche Auswirkungen das jetzt schon hat und wie sich das aufs zukünftige Vereinsleben auswirkt, muss im Blick behalten und aktiv angegangen werden. Es muss eine Selbstverständlichkeit bleiben, dass Diversität und interkulturelles Spiel, in dem Rassismus keinen Platz hat, im Fußball gelebt werden kann.
„Das kann durch klare Botschaften erfolgen“, sagt Isabel Schmidt und nennt Eintracht Frankfurt als Beispiel. „Der ehemalige Präsident des Fußballvereins hat eindeutig Stellung bezogen und erklärt, wer die AfD wähle, könne kein Mitglied von Eintracht Frankfurt sein. Das kann Vorbild sein für andere Vereine des Profisports, aber auch im Vereinsleben allgemein.“
Was können die Spieler*innen bewirken?
Aufgrund ihrer Reichweite und Strahlkraft haben auch besonders Fußballspieler*innen die Möglichkeit, viele Menschen anzusprechen. So können sie zu wichtigen Multiplikator*innen werden, um deutlich Haltung gegen Rassismus, Antisemitismus und jede Form menschenfeindlicher Diskriminierung zu zeigen.
„Sie sind im Kampf gegen Rassismus wichtige Vorbilder und sind besonders stark darin, vor allem Menschen anzusprechen, die wir als Stiftung nicht erreichen“, so Isabel Schmidt. „Im Jahr 2022 war der Bundesliga-Club Eintracht Frankfurt sehr aktiv und engagiert und hat die Internationalen Wochen als Botschafter unterstützt. Während dieser Zeit haben wir deutlich gespürt, dass die Stiftung und die Internationalen Wochen gegen Rassismus in den sozialen Medien aber auch darüber hinaus in Printmedien und Fernsehen große Beachtung fanden.“
Auch viele andere Proficlubs und kleinere Fußballvereine engagieren sich regelmäßig bei den Internationalen Wochen gegen Rassismus. Viele tragen während der Aktionswochen pinke Trikots oder Trikots mit dem Stempel der Stiftung und zeigen ihr Engagement in den Sozialen Medien unter den Hashtags #pinkgegenrassismus und #bewegtgegenrassismus.
Was passiert konkret in den Aktionswochen?
Der DFB, die DFL Stiftung, die Deutsche Sportjugend im DOSB (dsj), Pink gegen Rassismus und die Stiftung gegen Rassismus ermutigen ihre jeweiligen Netzwerke dazu, im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus Sportveranstaltungen für unsere gemeinsame Botschaft zu organisieren, insbesondere am Aktionstag #BewegtGegenRassismus am 16. März 2024. Auch in diesem Jahr werden sich wieder viele Fußballvereine aktiv daran beteiligen. Das Ziel ist auch hier, bei jeder Form von Bewegung eine gemeinsame Botschaft zu zeigen: Wir stehen zusammen – gegen Rassismus und für 100% Menschenwürde.
„Wir haben außerdem mit unserem Arbeitskreis Sport gegen Rassismus eine Video-Kampagne zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus gestartet“, sagt Isabel Schmidt. Alle, die ein sichtbares Zeichen gegen Rassismus setzen möchten, können sich über die Sozialen Medien beteiligen.
„Alle Mitglieder des Arbeitskreises arbeiten auch parallel an eigenen Projekten und Aktionen rund um die Internationalen Wochen gegen Rassismus“, fügt Isabel Schmidt hinzu. „Beispielsweise der DFB im Rahmen seines Projektes Fußball ‚Verein(t) Gegen Rassismus‘ und des Ausbaus von Antidiskriminierungsnetzwerken. Die dsj – Deutsche Sportjugend im DOSB organisiert parallel zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus einen Vereinswettbewerb ‚(M)ein Verein gegen Rassismus‘ und ruft Vereine aller Sportarten dazu auf, sich mit ihrem Engagement gegen Rassismus zu bewerben. Auch der Caritasverband Oberberg ist traditionell sehr aktiv mit allen Sportvereinen und organisiert zahlreiche Aktionen.“
Der komplette Veranstaltungskalender zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus ist hier zu finden.
Dies ist der Auftakt zu einer Artikelserie, die wir im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus veröffentlichen. Im zweiten Teil gehen wir näher auf Faninitiativen ein, die sich mit dem Thema Rassismus und Antidiskriminierung auseinandersetzen, im dritten und letzten Teil sprechen wir mit Ronny Blaschke über sein kürzlich erschienenes Buch „Spielfeld der Herrenmenschen – Kolonialismus und Rassismus im Fußball“.