Pokalfinale: Sieg durch Plan, Kollektiv und Einzelleistung

Jan Trenner 18.05.2014

Pokalsieger 2014 in Berlin FC Bayern

Man kann den Spielverlauf in einer kurzen oder langen Geschichte erzählen. Die Kurze soll hier erst einmal genügen: Entgegen vieler Erwartungen nahm der FC Bayern auch im Pokalfinale das Heft in die Hand und bestimmte die Partie. Vorstöße der Dortmunder konnten früh gestellt werden und es wurde selten zwingend, da die Roten mit fast perfekter Konzentration defensiv arbeiteten. Die strittigste Szene ereignete sich in der 64. Spielminute, als Mats Hummels die Kopfballverlängerung von Robert Lewandowski ins Tor brachte und Dante den Ball mit vollem Einsatz aus dem Bereich irgendwo unter der Latte herauskratzte. Das Schiedsrichtergespann entschied auf »kein Tor«. Eine Entscheidung, die man wohl zu Gunsten oder Ungunsten des FC Bayern treffen kann und in jedem Fall wäre diskutiert worden. Auch am Vormittag nach dem Pokalfinale ist die endgültige Auflösung dieser Frage erst mit einer 3D-Animation möglich. In Echtzeit während des Spiels und auch mit Zeitlupen am Fernseher ist die exakte Position des Balles nicht eindeutig zu belegen. Arjen Robbens Tor (107.) im zweiten Teil der Verlängerung ist ein Produkt des Willens und der Einzelaktionen. Der BVB war inzwischen ebenfalls merklich müde und so »klaute« Jerome Boateng den von Weidenfeller auf die linke Außenbahn abgeworfenen Ball in einem fast perfekten Moment, brachte die Flanke wieder vor das Tor und bediente Arjen Robben, der erneut auf Weidenfeller schoss, aber dieses Mal das Glück und die Kraft auf seiner Seite hatte. Als der inzwischen eingewechselte Claudio Pizarro in der 123. Spielminute auf Thomas Müller in Höhe der Mittellinie querlegte, war diesem beim darauffolgenden Sprint vor das Tor des BVB die Anstrengung mit jedem Schritt anzusehen. Aber er umkurvte den Torhüter der Borussia, schob zum 2:0 für den FC Bayern ein und beendete das Spiel mit einem Freudentaumel der Roten.

Pep Guardiola muss die letzten Wochen zur intensiven Nachbetrachtung genutzt haben, um für dieses Pokalspiel das eigentlich nur im Test gegen Salzburg erprobte und damals als »Experiment Dreierkette« abgestempelte System zu wählen. Im 3-4-2-1 des Pokalspiels agierten Rafinha über links und der junge Däne Højbjerg über rechts deutlich zurückhaltender als gegen Red Bull. Sie sorgten für Stabilität und konnten die Offensivbemühungen des BVB früh einschränken. Gleichzeitig spielte der FC Bayern mit seinen 5 Personen in der Abwehr und anschließend vorrückenden Außen bei eigenem Ballbesitz den Spielaufbau durch die Mitte und schaffte Freiräume oder 1-gegen-1-Situationen auf den Flügeln. Ein System, das als Vorgeschmack auf die nächste Saison dienen wird. Die Leistung von Guardiola kann und darf aber nicht nur am Grundsatz dieser Formation bemessen werden, denn die größere Leistung ist das Training dieser Spielweise trotz vieler Ausfälle, die der Verein in der Vergangenheit selten wegstecken konnte. Neben dem für den Spielaufbau stets entscheidenden Bastian Schweinsteiger fehlte kurzfristig auch David Alaba. Dessen Rolle übernahm Rafinha souverän. Auf der Gegenseite bekam der 18-jährige Pierre Emile Højbjerg das Vertrauen des Trainers geschenkt. Ein junger Spieler, der vor weniger als einem Jahr noch mit den Bayern Amateuren auf den Dorfplätzen der Regionalliga kickte und nun über 102 Minuten eine starke Präsenz im Pokalfinale zeigte. Die Feinjustierungen des Trainers funktionierten auch im laufenden Spiel. Schon nach 32 Minuten musste Kapitän Philipp Lahm den Platz verletzungsbedingt verlassen. Dadurch übernahm Franck Ribéry die linke Offensivseite und Mario Götze ging neben Toni Kroos, um sich am Spielaufbau zu beteiligen. Auch nach diesen eigentlich sehr schmerzlichen Ausfällen überzeugte die Mannschaft im vom Trainer gegebenen System.

Die Kritik an Guardiola und seiner Philosophie dürfte nun wieder leiser werden. Das ausgelassene Feiern, Umarmen und sich nach Abpfiff bedanken zwischen ihm und der Mannschaft nimmt hoffentlich auch denjenigen den Wind aus den Segeln, die einen Riss im Team und dem Spieler-Trainer-Vertrauen herbeireden wollten.

Mit dem Pokalerfolg in Berlin veredelte man eine starke und über weite Strecken souveräne Saison. Auf den Triple- folgte ein Double-Erfolg. Aber der gestrige Abend ist auch ein Wegweiser für die Zukunft. Auf ein Spielsystem mit Dreierkette, die Möglichkeiten der Anpassung, die Erkenntnis, dass Ballbesitz mehr als das Herumschieben des Runden ist und ebenfalls ein Fingerzeig auf das »Personal« der Zukunft. In Berlin konnten unsere jungen Spieler ohne den Rückhalt, der ansonsten in entscheidenden Partien immer notwendigen Schweinsteiger, Lahm, Ribéry (in Topform), einen Titel gewinnen. Mit den nächsten Transferperioden kann man die langsame Kaderverjüngung punktuell beginnen.

Borussia Dortmund – FC Bayern 0:2 N.V. (0:0)
Dortmund Weidenfeller – Piszczek, Sokratis, Hummels, Schmelzer – Jojic (83. Aubameyang), Sahin – Mkhitaryan (60. Kirch), Reus, Großkreutz (110. Hofmann) – Lewandowski
Bank Alomerovic, Durm, Friedrich, Kehl
FC Bayern München Neuer – Hojbjerg (102. Van Buyten), Boateng, Martínez, Dante, Rafinha – Lahm (31. Ribéry, 109. Pizarro) – Müller, Kroos – Robben, Götze
Bank Raeder, Contento, Shaqiri
Tore 0:1 Robben (107.), 0:2 Müller (120.+3)
Karten Gelb: – / Kroos, Hojbjerg, Boateng, van Buyten, Robben
Zuschauer 76.197 (ausverkauft)
Schiedsrichter Florian Meyer