Miasanrot-Awards 2020/2021: Spieler der Saison

Justin Trenner 08.06.2021

Robert Lewandowski hat sich selbst nochmal übertreffen. Auch im internen Miasanrot-Redaktionsvoting gab es deshalb keinerlei Zweifel: Er ist der Spieler der Saison. Aber was ist das Geheimnis hinter den erstaunlichen Leistungen, die er in den letzten zwei Jahren gezeigt hat?

Die kurze Antwort: Es gibt nicht den einen Grund, sondern es spielen mehrere wichtige Faktoren eine Rolle. Zuallererst muss man seine professionelle Einstellung erwähnen. Lewandowski ist eine Maschine auf und neben dem Platz. Er arbeitet unglaublich hart an sich und versucht, seine Lebensweise in Bezug auf Ernährung und Trainingsmethoden stets zu verbessern und anzupassen. Er tut alles, um seinen Körper in die perfekte Form für jede Herausforderung zu bringen. Man muss nur seiner Frau Anna Lewandowska auf Instagram folgen, um zu sehen, welch harte Arbeit beide in ihre Gesundheit investieren.

Das ist ohne Frage die Basis für seinen Erfolg. Aber es gibt noch so viel mehr, was ihn als Stürmer besonders macht. An Lewandowskis Status als einer der besten Stürmer der Welt gab es in den letzten Jahren nie einen ernstzunehmenden Zweifel. Für die Bayern erzielte er bereits viermal 30 oder mehr Tore in einer Bundesligasaison – und einmal kam er nicht über 29 hinaus. Er war fast nie verletzt und seine Leistungen waren konstant auf einem sehr hohen Niveau. Aber der beste Stürmer der Welt? Das hätten bis zur letzten Saison wohl nur wenige unterschrieben. Er gehörte zwar immer zur elitären Gruppe von Torjägern, die sich irgendwo hinter Lionel Messi und Cristiano Ronaldo einsortiert hat, aber selbst innerhalb dieser Gruppe spielte Lewandowski nie in einer eigenen Liga, sondern stets auf Augenhöhe mit anderen Stürmern wie Karim Benzema, Luis Suárez oder auch Sergio Agüero. Nuancen entschieden, wer die Nase letztendlich vorn hatte.

Plötzlich Führungsspieler

Spätestens seit 2019 hat sich das geändert. Lewandowski war genau dann da, als die Bayern ihn am meisten brauchten: In einer Zeit, in der die Mannschaft unter Niko Kovač darum kämpfte, den Anschluss in Europa zu halten, wurde Lewandowski immer besser. Aber warum? Gerade bei Stürmern ist es doch oft so, dass sie nicht richtig abliefern können, wenn ihre Mannschaft Mühe hat, Chancen zu kreieren.

Ein großer Grund ist, dass Lewandowski in der Hierarchie aufgestiegen ist. Als Arjen Robben und Franck Ribéry den Verein verließen, wurde er noch wichtiger als zuvor. Es macht sogar den Anschein, dass sich seine Persönlichkeit mit dieser neuen Rolle verändert hat. Vorher wurde er bei Bayern nie wirklich als Anführer gesehen, aber mit dem Beginn der Saison 2019/2020 entwickelte er sich plötzlich zum Teamplayer. Anstatt sich abzuwenden und sich über Mitspieler zu ärgern, wenn sie einen Fehler machten oder den letzten Pass nicht zu ihm spielten, fing er an zu applaudieren und sie zu pushen.

Vielleicht hat er also sein bestes Niveau nur erreicht, weil er gelernt hat, seine Gefühle und sein eigenes Spiel auf dem Platz besser zu kontrollieren. Er hat gelernt, wann er einen Tiefenlauf machen und wann er sich ins Mittelfeld zurückfallen lassen sollte – seine Bewegungen also auszubalancieren. Mittlerweile kann er jede Situation im Angriffsdrittel lesen, bevor es alle anderen tun – außer Thomas Müller vielleicht. Ach, und wenn wir schon von Müller sprechen: Auch er ist ein Grund für Lewandowskis Erfolg. Und zwar ein sehr großer.

Der Faktor Müller

Müllers Läufe und seine außergewöhnliche Intelligenz in Bezug auf das Lesen des gesamten Spiels sind sehr förderlich für Lewandowskis Leistungen. Man kann den polnischen Stürmer nicht analysieren, ohne Müller zu analysieren. Beide waren, wenn sie auf ihrem besten Niveau spielen, in den letzten Jahren das beste Offensivduo Europas. Sie kennen sich sehr gut und vor allem Müller weiß, wie er seinen Partner in optimale Positionen auf dem Platz bringen kann. Auch unter Kovač konnte Lewandowski bereits eine außergewöhnliche Leistung bringen, obwohl Müller in diesem System nicht so richtig funktioniert hat. Aber jetzt, wo Müller in der besten Form seines Lebens ist, ist Lewandowski ebenfalls in der besten Form seines Lebens. Das ist kein Zufall.

Um nochmal auf die Einordnung zurückzukommen: In dieser Saison gibt es keinerlei Zweifel. Lewandowski ist der beste Stürmer der Welt. Für den Moment auch besser als Ronaldo und Messi, die immer noch auf hohem Niveau agieren, langsam aber ihren Status als Außerirdische verlieren. Nicht nur, dass Lewandowski mit seinen 41 Bundesliga-Toren den legendären Rekord von Gerd Müller brach, sondern er war am gesamten Angriffsspiel seiner Mannschaft beteiligt wie selten zuvor.

Er war schon immer ein sehr kompletter Spielertyp, aber in dieser Saison fand er die perfekte Mischung aus einem mitspielenden und einem klassischen Neuner. Wäre er im April nicht für einige Wochen verletzt gewesen, würden wir jetzt über eine noch beeindruckendere Bundesliga-Bilanz mit 45 Toren oder mehr und über das Erreichen des Halbfinals in der Champions League sprechen – mindestens. Mit seinen 41 Toren in nur 2463 Bundesliga-Minuten hat er im Schnitt alle 60 Minuten ein Tor gemacht. Das ist Messi-Level, wobei erwähnt werden sollte, dass Messi das schon öfter und konstanter in seiner Karriere gemacht hat. Selbst ohne seine acht Elfmetertore schießt er im Schnitt alle 74 Minuten ein Tor. Gerd Müller schoss damals in seiner Rekordsaison 1971/1972 alle 76,5 Minuten ein Tor – ohne Elfmeter.

Meinungsexkurs

Diese Rechnung widerspricht eigentlich meinem Verständnis von Fußball. Warum sollten Elfmetertore weniger wert sein als Tore aus dem Spiel heraus? Gerade Gerd Müller hatte unter seinen 40 Treffern doch auch einige, die einfacher zu verwandeln waren als ein Strafstoß. Aber auch in dieser Position muss ein Stürmer erstmal stehen. Und er muss erstmal die Qualität mitbringen, Elfmeter souverän zu verwandeln. Müller verschoss 1971/1972 drei Elfmeter. Fall abgeschlossen, oder? Elfmeter sind keine geschenkten Tore und Lewandowski hat bewiesen, dass er die Nerven und die Qualität für sie hat. Das schmälert seine Leistung in dieser Saison kein bisschen. Und es schmälert im übrigen auch nicht jene von Gerd Müller. Beide haben zu ihrer Zeit außergewöhnliche Leistungen gebracht.

Robert Lewandowski: Eine Bayern- und Bundesligalegende

Manchmal laufen die Dinge eben nicht so, wie man sie sich wünscht. Und Lewandowski hat gezeigt, dass er allen Widrigkeiten trotzen kann. Nachdem er im April vier Bundesligaspiele verpasst hatte, dachten viele, dass er es nicht mehr schaffen würde, die fünf fehlenden Tore in den letzten vier Spielen zu schießen. Aber er hat es geschafft und zur Krönung seiner großen Leistung sogar noch ein weiteres Tor oben drauf gelegt. Diese Qualität ist es, die große Spieler ausmacht.

Lewandowski verdient es, als bester Stürmer der Welt gefeiert zu werden. Weil er ein taktisches Genie auf dem Platz ist, das Räume und Wege zum Tor findet, auch wenn sich alle Verteidiger in den Weg stellen. Weil er fast schon beängstigend gut ist, wenn er den Ball mit dem Rücken zum Tor bekommt. Auch weil er gelernt hat, geduldig zu sein und auf seine Chancen zu warten, um noch konzentrierter zu sein, wenn sie kommen. Und weil er gelernt hat, mehr im eigenen Team zu arbeiten, statt sich als Zielspieler zu sehen, der außer dem Toreschießen wenig macht. Lewandowski war schon immer ein vielseitiger Stürmer. Aber jetzt ist er die kompletteste Version seiner selbst. Und eine echte Bayern- und Bundesliga-Legende.

Dieser Text erschien zuerst im Blog „football arguments“, der Lewandowski in das Team der Saison des Weltfußballs gewählt hat und uns um eine Einschätzung bat.

Artikel über Lewandowski in dieser Saison

Spieler des Monats März – Georg

Spieler des Monats Februar – Louisa

Wie abhängig ist der FC Bayern München von Robert Lewandowski? – Lukas