Kommerz, Langeweile, wirtschaftliche Fragilität – Der Salary Cap als Allheilmittel?

Alexander Trenner 10.05.2020

Mit dem Stillstand des Fußballs ist ein ungeahntes Interesse für seine wirtschaftlichen Zusammenhänge entstanden. Die offenkundige wirtschaftliche Fragilität des Profifußballs ebenso wie die Spielergehälter, deren enorme Höhen in der Krise besonders deutlich hervorstechen, sind ein wiederkehrendes Thema in der öffentlichen Debatte. Im Zuge dessen gerät auch die sportliche Ungleichheit zwischen den Vereinen und die Eintönigkeit der Bundesliga als sportlicher Wettbewerb, die eine direkte Konsequenz der wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Vereinen ist, wieder stärker in den Blick.

Als ein Mittel, allen oder zumindest einigen dieser Probleme zu begegnen, wird unter Fans und Experten seit einigen Wochen die Einführung einer „Salary Cap“- einer Gehaltsobergrenze – im Profifußball diskutiert. In diesem Artikel möchte ich mich damit auseinandersetzen, ob die Einführung einer Salary Cap im europäischen Fußball möglich wäre und inwiefern er bei den genannten Kritikpunkten Abhilfe schaffen könnte. Bevor ich darauf zu sprechen komme, widme ich mich eingangs kurz der Darstellung der Problemlage zur Motivation des Themas.

Die Probleme des Fußballs im Corona-Brennglas

Die wirtschaftliche Seite

In den letzten Wochen sah sich der Profifußball wiederholt der Kritik eines unverantwortlichen und wenig nachhaltigen Wirtschaftens ausgesetzt, das so auf Kante genäht sei, dass schon der kleinste Stolperstein genügte, den instabilen Goliath zu Fall zu bringen. Diese Kritik entzündete sich beispielsweise daran, dass der Profifußball so strukturiert ist, dass viele Vereine trotz immens hoher Einnahmen in der Vergangenheit jetzt in der Krise nicht ohne weiteres in der Lage sind, einige Monate am Stück ohne Einnahmen wirtschaftlich zu überleben.

Nicht immer ist diese Kritik sachlich gerechtfertigt, aber in der Tat weist der Profifußball einige ökonomische Besonderheiten auf, die ihn in der aktuellen Corona-Krise anfälliger machen als andere Wirtschaftszweige.

So gibt es beispielsweise aufgrund der 50+1 Regel und dem UEFA Financial Fair Play (FFP) in Deutschland nicht die Möglichkeit, dass ein gönnerhafter Investor mit einer Finanzspritze seinem Club über kurzfristige Liquiditätsengpässe hinweghilft. Zum einen gibt es solche Investoren im deutschen Fußball in der Regel nicht, zum anderen würde, selbst wenn es sie gäbe, das UEFA FFP diesem Vorhaben einen Riegel vorschieben. Bei vielen Vereinen ist es sogar so, dass sie noch gänzlich als eingetrager Verein konstituiert sind und ihren Spielbetrieb nicht in eine rechtlich eigenständige Kapitalgesellschaft ausgegliedert haben. In der 1. Bundesliga betrifft dies Union Berlin, Fortuna Düsseldorf, FSV Mainz 05, SC Freiburg und den FC Schalke 04. Für diese Vereine wäre eine Insolvenz besonders fatal, weil sie wirtschaftlich und rechtlich unter Umständen auf einzelne Vereinsmitglieder durchschlagen könnte, die dann mit ihrem gesamten Privatvermögen für die Verbindlichkeiten ihres Vereins haften müssten.

Eine anderes Spezifikum des Profifußballs ist es, dass ein substantieller Anteil der Einnahmen der Vereine in Form von Personalaufwand für einen sehr begrenzten Kreis von Personen aufgewendet wird, nämlich die Top-Funktionäre und vor allem die Spieler. Je nach Verein und Liga betragen die Aufwendungen allein für den Spielerapparat zwischen einem Drittel und in Einzelfällen sogar mehr als 100% des gesamten Umsatzes. Bei den Bayern beispielsweise betrug das Personalaufwand Spielerapparat/Umsatz-Verhältnis im Geschäftsjahr 2018/19 gut 40%, im Schnitt der Bundesliga insgesamt waren es gut 35%. Zum Vergleich: In der englischen Premier League lag dieses Verhältnis im selben Zeitraum bei durchschnittlich gut 50% und in der zweiten englischen Liga sogar bei mehr als 100% (!).

Aufgrund dieser Besonderheit ist der Profifußball auch viel weniger empfänglich für das wohl einschlägigste Mittel der staatlichen Hilfe in der aktuellen Corona-Krise, die Kurzarbeit, von der zur Zeit hunderttausende Unternehmen mit Millionen von Mitarbeitern Gebrauch machen. Man kann keinen Robert Lewandowski in Kurzarbeit Null schicken und ihm die Differenz zu max. 67% seines vollen Nettogehalts vom Staat aufstocken lassen. Der maximale Zuschuss ist bei ca 4.600 € gedeckelt und Kurzarbeit bedarf außerdem der Zustimmung des Betroffenen. In Anbetracht der weit jenseits dieser Grenze liegenden Spielergehälter in der ersten und zweiten Bundesliga fällt dieser ansonsten sehr populäre staatliche Rettungsweg für den Profifußball weg.

Die sportliche Seite

Die hohen Spielergehälter sind nicht nur aus wirtschaftlicher Perspektive ein potenzieller Stolperstein in der Krise, sondern werden von vielen Fans auch aus anderen Gründen kritisch beäugt.

Zum einen ist es so, dass die zunehmende Spreizung der Ausgaben für Spielergehälter unter den Vereinen auch zu einer Spreizung ihrer sportlichen Erfolgschancen geführt hat, da beide Faktoren empirisch sehr stark zusammenhängen. Wer mehr Geld in seinen Spielerapparat investieren kann, ist sportlich erfolgreicher.

Eigentlich sieht daher das europäische Fußballligen-System das Mittel des Auf- und Abstiegs vor, um unter den Vereinen innerhalb einer Liga zumindest weitgehende sportliche und wirtschaftliche Wettbewerbsgleichheit herzustellen. Ist ein Verein für eine bestimmte Liga zu schwach, steigt er in die nächsttiefere ab, ist er zu stark, steigt der in die nächsthöhere auf. So ist gewährleistet, dass die Vereine, die sich innerhalb einer Liga begegnen, immer alle ungefähr gleich stark sind. Dieses System kommt logischerweise in der jeweils höchsten Spielklasse eines Landes an sein Ende. Oberhalb der Bundesliga gibt es keine höhere Liga mehr, in die die eigentlich zu starken Vereine, die Bayerns und die BVBs dieser Welt, noch aufsteigen könnten.

Schlimmer noch, in einem sich selbst verstärkenden Zyklus öffnet ihnen ihr sportlicher Erfolg die Tore zu weiterem wirtschaftlichen Erfolg, der ihnen dann wiederum weiteren sportlichen Erfolg ermöglicht usw. Somit werden die großen Vereine immer noch größer und bleiben für immer an der Spitze ihrer Ligen kleben, von der sie praktisch nicht mehr verdrängt werden können. Ergo ist ein sportlich fairer Wettbewerb in der Bundesliga und in vielen anderen höchsten Spielklassen Europas schon lange nicht mehr gegeben. Viele Fans beklagen die daraus entstehende Vorhersagbarkeit und Eintönigkeit des Profifußballs, den sie als zutiefst langweilig und spannungsarm empfinden und drängen darauf, dass wieder mehr sportliche Chancengleichheit zwischen den Vereinen hergestellt werden muss. 

Die moralische Seite

Die Fans beklagen nicht nur die sportliche Langeweile, sie sehen auch die in den letzten Jahren in immer astronomischere Höhen gestiegenen Transferausgaben und Spielergehälter, die mittlerweile bei größeren Vereinen problemlos den zweistelligen Millionenbereich pro Jahr erreichen können, als eine Perversion und mit Blick auf die Gesamtgesellschaft moralisch nicht vertretbaren Auswuchs eines bis zur Unkenntlichkeit durchkommerzialisierten Sports an, der sich von seinen ursprünglichen Wurzeln und Traditionen weit entfernt hat.

Die Diskussion um Kommerzialisierung und Moral des Fußballs, die vor der Corona-Krise unter verschiedensten Aspekten vornehmlich von kritischen Fans geführt wurde, hat inzwischen ihren Weg in den Mainstream der Fußballöffentlichkeit gefunden.

Lässt sich eine Salary Cap im deutschen Profifußball einführen?

Als ein Mittel, allen oder zumindest einigen der drei geschilderten Probleme zu begegnen, wird unter Fans und Experten seit einigen Wochen die Einführung einer „Salary Cap“- einer Gehaltsobergrenze – im Profifußball diskutiert. Der Salary Cap ist eine von mehreren Methoden, mit denen in den Ligensystemen der vier großen amerikanischen Teamsportarten, NFL, NBA, MLB und NHL, eine ungefähre sportliche Wettbewerbsgleichheit zwischen den konkurrierenden Teams hergestellt werden soll. Es gibt je nach Liga verschiedene spezifische Ausprägungen der Salary Cap („hard cap“, „soft cap“, „luxury tax“) mit je unterschiedlichen Bestimmungen, aber für die eher grundsätzlichen Betrachtungen dieses Artikels reicht die Vorstellung von einer definierten Obergrenze entweder dessen, was ein Verein jährlich für die Gehaltssumme seines gesamten Kaders ausgeben darf oder für das individuelle Gehalt eines einzelnen Spielers, vollkommen aus.

Im Folgenden möchte ich näher auf einige Aspekte in Zusammenhang mit der Institutionalisierung einer Salary Cap im europäischen und deutschen Profifußball eingehen. Unter welchen Bedingungen wäre ein Salary Cap überhaupt möglich? Welche Herausforderungen stellen sich? Und wenn man ihn einführen würde, wäre er auch tatsächlich geeignet, den Profifußball wirtschaftlich und sportlich wieder auf ein stabileres und faireres Fundament zu stellen? 

Die rechtliche Hürde

Die vier großen amerikanischen Ligen sind als Franchise-Systeme organisiert. Jedes einzelne Team ist im Prinzip nur ein Franchise-Nehmer einer übergeordneten Liga, dem Franchise-Geber. In diesem System hat der Franchise-Geber relativ weitgehenden rechtlichen Spielraum, seinen Franchise-Nehmern umfassende sportliche und wirtschaftliche Vorgaben zu machen, denen diese sich unterwerfen müssen. Zu diesen Vorschriften zählt unter anderem auch die, dass die Teams gewisse Grenzen für die Gehälter ihrer Spieler nicht überschreiten dürfen.

Dem europäischen Profifußball ist ein solches Franchise-System fremd. Die einzelnen Vereine sind rechtlich und wirtschaftlich vollkommen selbständige Einheiten, die komplett auf eigene Rechnung agieren. Es gibt also dementsprechend auch keine übergeordnete Instanz, die ihren Mitgliedern verbindliche Vorschriften machen könnte, die mit dem normalen Recht außerhalb dieses Systems ansonsten vielleicht nur schwer zu vereinbaren wären. Der FC Bayern München ist nicht teilselbständiges Mitglied in einem übergeordneten System, von dem es eine Lizenz erwirbt und dessen Regeln und Vorschriften es sich bei Eintritt unterwerfen müsste. Regeln, die Instanzen wie die UEFA oder der DFB ihren Vereinen vorgeben, müssen sich daher an ihrer Vereinbarkeit mit „normalem“ Recht messen lassen.

Und auf den ersten Blick scheint ein Salary Cap im Profifußball eine ganze Reihe nationaler und EU-Rechtsnormen zu verletzen, mindestens in Bezug auf das Recht auf Vertragsfreiheit, das Arbeitsrecht und das Kartellrecht (sowie bestimmt noch einigen weiteren). Inwiefern der Sport hier seine historisch bedingte rechtliche Ausnahmestellung geltend machen kann, kann und wage ich nicht zu beurteilen, aber ein Selbstläufer wäre die Einführung einer Salary Cap auf europäischer oder nationaler Ebene rechtlich sicherlich nicht.

Das Problem der Verbindlichkeit

Angenommen, ein Salary Cap wäre mit den diversen nationalen und dem EU-Recht vereinbar, welche Instanz gäbe es, die ihn für alle Profivereine in einem Land oder gar gleich ganz Europa verbindlich durchsetzen könnte? Analog zum Financial Fair Play könnte man sich die UEFA vorstellen, aber deren Hoheitsgebiet erstreckt sich auf ihre eigenen europäischen Turniere, sie hat aber keinen direkten Zugriff auf die Regeln in den einzelnen Landesverbänden. Wenn die UEFA also eigenmächtig einen europaweiten (und damit auch für die Bundesliga gültigen) Salary Cap verabschieden wollte, dann könnte sie sich dieser widersetzende Vereine höchstens von ihren europäischen Wettbewerben ausschließen. Es steht zu befürchten, dass sich die nationalen Ligen dies vielleicht zum Anlass nehmen würden, die Chance zu nutzen sich zusammenzutun und langen Jahren des Drohens endlich ihren eigenen europäischen Wettbewerb zu schaffen, vollkommen unabhängig von der UEFA (Stichwort Super League).

Das Problem von Freiwilligkeit und Einheitlichkeit

Nehmen wir an, in Ermangelung einer zentralen Instanz, die eine europaweite Salary Cap verbindlich vorschreiben könnte, würden sich alle 55 in der UEFA organisierten nationalen Ligen bzw. Verbände mitsamt ihren Vereinen darauf einigen, die Möglichkeit einer freiwilligen und einheitlichen Salary Cap für ganz Europa auszuloten. Wie müsste ein Salary Cap strukturiert sein, dass wirklich alle Parteien ihn freiwillig akzeptieren würden? Welcher Betrag wäre so bemessen, dass er gleichzeitig sowohl einem Multi-Milliarden-Business wie der Premier League mit unheimlich finanzkräftigen Vereinen und der lettischen ersten Liga gerecht wird? Was nützt es der lettischen Liga, wenn der Salary Cap in einem Bereich läge, den selbst alle 10 in ihr organisierten Vereine zusammengenommen im Laufe mehrerer Jahre nicht einmal annähernd umsetzen können? Wie realistisch ist es, dass sich die Premier League eines fairen europäischen Wettbewerbs zuliebe auf einen Salary Cap einlassen würde, der ihre Spielergehälter auf das Niveau von, sagen wir, die Pro League in Belgien senkt?

Unterschiedliche Obergrenzen von Liga zu Liga stattdessen würden zumindest das Ziel der Erreichung von Wettbewerbsgleichheit auf europäischer Ebene bereits im Ansatz konterkarieren. Schon zwischen den großen fünf europäischen Ligen gibt es enorme finanzielle Unterschiede und innerhalb dieser Ligen oft noch einmal dramatische zwischen den einzelnen Vereinen. Selbst in diesem kleinen Pool wäre eine Einigung auf einen für alle Parteien fairen und akzeptablen Salary Cap schon mehr als schwierig. Ich halte daher einen allgemeinverbindlichen Salary Cap gleicher Höhe für ganz Europa schon für im Ansatz unmöglich.

Angenommen, es kommt kein europaweit einheitlicher Salary Cap, aber die DFL und der DFB würden überlegen vorzupreschen und einen eigenen, nationalen Salary Cap zu verabschieden. Wieder wäre man auf eine freiwillige Teilnahme aller Vereine angewiesen, diesmal immerhin nur in der Bundesliga. Allerdings stellt sich dieselbe Herausforderung wie auf europäischer Ebene analog auch hier: Wie soll es möglich sein, dass sich etwa der FC Bayern und der FC Augsburg auf einen Salary Cap einigen, die den finanziellen Umständen und sportlichen Ambitionen beider Vereine sowie gleichzeitig dem Anspruch einen fairen Wettbewerb zu schaffen und die Gehälter wirksam zu begrenzen gerecht wird? Das Bonmot von der Quadratur des Kreises drängt sich auf.

Welche Probleme kann die Salary Cap lösen?

Nehmen wir jedoch an, unter dem Eindruck der Corona-Krise wären alle Bundesligavereine wider Erwarten bereit, sich grundlegenden Reformen im deutschen Profifußball nicht grundsätzlich zu verschließen und stünden der Einführung eines Salary Cap aufgeschlossen gegenüber. Welche Probleme kann die Einführung eines Salary Cap lösen?

Eher nein: Schaffung von wirtschaftlicher Stabilität

Eins der angesprochenen Ziele einer Salary Cap ist es, einen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität der Bundesliga in Krisenzeiten zu leisten. Ist er dafür geeignet? Meines Erachtens kann e diesbezüglich allerhöchstens als Hilfsmittel fungieren. Wollte man den Profifußball wirklich krisensicher machen und ausschließen, dass durch die Insolvenz einzelner Vereine der Wettbewerb insgesamt in seiner Existenz gefährdet wird, erschiene mir unter Beibehaltung von 50 + 1 die Etablierung eines Solidaritätsfonds, in den alle Vereine regelmäßig einen bestimmten Betrag überweisen und der im Notfall angezapft werden kann um beispielsweise einzelne Vereine vor der Insolvenz zu retten, als viel naheliegender und zweckdienlicher. Natürlich könnte einen Teil des Geldes, dass die Vereine nicht in ihre Spieler stecken dürfen, stattdessen in diesen Fond fließen, aber das ist ein eher beiläufiger Zusammenhang und kann keinesfalls das Leitmotiv hinter der Einführung eines Salary Cap sein.

Noch viel weniger wäre ein Salary Cap dazu geeignet, die Vereine in dem Sinne krisenfest zu machen, dass die Spielergehälter auf ein für Kurzarbeit oder andere Staatshilfen realistisches Niveau drosselt. Selbst schlechtverdienende Bundesligaprofis haben ein so hohes Einkommen, dass für sie eine Rückstufung auf den Kurzarbeit-Höchstsatz ohne weiteres Gehaltseinbußen von mehr als 90% bedeuten würde. Es wäre vollkommen illusorisch zu glauben, dass eine Salary Cap jemals auch nur annähernd auf einem solch niedrigen Niveau angesetzt werden würde.

Aus beiden Erwägungen heraus erscheinen mir daher auch Betrachtungen zur passenden Höhe eine Salary Cap im Kontext von wirtschaftlicher Resilienz von Bundesligavereinen wenig ergiebig und ich schließe das Thema hiermit ab.

Eher ja: Stoppen der Gehaltsspirale und Wettbewerbsgleichheit

Ganz im Gegensatz dazu erscheint mir die Einführung eines Salary Cap als Mittel zur Durchbrechung der sich immer weiter nach oben schraubenden Gehaltsspirale im Profifußball als deutlich sachgerechter, genauso wie zur Schaffung eines sportlich wieder ausgeglicheneren Wettbewerbs. Hierzu ein paar zahlengestützte Überlegungen:

Stellt man sich ein Salary Cap als teambezogene Obergrenze für das aufsummierte Jahresgehalt* des gesamten Kaders vor, sind folgende Zahlen von besonderem Interesse: Unter der Annahme, dass ganz grob geschätzt ca. 75-80% des gesamten Personalaufwands eines Vereins als Gehälter für den Lizenzspielerbereich anfallen, ergibt sich bei den Bayern im Geschäftsjahr 2018/19 insgesamt geschätzt ein Aufwand von ca. €255-270 Mio. für den Spielerkader, bei einem Umsatz von ca. €660 Mio. vor Spielertransfers (€260-280 Mio. / €660 Mio.). Beim BVB betrugen diese Größen ca. €150-165 Mio. / €380 Mio. und beim FC Schalke 04 ca. €80-95 Mio. / €260 Mio.. Die durchschnittliche Höhe des Personalaufwands für die Kader der sechs diesbezüglich ausgabefreudigsten Bundesligavereine betrug im selben Geschäftsjahr rund €143 Mio., die der nächsten sechs rund €63 Mio. und die der letzten sechs rund €33 Mio. Beim Umsatz sehen die Größenverhältnisse ähnlich aus. 

Für einen Salary Cap in Form einer individuellen Gehaltsobergrenze für einzelne Spieler gilt, dass von den 20 bestverdienenden Spielern in der Bundesliga die ersten 19 bei den Bayern (13) oder dem BVB (6) spielen. Timo Werner bei RB Leipzig auf Platz 20 ist der erste Spieler eines anderen Vereins. Die Bayern und (mit Abstrichen) der BVB sind die einzigen beiden Vereine in der Bundesliga, die routinemäßig Spielergehälter im zweistelligen Millionenbereich ausloben. Bei den Bayern gibt es mit Robert Lewandowski, Philippe Coutinho und vielleicht bald Manuel Neuer sogar drei Spieler, die mehr als €20 Mio. brutto p.a. einstreichen (wollen). Das Durchschnittsgehalt der Bayern-Spieler lag im Geschäftsjahr 2019/20 bei ca. €8,1 Mio., das des BVB bei knapp €5 Mio. und das von Bayer Leverkusen an dritter Stelle bei ca. €3,2 Mio. Schon die Differenzen zwischen diesen drei Vereinen sind enorm und danach gehen die Zahlen ziemlich schnell noch deutlich weiter zurück. Am Ende der Gehaltstabelle lagen Union Berlin und der SC Paderborn auf den Plätzen 17 und 18 bei ca. €0,68 Mio. bzw. €0,42 Mio. 

Es drängt sich die Frage auf, wie man mit Vereinen einheitlich, aber fair und angemessen für alle Seiten umgehen möchte, deren Umsätze und Durchschnittsgehälter um den Faktor zehn differieren? Jedenfalls wäre es, egal ob man einen teambezogenen oder individuellen Salary Cap präferiert, sowohl im Hinblick auf die Wettbewerbsgleichheit in der Bundesliga als auch eine spürbare Eindämmung der Gehälter natürlich notwendig, einen Salary Cap jeweils ziemlich deutlich unterhalb des Gehaltsniveaus der „big spender“ der Bundesliga anzusetzen, um finanziell auch nur in die Nähe der Verhältnisse der kleineren Vereine zu kommen.

Denn würde man den Salary Cap eher hoch ansetzen, um die großen Vereine wie die Bayern und den BVB weder sportlich im europäischen Wettbewerb noch im Wettstreit um neue Spieler übermäßig zu benachteiligen, würde er in der Öffentlichkeit wohl nicht ganz zu Unrecht eher als Feigenblatt oder Lachnummer wahrgenommen, denn als ernstgemeinte Maßnahme. Würde man es aber wirklich ernst meinen mit dem fairen Wettbewerb und gleichzeitig ein deutliches Zeichen zur Eindämmung der unmoralischen Gehaltsauswüchse im Fußball setzen wollen, müsste man konsequenterweise spürbar tiefer ansetzen, vielleicht auf Höhe des Gehaltsdurchschnitts des oberen Mittelfelds der Liga. Dies würde einen massiven Einschnitt bei den großen Vereinen mit entsprechend drastischen Auswirkungen auf ihre sportliche Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität für neue Spieler auf dem Transfermarkt bedeuten. Bei allen noch tiefer liegenden Grenzen würde sich dieser Umstand entsprechend weiter verstärken.

Aber es gibt noch weitere Komplikationen: Nur weil es einen Salary Cap gibt, haben die finanzkräftigen Vereine zumindest kurzfristig ja keine geringeren Einnahmen bzw. weniger Geld zur Verfügung. Nicht alle finanziellen Mittel, die ein rigoroser Salary Cap beispielsweise bei den Bayern freisetzen würde, könnten in einen eventuellen Solidaritätsfond der DFL oder sonstige Rücklagen fließen, dafür geht es um viel zu viel Geld. Wohin würden diese freien Mittel also gehen? Es wäre naheliegend zu vermuten, dass zumindest ein großer Teil von ihnen in höhere Ablösesummen oder „Schmiergelder“ für Spielerberater gesteckt würde, damit man in einer Zeit, in der man im Durchschnitt keine höheren Gehälter mehr zahlen darf als etwa Werder Bremen oder der VfL Wolfsburg, noch gute Argumente hat, einen bestimmter Spieler zum eigenen Verein zu lotsen. Auch Auswüchse wie im Jugendspielerbereich, dass Vereine den Angehörigen eines Spielers überraschend gutbezahlte Jobs anbieten wenn sich die Familie für den eigenen Verein entscheidet, sind durchaus denkbar. Ein wirksamer Salary Cap müsste also auch von einer „Transfer Fee Cap“ und einer „Agent Fee Cap“ sowie weiteren Sicherheitsmechanismen zur Unterbindung von Zahlungen an den Spieler durch die Hintertür begleitet werden, wenn er nicht schon bei seiner Verabschiedung absehbar unwirksam sein soll. 

Nicht so dringlich wie im amerikanischen Sport stellt sich hingegen die Frage, welche Meinung die Spieler zur Höhe einer Salary Cap haben und ob sie gegebenfalls von ihren Vereinen übervorteilt werden könnten. Sie sind, anders als im amerikanischen Profisport, nicht de facto an einen Monopolisten gebunden, sondern können sich weltweit ihre Vereine frei aussuchen. Ohne einen (vollkommen unrealistischen) europaweit einheitlichen Salary Cap kann es eine einzelne Liga wie die Bundesliga nicht riskieren, ihre besten Spieler mangels attraktiven Gehaltsklimas in Scharen ins Ausland zu verlieren.

Warum amerikanische Verhältnisse in Europa so schwierig sind

Die Diskussion in der Öffentlichkeit um den Salary Cap – und entsprechend in diesem Artikel – beruht auf der Hoffnung, dass mittels des simplen Kniffs, ein Instrument aus dem amerikanischen Profisport doch einfach in den europäischen Fußball zu übertragen, ganz viele der fundamentalen Probleme dieses Sports auf einen Schlag gelöst werden könnten. Diese Hoffnung ist leider trügerisch.

Denn ein Salary Cap ist eigentlich nur eines von vielen Mitteln im amerikanischen Profisport, die in ihrem Zusammenspiel gewährleisten sollen, dass zumindest ungefähre Wettbewerbsgleichheit zwischen den teilnehmenden Teams herrscht und keine Partei sportlich oder wirtschaftlich übervorteilt wird. Das System als ganzes ist dabei in wesentlichen Aspekten vollkommen wesensfremd zum europäischen Fußball. Die vier großen amerikanischen Ligen (und die MLS) sind als rechtlich und sportlich geschlossene Franchise-Systeme ohne Auf- und Abstieg organisiert. Die einzelnen Teams sind Franchise-Nehmer der Liga als Franchise-Geber und müssen sich einer Reihe von Regeln unterwerfen, die von der Liga zentral vorgegeben werden. Außerdem werden viele der Verträge, die im europäischen Fußball mit den Vereinen individuell abgeschlossen werden, im amerikanischen Franchise-System stattdessen direkt mit der Liga selbst abgeschlossen.

In diesem Zusammenhang gibt es in einem Punkt eine nennenswerte Überschneidung zum europäischen Fußball, nämlich bei den TV-Rechten, die auch in Europa üblicherweise zentral vermarktet werden. Darüber hinaus werden in Amerika allerdings auch die meisten Werbe- und Sponsoringverträge direkt mit der Liga abgeschlossen, statt mit den einzelnen Teams. Die dadurch erzielten Einnahmen werden dann genau wie die TV-Gelder von der Liga zentral an die einzelnen Teams anteilig ausgeschüttet. Dabei wird sichergestellt, dass auch kleinere Teams wirtschaftlich am Erfolg der Liga insgesamt auskömmlich partizipieren. Aufgrund dieser weitgehenden Gewinnteilung zwischen den Teams ist auch ein Salary Cap für die sportlich ambitionierteren Teams hinnehmbar, denn er schlägt wirtschaftlich nicht zu sehr auf ihre „bottom line“ durch. Ebenso ist für ein dauerhaft schlechtes Team seine anhaltende sportliche Erfolglosigkeit kein wirkliches Problem, denn es profitiert über die Gewinnumlage auch vom Erfolg der top performer.

Im diametralen Kontrast dazu steht der europäische Fußball, bei dem jeder Verein vollkommen unabhängig ist und nur auf eigene Rechnung agiert und es einen viel unmittelbareren Zusammenhang zwischen sportlichem Erfolg und wirtschaftlicher Prosperität gibt. Wenn es dem FC Augsburg sportlich und wirtschaftlich gut geht, profitiert der FC Bayern davon nicht. Im Gegenteil. Tendenziell schadet der Erfolg eines bestimmten Vereins seinen Konkurrenten mehr als er ihm nützt.

Ein ähnlich zentral gesteuertes und auf Ausgleich zwischen den Teams angelegtes Vorgehen existiert auch bei der Rekrutierung junger Nachwuchsspieler, dem Draft. In einem definierten, jährlich wiederkehrenden Prozess bedienen sich die einzelnen Teams reihum abwechselnd aus einem bestimmten Pool von Nachwuchsspielern von Colleges und Highschools, bis alle Spieler verteilt sind. Wiederum ist die Suche nach Ausgleich und Fairness zwischen den Parteien deutlich erkennbar. Im Gegensatz dazu steht der europäische Fußball, in dem jeder Verein seine eigenen Nachwuchsspieler heranzieht und sportlich und wirtschaftlich direkt von seinen Fähigkeiten in diesem Bereich profitiert oder unter seinen Misserfolgen leidet.

Es stellt sich grundsätzlich die Frage, inwiefern einzelne Strukturelemente des amerikanischen Profisports, sei es der Salary Cap, der Draft, die Gewinnumlage oder viele andere, isoliert als Einzelmaßnahme überhaupt auf den europäischen Profifußball übertragbar sind. Unabhängig von den eingangs angesprochenen rechtlichen Hürden entfalten diese Maßnahmen ihre volle Wirksamkeit erst im gemeinsamen Konzert innerhalb eines geschlossenen und zentral regulierten Systems, das gleichzeitig sowohl auf sportlichen Ausgleich zwischen den teilnehmenden Teams als auch auf wirtschaftliche Profitmaximierung der Liga insgesamt bedacht ist. Der europäische Profifußball mit Vereinen, die sowohl sportlich, rechtlich als auch wirtschaftlich vollkommen unabhängig voneinander sind und der seine sportliche Wettbewerbsgleichheit über ein stratifiziertes Ligensystemen mit Auf- und Abstieg gewährleisten will, erfüllt im Prinzip keine der Vorbedingungen, die nötig wären, damit ein Salary Cap als Mittel zur wirtschaftlichen Stabilität und sportlichen Wettbewerbsgleichheit funktionieren kann.

Ich würde soweit gehen zu sagen, dass wenn man einen Salary Cap wirksam und homogen auf den europäischen Fußball übertragen wollte, könnte dies in Anbetracht all der von mir geschilderten Probleme eigentlich nur im Rahmen einer neu gegründeten Liga, die mehr oder weniger als Kopie des amerikanischen Ligensystems institutionalisiert ist – das heißt als geschlossenes Franchise-System ohne Auf-und Abstieg, ohne kostspielige Transfers, mit zentraler Gewinnverteilung und Vertragsgestaltung etc. – funktionieren.

Im Vergleich zu dieser eher utopischen Vorstellung erscheint mir die Möglichkeit als sehr viel wahrscheinlicher, dass regulatorisch alles ungefähr so bleibt wie es gerade ist und die großen Vereine in Europa irgendwann entweder unter Protest oder aus eigenem Antrieb, weil sie noch höhere Einnahmen wittern, ihre nationalen Ligen verlassen (müssen) und eine eigene Super League gründen.

Der Salary Cap und das UEFA FFP

Abschließend noch eine Bemerkung zur Salary Cap und dem UEFA Financial Fair Play. Steng genommen sollte es einer Salary Cap im europäischen Profifußball gar nicht bedürfen. Zwar ist auch das UEFA FFP nicht in der Lage, etwas am Problem explodierender Spielergehälter zu ändern, darauf ist es nicht originär angelegt. Allerdings war es ursprünglich angetreten mit den hehren Zielen, wirtschaftliche Nachhaltigkeit und eine gewisse sportliche Ausgeglichenheit zwischen den Vereinen in Europa zu gewährleisten, zumindest innerhalb ihrer jeweiligen Ligen. Leider ist dadurch, dass das FFP erst in diesen Tagen wirklich ernsthaft scharf geschaltet zu werden scheint – Stichwort Manchester City – nachdem vorher jahrelang konsequent ein eher laxer Umgang mit Regelverstößen aller Art gepflegt worden ist, der Zeitpunkt verpasst worden, an dem das FFP noch eine Chance gehabt hätte, wirksam auf die sportliche Wettbewerbsgleichheit im europäischen Fußball einzuwirken. Dieser Zug ist abgefahren und wenn die Regeln jetzt ernsthaft durchgesetzt werden, trägt dies eher dazu bei, dass die großen Vereine groß bleiben und die kleinen klein, da diese keine legale Chance haben, mittels substantieller finanzieller Unterstützung von Mäzenen oder Investoren in die Riege der Großen vorzudringen – ein Weg der ihnen anderweitig kaum offen steht.

Somit sind die Diskussionen über die Einführung einer Salary Cap im europäischen Profifußball und seine finanziellen Exzesse im Kern eigentlich viel mehr eine Diskussion über das Versagen der Institutionen hier.

*Da es mir um grundsätzliche Betrachtungen geht, bei denen die Größenordnung reicht, treffe ich in diesem Artikel der Einfachheit halber keine Unterscheidung zwischen Jahresgehalt und jährlichem Personalaufwand (= Jahresgehalt + jährliche Abschreibung auf die aktivierte Ablösesumme) und beziehe mich in meinen Berechnungen lediglich auf das Gehalt, da die Zahlen hierzu einfacher zu recherchieren bzw. berechnen sind.