Klaus Augenthaler prägte die Achtziger beim FC Bayern.

Klaus Augenthaler dachte immer nur rot-weiß – eine Buchrezension

Sophia Trenner 21.10.2024

„Immer nur rot-weiß gedacht“ lautet der Titel des neuesten Werks von Albrecht Breitschuh, welches sich mit der Karriere von der deutschen Fußballlegende Klaus Augenthaler befasst. Das Buch erschien am 1. Oktober 2024 im Arete Verlag und kann für 20 Euro im Handel erworben werden.

Über 264 Seiten hinweg bringt Breitschuh als federführender Autor den Lesern und Leserinnen nicht nur den knallharten Verteidiger im Dienste des FC Bayern näher, sondern auch den Menschen hinter der abgebrüht wirkenden Schale und thematisiert voller liebevoller Details die Höhe- und Tiefpunkte einer vergleichslosen Karriere. 

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Der Arete Verlag hat Miasanrot ein Exemplar zukommen lassen. Dennoch wurde diese Rezension nicht mit einer werbenden Intention verfasst, sondern aus Interesse am Werk. Es wurden keinerlei Bedingungen daran geknüpft. 

Liebe auf den ersten Blick?

Als der FC Bayern München an einem bis dahin normal wirkenden Augusttag im Jahre 1989 im DFB-Pokal auf Eintracht Frankfurt trifft, tanzt Klaus Augenthaler in der 34. Minute aus der Reihe und tut genau das, was niemand von ihm erwartet.

Schließlich ist der Innenverteidiger als Libero bekannt und nicht als Torjäger. Doch Augenthaler fasst sich aus fast 50 Metern ein Herz und donnert den Ball aus weiter Entfernung Richtung Tor. Frankfurts Torhüter Uli Stein steht zu weit vom Kasten entfernt und ist somit bei dem Sonntagsschuss absolut machtlos. Völlig zu Recht würdigen die Zuschauer die Aktion des Bayern-Kapitäns Augenthaler und wählen den Treffer nur wenig später zum Tor des Jahrzehnts.

Diese Wahl steht sinnbildlich für die Karriere von Klaus Augenthaler, denn der mittlerweile 67-Jährige ist der einzige Spieler des FC Bayern, der die erfolgreiche und gleichzeitig turbulente Zeit der Münchner von 1979/80 bis 1989/90 nicht nur erlebt, sondern gar in tragender Rolle mitgeprägt hat.

Dabei konnte dem gebürtigen Niederbayer das Rampenlicht nicht egaler sein. Selbstdarstellung liegt dem Abwehrspieler, der 1975 als 18-Jähriger zum FC Bayern wechselt, fern. Deshalb fällt dem unaufmerksamen Auge nicht sofort auf, dass Augenthaler Tag für Tag und Jahr für Jahr gemeinsam mit seinem geliebten FC Bayern an der Größe der Aufgaben wächst und einen Führungsstil entwickelt, der genau auf seine Stärken zugeschnitten ist. Geprägt von Einsatzbereitschaft und Fleiß geht Augenthaler dabei oftmals über die Grenzen von körperlichem Leid hinaus. 

Doch zu Beginn von Augenthalers Zeit in München erwartet niemand eine solche Entwicklung. Der zurückhaltende junge Mann hat oftmals Schwierigkeiten, sich in der Welt des Profisports zurechtzufinden und navigiert sich mehr schlecht als recht durch die geltenden Hierarchien der Säbener Straße.

Ein Mensch großer Worte ist Augenthaler noch nie gewesen, stattdessen erarbeitet er seinen Respekt auf dem Trainingsplatz in Zweikämpfen gegen die, die mit Unmengen an großen Worten um sich werfen. Nur wenige Jahre später, im Alter von 22 Jahren, ist Augenthaler unumstrittener Stammspieler in der bayrischen Hauptstadt und scheut nicht davor zurück, öffentlich die damaligen Führungsspieler für ihre Beschwerden über schlechte Rasenverhältnisse nach schwierigen Auswärtsspielen anzuzählen oder gar die Herangehensweise des Trainers zu hinterfragen.

„Ich habe eben immer nur rot-weiß gedacht, immer nur an die Mannschaft, immer nur an den Verein. Und ich glaubte wirklich, dass es ohne mich nicht geht.“ – Klaus Augenthaler

Von ungeahnten Tiefen und triumphalen Höhen

Nach dem Höhenflug folgt bekanntlich der Fall. In Bezug auf Klaus Augenthaler kommt dieser schneller als erwartet. In der Saison 1985/86 wird Augenthaler fast von der gesamten Nation angefeindet, da er in einem Zweikampf unabsichtlich den Bremer-Torjäger und Fan-Liebling Rudi Völler verletzt. Nicht nur medial schlägt ihm hierfür heftige Kritik entgegen, auch privat sehen sich Augenthaler und seine Familie zunehmend Anfeindungen ausgesetzt.

Augenthaler, der ansonsten souverän und abgeklärt durchs Leben ging, kämpft merklich mit dieser Entwicklung. Fort sind jegliche Akzeptanz und Respekt für seine Leistungen und der Weg zurück an die Spitze scheint für den Spielführer des FC Bayern schwerer und steiler als zuvor. Auch interne Brandherde, sowie kraftzehrende Machtkämpfe und Verletzungen zählen Augenthaler im Laufe der kommenden Jahre an.

Unantastbar, und das weiß Augenthaler selbst am besten, ist er noch nie gewesen. Doch seine makellose Einstellung, gepaart mit starkem Willen, die wohl wichtigsten Konstanten seiner Karriere, kann ihm niemand nehmen. 

„Eben war ich noch der Held und wurde dafür gefeiert, dass ich immer rot-weiß dachte, und plötzlich zählte das alles nicht mehr.“ – Klaus Augenthaler

Doch die wohl größte Errungenschaft Augenthalers Karriere ist die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1990 in Italien. Nicht nur aufgrund des späteren Sieges der deutschen Nationalmannschaft gilt diese als Meilenstein, sondern aufgrund der Umstände vor Turnierbeginn. Denn eine Teilnahme ist für Augenthaler, der sich mit Verletzungsbeschwerden plagt und intensiv durch seinen Freund und Physiotherapeut Klaus Eder behandelt wird, nicht in Stein gemeißelt. 

Weniger erfolgreich verläuft nach seinem Karriereende als aktiver Profi die Laufbahn als Assistenz- und Cheftrainer. Immer wieder findet Augenthaler sich in Situationen, wo die Vereinsführung für ihn keinen Platz mehr sieht. Weder in Nürnberg noch in Leverkusen und Wolfsburg kann Augenthaler nachhaltig etwas aufbauen und befindet sich größtenteils mit seinen Mannschaften im Abstiegskampf.

Schon damals ist wie heute so gut wie alles auf den kurzfristigen Erfolg ausgerichtet und mit Weitsicht wird nur selten agiert. Umso überraschender ist die Tatsache, dass Augenthaler Fuß fassen konnte im schnelllebigen Geschäft des Jugendfußballs. Als Trainer der Global Academy des FC Bayern ist Klaus Augenthaler zurück in München und trägt die Farben, in denen er sich schon immer am wohlsten gefühlt hat: rot und weiß. 

Abschließende Gedanken

Chronologisch begleitet das Buch „Immer nur rot-weiß gedacht“ die Leser und Leserinnen durch die schillernde Karriere von Klaus Augenhalter. Regelmäßig melden sich über die Seiten hinweg verschiedene Wegbegleiter zu Wort und vermitteln ein lobenswertes Gesamtbild, wo überraschenderweise nicht nur der Fußball im Vordergrund steht. Freundschaft und Kameradschaft sind Werte, die Albrecht Breitschuh in seinem Buch vermittelt, ihm gleichzeitig eine makellose Einordnung über Augenthalers Rolle im Münchner-Kosmos der 80er-Jahre gelingt.

Genau deshalb fragte ich mich noch vor dem Aufschlagen der ersten Seiten, ob das Buch wirklich etwas für mich sei. Schließlich habe ich als Jahrgang 2001 nicht viele Berührungspunkte mit dem FC Bayern der 80er-Jahre. Doch innerhalb von 6 Tagen habe ich das Buch verschlungen – was wegen des sehr angenehmen Erzähltempos möglich war. 

„Immer nur rot-weiß gedacht“ liefert über 264 Seiten hinweg Eindrücke einer Zeit, wo die Zigarette samt Weißbier im Profisport noch zum Alltag gehörte und Tickets fürs Olympiastadion zu Sonderpreisen angeboten wurden, ohne den Leser oder die Leserin dabei zu langweiligen.

Gleichzeitig leistet der Autor Pionierarbeit, schließlich existierte überraschenderweise bisher keine Biographie über Klaus Augenthaler und das obwohl er die Geschehnisse rund um den FC Bayern in den 80er-Jahren entscheidend mitprägte. Die bereits oben erwähnte Mischung aus Wortmeldungen von Wegbegleitern und Einordnungen in den historischen Kontext der Zeit stechen dabei heraus.

Vor allem Fans, die den FC Bayern schon zu dieser Zeit unterstützen, können dem Buch „Immer nur rot-weiß gedacht“ viel positives abgewinnen. Als Art Pflichtlektüre für all diejenigen, die in Klaus Augenthaler einen Wegbegleiter ihres Lebens sehen, weiß das Werk zu begeistern. Als äußerst gelungene Würdigung für einen Spielertyp, den es heutzutage nicht mehr in dieser Form gibt, ist „Immer nur rot-weiß gedacht“ genauso authentisch, wie Klaus Augenthaler selbst. Und gewiss auch hochinteressant für die jüngere Generation an Fußball- und Bayernfans.

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