Interview mit Flick-Biograf Günter Klein
Günter Klein ist seit 1998 Redakteur beim Münchner Merkur, wo er als Chefreporter des Sportressorts besonders die Bereiche Fußball und Eishockey begleitet. Im Jahr 2019 veröffentlichte er gemeinsam mit Patrick Strasser im riva-Verlag eine Biografie über Uli Hoeneß in der er auf die turbulenten letzten Jahre des ehemaligen Bayern-Präsidenten zurückblickte.
Wie kamst du auf die Idee eine Biografie über Hansi Flick zu schreiben?
Es war zunächst überhaupt nicht meine Idee. Zwar hatte ich mir im vergangenen Sommer noch gedacht, dass bei seinem Erfolg sicherlich demnächst ein Buch über Hansi Flick erscheinen würde. Doch dass ich dieses Buch schreiben würde, ahnte ich damals noch nicht. Im Herbst ist dann der riva-Verlag, für den ich auch die Hoeneß-Biografie geschrieben hatte, auf mich zugekommen. Nach einigen Tagen des Überlegens wurde mir klar, dass ich Flick zwar kenne, aber wenig über ihn weiß und viel wissen möchte. Hätte man in seiner Vorgeschichte schon früher den heutigen Erfolg erkennen können? Das wollte ich dann doch rausfinden und habe zugesagt.
Eine Biografie bedeutet dann vor allem viele Gespräche mit Weggefährten und ehemaligen Kollegen sowie intensive Recherche über die Person. Kennst du Hansi Flick persönlich oder hattest Zugriff auf sein Umfeld?
Ich kenne Hansi Flick seit 2006, als ich intensiv über die Nationalmannschaft berichtet habe. Dabei kommt mir zugute, dass es zwischen Flick und mir eine Schnittstelle gibt, die als Türöffner fungierte. Diese Schnittstelle ist Dag Heydecker, ein früherer Journalisten-Kollege, mit dem ich in den 90er Jahren ein Eishockey-Heft herausgegeben habe. Nach dessen Einstellung kam Heydecker über Dietmar Hopp zunächst zur SAP Arena und den Adlern Mannheim und wurde im Jahr 2000 Geschäftsführer bei der TSG Hoffenheim, wo er Hansi Flick kennenlernte. Zusammen arbeiteten sie bis zum Ende von Flick als Trainer bei dem damaligen Regionalligisten und sind eng befreundet. Als Flick 2006 zum DFB kam, habe ich mich bei ihm mit Hinweis auf den gemeinsamen guten Bekannten vorgestellt.
Dein Buch ist keine Autobiografie, dennoch hast du einen gewissen Draht zur Person Flick. Hast du während deiner Arbeit an dem Werk mit Hansi Flick gesprochen?
Da ich nicht wollte, dass Flick über Dritte von meinem Unterfangen erfährt, habe ich mir von Heydecker seine Mail-Adresse geben lassen und ihn informiert. Nach einiger Zeit hat sich Flick dann auch telefonisch bei mir gemeldet. Insgesamt war ihm anzumerken, dass es ihm fast unangenehm ist, dass nun eine Biografie über ihn erscheint – besonders zu so einem frühen Zeitpunkt. Aber er verstand natürlich, dass es nach den Erfolgen einen Bedarf gibt. Aktiv mitwirken wollte er allerdings, auch aus zeitlichen Gründen, nicht. Wobei ich im Verlauf der Arbeit gemerkt habe, dass ich die Einschätzung von ihm gar nicht mehr unbedingt benötige. Denn die Geschichten und Einschätzungen von anderen aus deren Perspektive, zu hören war sehr spannend.
Heute steht der Triple-Sieger Flick für einen erfrischenden Offensivfußball, vielleicht einen der attraktivsten, die der FC Bayern jemals gespielt hat. Doch die Kinderschuhe von Flick stecken in der Provinz in Hoffenheim. War damals seine Idee vom Fußball schon ähnlich?
Sein Fußball wurde auch schon in Bammental und Hoffenheim immer als für das Niveau sehr attraktiv beschrieben. Auch wenn nicht immer erfolgreich, wie in Bammental, wo er sogar in die fünfte Liga abstieg. Aber die Idee, mit jeder Aktion einen Akzent zu setzen, war schon damals vorhanden. Bei der Pokal-Sensation 2003 gegen Bayer Leverkusen kann man das schön sehen. Für einen Regionalligisten spielte Hoffenheim damals einen erfrischenden Offensivfußball.
Was zeichnet den Trainer Flick neben seinem Spielstil noch aus?
Das aktuell letzte Kapitel heißt “Mensch” in dem Dag Heydecker die Menschenfänger-Qualitäten von Flick mit denen von Klopp vergleicht. Rainer Zietsch, ehemaliger Teamkollege von Flick schon in der Jugend und heutiger U-Nationaltrainer, sagte mir, dass Hansi ein einfaches Erfolgsrezept auszeichne: Er kümmert sich um seine Spieler. Das netteste Zitat kam eigentlich von Thomas Hitzlsperger, der mir sagte, dass es ihn freue, dass endlich ein Trainer auf dem Niveau Erfolg hat, der keinen Schlag weg habe, sondern einfach für Normalität stehe. Ganz ohne Psycho-Kriege oder Theatralik am Seitenrand.
Was ich auch herausgefunden habe ist, dass er sehr gerne wissenschaftlich arbeitet. Bei Hoffenheim durfte sich Flick jegliche Tools zur Leistungssteigerung leisten. Zu Beginn arbeitete er mit einem Sportwissenschaftler zusammen, dessen Spielanalyse-Video-Tool von Waldhof Mannheim setzte er direkt auch in Hoffenheim ein. Bei einer Einladung ins Münchner Olympiastadion am Rande eines Bundesligaspiels stellte eine Firma ein Trainingsgerät zur Steigerung der Sprintfähigkeit von Spielern vor, dass Flick prompt für den Regionalligisten anschaffte. Auch die berühmten Gummibänder von Jürgen Klinsmann, die er 2004 aus Amerika mitgebracht hatte und damit in Deutschland überraschte, nutzte Flick schon damals.
Die „Liebesgeschichte“ DFB
Das Stichwort Jürgen Klinsmann nutze ich in bester Gerhard-Delling-Manier zum Übergang in das Themengebiet Nationalmannschaft. Dort wurde Flick nach dem Sommermärchen 2006 Co-Trainer an der Seite des neuen Nationalcoaches Joachim Löw. War ein Engagement beim DFB schon immer der Traum von Flick?
Der Verband ist für Flick eine Liebesgeschichte. Schon als Jugendspieler wollte er in die Nationalauswahl, was er 1983 mit der Jugend-Europameisterschaft erreichte. Als Spieler schaffte er es zwar nicht in die Länderauswahl, doch als 2006 das Angebot als Co-Trainer kam, war er sofort Feuer und Flamme. Zum Treffen mit Oliver Bierhoff in München erschien er mit einem ausgearbeiteten Konzept, das alle überzeugte.
Welche Rolle nahm Flick in dem Gespann mit Löw und Bierhoff ein?
Ich glaube, es gab kaum einmal ein so harmonisches Team wie damals beim DFB. Zwar führte man durchaus taktische Kontroversen, wie über die Absicherung im Mittelfeld oder Standardsituationen, aber diese waren rein fachlich. Ansonsten herrschte eine ausgeprägte Loyalität. Diese hielt auch über die gemeinsame Zeit hinaus. So hat Flick immer vermieden, diese aufgekommene Kritik an Löw zu kommentieren, obwohl er sich damit durchaus hätte profilieren können. Auch wenn Flick damit konfrontiert wurde, dass er der heimliche Architekt des Erfolges von Rio 2014 wäre, ist er darauf nie eingestiegen. Löw, Flick, Bierhoff und Andy Köpke konnten gut miteinander und hatten abgesteckte Bereiche.
Der Nationaltrainerposten würde ihm gut passen. Flick steht wahnsinnig gerne auf dem Platz, auch lieber als am Schreibtisch zu sitzen. Die Außenwirkung ist für ihn nicht so wichtig und fast eine Verschwendung seiner Energie. Eine Minute Arbeit mit Spielern zählt für ihn mehr.Günter Klein über den Allrounder Hansi Flick
Eine schöne Geschichte ist auch vom Viertelfinale der EM 2008, das Flick betreute, da Löw gesperrt war. Vor dem Spiel wurde viel spekuliert, dass Bierhoff coachen würde. Dem braven Assistenten Flick hatte man diese Rolle öffentlich nicht zugetraut. Für das erste K.O.-Spiel der Ära Löw gegen die ambitionierten Portugiesen musste nun der brave Hansi Flick in die Rolle des Trainers schlüpfen. So war zumindest das Bild der Medien damals. Aber im Spiel hinterließ Flick einen absolut souveränen Eindruck, ohne sich dabei jedoch in den Vordergrund zu drängen.
Das bisher letzte Kapitel des DFB endete dann abrupt mit seinem Rücktritt als Sportdirektor. Diesen Posten hatte er 2014 nach der erfolgreichen WM übernommen. Was lief in der dieser Phase schief?
Seine Liebesgeschichte mit dem DFB erhielt 2017 tatsächlich einen kleinen Dämpfer mit seinem Rücktritt als DFB-Sportdirektor, der für viele überraschend kam. Allerdings wusste zum Beispiel Bierhoff, dass sich Hansi schwer getan hat mit den langwierigen Entscheidungsprozessen und weil seine Anstöße zu Änderungen nur schwerlich auf den Weg zu bringen waren. Davon war er sehr frustriert. Zudem kamen viele Reisen. Flick hat sich schlicht aufgearbeitet. Beispiel: Fünf Tage nach dem WM-Finale 2014 in Rio reiste er schon zur U19-Europameisterschaft in Ungarn. Sein Vertrag als Sportdirektor lief zwar erst sechs Wochen später an, doch er fühlte sich eben in der Pflicht.
Nun hat Flick in seiner langen Karriere im Fußball diverse Rollen eingenommen. Cheftrainer, Co-Trainer, Sportdirektor im Verband und im Verein. Welche Rolle passt denn am Besten zu seinen Fähigkeiten?
Der Nationaltrainerposten würde ihm gut passen. Flick steht wahnsinnig gerne auf dem Platz, auch lieber als am Schreibtisch zu sitzen. Diese Aufgaben macht er allerdings auch und sehr gewissenhaft. Beim DFB hat er beispielsweise alle Nachwuchsspieler in Datenbanken erfasst. Worin er nicht sonderlich versiert ist, ist die Öffentlichkeitsarbeit. Für das Buch hat mir Jogi Löw erzählt, dass er und Bierhoff Flick immer erst überreden mussten, mal an einer Pressekonferenz teilzunehmen. In seinem ersten Jahr bei Bayern hat er das noch gut gemeistert, aber im zweiten Jahr hat sich das gewandelt und er ist in Fallen getappt, die ihm gestellt wurden. Durch die hohe Frequenz an solchen Auftritten entwickelte sich dann auch eine gewisse Gereiztheit. Die Außenwirkung ist für ihn nicht so wichtig und fast eine Verschwendung seiner Energie. Eine Minute Arbeit mit Spielern zählt für ihn mehr.
Die Rückkehr zum FC Bayern
Im Sommer 2018 präsentierte der FC Bayern dann fast etwas überraschend Hansi Flick als Ergänzung im Trainerstab von Niko Kovač. War diese Verpflichtung tatsächlich so unvorhersehbar?
Die Geschichte Hansi und Bayern geht auf seine Spielerzeit in München von 1985-90 zurück und hat wieder Schwung aufgenommen im Herbst 2009. Damals hat Louis van Gaal als Cheftrainer angefangen, und es lief zunächst gar nicht. Für Uli Hoeneß war Flick damals die erste Option, falls man van Gaal auf die Schnelle entlassen müsste. Dieser Bedarf ist zwar nicht entstanden und Flick wäre wohl auch nicht vom DFB weggegangen. Aber diesen Kontakt von Flick zu Hoeneß gab es schon immer, und er wurde dann intensiviert.
Im Trainerteam um Kovač war Flick als zweiter Co-Trainer neben Robert Kovač angestellt. Wie sah seine Stellenbeschreibung aus? Inwiefern kann man diesen Posten mit seiner Anstellung beim DFB vergleichen?
Unter Kovač war Flick gedacht als Aufpasser und als Auffangnetz für den Fall, dass man sich vom Trainer trennen würde. Eine durchaus ähnliche Situation zu Ancelotti und Sagnol zwei Jahre zuvor. Einem Trainer, dem man nicht ganz vertraut, wurde ein vereinsnaher Akteur zur Seite gestellt. Im Vergleich zum DFB damals waren die Voraussetzungen anders. Dort waren Löw in der Rolle als Chef und Flick beide neu und konnten als Tandem beginnen. Beim FC Bayern kam er später als Neuling zu einem bestehenden Team dazu.
Hat diese Aufpasserrolle sein Verhältnis zu Kovač in der Zeit belastet? Wie kamen die beiden miteinander klar?
Dazu muss man wissen, dass sich die Wege von Flick und Kovač zuvor schon während der kurzen Zeit von Hansi in Salzburg gekreuzt hatten. Damals war Kovač dienstältester Spieler. Zunächst war Kovač nicht begeistert von der Idee, dass das Trainerteam erweitert wurde. Als ihm jedoch klar wurde, dass er dies nicht abwenden konnte, war er froh, dass es jemand war, den er schon kannte und mit dem er klar kommen würde. Kovač durfte dann die Idee, Flick zum Trainerstab hinzuziehen, als seine Idee verkaufen, um sein Gesicht zu wahren.
In seiner Zeit als Co-Trainer hat sich Flick sehr zurückgehalten, aber mir war eigentlich klar, dass er bei einem Rauswurf von Kovač die Rolle des Interims ausfüllen würde.
Turbulenter Abschied aus München
Kommen wir nun auf die aktuelle Situation beim FC Bayern. Du beschreibst Flick als heimatverbunden und harmoniebedürftigen Menschenfreund. In den Medien erscheint der Erfolgstrainer aber gerade eher machtgierig und berechnend. Bist du überrascht von diesem scheinbaren Wandel von Hansi Flick?
Ich glaube, dass Flick kein besonders strategisch vorgehender, sondern ein authentischer, ehrlicher Mensch ist. Nach der Verkündung seines Wunsches zur Vertragsauflösung in Wolfsburg habe ich bei ihm auch eine gewisse Erleichterung wahrgenommen. Es war ihm wohl einfach danach, dies auch zur eigenen Befreiung kund zu tun. Flick hat auch kein großes Beraternetzwerk im Hintergrund, das ihn beeinflusst, sondern trifft seine eigenen Entscheidungen. Einige Leute beim FC Bayern haben aber versucht, es so aussehen zu lassen, dass Flick auf eine gewisse durchtriebene Art auf eine Vertragsauflösung hingearbeitet hätte.
Woran ist diese zweite Liebesgeschichte von Flick und den Bayern, die noch im vergangenen Sommer unter so einem guten Stern zu stehen schien, nun schlussendlich zerbrochen?
Mein Eindruck war, dass diese Euphorie verflogen ist. Flick wollte keine Manager-Macht, aber Einfluss auf Personalien. Bei seiner Cheftrainerrolle davor in Hoffenheim war das zunächst so: Bei ihm als Trainer lagen die finalen Entscheidungen. Als ihm dann aber immer mehr von außen reinredeten, bekam er den Eindruck, dass dies auch die Chemie in der Mannschaft negativ beeinflusste. Diesen Fehler wollte er nicht nochmal machen. Der Knackpunkt in der Beziehung mit Salihamidžić waren aus meiner Sicht eher die fachlichen Fragen. Für sich hat Flick den Anspruch, dass er weiß, welche Spieler der Mannschaft helfen, auch wenn das andere anders sehen. Ich nehme an, dass im vergangenen Sommer Mario Götze für ihn wirklich eine Überlegung war. Aus Vereinssicht wäre solch ein zweiter Transfer eines polarisierenden Spielers gewiss nicht darstellbar gewesen.
Für Flick frustrierend war, dass er gegen diese Struktur beim FC Bayern nichts ausrichten konnte. Die Trainer, die in dieser Struktur Erfolg hatten, waren Coaches wie Heynckes oder Hitzfeld, die es laufen ließen und keine Mitsprache im Management einforderten. Im ersten Jahr ließ es Flick auch laufen, aber mit dem Selbstvertrauen der Triple-Saison wollte er mehr Einfluss nehmen. Dies ist ihm genauso wie anderen Trainern zuvor nicht gelungen.
Von den Medien, besonders im Boulevard-Bereich, wird die Story gerne auf einen Konflikt zwischen Flick und dem Sportvorstand Salihamidzic reduziert. Inwiefern lässt sich dieser finale Akt von Flick bei Bayern an der Person des Bosniers festmachen?
Die Affäre kann man schon auch an Salihamidzic festmachen, aber nicht nur. Der FC Bayern hat diese Sonderkonstruktion, dass an seiner Spitze nicht ein Kaufmann oder Unternehmer steht, sondern ein ehemaliger Fußballer, der auch selbst Ahnung von der Materie hat. Egal ob das ein Karl-Heinz Rummenigge, ein Uli Hoeneß oder ein Oliver Kahn ist. Sowas gibt es in anderen Klubs nicht. Beim FC Bayern ist der Vorstandschef der stärkste Sportdirektor, dann gibt es einen nominellen Sportdirektor und folglich weniger Platz für einen starken Trainer. Denn Salihamidžić muss auch um seinen Einflussbereich ringen und darf zwischen den beiden Polen Trainer und Vorstand nicht zerquetscht werden. Aber mit seinem speziellen Modell ist der Verein ja bisher erfolgreich gefahren.
Wir haben nun schon über einige überraschende Abschiede in der Karriere von Hansi Flick gesprochen. Seine Amtszeiten als Geschäftsführer in Hoffenheim und Co-Trainer in Salzburg fanden ein jähes Ende. Ist dies ein Muster?
Man muss hier jeden Fall für sich gesondert betrachten. Dies gilt besonders für die Episode in Salzburg 2006, wo er unter falschen Versprechungen dorthin gelockt wurde. Das hat mir Lothar Matthäus auch nochmals bestätigt, der damals eigentlich Cheftrainer werden sollte, bevor ihm Giovanni Trapattoni vor die Nase gesetzt wurde. Auch Flicks Rolle schrumpfte dadurch. Bei Hoffenheim 2017 hat den Hansi einer der anderen beiden Geschäftsführer auflaufen lassen. Der Verein war ohne ihn schon erfolgreich, und so richtig wusste niemand, warum Flick dazu kam in eine Rolle, die aus dem Nichts geschaffen wurde. Hier gibt es vielleicht die Parallele, dass Flick auch damals an den Strukturen im Verein scheiterte.
Der Blick nach vorne
Wie geht es nun weiter mit Hansi Flick? Kommt ein Engagement im Ausland bei einem der Top-Clubs für jemanden wie ihn in Frage?
Die Möglichkeit, ins Ausland zu gehen, hätte Flick nach seinem Aus als Geschäftsführer bei 1899 Hoffenheim gehabt. Doch damals war schon klar, dass dies nicht mit seinem Lebensstil, der von einer engen Verbundenheit mit der Heimat im Kraichgau und der Nähe zur Familie geprägt ist, vereinbar wäre. Es gab auch ein Angebot vom VfB Stuttgart als Nachwuchschef zu übernehmen, doch damals war für Flick bereits klar, dass er mit dieser Ebene abgeschlossen hat. Zwar nutzte Flick seine eineinhalb Jahre vor dem Engagement bei den Bayern zur Weiterbildung mit Reisen zu Profivereinen oder dem Austausch mit beispielsweise Arsene Wenger, doch etwas “Exotischeres” kam für ihn nicht in Frage.
… dann also doch der Nationaltrainerposten?
In meinem Gespräch im späten Herbst mit ihm war Hansi Flick sehr entspannt. Der Krach, wie er sich dann im Frühjahr anbahnte, war da noch nicht zu erkennen. Er hatte noch große Pläne mit dem FC Bayern. Auf meine Nachfrage nach einem zukünftigen Engagement beim DFB antwortete er mit einem Lachen, das zu sagen schien: Irgendwann in einer fernen Zukunft vielleicht.
Wenn man das Buch liest, dann kann man diese Brücke schlagen, dass es ein weiteres Kapitel “DFB II” geben wird.
In deinem Buch geht es viel um Aha-Momente, die du während deiner Recherche hattest. Welche sind dir da besonders im Gedächtnis geblieben?
Was mich in der Recherche überrascht hat, war, wie widerborstig Flick als Spieler bei den Bayern war. In meiner Erinnerung war er ein braver Spieler, der immer einsprang, wenn man ihn benötigte. Aber er hat sich auch sehr vernehmlich gemacht, vor allem gegenüber Carlo Wild vom “Kicker”, weil er mit seiner Rolle als Pendler zwischen Bank und Startelf auf mehreren Position unzufrieden war. Dieses harte Los des Allrounders hat ihn gewurmt, was er auch öfters in den Medien kundtat. Das hat mich durchaus überrascht, auch weil es immer wieder hieß, dass Flick und Heynckes so gut miteinander auskamen. In ihrer Zeit als Spieler und Trainer hatten sie aber schon immer wieder diese kleineren Konflikte. Dennoch schätzte Flick Heynckes dafür, dass dieser immer ehrlich und offen mit ihm war.
„Wenn man das Buch liest, dann kann man diese Brücke schlagen, dass es ein weiteres Kapitel “DFB II” geben wird.“Günter Klein über die zukünftigen Pläne von Hansi Flick
Der andere Aha-Moment ist für mich seine Menschlichkeit. An dieser Stelle sind sich alle meine Interviewpartner einig, dass er sich auch mit all dem Erfolg nicht verändert hat. Besonders interessant waren da die Geschichten von Leuten aus seiner Region. Sein erster Bolzplatzfreund aus Mückenloch wurde noch Jahre später von Hansi zur Silvesterfeier eingeladen oder bekam Glückwünsche per Telefon zum 50. Geburtstag. Der Abteilungsleiter vom FC Bammental hat mir erzählt, dass er sich teils nicht mehr traute, Flick eine WhatsApp-Nachricht zu schicken, aber als er kürzlich im Krankenhaus lag, Flick ihn anrief, um sich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Gleich zu Beginn der Corona-Pandemie hat Hansi Flick aus eigenen Mitteln eine Soforthilfe ins Leben gerufen für die lokale Wirtschaft in Bammental. Die Welt, aus der er kommt, hat Hansi Flick immer im Herzen bewahrt.
Das Buch Hansi Flick – Die Biografie von Günter Klein erschien 2021 im riva-Verlag und kann im gut sortierten Buchladen um die Ecke oder auch im Internet als Hardcover oder e-Book erworben werden. Disclaimer: Dem Autor des Interviews wurde ein Exemplar des Buches zur Verfügung gestellt.