FC Bayern München: War Bryan Zaragozas Wechsel im Winter ein Fehler?

Jonas Trenner 21.03.2024

Ende Januar im Spiel gegen den FC Augsburg zog Kingsley Coman sich einen Innenbandriss im Knie zu. Eine weitere Schwächung des eh schon durch zahlreiche Verletzungen gebeutelten Münchner Kaders. Mit Serge Gnabry sollte zudem ein weiterer Flügelspieler noch für längere Zeit ausfallen. Die Verantwortlichen des FC Bayern waren also fast zum Reagieren gezwungen, hatten jedoch nur noch wenige Tage vor dem Schluss des Wintertransferfensters Zeit dafür.

Statt eines Paniktransfers entschied man sich für eine kreativere Lösung: Den Vorzug des für den Sommer bereits feststehenden Transfers des spanischen Dribblers Bryan Zaragoza. Zwar bedeutete dies eine Erhöhung der ursprünglich vereinbarten Ablösesumme von kolportierten 13 Millionen auf bis zu 17,5 Millionen Euro, dennoch wäre eine gleichwertige Alternative wohl noch kostenintensiver gewesen.

Zudem entwickelte sich der 1,64m große Flügelflitzer prächtig beim FC Granada, sammelte zahlreiche Torbeteiligungen und hielt sein Team im Abstiegskampf am Leben. Auch Spaniens Nationaltrainer Luis de la Fuente wurde auf den 22-Jährigen aufmerksam und belohnte ihn Ende 2023 mit seiner ersten Nominierung für La Furia Roja. 

Knapp zwei Monate später sieht die Situation ein wenig anders aus. Zaragoza stand in den neun Pflichtspielen seit seinem Wechsel lediglich 35 Minuten auf dem Platz. Gegen Darmstadt nutzte Tuchel sogar die erste Möglichkeit, um den eigentlich fitten 22-Jährigen aus dem Spieltagskader zu streichen. Doch wieso setzt der Münchner Übungsleiter so überhaupt nicht auf den Spanier? War der vorzeitige Transfer im Winter gar ein Fehler?

Schwieriger Start und Anpassungsprobleme

Der Beginn seiner Zeit beim FC Bayern war für den Flügelspieler schonmal nicht mit Glück gesegnet. Bereits in seiner ersten Woche erkrankte er an einer Grippe, was einen sofortigen Einstieg und sein Debüt im Bayerndress verhinderte.

Auch die anschließenden turbulenten Wochen – unter anderem mit drei Niederlagen in Folge und dem für das Saisonende verkündeten Tuchel-Aus – trugen sicherlich dazu bei, dass Zaragoza sich schwertat, in München anzukommen.

Zudem waren mit Thomas Müller, Leroy Sané, Jamal Musiala, Mathys Tel und Eric Maxim Choupo-Moting ja immer noch genügend Spieler für die drei Offensivpositionen hinter Harry Kane verfügbar. Dass Tuchel bei den vielen Rückständen und Rückschlägen vorzugsweise auf bereits etabliertes Personal setzte, darf selbstredend kritisiert werden, ist auf der anderen Seite beim Kampf um den eigenen Job jedoch mehr als verständlich. Auch wenn der Mittelfeldspieler zugegebenermaßen in seinen 20 Minuten in Bochum durchaus zu überzeugen wusste.

Neben dem schwierigen Start in einer schwierigen Phase trugen sicherlich auch (die medial berichteten) Anpassungsprobleme zu Zaragozas derzeitiger Situation bei. Der kulturelle Schritt von Spanien nach Deutschland scheint ihm unverhofft schwer zu fallen, insbesondere sprachlich.

Denn weder Englisch noch Deutsch kann der 22-Jährige anscheinend richtig sprechen. Darüber hinaus brauche er auch noch Zeit für die Adaption auf das hohe (Trainings-)Niveau bei den Bayern. Der Unterschied zu einem FC Granada dürfte für den Spanier beträchtlich sein.

Thomas Tuchel: Wollte er den Spanier überhaupt?

Auch Tuchel ging auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Mainz 05 näher auf Zaragozas Anpassungsprobleme ein. „Bryan fehlt in erster Linie die Sprache“, so der Bayerntrainer. Sie sei „ein elementarer Bestandteil“ des Integrationsprozesses.

Jedoch soll der 22-Jährige jeden Tag hart daran arbeiten, sich an den FC Bayern anzupassen. Sowohl auf dem Trainingsplatz als auch beim Thema Sprache. Somit liegt die Vermutung nahe, dem Münchner Übungsleiter ebenso eine Teilschuld an der Situation Zaragozas anzulasten. Schließlich ließ er den Spanier auch erst wenige Minuten im Bayerndress auflaufen, strich ihn zuletzt sogar aus dem Spieltagskader und half dabei nicht wirklich an seinem Integrationsprozess mit.

Es gibt sogar schon Meldungen, die davon berichten, dass Tuchel den Spanier im Winter gar nicht wollte und sich stattdessen für eine Sofort-Verstärkung einsetzte. Die sah der Münchner Übungsleiter im Perspektivspieler Zaragoza einfach noch nicht.

Dass Tuchel nach seiner feststehenden Entlassung zudem seine Entscheidungen selbsterklärt nicht mehr danach abwägen müsse, welche Langzeitwirkung sie haben, hat die Einsatzchancen von Zaragoza gewiss auch nicht gerade erhöht.

Fazit: War der Wechsel im Winter wirklich ein Fehler?

Vorzeitig zu urteilen und den vorgezogenen Wechsel als Missverständnis abzutun wäre trotzdem unangebracht. Auch Tuchel selbst betont, dass es für solch ein Urteil „viel zu früh“ sei. Gewissermaßen war es sogar den Versuch wert, auf Nummer sicher zu gehen und den Transfer bereits ein halbes Jahr früher zu vollziehen, auch wenn es den FC Bayern selbstverständlich ein paar Millionen gekostet hat. Auf der anderen Seite hat man keinen weiteren Spieler verpflichtet, der möglicherweise auch nicht (sofort) funktioniert hätte.

Zaragoza hingegen kann die verbleibenden Monate bis zum Sommer weiterhin als Vorbereitung auf seinen eigentlichen Start bei den Münchnern nutzen und um Erfahrungen in seinem neuen Umfeld sammeln. Man muss zwar konstatieren, dass der Spanier im Optimalfall zu diesem Zeitpunkt in seinem Anpassungs- und Entwicklungsprozess schon deutlich weiter hätte sein können. Auch erheblich mehr Spielzeit aufgrund der langen Ausfälle von Coman und Gnabry wäre wünschenswert gewesen. Davon hätte der 22-Jährige viel mehr profitieren können.

Trotzdem darf bezweifelt werden, ob dem Spanier ein weiteres halbes Jahr Abstiegskampf bei Granada in seiner Entwicklung wirklich weiter geholfen hätte. Beim FC Bayern hingegen bekommt er währenddessen die nötige Zeit, sich auf den Verein einzulassen. Die Verantwortlichen sollen weiterhin voll und ganz von seinen Qualitäten überzeugt sein.

Und so bleibt die Hoffnung auf einen Durchbruch in München immer noch total realistisch. Beim neuen Trainer starten sowieso alle Spieler von vorne – und Zaragoza hat ein halbes Jahr zusätzlich geschenkt bekommen, um den eigentlichen Start seiner Zeit in München im kommenden Sommer mit etwas mehr Erfahrung anzugehen. Es bleibt daher eine Win-Situation für alle Beteiligten.



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