Erst Dominanz, dann Dusel: Bayern mit 4:3 im Pokal-Viertelfinale!

Daniel Trenner 06.02.2020

Falls Ihr es verpasst habt

Die Aufstellung 

Zum ersten Mal in der Rückrunde schmiss Hansi Flick ein wenig die Rotationsmaschine an. Die Abwehrkette blieb noch unverändert, ab dem Mittelfeld baute der Trainer jedoch um. Für Thiago, Goretzka und den verletzten Perišić, kamen Tolisso, Coutinho und Gnabry ins Team. Thomas Müller kehrte somit nach starken Leistungen auf dem Flügel, ins Mittelfeldzentrum zurück. Zudem fand erstmals seit seiner Verletzung Lucas Hernández den Weg in den Kader wieder, Neuzugang Odriozola blieb auch in seinem dritten Spiel zunächst auf der Bank.

Die TSG Hoffenheim spielte in einem 4-1-4-1 mit dem ehemaligen Münchener Rudy im defensiven Mittelfeld, Nordtveit etwas weiter vorgerückt, Bebou im offensiven Mittelfeld und Kramarić im Sturmzentrum.

1. Halbzeit

Es begann mit Toren auf beiden Seiten, bloß mit dem Unterschied, dass nur Hoffenheims auch zählte, nachdem wenige Minuten zuvor ein Tor von Lewandowski wegen hauchzartem Abseits annulliert wurde. Coutinho verlor ohne große Not vor dem Strafraum den Ball und ermöglichte so Bruun Larsens Weitschuss, den Neuer zunächst zur Seite abwehren konnte. Grillitsch hielt den Ball im Spiel und legte zurück auf Bebou, dessen scharfer Flachpass wiederum Kramarić finden wollte, von Boateng jedoch ins eigene Tor abgefälscht wurde (8.). Dies sollte nicht das einzige Eigentor bleiben, denn auch Bayerns Ausgleichstor fünf Minuten später erzielte nicht die angreifende Mannschaft. Coutinho steckte auf den sprintenden Davies auf, der flach in die Mitte zu Müller flankte, bevor dieser jedoch an den Ball kam, lenkte Hübner ins eigene Tor ab.

Müller steckte jedoch nicht auf und erzielte in der 20. Minute doch noch sein Tor. Aus einer dominanten Situation presste Hoffenheim nur ab dem Mittelfeld, so gelang es Alaba gefahrlos weit ins Mittelfeld zu schieben, um dann vertikal punktgenau in Thomas Müllers Laufweg zu flanken, der den Ball direkt mit einem Kontakt ins Tor verlängern konnte. Auch im weiteren Verlauf der Halbzeit blieb Bayern das absolut spielbestimmende Team, obwohl Hoffenheim nicht schlecht spielte, kamen sie kaum in Bayerns Hälfte, geschweige denn zu Torsituationen. In der 36. Minute konnte Bayern diese Überlegenheit auch endlich in eine zählbare Zwei-Tore-Führung umwandeln. Erneut schlug Alaba einen präzisen hohen Ball auf Müller, Pentke und Hübner behinderten sich gegenseitig, sodass der Ball in hohem Bogen in Lewandowskis Luftraum gelang. Frei von Gegenspielern, stieg der Pole hoch in die Luft und köpfte zur 3:1 Halbzeitführung ein. 

2. Halbzeit 

Ohne Wechsel oder großen Veränderungen im Spiel kamen die Mannschaften aus der Kabine. Bayern beherrschte auch weiterhin die Partie und erspielte sich weitere Chancen, doch auch Hoffenheim setzte einige Nadelstiche. Von Davies den letzten Nerv geraubt, erlöste Schreuder in der 60. Minute Bebou um Dabbur zu bringen und auf ein 4-4-2 zu wechseln. Das Spiel verflachte in den nachfolgenden Minuten, bis Hoffenheim nochmal deutlich anzog und binnen Minuten zu zwei Top-Chancen und einem annulliertem Tor kam. Das Gefühl kam auf, einige Spieler seien mit ihren Kräften am Ende, dennoch wechselte Flick zunächst nicht. Es rächte sich zunächst nicht, da die Bayern in der 80. Minute das vierte Tor erzielte. Kimmich brachte eine scharfe Ecke an den ersten Pfosten, wo Lewandowski mit viel Schwung einköpfte. Direkt danach war für ihn und Müller der Arbeitstag zu Ende, es kamen Zirkzee und Cuisance.

Die Entscheidung war das Tor jedoch noch nicht, denn keine Minute später, erzielten die Sinsheimer den Anschlusstreffer. Neuer spielte einen gefährlichen Ball im Aufbau auf Pavard, der unter Druck den Ball an Zuber verlor. Eine flach gespielte Flanke später, erzielte Dabbur das 2:4. Im Gegenzug feierte Odriozola seine Premiere, er kam für den ausgepowerten Boateng. Hoffenheim blieb aber weiterhin gefährlich, so köpfte abermals Dabbur frei vor Neuer nur Zentimeter am Tor vorbei. Nach seiner Einwechslung kam der Israeli viel zu oft zum Abschluss, erzielte sogar noch das 3:4. Pavard lenkte eine Kramarić-Flanke an den eigenen Pfosten, Dabbur stand richtig und sorgte noch für richtiges Zittern in den letzten Minuten. Das sollte es jedoch gewesen sein und so zog Bayern mit einem blauen Auge ins Viertelfinale ein. Am Sonntag empfangen sie Leipzig zum Spitzenspiel.

Dinge, die auffielen

1. Pure Dominanz in der ersten Halbzeit

Zwischen der zweiten Runde und dem Achtelfinale liegt im Pokal derart viel Zeit dazwischen, dass das Spiel in Bochum wie aus einer ganz anderen Saison erscheint. In Bochum konnte sich der FC Bayern über 80 Minuten lang keine einzige Chance selbst herausspielen, duselte sich am Ende zum Weiterkommen. Die erste Halbzeit gegen Hoffenheim als Gegenteil zu bezeichnen, wäre wahrscheinlich noch immer ein Euphemismus. Vom frühen Gegentor überhaupt nicht tangiert, setzte sich Bayern komplett in der gegnerischen Hälfte fest und ließ ein gutes Hoffenheim überhaupt nicht zum Atmen kommen. Sie kombinierten sich zu dutzenden Abschlüssen und verloren sie den Ball, gewannen sie ihn sogleich mit punktgenauem Gegenpressing wieder. Auf diesem Feld gelang den Bayern die wahrscheinlich beste Saisonleistung, selten waren sie dominanter und das Gegenpressing griffer .

Auch abgesehen von Taktik und Statistiken versprühten die Bayern einen fast vergessenen Esprit des “Mia san mia”. Jeder Spieler strahlte aus, dass der FC Bayern hier drüber stehe, dass auch ein frühes Gegentor, sie nicht aus dem Konzept bringe. Es ist diese positive Arroganz, diese Souveränität, die außerhalb der Ären Heynckes und Guardiola fast verloren schien.

2. Verwaltungsmodus fehlt weiterhin

Diese Souveränität ging in der zweiten Halbzeit jedoch völlig abhanden. Schien es zunächst noch so, als hätte Bayern im Gegensatz zum Spiel in Mainz, einen guten Verwaltungsmodus gefunden, um eine Zwei-Tore-Führung über die Zeit zu bringen, strafte das Spiel einen Lügen. Hoffenheim gelang innerhalb kürzester Zeit mit einfachen Mitteln zu gleich mehreren Chancen und erzielte sogar ein abgepfiffenes Tor. Einige Spieler waren offenbar am Ende ihrer Kräfte und verloren die Bälle zu simpel, dennoch verzichtete Flick seltsamerweise auf Wechsel. Thiago etwa hätte sich mit seiner Ballsicherheit hier angeboten.

Schlimmer wurde es jedoch nach Bayerns viertem Tor. Eigentlich hätte das Spiel mit Lewandowskis Tor beendet sein müssen. Man kennt die Geschichte: Bayern liegt vorne, der Gegner bekommt nochmal die berühmte zweite Luft, und nach überstandener Drangphase, versetzt man dem Gegner mit einem letzten Tor den endgültigen Knockout. Ein sehr typisches Spiel, wie es die Allianz Arena bereits dutzendfach gesehen hat. Im Gegensatz zum Spiel in Mainz, hätte man hier sogar von einer Verbesserung sprechen können, weil man ja nochmal traf. Und genau deshalb darf es die letzten 15 Minuten keinesfalls geben. Statt zu beruhigen, entfachte das 4:1 die Partie nochmal, es war überhaupt keine Ruhe mehr zu spüren, stattdessen wurde Bayern trotz einer Führung mit drei Toren mehrfach ausgekontert, bekam zwei Gegentore und noch eine fast Hundertprozentige. Der ansonsten defensiv so zuverlässige Pavard erlebte die schwärzeste Viertelstunde seiner bisherigen Bayern-Karriere, trug an beiden Gegentoren eine große Mitschuld. Das Hauptproblem war jedoch die fehlende Ruhe, die fehlende Qualität ein gewonnenes Spiel mit ruhigem Ballbesitz nach Hause zu fahren. Dabei konnte man zu Beginn der zweiten Hälfte im Vergleich zum Spiel in Mainz noch genau diese Verbesserung beobachten. Danach zog Hoffenheim jedoch an und zeigten deutlich, dass sie eine viel stärkere Mannschaft als eben Mainz seien und all die Ruhe ging verloren. Positiv betrachtet wird man das Spitzenspiel gegen Leipzig nun nicht mehr übermütig angehen, negativ hat man nun zum zweiten Mal in Folge das selbe Manko offenbart.

3. Funktionierendes System hilft rotierenden Spielern

Das absurde Ende sollte jedoch einige der sehr guten Dinge im Spiel nicht überstrahlen. Lassen sich einige Fehler am Ende auch auf die Rotation schieben, war diese über weite Phasen des Spiels doch insgesamt sehr gelungen. Erstmals in der Rückrunde baute Hansi Flick weite Teile seiner Mannschaft um. Corentin Tolisso ist vielleicht das Sorgenkind des aktuellen Bayern-Kaders, nach seiner Kreuzbandverletzung wollte er einfach nicht in Tritt kommen. Gab man ihm in der Hinrunde trotzdem immer wieder Chancen sich zu beweisen, blieben diese in der Rückrunde bis zum Spiel in Hoffenheim aus. Im Pokal zeigte er seit langem endlich wieder eine über weite Strecken gute Leistung. Bei allen drei in die Mannschaft kommenden Spielern gab es Fragezeichen, doch auch Gnabry und Coutinho konnten sie mindestens in der ersten Halbzeit positiv beantworten. Coutinho hatte zwar auch einige gravierende Ballverluste, doch im Gegensatz zu seinen bisherigen Leistungen in der Rückrunde, hatte er auch richtig gute Momente.

Der Hauptgrund für die gelungene Rotation ist das funktionierende Sicherheitsnetz für die neuen Spieler. Funktioniert das System, ist es relativ einfach, ohne gravierenden Qualitätsverlust einige Spieler austauschen. Genau hier liegt der Unterschied begraben zu den Rotationsproblemen unter Niko Kovač. Dort gab es eben kein funktionierendes Sicherheitsnetz drumherum, Spieler wurden rein- und rausrotiert, obwohl die Mannschaft ihr Spiel nicht gefunden hatte. Auch wenn Thiago und Goretzka gegen Leipzig wieder in die Mannschaft rücken dürften, hat man derzeit den Eindruck, Bayern habe sich ein großes Stück weit von seiner Abhängigkeit an einzelne Spieler gelöst. Freilich bleibt ein Lewandowski zwar wie kein anderer im Kader unersetzbar, doch treffen derzeit eben auch andere. Der Stürmer traf in der Hinrunde noch, wie er wollte und auch jetzt spielt er weiterhin sehr gut, macht seine Tore, doch er muss den FC Bayern nicht mehr alleine tragen. Die Abhängigkeit an Einzelne ist geschmolzen.