SC Paderborn – FC Bayern München 0:6 (0:3)
Der FC Bayern hatte mit dem Auswärtsspiel in Paderborn eine echte Aufgabe zum Start in die wichtigsten Monate der Saison, löste diese allerdings mit Bravour. Die Analyse zu einem ansehnlichen Pokal-Viertelfinale gegen einen attraktiv spielenden Gegner.
Falls ihr es verpasst habt:
Dass Jupp Heynckes seine Aussagen von der Pressekonferenz am Montag (“Werden nicht mit angezogener Handbremse antreten”) ernst meinte, unterstrich er mit der Aufstellung vom Dienstagabend.
Siebenmal wechselte er im Vergleich zur Bundesligapartie in Mainz und stellte eine Elf in Bestbesetzung auf.
Kimmich und Alaba kehrten auf die Außenverteidigerpositionen zurück, neben Mats Hummels wurde der Grippe-erkrankte Jerome Boateng durch Niklas Süle ersetzt. Das Mittelfeld aus Vidal, James, Müller, Robben und Coman gab einen ersten Hinweis darauf, dass der FC Bayern nach Paderborn gekommen war, um kurzen Prozess zu machen.
Im Sturmzentrum rotierten die Münchner daher ebenfalls, Robert Lewandowski nahm anstelle von Sandro Wagner wieder seine angestammte Position ein. Auch die Bank konnte sich sehen lassen: Bernat, Rafinha, Rudy, Tolisso, Ribery und Wagner zeigten, dass im Kader des FC Bayern im Moment weitestgehend Verletzungsfreiheit herrscht, auch wenn in Thiago, Boateng und Martinez als Stammkräfte natürlich fehlten.
Bei den Paderbornern, die in der dritten Liga, aus der sie im vergangenen Sommer noch fast abgestiegen wären, gerade groß aufspielen, gab es ebenfalls Veränderungen. Torwart Zingerle (mit FCB-Vergangenheit) blieb im Pokal auf der Bank, für ihn rückte Ratajczak zwischen die Pfosten.
Die Viererkette aus Boeder, Schonlau, Strohdiek und Herzenbruch lief hingegen unverändert auf, im Mittelfeld kamen mit Wassey und Zolinski zwei neue Personalien gegenüber der Drittligapartie gegen Großaspach aufs Feld. Krauße, Antwi-Adjej und Ritter sowie Michel als alleinige Spitze komplettierten die Elf von Trainer Steffen Baumgart.
Die Partie begann mit der Erkenntnis, dass die elf Paderborner für den FC Bayern nicht der einzige Gegner an diesem frühen Abend werden würden. Das Geläuf in Ostwestfalen war zwar grün, hatte jedoch ansonsten nur wenig mit Rasen zu tun. Lewandowski hatte dementsprechend nach drei Minuten eine erste gute Gelegenheit per Kopf nach Flanke.
Die Paderborner meldeten sich kurz darauf und wären in der achten Minute beinahe mit einem schnell ausgeführten Freistoß in Führung gegangen. Eine denkbar knappe Abseitsposition verhinderte den Bayern-Rückstand. Es entwickelte sich eine ausgeglichene, spannende Anfangsphase, in der der SCP immer wieder zu Chancen kam, vor allem nach Standards.
Die Münchner hingegen gingen fast schon fahrlässig mit dem vielen Platz um, der ihnen dank der offensiven Paderborner Ausrichtung zur Verfügung stand. Eine Vielzahl von teilweise wilden Sturmläufen und Doppel- bzw. Dreifachchancen blieb ungenutzt. In der 19. Minute brauchten die Bayern erneut drei Anläufe: Müller scheiterte an Ratajczak und Robben an seinem rechten Fuß, dann jedoch schob Coman aus kurzer Distanz zur Führung ein.
Wie bereits angekündigt, “kurzer Prozess” war das richtige Stichwort. Die Münchner spielten weiter nach vorne und konterten plötzlich über Coman gegen einen Drittligisten – der Franzose spielte Lewandowski frei, der den Ball sehenswert verarbeitete und zum 2:0 traf (25.). In der Folge beruhigte sich das Spiel ein wenig, erwähnenswert wäre allerdings die verletzungsbedingte Auswechslung von Thomas Müller nach einer guten halben Stunde, für ihn kam Tolisso.
Auch wenn die Paderborner weiterhin brav mitspielten, das Feld bzw. der Acker gehörte jetzt dem FCB. Bis zur 42. Minute ergaben sich zwar kaum große Chancen, dann jedoch spielte Hummels aus der eigenen Hälfte per Außenristpass Kimmich frei, der in bester Stürmermanier ins kurze Eck zum 3:0 verwandelte. Der Pausenstand in verdienter Höhe.
Die Bayern kamen mit etwas weniger Konzentration aus der Kabine und ermöglichten den Paderbornern, die ihrer Spielweise treu blieben, die ein oder andere Halbchance. Diese Phase dauerte etwa 10 Minuten, dann nämlich köpfte Corentin Tolisso nach einer Ecke das 4:0 (54.). Die Bayern spielten ab da mit jener Gelassenheit, die sie bei Führung auszeichnet. Sie ließen Ball und Gegner laufen, ohne hinten wirklich etwas nennenswertes aus dem Spiel heraus zuzulassen.
Zwar hätten sich die Paderborner noch den Anschlusstreffer verdient, sie scheiterten jedoch immer wieder am letzten Schritt (teilweise sogar vor dem leeren Tor). Auf der anderen Seite setzte Robben mit einem wuchtigen Linksschuss und einer Kombination über Ribery die Schlusspunkte zum 5:0 und 6:0 (86. und 89.). Die Münchner spielten die letzten 20 Minuten im Energiesparmodus – verdienterweise, immerhin warten in den nächsten Wochen noch einige wichtige Spiele. Der Sieg in Paderborn war in jedem Fall ein gelungener Start in diese Saisonphase.
Drei Dinge, die auffielen:
1. Herausragend gute Laufarbeit
Die “Drei Dinge, die auffielen” haben an dieser Stelle noch einmal eine eigene kleine Einleitung verdient: Selbstverständlich sind alle Erkenntnisse, die man aus einem Pokalspiel bei einem (guten) Drittligisten ziehen kann, mit einem kleinen Fragezeichen zu Versehen. Dem SC Paderborn und seiner guten Leistung tut man jedoch Unrecht, wenn man pauschal die zwei Ligen Unterschied als Grund verwendet, um die Bayern nicht loben zu können.
Die Münchner hätten am Dienstagabend durchaus Probleme bekommen könnten. Nämlich dann, wenn sie mit dem Pressing der Paderborner in der ersten halben Stunde nicht so souverän und ruhig umgegangen wären. Die Staffelung der Ostwestfalen war offensiver als die vieler Bundesligisten und auch wenn das rein optisch dazu führte, dass sie besser mitspielten, schafften es die Münchner immer wieder, die Bemühungen des Gegners in der eigenen Hälfte in Schach zu halten.
Immer wieder bewegte sich die gesamte Mannschaft (!) gut und sehr gezielt gegen den Ball und schaffte es so, wenig Räume für Konter zuzulassen. Die Defensive war dabei nur ein Teil des Ganzen, vor allem Coman und Müller (bis zu seiner Auswechslung) bewegten sich geschickt und ließen sich nicht wie zuletzt häufig an die Außenlinie binden.
Diese Beweglichkeit und Laufstärke der Mannschaft als Ganzes trägt klar die Handschrift von Jupp Heynckes und deutete an, dass die Münchner gerade gegen etwas offensivere Gegner ihre Stärken noch besser ausspielen können. Das macht Hoffnung für den Rest der Saison, vor allem in der Champions League.
2. Argumente für diese Startelf
Langsam aber sicher herrscht wieder volle Fitness beim FC Bayern – und damit mehr Konkurrenz. Das Spiel gegen den SC Paderborn hat dazu geführt, dass sich die aktuelle “A-Elf” einen gewissen Vorsprung erarbeitet – mannschaftstaktisch, wie in Punkt 1 gezeigt, aber auch individuell.
Niklas Süle etwa machte eine gute Figur neben Mats Hummels. Süles großes Talent ist nicht von der Hand zu weisen, mittlerweile merkt man ihm auch an, dass er ein halbes Jahr neben den erfahrenen Boateng und Hummels trainieren und spielen konnte. Gut möglich, dass er zumindest in der Bundesliga weiterhin Stammbesetzung bleibt.
Auch Arturo Vidal konnte als Bindeglied zwischen Offensive und Defensive überzeugen: Der Fünferkette aus Robben, James, Müller (Tolisso), Coman und Lewandowski, die fast schon eine kleine Reminiszenz an Guardiolas “Lineup of Death” war, hielt Vidal gut den Rücken frei. Es wird eine der spannenden Fragen der nächsten Wochen, wenn Thiago wieder zurückkehrt: Worauf setzt Heynckes? Auf mehr Kreativität mit James, Müller und dem Spanier oder doch Absicherung mit Martínez bzw. Vidal? Der Chilene hat zumindest seine Argumente vorgelegt.
Generell wirkte die Mischung in der Bayern-Elf im Pokal-Viertelfinale sehr gut und ließ durchaus den Rückschluss zu, dass Jupp Heynckes in diesen elf Herren aktuell seine beste Elf sieht – die möglicherweise in dieser Besetzung auch kommende Woche gegen Besiktas Istanbul auflaufen könnte.
3. Bundesliga, schau hin!
Zweite Halbzeit, 0:3 Rückstand, 47. Minute: Abstoß für den FC Bayern. Sven Ulreich winkt mit den Armen und schickt seine Leute nach vorne? Warum? Weil ein Drittligist in eigentlich aussichtsloser Situation mit vier Spielern den Münchner Strafraum zustellt. Was folgt ist ein weiter Abschlag und ein Ballgewinn für Paderborn.
Der SC Paderborn machte am Dienstagabend ein sehr gutes Spiel und verdiente sich viele Komplimente. Die Ostwestfalen waren offensiv eingestellt, hatten sichtbar Spaß daran, nach vorne zu spielen und kreativ zu werden. Es hätte entweder einen glücklicheren Spielverlauf, mehr individuelle Klasse oder unkonzentriertere Bayern gebraucht, um dieses Spiel zu gewinnen – oder am besten alle drei Faktoren zusammen.
Was jedenfalls festzuhalten bleibt: Es wäre möglich gewesen, die Bayern mit diesem Konzept zu schlagen. Und es bleibt zu hoffen, dass 17 Bundesligatrainer sich dieses Spiel zu Herzen nehmen und vielleicht folgende vier Lehren ziehen:
1. Nicht selbst belügen. Paderborns Trainer Baumgart hatte diese mutige Spielweise in der PK am Vortag angekündigt, und zwar mit denselben Worten wie die meisten Bundesligatrainer, die auch gerne von “Mut” und “Aggressivität gegen den Ball” sprechen. Das endet jedoch meistens in einer passiven Fünferkette und einer klaren Niederlage, die man sich dann schönreden muss.
2.Standardsituationen trainieren. Paderborn spielte offensiv, bekam dadurch Freistöße und Ecken – und hätte damit mit etwas mehr Glück weit kommen können. Fußball kann so einfach sein.
3. Mentale Umstellung. Paderborn hatte im Pokalviertelfinale nichts zu verlieren – genauso wie jeder Bundesligist gegen den FC Bayern. Diese Mentalität dürfte man seinen Spielern gerade bei Heimspielen gegen den FCB gerne mal vermitteln.
4. Mehr Realismus. Der FC Bayern spielt hervorragend, hat die teureren Spieler und ist haushoher Favorit. Alles schön und gut, aber das bedeutet nicht, dass diese Mannschaft so überragend ist, dass sie jedes Spiel dominiert (wie sich über weite Teile dieser Saison zeigt). Man wird das Gefühl nicht los, dass die meisten Erstligisten mehr Zeit damit verbringen, die Stärken des FC Bayern und nicht die eigenen zu betonen. Eine fatale Entwicklung, von der in Paderborn erfrischenderweise weder während der 90 Minuten, noch davor oder danach etwas zu sehen war.
Auch wenn der SC Paderborn sein Pokal-Viertelfinale aufs Ergebnis bezogen sehr deutlich verloren hat: Vielleicht hat immerhin die Bundesliga ein paar Erkenntnisse aus dem Spiel gewinnen können. Es wäre wünschenswert.
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SC Paderborn – FC Bayern München | |
---|---|
SC Paderborn | Ratajczak – Boeder, Schonlau,Strohdiek, Herzenbruch – Krauße – Zolinski, Wassey (Tietz), Antwi-Adjej (66. Bertels) – Ritter (74. Klement), Michel |
Bank | Zingerle, Collins, Fesser, Yeboah |
FC Bayern | Ulreich – Kimmich, Süle, Hummels, Alaba – Vidal – Robben, Müller (32. Tolisso), James (67. Rudy), Coman (81. Ribery) – Lewandowski |
Bank | Starke, Wagner, Rafinha, Bernat |
Tore | 0:1 Coman (19.), 0:2 Lewandowski (25.), 0:3 Kimmich (42.), 0:4 Tolisso (55.), 0:5 Robben (86.), 0:6 Robben (88.) |
Karten | Gelb: Zolinski / Vidal, Hummels, |
Schiedsrichter | Markus Schmidt (Stuttgart) |
Zuschauer | 15.000 (ausverkauft) |