Der Mandzukic-Effekt

Steffen Trenner 15.11.2013

Nicht wenige prophezeiten vor der Saison, dass es eng werden könnte für Mario Mandzukic unter Pep Guardiola. Der Katalane plane nicht mit einem echten Strafraumstürmer. Götze, Ribéry, Müller – das waren die Namen, die unter dem häufig verkürzten Schlagwort „Falsche 9“ als mögliche neue vorderste Spitze diskutiert wurden. Dass Mandzukic in der Vorbereitung häufiger auf der Bank Platz nahm und insgesamt eher unzufrieden wirkte, schien diesen Eindruck zu bestätigen. Als Bayern kurz vor Saisonstart im Supercup gegen Dortmund mit 2:4 unterlag, war Mandzukic der schwächste Spieler auf dem Feld. Er fremdelte mit der neuen Ausrichtung und den Erwartungen an ihn sich noch stärker in das schnelle Kombinationsspiel einzubinden. „Ein Mandzukic, der so spielen soll wie Götze, hilft dieser Mannschaft nicht unbedingt weiter“, schrieb ich damals und mahnte an, dass Guardiola sich entscheiden müsse, ob der den Spielertypen Mandzukic wertschätzt oder nicht.

Heute – fast einen Monat vor dem Ende der Hinrunde, kann eines festgehalten werden. Vielleicht ist der Spielertyp Mario Mandzukic so etwas wie das Gesicht des Übergangs unter Pep Guardiola – vorbei ist seine Zeit in München jedoch noch lange nicht. Im Gegenteil: Mit 8 Toren in der Bundesliga und 2 Treffern in der Champions League ist der Kroate wie schon im Vorjahr bester Torschütze der Münchener.

Wie wertvoll er für den FC Bayern ist unterstrich er in den letzten Wochen, als er in engen Spielen gegen Berlin, Hoffenheim und Pilsen mit insgesamt 4 Treffern den Unterschied ausmachte. Gegen Hertha kam er beim Stand von 0:1 in die Partie und drehte mit zwei Treffern das Spiel. Gegen Pilsen kam der 27-Jährige ebenfalls von der Bank und sorgte spät mit seiner Präsenz im Strafraum und seiner Kopfball-Stärke für den 1:0-Siegtreffer. Mit Mandzukic kam in beiden Spielen die Zielstrebigkeit und Effizienz zurück ins Bayern-Spiel. Erst mit einem Zielspieler im Zentrum, gelang es den Münchenern in diesen Spielen die Balldominanz auch in Torchancen und Tore umzumünzen.

Alle 4,1 Minuten ein Torabschluss

Auch ein Blick in die Statistik bestätigt den positiven Einfluss von Mandzukic auf die Torgefährlichkeit der Münchener. Mandzukic stand in der Liga insgesamt 832 Minuten auf dem Feld. Mit Mandzukic auf dem Platz gelangen dem Rekordmeister 22 Tore, was im Schnitt einen Treffer pro 37 Minuten bedeutet. Ohne Mandzukic gelang den Münchenern nur alle 49 Minuten ein Tor. In der Champions League verstärkt sich dieses Bild. Mit Mandzukic traf der FC Bayern in dieser Saison alle 22 Minuten. Ohne ihn nur alle 51 Minuten. Auch mit Blick auf die Torabschlüsse bestätigt sich ein Trend. Mit dem Kroaten im Sturmzentrum schossen die Roten in Liga und Champions League im Schnitt alle 4,1 Minuten aufs Tor. Ohne ihn nur alle 5,3 Minuten. Der Stürmer selbst ist in der Liga alle 18 Minuten an einem Torschuss beteiligt. Ein Mandzukic-Effekt ist nicht zu leugnen.

Dem ex-Wolfsburger kommt mit Sicherheit entgegen, dass er von der Statur und Kopfballstärke her zwar wie ein klassischer Mittelstürmer wirkt, er aber durch seine Laufbereitschaft und Schnelligkeit in der Lage ist gut gegen den Ball zu arbeiten und im Angriffsspiel zumindest situativ eine Rolle auf dem Flügel einzunehmen. Mandzukic weicht besonders häufig nach rechts außen aus, um Diagonal-Läufe von Robben oder Müller zu ermöglichen. Diese Spielweise macht es Guardiola etwas leichter ihn in sein auf Kurzpässe aufbauendes System einzubinden. Seinen besonderen Wert entfaltet der Nationalspieler aber im Zentrum. Mandzukic ist ein ständiger Gefahrenherd gerade bei hohen Flanken. 5 Kopfball-Tore hat er bereits auf dem Konto. Ohne ihn fehlt den Münchenern diese Qualität fast vollständig. Als die Roten am 8. Spieltag Bayer Leverkusen um den eigenen 16er einschnürten, schlug das Team von Pep Guardiola insgesamt 27 Flanken in den Strafraum. Absoluter Bestwert in der laufenden Saison. Per Kopf entstanden daraus genau 2 Torabschlüsse. Einer der niedrigsten Werte in dieser Spielzeit. Mario Mandzukic saß in diesem Spiel über 80 Minuten nur auf der Bank.

Es ist ein Spagat zwischen dem Willen zu spielerischer Ästhetik und Dominanz auf der einen Seite und einer schlicht notwendigen nüchternen Effektivität und Produktivität auf der anderen Seite. Bisher ist es dem FC Bayern unter Pep Guardiola ganz ordentlich gelungen beides in Einklang zu bringen. Ein Grund dafür trägt mit Sicherheit den Namen Mario Mandzukic.