Jahreshauptversammlung: Tränen und Cleverness
Die Jahreshauptversammlung schien phasenweise ein wirrer Mix aus Triple-Euphorie, beeindruckendem Zahlenwerk und Uli-Festspielen zu sein. Bis auf wenige Pfiffe wurde Geschlossenheit demonstriert und ohne Frage steht wohl ein Großteil der Vereinsmitglieder hinter Hoeneß. Ich habe aber trotzdem das Gefühl, dass der Gegenwind langsam stärker wird.
Mit welchen Erwartungen ging ich an diesem Abend in den Audi Dome? Die Bayernmitglieder entscheiden über ihren Präsidenten. Sonst niemand. Das sagte ich mehrfach am Anfang der ganzen „Steueraffäre“ und meine ich auch heute noch. Aber die Vorzeichen haben sich verändert. Wir sprechen nicht mehr über ein mögliches Vergehen, sondern von tatsächlich stattgefundenen Steuertricksereien. Ob nun bewusst vergessen oder ein schlimmer Fehler ist erst einmal egal. Hoeneß wird sich vor der Münchner Justiz verantworten müssen und könnte vom Angeklagten zum Schuldigen werden. Bis dahin wird die ganze Geschichte über ihn und unseren Verein schweben. Mit allen Anschuldigungen und Medienberichten. Immer und immer wieder bis zur Urteilsverkündigung. Und vermutlich darüber hinaus. Ich hätte mir gewünscht, dass Uli Hoeneß seine Ämter beim FC Bayern bis dahin ruhen lässt. Er muss sich ja nicht an den Tegernsee zurückziehen, kann von mir aus sogar weiter zu allen Spielen reisen, aber rein formell wäre das wohl der richtige Schritt gewesen. Und ich dachte, er geht ihn. Für den Verein.
Nach seiner Ankündigung einer außerordentlichen Hauptversammlung wurde der Plan aber klar. Zeit gewinnen und sich weiter im Rücken der zu ihm stehenden Vereinsmitglieder bewegen. Davon gibt es viele und die Zustimmung dürfte auch bei einer Verurteilung auf Bewährung nicht rapide sinken. Dafür macht man ja auch Umfragen vorab. Die Mitteilung des Aufsichtsrates soll als Beispiel dienen. An dieser Stelle muss ich Uli Hoeneß nun kühle Berechnung unterstellen. Das Ergebnis der Vertrauensfrage ist bereits heute absehbar und wird ihm und dem Verein immer als Ausweg dienen können. Zustimmung macht ihn unantastbar – auch wenn er verurteilt werden sollte. Einen Zustand, den ich nicht gut finden kann, weil er fernab der Vernunft liegt. Jemand mit einer moralischen und auch für die Justiz relevanten Verfehlung sollte nicht Präsident sein. Auch nicht wenn er Uli Hoeneß heißt und niemand sein Lebenswerk in Frage zu stellen braucht. Ein Verein ist eine moralische Instanz und der Präsident muss ihr vorstehen. Allein diese Frage gilt es für alle Mitglieder zu klären!
Vielleicht hat das Handelsblatt, welches für Hoeneß wie er selbst sagt, ausgesprochen unwichtig ist, dennoch den Punkt entlarvt, der auch viele Bayernfans umtreibt:
Es scheint nur so, als ob sich bei den Bayern nach wie vor keiner traut, die private von der beruflichen Dimension der Hoeneß-Steueraffäre zu trennen und nüchterne Konsequenzen zu fordern.«
Handelsblatt am 14.11.2013
Mich lässt dieser Aspekt nicht kalt.
Schwach, ganz schwach.
Wie groß wird die Empörung werden wenn er nicht verurteilt wird!
Herrlich!
Dann wird genau das passieren, was auch bei einer Verurteilung passiert. Die Mitglieder dürfen über seinen Verbleib als Bayernpräsident entscheiden und er beugt sich der Mehrheit. Wie man das nun findet, darf jeder selbst entscheiden. Den Weg dahin mag ich persönlich nicht.
Für die Scheißstimmung in den Medien ist er doch selber verantwortlich, und nicht wir! Was glaubt er eigentlich, wer er ist?
Wat? Wer bist du denn?
MIA SAN ULI! Lang lebe unser Präsident.
Das ist doch populistische Scheiße! Warum glaubst du eigentlich, warum er den Leuten in der Loge das Geld aus der Tasche zieht? Er hat 20 Millionen Euro zum Spekulieren in der Schweiz gebraucht. Das ist nicht mit sieben Euro aus der Südkurve zu finanzieren!
@hias: es spielt keine rolle. vorbestraft ist er so oder so. es geht ja nur um das strafmaß
kann man so stehen lassen. ich persönlich schwanke auch zwischen fandasein und normalen verstand. ich hoffe einfach das bis zur verhandlung mal ruhe einkehrt auch wenn das utopie ist bei unserem verein.
@ Marco: „vorbestraft ist er so oder so. es geht ja nur um das Strafmaß“
Das stimmt m. E. so nicht. Wenn seine Selbstanzeige wirksam erstattet wurde, d.h. er alle seine bisher nicht angegebenen Einkünfte ordentlich und vollständig nacherklärt hat, wird der Betroffene grundsätzlich nicht nach § 370 AO wegen Steuerhinterziehung bestraft. Er wäre somit nicht vorbestraft!
An welcher Stelle glaubtest Du das der Gegenwind stärker wird? Gestern Abend sah ich das auf jeden Fall nicht. Im Gegenteil, gestern Abend gab es den Beweis dafür, dass er selbst bei einer Verurteilung nicht damit rechnen muss abgewählt zu werden.
Mir geht das Ganze ja ein Stück weit gegen den Strich, denn nicht nur Fußball ist keine Mathematik, sondern eben auch moralisch und juristisch korrektes Verhalten. Für mich wird die Sache der Steuerhinterziehung nicht dadurch weniger schlimm das Hoeneß im übrigen vielleicht ein anständiger Mensch ist. Bei der Mehrheit der Anwesenden gestern Abend scheint die Logik aber genau nach diesem Prinzip zu funktionieren.
Und dies vorausgesetzt ist meine Meinung eben das es kein einfaches „weiter so“ geben darf, sondern das er von sich aus Konsequenzen ziehen muss. Wichtig ist hier das „von sich aus“. Die Entscheidung in die Hände der Mitglieder zu legen ist nämlich genauso populistisch wie einfach.
Unabhängig davon stellt sich mir bei der ganzen Thematik aber noch eine ganz andere Frage die noch niemand beantworten konnte: Was schadet dem Verein eigentlich mehr: Ein verurteilter (inhaftierter) Präsident, oder eine enthauptete Führung ohne Hoeneß? Das Loch was eine Abwahl/ein Rücktritt zur Folge hätte wäre nämlich unvorstellbar groß.
[…] “ein wirrer Mix aus Triple-Euphorie, beeindruckendem Zahlenwerk und Uli-Festspielen zu sein. Bis auf wenige Pfiffe wurde Geschlossenheit demonstriert und ohne Frage steht wohl ein Großteil der Vereinsmitglieder hinter Hoeneß. Ich habe aber trotzdem das Gefühl, dass der Gegenwind langsam stärker wird.” https://miasanrot.de/jahreshauptversammlung-traenen-und-cleverness/ […]
Ja er hat einen schweren Fehler gemacht. Vielleicht macht er auch jetzt nicht alles richtig. Ich denke das Gericht wird gerecht urteilen. Aber: Was ist das für eine Gesellschaft, die sich dann nur an dem einen Fehler festbeist. Auch wenn jemand vorbestraft wäre, wäre er nicht automatisch in allen Punkten schlecht. In vielen Dingen ist Uli nach wie vor ein großer Mensch. Und grade in der heutigen Gesellschaft, die nicht einfach ist, sollte jeder eine 2. Chance haben. Ob er nun Präsident, Aufsichtsratschef oder vielleicht Ehrenpräsident ist. Er soll weiter mit reden dürfen, bei dem Verein, den er entscheident geprägt hat…
14.11.2013: Nochmals unsere Meinung: Ja, Uli hat einen schweren Fehler gemacht. Vielleicht macht er auch jetzt nicht alles richtig. Ich denke, dass das Gericht gerecht urteilen word. Aber: Was ist das für eine Gesellschaft, die sich dann nur an dem einen Fehler festbeißt. Auch wenn jemand (eventuell) vorbestraft wäre, wäre er nicht automatisch in allen Punkten schlecht. In vielen Dingen ist Uli nach wie vor ein großer Mensch. Und grade in der heutigen Zeit, die nicht einfach ist – sollte jeder eine 2. Chance haben. Ob er nun Präsident, Aufsichtsratschef oder vielleicht Ehrenpräsident ist. Er soll weiter mitreden dürfen! Bei dem Verein, den er entscheidend geprägt hat…
@Jörg
Ich denke der Gegenwind den Jan hier wohl meint ist sicher nicht in der Halle gestern zu spüren gewesen. Aber außerhalb der gestrig erlebten „heilen Welt“ wird das Fahrwasser doch sehr unruhig. Und meiner Meinung nach zurecht. Der Schachzug von Uli Hoeneß, die Mitglieder über seinen Verbleib entscheiden zu lassen ist clever. Ob er sich auch als Klug herausstellt wird sich zeigen. Wenn er verurteilt wird sollte diese Abstimmung überhaupt nicht mehr statt finden und er sollte von alleine von dem Ämtern zurück treten. Die Ämter sollte er sowieso jetzt schon ruhen lassen damit die Diskussionen, Geschichten und Nachrichten nicht noch weiter überhand nehmen. Die Mannschaft braucht ruhe, der Verein braucht ruhe und vor allem er braucht ruhe.
@Sandro … Man kann es so und so sehen, just während der Zeit während Ulis Fehler bekannt wurde, gewann unser Team das Triple und eilt von Rekord zu Rekord. Einige wie Ribery oder Schweinsteiger, die ihm sehr verbunden sind, geben vielleicht sogar noch mehr Gas für Uli…
Lieber Jan,
ich hoffe für Sie, dass Sie weiterhin niemals eine Fehler in Ihrem Leben machen werden oder gar einer Sucht verfallen.
Sollte es doch mal sein das Sie sich etwas unmoralisches oder gar illegales verzapfen, was sicherlich niemals der Fall sein wird, dann wünsche Ich Ihnen Menschen/Freunde/Kollegen/Familienangehörige in Ihrer Umgebung die Ihnen verzeihen können und Mitgefühl aufbringen.
Weiterhin ein perfektes Leben für Sie!
Lieber Joe, es geht nicht darum perfekt zu sein, sondern die Privatperson vom Vereinspräsidenten getrennt zu sehen. Ich hätte mir gewünscht, dass er diesen Schritt geht.
Der „Wortwellenreiter“ mit einem weiteren guten Text zum Thema: Der doppelte Hoeneß
Die Privatperson ist doch vom Vereinspräsidenten getrennt. Er hat als Privatperson, auf „gut deutsch“ Scheiße gebaut, dafür bekommt er als Privatperson seine Strafe.
Wieso sollte er denn als Vereinspräsident dafür vorab gerade stehen.
Weil „man“ es so macht, oder „man“ es erwartet?
Weil es meiner Meinung nach der richtige Schritt zur konsequenten Trennung von Person und Amt gewesen wäre. Die Kraft das ebenso zu sehen & seine Präsidentschaft bis zur Urteilsverkündigung ruhen zu lassen, hätte ich ihm gewünscht. So bleibt die Vertrauensfrage ein Schachzug, der vollkommen entgegen seinen emotionalen Tränen steht.
Guter und wohltuender Blog!
Bei diesem Thema scheint es gar nicht leicht eine differenzierte Meinung einzunehmen (einnehmen zu dürfen).
Einige Kommentare gehen mit der gleichen unreflektierten Chuzpe zu Werke, wie der Präsident derzeit. Ich bin mir bewusst, was Uli Hoeness alles für den verein getan hat, dennoch fände ich einen kritischeren und reflektierteren Blick (als bisher) auf das Ganze von Fans und Verein wohltuender.
Und das nichts mit einem Fehler zu tun, den ein Mensch nicht begehen darf.
[…] – haben mich alle gefreut. Deswegen sei an dieser Stelle nur auf meinen Beitrag zu Uli Hoeneß (»Tränen und Cleverness) verwiesen. Die gesamte JHV (ohne Wortbeiträge) gibt es unter FCB.tv zum Anschauen und den […]
[…] Veranstaltung, im Vorfeld und speziell auch jetzt einen Tag später. Ähnlich sah es auch nach der Jahreshauptversammlung im November aus. Ein Beitrag für den es viel Kritik […]