Bayern-Rondo: Männer und Frauen machen Meisterschaft heiß – mit unterschiedlichen Gefühlen
„Ich spüre den Atem des BVB mehr als vor ein paar Wochen. Es sind ja auch nicht mehr neun Punkte, sondern nur noch vier“, sagte Julian Nagelsmann am Freitagnachmittag mit einem leichten Grinsen im Gesicht. Die Rechnung sei einfach: „Wenn wir alle Spiele gewinnen, sind wir Meister.“
Ein paar hundert Kilometer entfernt äußerte sich auch Marco Rose zum wiedereröffneten Meisterschaftsrennen: „Wir haben jetzt Köln vor der Brust, dann Leipzig, wir fahren noch nach München“, sagte der Trainer von Borussia Dortmund: „Das soll nicht blöd klingen und ist auch kein Tiefstapeln. Wir wissen alle, wie die Saison gelaufen ist, wir haben das Spiel der Bayern in Hoffenheim gesehen.“
Dort habe die TSG einige Male auf der Linie geklärt und der Punkt sei relativ glücklich gewesen. „Die Bayern werden noch ein paar Punkte holen und wir müssen unsere Aufgaben erfüllen“, analysierte Rose. Zwei Trainer, zweimal dasselbe Fazit: Konzentration auf die eigenen Aufgaben.
Der Trend ist jedenfalls schwarz-gelb. Gingen die Bayern noch mit neun Punkten Vorsprung in die Winterpause, so haben sie in der Rückrundentabelle fünf Punkte Rückstand auf RB Leipzig und eben den BVB. Fünf Siege, zwei Unentschieden, zwei Niederlagen – sicher kein katastrophales Ergebnis, aber eben auch keines, das für Zufriedenheit sorgt.
Bayern hat es in der Hand: Meisterschaft geht nur über sie
Fakt ist: Die Bayern und nur die Bayern haben es in der Hand, ob dieses Meisterschaftsrennen tatsächlich nochmal so etwas wie Spannung bekommt. Vier Punkte, eine Schwächephase direkt zurückliegend mit der Tendenz, dass die Leistungen zuletzt besser wurden – rein auf die jüngere Geschichte der Bundesliga blickend, wirkt das Gerede von einem spannenden Titelrennen arg konstruiert.
Dafür hat der BVB nicht nur in den letzten Jahren, sondern auch schon in dieser Saison zu oft Federn gelassen, wenn es drauf ankam. Die längste Siegesserie liegt in dieser Bundesliga-Spielzeit bei drei.
Klar ist aber auch, dass Dortmund keine Doppel- oder Dreifachbelastung mehr hat. Ob das allein dafür sorgen kann, dass die Leistungsschwankungen aufhören, ist dennoch fraglich. Dafür waren auch die letzten Partien trotz guter Ergebnisse nicht überzeugend genug. Bayern wird sehr wahrscheinlich keine überdurchschnittliche Leistung mehr benötigen, um am Ende oben zu stehen. Sie werden aber sehr wohl eine benötigen, um sich für die Champions League das entsprechende Selbstvertrauen zu holen.
Bayerns Defensivsorgen: Nagelsmann-Aussagen sind vor allem zwischen den Zeilen interessant
Bei den Bayern war nämlich eher das Gegenteil der Fall: Insbesondere gegen Hoffenheim passte die Leistung in vielen Bereichen. Lediglich das Ergebnis wollte nicht stimmen. Drei Abseitstore, einmal knapp auf der Linie gescheitert, mehrfach knapp verfehlt – die Chancen in dieser Partie hätten für mehrere Spiele gereicht.
Und doch häufen sich die Begegnungen, nach denen die Bayern vor allem über Spielglück reden. Gerade die Defensive bleib ein großes Thema. Die Münchner haben vor allem unter der Leitung von Sportvorstand Hasan Salihamidzic sehr viel Geld in den Abwehrverbund investiert – an die 200 Millionen Euro allein in den Transferausgaben.
Auf der Gegenseite sind Javi Martínez, Jérôme Boateng und David Alaba gegangen, im Sommer folgt Niklas Süle – sie alle brachten keinen Transfererlös ein. Ist die Defensive rein sportlich betrachtet schlechter geworden? Eine Diskussion, die auf beiden Seiten legitime Argumente findet.
David Alaba und Jerome Boateng: Fehlen sie?
Lucas Hernández, Benjamin Pavard, Dayot Upamecano, Niklas Süle – sie alle verfügen über besondere Qualitäten, sie alle sind an ihren guten Tagen sehr stark. Bezeichnend aber war, was Nagelsmann auf der Pressekonferenz zu einigen seiner Verteidiger sagte. „Seine große Stärke ist das Verteidigen“, analysierte der Trainer gleich zweimal. Zunächst bei Upamecano, dann bei Hernández.
Bei Verteidigern sollte das so sein. Vielleicht ist genau das ein Problem. Was war denn die größte Stärke von Boateng zu seinen besten Zeiten? Oder von Alaba? Nicht wenige würden wohl spielerische Qualitäten nennen. Vor allem bei Alaba kam in der letzten Saison noch die Fähigkeit hinzu, ein Lautsprecher zu sein, der viele Kommandos gibt.
Genau das fehlt der Bayern-Defensive aktuell. Boateng und Alaba waren in der Schlussphase ihrer Zeit in München sicher keine kompletten Verteidiger. Ihre Schwächen lagen in Bereichen, wo die aktuellen Spieler des Kaders womöglich ihre Stärken haben. Andersherum liegen die Schwächen der derzeitigen Abwehr eben da, wo sie ihre Stärken hatten.
Dysbalance im Kader
Dass sie alle für sich genommen gute Verteidiger sind, würde wohl kaum jemand bestreiten. Um als Team zu funktionieren, braucht es aber Hierarchien, Abstimmung und klare Abläufe. Diese scheinen zu fehlen. Und darüber hinaus fehlt mindestens ein Spieler, dessen größte Stärke der Trainer nicht im Verteidigen, sondern im Aufbauspiel sieht. Eine Dysbalance, die angesichts der hohen Ausgaben verwundert.
Eigentlich bräuchten die Bayern deshalb eine große Lösung im Sommer. Doch finden und bekommen sie diese? Die aktuelle Gerüchtelage deutet eher wieder auf einen Kompromiss hin.
Was die Münchner aber gerade eigentlich gar nicht brauchen, sind weitere Kompromisse. Nagelsmann verwies im Kontext der Vertragsverlängerungen zu Recht darauf, dass es nicht so einfach sei, wie sich das viele von außen vorstellen. Scheichklubs, anderweitige Investoren, Klubs, die sich aufgrund anderer Rahmenbedingungen mehr erlauben können und auch wollen – finanziell gesehen zahlen die Bayern aktuell zwar nach wie vor sehr gut im Vergleich zu diesen Klubs, doch wie lange können sie noch Schritt halten?
Schon jetzt lässt sich absehen, dass es alles andere als einfach wird, in der Riege der Superklubs zu bleiben. Entscheidungen in der Kaderplanung müssen dementsprechend viel häufiger sitzen als in den vergangenen zwei bis drei Jahren. Das betrifft nicht nur die Defensive.
Bayerns Strategie ist noch nicht zu durchschauen
Wie sich die Bayern strategisch aufstellen werden, ist derzeit nur zu erahnen. Einerseits gab es zuletzt Gerüchte, die von Nagelsmann bestätigt wurden, man wolle noch stärker auf Talententwicklung setzen. Andererseits geht es darum, Spieler im Klub zu halten, die seit Jahren Leistungsträger sind.
Damit tun sich die Münchner immer schwerer. Das Zögern bei Manuel Neuer, Thomas Müller und Robert Lewandowski ist bezeichnend dafür. Auch Kingsley Coman hat lange gebraucht, ehe er sich für einen Verbleib entschieden hatte.
Geräuschlose und unkomplizierte Vertragsverlängerungen sind selten geworden. Je häufiger die Bayern nach außen kommunizieren, dass sie die Situation als entspannt bewerten, desto stärker verfestigt sich der Eindruck, dass es intern gerade eher eine angespannte Lage ist.
Robert Lewandowski: Bezeichnende Stille
Im konkreten Fall Lewandowski gibt es aktuell keinen Grund, weshalb die Bayern nicht mit ihm verhandeln sollten, wenn sie doch so überzeugt von einem Verbleib sind, wie sie es darstellen. Schon im Januar kündigten sie Gespräche an, im März gab es nach Aussagen des Beraters Pini Zahavi noch keine.
Entweder wollen die Bayern sich wirklich daran versuchen, den Angreifer zeitnah zu ersetzen – was angesichts seiner Leistungen und seiner Fitness kaum nachvollziehbar wäre. Oder Lewandowski selbst hat bereits den Wunsch kommuniziert, nochmal etwas anderes zu machen – was in seiner Karriere schon häufig spekuliert und berichtet wurde. Am Ende blieb er jedoch immer in München.
Ist es also doch so, wie es vom FC Bayern nach außen getragen wird? Endgültig erfahren wird man das erst in einigen Wochen. Das Verhalten der Bosse und die mittlerweile schon etablierte Taktik des Abwartens sind dennoch mindestens merkwürdig für einen Klub, der stets lieber selbst agiert, als irgendwann auf Entwicklungen reagieren zu müssen.
Bayern Frauen in der Allianz Arena – ein Traum wird wahr
Die Allianz Arena wird im April erstmals wieder mit 75.000 Zuschauer:innen gefüllt sein. Davon ist zumindest auszugehen. Noch am Donnerstag verschickte der Klub E-Mails an seine Jahreskarteninhaber:innen, in denen er mitteilte, dass ab April wieder 100 Prozent Auslastung möglich sind.
Von solchen Zahlen können die Frauen des FC Bayern nur träumen. Vor einigen Monaten war aber auch ein Auftritt in der Allianz Arena nur ein Traum für sie. Einer, der jetzt wahr wird. Am Dienstagabend spielen sie erstmals in der großen Arena.
Paris Saint-Germain verspricht dabei ein starker Gegner zu werden. In der Champions League haben sie bisher alle ihre Spiele gewonnen, in der Liga stehen sie nach 17 Partien auf Platz 2 und haben nur drei Punkte Rückstand auf Serienmeister Olympique Lyon. Gegen die verloren sie allerdings schon einmal mit 1:6 – die bisher einzige Saisonniederlage.
Paris Saint-Germain: Top-Gegner auf großer Bühne
In der vergangenen Saison setzte sich PSG allerdings gegen den nationalen Konkurrenten durch – und zwar ausgerechnet in der Champions League. Im Viertelfinale erreichten sie nach einem 0:1 daheim und einem 2:1-Auswärtssieg durch die Auswärtstorregel die nächste Runde. Dort war dann gegen den FC Barcelona Schluss.
Auch gegen das aktuell beste Team der Welt präsentierten sich Paris aber sehr gut. Einem 1:1 im Hinspiel folgte eine knappe 1:2-Niederlage. Es ist also keinesfalls davon auszugehen, dass im diesjährigen Viertelfinale zwischen Bayern und PSG irgendein Team favorisiert wäre.
Beide erzielen viele Tore, beide haben bisher gut verteidigt. Es wird ein absolutes Topspiel. Eines, das verdientermaßen auf der ganz großen Bühne stattfinden wird. Wie viele Fans letztendlich da sein werden, ist derzeit noch nicht absehbar. Erfolge wie im Ausland sind nicht zu erwarten. Zugleich ist es aber wichtig, dass der FC Bayern, aber auch der VfL Wolfsburg diesen Schritt nun gehen.
Bayern holt Big Points gegen Frankfurt
Wichtig war auch der Sieg der Bayern in der Bundesliga am Freitagabend. Gegen formstarke Frankfurterinnen zeigte das Team von Jens Scheuer abermals, dass sie gereift sind in den vergangenen Monaten. Wie schon gegen Hoffenheim war es ein Spiel mit vielen Höhen, aber auch einigen Tiefen.
Frankfurt presste hoch, offenbarte Bayerns Schwächen im Spielaufbau, wenn sie sich nicht übers Zentrum befreien können. Dennoch waren die Münchnerinnen über die meisten Phasen spielbestimmend. Vor allem wenn sie sich doch mal von der Außenbahn auf die ballferne Seite befreien konnten, waren sie gefährlich. So auch, als Maximiliane Rall ihre Farben mit 1:0 in Führung brachte.
Die Eintracht aber blieb physisch gegen den Ball und schaffte es, Bayerns Offensive stark einzuschränken. Noch vor der Halbzeit gingen sie sogar mit 2:1 in Führung. Ein Rückschlag, der die Bayern noch in der vergangenen Saison oder davor umgeworfen hätte. Aber Scheuer wechselte, brachte Giulia Gwinn und Sydney Lohmann. Letztere brauchte bei ihrem Comeback nach langer Verletzung einiges an Minuten, um reinzufinden, war aber gegen Ende der Partie ein wichtiger Baustein dafür, dass Bayern doch noch mit 4:2 gewann.
Entscheidender Push für die entscheidende Saisonphase?
Kurz nach der Pause brachte Lea Schüller mit einem schönen Treffer die Dynamik zurück ins Bayern-Spiel. Der Ausgleich war spürbar wichtig. Während Frankfurt immer mehr Fouls einstreute, bestrafte Viviane Asseyi das, indem sie das Chaos nach einem Magull-Freistoß zur wichtigen Führung nutzte (79.). Die Gäste probierten nochmal alles, aber wie gegen Hoffenheim hatte Jovana Damnjanovic das letzte Wort.
Wieder traf sie zum 4:2-Endstand. Ein Szenario, das die Bayern sicher auch am Dienstag unterschreiben würden. Dann hat Scheuer die Qual der Wahl: Wen stellt er in der Offensive auf? Und will er Damnjanovic für ihre herausragenden Leistungen belohnen oder sie weiterhin als Option von der Bank behalten?
Aus dem Team ist derzeit ein Selbstvertrauen zu spüren, das es so nicht mal im Meisterschaftsjahr gab. Die Spielerinnen glauben mehr denn je an sich und das kann sie weit tragen. Fußballerisch, da ist dieses Spiel der jüngste Beweis, haben sie ihre Schwächen. Aber die Teamdynamik und das neu gewachsene Selbstverständnis sind eine gute Basis für die jetzt entscheidende Saisonphase. Wer Hoffenheim und Frankfurt jeweils nach Rückstand schlägt, hat eine riesige Moral. Davon werden sie am Dienstagabend auch einiges benötigen.
Ich werde beim historischen Champions-League-Abend vor Ort für Miasanrot berichten – und vorher noch das eine oder andere Gespräch mit euch führen, wenn ihr Lust darauf habt. Folgt mir dafür auf Twitter, ich werde dort rechtzeitig Bescheid geben, wann ich am Stadion bin. Tickets gibt es hier zu kaufen – Preise: 5-15 €.