Adventskalender: Unsere Wunschtransfers – Türchen 22
Situation beim Spieler
Xavi beim FC Bayern? Der Xavi? Xavi Hernández? Ich weiß genau was ihr denkt. Mia san Rot sind zum Ende des Adventskalenders die Transfergerüchte ausgegangen, weshalb sie jetzt wild damit anfangen irgendwelchen Fußballlegenden Transfers anzudichten, aber falsch gedacht! Zwischen der unendlichen Anzahl Paralleluniversen, gibt es auch eine, indem sich ein scheinbar stagnierender Xavi im Sommer 2008 gegen Pep Guardiola und für Jürgen Klinsmann entschied.
„Nach der Euro 2008 hatte ich das Gefühl, Barcelona wäre bereit, mich abzugeben. Damals dominierte Real Madrid und nicht wir. Ich fuhr zur Nationalmannschaft mit dem Bewusstsein, dass der Klub mich verkaufen würde, sobald ein Angebot käme. […] Ich sprach mit meinem Agenten und er sagte mir, es gäbe ein Angebot von Bayern München, Karl-Heinz Rummenigge wolle mich.“Xavi in der Marca
Um zu verstehen, wie Barcelona auch nur auf die Idee hätte kommen können, einen der besten Fußballer aller Zeiten zu verkaufen, muss man sich vor Augen führen, dass genau das Xavis Ruf vor der Europameisterschaft im Jahr 2008 nicht war. In einer von der englischen Physis der Premier League beherrschten Welt, war Xavis Ruf bloß der eines starken Technikers, nicht viel mehr. Von Weltklasse sprachen die wenigsten. Eher Kategorie Mitläufer, denn Leistungsträger. Alles in allem ein typischer Spieler, den man dann gerne abgibt, wenn es zwei Jahre lang nicht läuft und ein Umbruch vollzogen wird.
Situation im Verein
Im Sommer 2008 schien alles eitel Sonnenschein beim FC Bayern. Nach der Schmach der Degradierung in den UEFA-Pokal in Folge der katastrophalen Planung rund um Michael Ballacks Abgang, ging der Verein an das berüchtigte Festgeldkonto und verpflichtete mit Franck Ribéry, Luca Toni, Miroslav Klose und Zé Roberto echte Qualität, mit der man es fast im Vorbeigehen zum nationalen Double zurück geschafft hatte. Nun, da Ottmar Hitzfeld wieder Stabilität in den Verein bringen konnte, war es an der Zeit, neue Horizonte zu erobern. Wie schon die Nationalmannschaft, sollte Jürgen Klinsmann auch das Spiel des FC Bayerns in die Fußballmoderne hieven.
Das Ergebnis ist bekannt, in Ermangelung eines Schattenzuarbeiters wie Joachim Löw, fiel das Kartenhaus Klinsmann vollständig zusammen. Von frischem Angriffsfußball war wenig zu sehen, am Ende wurde der VfL Wolfsburg Meister, in der Champions League setzte es ausgerechnet gegen eben Xavis Barcelona die wichtigste Niederlage des Jahrtausends und am Ende musste Jupp Heynckes die Scherbenhaufen einer Saison in Form der Qualifikation zur Champions League retten.
Was wäre wenn…
Das zentrale Mittelfeld bestand damals fest aus Kapitän und Kampfschwein Mark van Bommel, sowie Kreativkopf Zé Roberto. Der Brasilianer durchlief damals einen wahrlich goldenen Karriereherbst, er kehrte mit 33 zum FC Bayern zurück und wurde endlich auf seiner besten Position eingesetzt, im zentralen Mittelfeld. Als tiefstehender Spielmacher erreichte er zwar fast Weltklasseniveau, doch an die Qualität Xavis reichte er natürlich nicht heran. Wäre der Katalene gekommen, hätte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Zé Robertos Rolle im Team übernommen, wobei auch ein 4-3-3 zusammen mit dem Brasilianer denkbar gewesen wäre.
Schon damals Weltklasse
Mit Xavi hätten die Bayern auf Jahre hin einen Halbgott im Team gehabt, wobei es ziemlich unklar ist, ob die breite Öffentlichkeit dies überhaupt bemerkt hätte. Denn wagte ich es weiter oben den großen Xavi zum Mitläufer zu deklarieren, schrieb ich ausschließlich von seinem Ruf, nicht seiner eigentlichen Qualität. Bei Xavi hat während dieser EM sicher nichts magisch Klick gemacht, infolgedessen er urplötzlich einen Sprung von solide, zum womöglich besten Mittelfeldspieler der Geschichte, gemacht haben sollte.
Unter anderem, weil sich seine Teams nun vollständig auf sein Kurzpassspielstil einließen, erreichte er mit der EM zwar tatsächlich nochmal ein neues Niveau, ja, doch weltklasse war er schon vorher. Gemerkt hatte es nur keiner. Wenn irgendwem die Augen geöffnet wurden, dann der breiten Öffentlichkeit.
Spanien kam so stark über das Passspiel, dass es die Menschen zwang, Xavi und Iniesta in völlig neuem Licht zu betrachten. Ein Licht, welches spätestens nun, auch der Führung des FC Barcelona aufgehen sollte. Xavi selbst berichtet zwar, dass erst das Gespräch mit seinem neuen Trainer Pep Guardiola ihn zum Verbleib animierte, doch es erscheint auch so reichlich unwahrscheinlich, dass der katalanische Gigant den besten Spieler der Euro abgegeben hätte.
Eine völlig alternative Geschichte
Nein, spinnen wir das Rad einer alternativen Vergangenheit, müssen wir wohl oder übel auch Spaniens Triumph in den Alpen tilgen. Nur so erscheint es auch nur im Entferntesten vorstellbar, dass die Katalanen einen ihrer drei tüchtigsten Schüler La Masias fortgeschickt hätten.
Doch wie wäre die Fußballgeschichte verlaufen ohne Xavi im Herzen Barcelonas? Wäre Guardiolas Fußball genauso einflussreich geworden? Vermutlich hätte er trotzdem weite Kreise geschlagen, schließlich war sein erfundenes Gegenpressing auch unabhängig von Xavi implementierbar, doch hätte sein Fußball mutmaßlich weniger Erfolg gehabt.
Spannender ist die Frage, ob sich Xavi auch beim FC Bayern zum gleichen Spieler entwickelt hätte. Dies bezweifle ich tatsächlich, denn auch wenn all diese Stützen des FC Barcelonas sicher fußballerische Giganten sind, seien es Xavi, Busquets, Iniesta, Guardiola oder selbst Messi. Sie alle eint auch, dass sie aufeinander aufbauen. Für sich genommen mögen sie schon weltklasse darstellen, doch erst als Symbiose, konnten sie die allerhöchsten Gipfel des Fußballspiels erklimmen.
Xavi beim FC Bayern wäre gewiss weltklasse, doch er wäre nicht derselbe Spieler geworden, wie er es unter Guardiola wurde. Für den Fußballliebhaber mag das schade sein, doch dem FC Bayern hätte das egaler kaum sein können. Ein Mittelfeld aus Xavi, Bastian Schweinsteiger und mutmaßlich einem Zerstörer wie später Javi Martínez? Das Wasser läuft einem im Munde zusammen! Klinsmann hätte niemand retten können, doch bleiben wir mal bei der Annahme, Louis van Gaal wäre trotzdem Trainer geworden, wäre diese Aussicht absolut realistisch.
Die weitere Geschichte des Fußballs hätte womöglich einen ganz, ganz anderen Verlauf genommen. Die Möglichkeiten sind endlos und splitten sich in wieder neue Möglichkeiten auf. Die Rede ist hierbei von potenziell ganz anderen Siegern von Champions Leagues und Weltmeisterschaften. Viel mehr als vielleicht bei allen anderen Türchen unseres Adventskalenders, hätte dieser Transfer wohl alles, und die Rede ist wirklich von allem, auf den Kopf gestellt. Die Parallelerde mit Xavi im Dress des FC Bayerns sollte wirklich substanziell anders aussehen und bis hin zum heutigen Tage, wo Xavi längst nicht mehr spielt, Konsequenzen mit sich ziehen.
Am Ende doch nur ein Traum
Bloß gut also, dass dieser Transfer am Ende dann doch nie zustanden gekommen wäre. Denn auch wenn Xavi selbst nach Österreich mit der Einstellung fuhr, seinen Heimatverein nach dem Turnier verlassen zu würden, Guardiola hätte das doch nie zugelassen. Jedenfalls kann ich mir das unmöglich vorstellen.
Guardiolas Machtfülle war zwar als unerfahrener Cheftrainer noch bei weitem nicht so groß, wie er sie später haben sollte. Doch war er immerhin mächtig genug, große Namen wie Deco und Ronaldinho wegzuschicken. Die EM dürfte Guardiolas Liebe zu Xavi sicherlich nicht entfacht, sondern höchstens befeuert haben.
Auch wenn es Gespräche gab und Xavi womöglich bereits an München dachte, das große Vorbild aller ihm nachkommenden Mittelfeldspieler jemals im Trikot des FC Bayerns zu sehen, verbleibt ein Fiebertraum. Ein wunderschöner Traum, ja, aber eben doch nur ein Traum.
Hinweis für morgen: Wenn Karl-Heinz Rummenigge in den letzten Jahren in Interviews von einem Spieler schwärmte, dann war vor allem einer der Rezipient dieser Schwärmereien.
Desweiteren: Ursprünglich sollte es morgen um einen ganz anderen Spieler gehen, doch in letzter Sekunde, gab es bei uns Veränderungen. Da ich das Zitat im ursprünglichen Spoiler aber so sehr mag, möchte ich ihn trotzdem hier veröffentlichen.
„Barrilete cósmico! ¿De qué planeta viniste?„
„Du kosmischer Drachen! Von welchem Planeten magst du nur stammen?„