Martí Perarnau – »Herr Guardiola« + Gewinnspiel

Jan Trenner 29.08.2014

Die nächste und weitaus größere Überraschung ist, dass Pep mir freien Zugang zur Mannschaft gewähren wird. […] Er [der freie Zugang] eröffnet eine andere Dimension. Er bedeutet, alles sehen und alles hören zu dürfen. […] Nicht im Traum hätte ich zu hoffen gewagt, dass die erfolgreichste Mannschaft Europas und der beste Trainer des Jahrzehnts mir dieses Privileg einräumen würden.
»Herr Guardiola«, Martí Perarnau, S. 60

Der FC Bayern und Pep Guardiola verlangen dafür komplette Diskretion während der Saison. Perarnau darf schreiben was er hört und sieht, muss aber Stillschweigen bis zum letzten Auftritt in der Spielzeit 2013/14 wahren. Ein guter Deal für den Autor und alle Leser, da »Herr Guardiola« kein Portrait von Pep Guardiola oder Abhandlung über seine Spiel- und Trainingsphilosophie ist, sondern mehr eine Reise durch seine erste Bayern-Saison mit allen Höhen und Tiefen, die aus mehreren Perspektiven betrachtet wird. Martí Perarnau zeigt sich als geschulter Taktik- und Spielerbeobachter, der Guardiolas Veränderungen am Bayern-Spiel Schritt für Schritt und an konkreten Beispielen aufzeigt und bewertet. Wie viel Pep steckt bereits im FC Bayern und wie geht es weiter? Perarnau ordnet ein, erzählt und erläutert. Doch zuerst zu zwei Eigenheiten des Buches, wodurch es eine Empfehlung nicht nur für Bayern-Fans wird.

Die Sprache des Trainers

Über Pep Guardiola wurden unzählige Artikel geschrieben und meist versucht man sich an einer Beschreibung seiner »Idee« und der damit verbundenen Spielweise. Perarnau berichtet von den drei Stufen der Unterscheidung, mit der Pep Guardiola arbeitet: Idee, Sprache und Spieler.

Der Begriff »Sprache« wird in den Diskussionen dieser Saison häufig fallen. Er bezieht sich auf eine bestimmte Vorstellung von Fußball, sowohl im Hinblick auf den Spielaufbau als auch auf die Trainingsmethode. Guardiola unterscheidet zwischen Idee, Sprache und Spielern.
»Herr Guardiola«, Martí Perarnau, S. 65

Bekanntermaßen ist »Ballbeherrschung« der Kern von Peps Idee, wobei die Sprache grundlegende Spielweisen und Trainingsinhalte sind. Barcelonas »La Masia« ist das Paradebeispiel für eine Fußballsprache, die von klein auf in tausenden Übungsstunden trainiert und erprobt wird. Der FC Bayern München hat so etwas nicht und ist seit einiger Zeit um die Etablierung einheitlicher Trainingsgrundsätze bemüht. Nachdem Mehmet Scholl seinen Posten an Erik ten Hag weitergab, begann man bei den Bayern Amateuren Grundsätze der Spielweise der Profis auch in der U23 zu etablieren. Künftig soll die Durchlässigkeit, also die Chance für Spieler sich aus den Nachwuchskadern bis in die Bundesliga beim FC Bayern durchzusetzen, erhöht werden, wofür man Spielweise und System anglich. Phasenweise sieht eine Partie im Grünwalder Stadion zumindest von der Idee her so aus wie in der Allianz Arena. Wobei das komplexe Gefüge natürlich oft an der sich erst noch entwickelnden Souveränität und den Fähigkeiten der Spieler scheitert. Dennoch: Man beginnt beim FC Bayern eine gemeinsame Sprache zu lehren. Die Verpflichtung von Pep Guardiola und die Steuerung über Matthias Sammer tut den Münchenern gut. Wer übrigens noch immer über die Aufgaben von Sammer nachdenkt, oder es wie einige Journalisten hält und ihm gar keine zutraut, sollte Perarnaus Buch lesen. Sammer wird als wichtiger Bestandteil in der täglichen wie langfristigen Arbeit von Trainer, Mannschaft und Funktionsteam beschrieben.

Um diesen Absatz mit einem konkreten Hinweis auf Guardiolas »Sprache« zu beenden und im Anschluss auf die Spieler zu blicken, zitieren wir erneut Martí Perarnau:

Die Bayern-Sprache wird einfach zu verstehen sein: gemeinsam von Neuer aus vorrücken, ruhig, ohne Hast, vor allem aber gemeinsam, und dann, hinter der Mittellinie, auf zum Gefecht! […] den Ball auf die Außen zu spielen, wie es auch in Barcelona üblich ist, aber nicht, um ihn wieder nach innen zu geben und zu versuchen, durch die Mitte durchzubrechen, sondern um die Bälle in den Strafraum zu schlagen […] um die abgewehrten Bälle abzufangen und einen zweiten Angriff zu starten. Darum muss das Gros der Mannschaft vor dem Strafraum bereitstehen.
»Herr Guardiola«, Martí Perarnau, S. 114

Am häufigsten hat man in den letzten Tagen von der neuen Einordnung des »Tiki-Taka« gelesen, für das Barcelona berühmt und berüchtigt war, worauf Pep Guardiola aber keinen Wert legt:

Meine Herren, was Sie da sehen, ist Tiki-Taka, und das ist Scheiße. Diese Art von Ballbesitz interessiert uns nicht die Bohne. Banaler geht es nicht. Man spielt ab um des Abspielens willen. Was wir brauchen ist, dass unser zentraler Mittelfeldspieler und die Verteidiger aggressiv nach vorn gehen und die Reihen des Gegners durchbrechen
»Herr Guardiola«, Martí Perarnau, S. 190

Ballbesitz hat immer den Torerfolg als Ziel und nicht die Abwendung von gegnerischen Aktionen, wobei dies natürlich einander bedingt. Guardiola möchte aggressiv spielen, am Zug sein und die gegnerischen Bemühungen durchbrechen. Beim Champions League Spiel gegen ZSKA Moskau und gegen Schalke 04 funktionierte das in der Saison 2013/14 erstmals nach Guardiolas Vorstellungen. Viele weitere Auftritte folgten, aber mit letzter Konsequenz wird der FC Bayern dies erst in Peps zweitem Jahr verinnerlicht haben. Die Entwicklung der Mannschaft folgt einem Prozess und vielen Trainingsstunden, denen Inhalte zur Vermittlung spezieller Spielzüge und auf Gegner angepasste Situationen zugrunde liegen. In einem Jahr konnte das Trainerteam einen ersten Schritt gehen und war am Ende selbst von der Leistungsfähigkeit überrascht. Die Spielzeit 2014/15 wird eine Etablierung und noch mehr Feinheiten ermöglichen. Guardiola hat eine »Schatzkarte« mit allerhand Varianten und Spielzügen im Kopf, die er mitunter trainieren lässt, aber erst wesentlich später gezielt auf den passenden Gegner anwendet. Einerseits etabliert er damit Schritt für Schritt über einen längeren Zeitraum seine Ideen und gibt Spielern Möglichkeiten an die Hand, andererseits überfordert er sie nicht durch ein plötzliches und zu starkes Umkrempeln.

Die Spieler

Aktuell wird Pep Guardiola und die Transferpolitik des FC Bayern von Fans häufig kritisiert, weil viele eine übermäßige Verpflichtung von Spaniern erkennen, die es bisher noch nicht in München gab. Ausschlagebend ist ebenfalls die Aussage des Trainers, dass er sich der Mannschaft anpassen muss und nicht die Mannschaft ihm. »Herr Guardiola« bietet Einblicke in die Funktionsweise des FC Bayern hinter den Kulissen und seine Spieler. Ohne Frage gab es viele spieltaktische Neuerungen, die viel vom einzelnen Spieler und Kollektiv fordern. Einige kamen auf Anhieb gut zurecht, bei anderen dauerte es ein wenig.

Perarnau beschreibt ebenfalls Differenzen und unterschiedliche Meinungen im Team. Mit Mario Mandzukic hatte Pep Guardiola Probleme, obwohl er in der Mannschaft beliebt war und sich z.B. läuferisch aufopfert, kommt seine Aggressivität auch im Training zu Tage. Franck Ribéry brauchte lange Zeit, um sich von der Seitenlinie zu lösen und Räume zentral vor dem Tor zu suchen. Guardiola war / ist überzeugt, dass der Franzose ohne die Begrenzung der Außenbahn noch effektiver spielen kann. Zu Saisonbeginn wurde Ribéry in der Öffentlichkeit als »falsche Neun« diskutiert. Toni Kroos gilt als einer seiner Lieblinge, da er technisch hochbegabt ist und den Ball mit beinahe perfekter Präzision verteilen kann. Es ist bekannt, dass sich Guardiola für einen Verbleib des jungen Rostockers in München einsetzte, dieser aber lieber den Weg nach Spanien zu Real Madrid suchte.

Besonders überzeugt ist der Katalane auch vom jungen Dänen Pierre-Emile Højbjerg, dem er mehr Trainingsstunden und Erklärungen widmet als vielen anderen. Perarnau stellt hier den Vergleich zwischen Cruyff an, der Guardiola viel beibrachte und nun Pep, der Højbjerg das »ABC des Mittelfeldspiels« lehrt. Diese Arbeit passierte im Trainingslager am Gardasee, wurde in der restlichen Saison fortgesetzt und erreichte seinen Höhepunkt mit dem Startelfplatz für Pierre beim Finale des DFB-Pokals in Berlin.

Ebenso begeistert ist Guardiola von Boateng, den er als »ungeschliffenen Diamanten in Händen hält«. Bereits in der letzten Saison machte Jerome einen gewaltigen qualitativen Sprung, während David Alaba zuerst mit Anpassungsproblemen kämpfte, die auch in den Vorbereitungsspielen für die Saison 2014/15 während der USA-Reise deutlich wurden. Aktuell erlebt man in München die Begeisterung für einen neuen »Rohdiamant« mit Namen Gianluca Gaudino. Der junge Mittelfeldspieler erhielt viele Spielminuten in der Vorbereitung und durfte in den ersten Pflichtspielen auf den Platz. Martí Perarnau sieht Pep Guardiola irgendwann einmal als Trainer in England und später als Ausbilder. Junge Spieler kann er am besten formen.

»Ich möchte nichts anderes, als meinen Spielern Prinzipien zu vermitteln, die die Risiken auf ein Minimum reduzieren und ihre Qualitäten maximal zur Geltung bringen«
Pep Guardiola in »Herr Guardiola«, Martí Perarnau, S. 190

Kaufempfehlung

»Herr Guardiola« überzeugt durch den Mix aus Taktik, (Spiel)Philosophie, Hintergrundgesprächen mit Guardiola, seinem Trainerteam, dem Vorstand und Spielern. Perarnau ordnet die Saison 2013/14 unter Pep Guardiola ein, beschreibt detailliert die vorgenommenen Veränderungen, den stets an sich zweifelnden katalanischen Trainer, Erfolge, Misserfolge und das allzeit bestehende Problem der Verletzungen, wodurch oftmals »Notlösungen« helfen mussten und die Entwicklung von Automatismen Zeit brauchte. Obwohl man bei dem Buchtitel eine Biografie erwartet, ist »Herr Guardiola« mehr als das und weiß die Person Guardiola zu beschreiben ohne den Blick vom FC Bayern abzuwenden.

Als Leser lernt man viel und weiß im Anschluss mit einem geschärften Blick auf die nächste Spielzeit mit Pep in München zu blicken. Eine Spielzeit, die weitere Veränderungen bringen und definitiv nicht an Spannung verlieren wird. Wer noch wankt und sich nicht zu einem Kauf entschließen kann, dem sei gesagt: Bestellt »Herr Guardiola«. Man wird es nicht bereuen.

Das zweite Jahr verspricht intensiver als das erste zu werden, denn Pep will mehr Pep sein denn je. Mutiger und profunder in seiner Spielkonzeption. Mit Spielern, die von der »neuen Sprache«, die er einführen will, noch überzeugter sind, die sie besser kennen und sich mit ihr identifizieren.
»Herr Guardiola«, Martí Perarnau, S. 425

Eines von fünf Büchern »Herr Guardiola« gewinnen

Update 31.08.2014, 18.00 Uhr: Das Gewinnspiel ist beendet. Wir bedanken uns bei allen Teilnehmern und werden die Gewinner nun kontaktieren.

Allgemeine Buchinformationen

* Seitenzahlen in dieser Rezension beziehen sich auf eine digitale Vorabversion des Buches, wodurch Unterschiede zum Druck bestehen können.

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