Roundtable: FC Bayern vor dem Showdown mit Lazio
Ein harmloser FC Bayern verlor das Hinspiel nach einem Upamecano-Patzer mit 0:1. Im Rückspiel muss der Champions-League-Sieger von 2020 nun gewinnen, um nicht erstmals seit 2019 im Achtelfinale auszuscheiden.
„Air“ Musiala reicht nur für ein 2:2 des FC Bayern in Freiburg
Spielbericht zur Youth League: FC Bayern U19 im Viertelfinale
Podcastfolge Miasanrot #324 Endlich Kleberl für das Mia san mia?
Hoffnung aus der Vergangenheit
Es ist nicht das erste Mal, dass der FC Bayern im Rückspiel eine Niederlage aus dem Hinspiel wieder gut machen muss. An welche historische Ausgangslage erinnert euch die aktuelle Saison?
Florian: Persönlich erinnere ich mich gut an die Partien gegen den FC Basel, als Bayern in der Schweiz das Hinspiel verlor, und dann gegen Sommer, Shaqiri und Co. im Rückspiel deutlich mit 7:0 gewinnen konnte. Am Dienstag rechne ich nicht mit einem so deutlichen Ergebnis, traue der Tuchel-Elf aber dennoch ein Weiterkommen zu.
Maurice: Ähnlich wie Florian bleibe ich auch bei positiven Erinnerungen und gehe zurück ins Jahr 2015, als die von Pep trainierte Mannschaft in Porto sogar mit 1:3 unter die Räder kam. In einer absoluten Gala-Vorstellung konnte man die Portugiesen mit zwei frühen Toren schocken und mit fünf Treffern zur Halbzeit die zweite Hälfte sogar zur Belastungssteuerung nutzen.
Justin: Ich erinnere mich eher an das Duell mit Villarreal, wobei die Ausgangslage heute eher deutlich schlechter ist. Bayern hatte ja damals wenigstens eine Form, in der man ihnen zugetraut hat, entsprechend zu antworten, was dann aber nicht gelang. Diesmal haben sie eine Form, in der mich ein Ausscheiden nicht verwundern würde. Ich sehe Bayern zwar immer noch favorisiert, habe aber ein mulmiges Gefühl.
Darauf muss der Fokus liegen
Das Spiel in Rom war ein weiterer Tiefpunkt in einer schwachen Spielzeit. Worauf sollte Tuchel in der Vorbereitung auf den Showdown mit Lazio besonderes Augenmerk legen?
Florian: In erster Linie: Das Spiel gewinnen. Lazio hat gerade auch nicht die allerbeste Phase, die Bayern müssen, mit dem Publikum im Rücken, von Anfang an zeigen, wer Herr im Haus ist. Die einfachen Dinge richtig machen und als Team verteidigen. Zuletzt wirkte es eher so wie eine Ansammlung von elf Individualisten.
Andreas: Ich hoffe, dass er nicht allzu viel zur Vorbereitung sagen muss. Mit der möglichen Rückkehr von Leroy Sané, einem hoffentlich spielstarken Jamal Musiala und einem gut aufgelegten Harry Kane muss Lazio zu Hause einfach hoch geschlagen werden. Eigentlich sollte es wirklich völlig egal sein, wer auf der Bank sitzt oder auf dem Platz steht. Alle sollten einfach nur motiviert sein, um in die nächste Runde einzuziehen.
Niels: Motivation und Konzentration. Das Hinspiel sollte dem Rekordmeister aus taktischer Sicht genug gelehrt haben. Es ist ein Spiel von besonderer Bedeutung, denn ein Ausscheiden im Achtelfinale gegen Lazio Rom würde anders bewertet werden als ein Viertelfinal-Aus gegen Manchester City. Die aktuelle Verfassung von Lazio zwingt die Bayern eigentlich zu einem Sieg, egal wer dabei auf dem Feld steht. Geht dieses Spiel verloren, wird gehörig am Trainerstuhl von Tuchel gesägt werden.
Wer gegen Lazio treffen muss
In der Offensive trainierte der gegen Freiburg verletzte Sané wieder mit der Mannschaft. Welche Angriffsreihe erwartet ihr von Beginn an in einem Spiel, bei dem der FC Bayern mit zwei Toren Unterschied gewinnen muss, um das Elfmeterschießen oder Aus zu vermeiden?
Maurice: Nach den letzten Auftritten wäre es doch sehr fahrlässig, wenn Tuchel den jungen Tel nicht von Beginn an auflaufen lässt. Der Franzose war in fast allen Minuten im Jahr 2024 der aktivste Spieler auf dem Platz, auch wenn er manchmal zu oft die eigene Lösung sucht. Das Trio aus ihm, einem genesenen Sané und Musiala hinter Kane sollte zumindest in der Theorie die besten Aussichten auf ein torreiches Spiel bieten.
Sophia: Für Sané kommt ein Startelfeinsatz meiner Meinung nach zu früh. Man sollte nicht erneut den Fehler machen, einen Spieler zu früh zu bringen, um Resultate zu erzwingen, egal wie groß seine individuelle Klasse ist. Denn im Hintergrund lauert immer eine mögliche Verschlechterung der Problematik bei Überlastung. Harry Kane und Jamal Musiala sollten gesetzt sein, waren sie doch die wenigen Lichtblicke im Offensivspiel. Die Abstimmung zwischen Thomas Müller und Mathys Tel hätte sich Thomas Tuchel anders erhofft, dennoch denke ich, dass das Duo eine weitere Chance bekommt. Müller geht als Führungsperson voran, während Tel seine gute Form unter Beweis stellen kann. Serge Gnabry dürfte sein Comeback mit einem Kurzeinsatz feiern, während Bryan Zaragoza wahrscheinlich weiter auf der Bank schmort und wir uns alle die Frage stellen: wieso wurde der jetzt eigentlich schon geholt? Zu guter letzt tippe ich auf eine Einwechslung von Eric Maxim Choupo-Moting um die 60-70 Minute herum. Mit seiner Körperlichkeit und dem Spiel mit dem Rücken zum Tor könnte er die ein oder andere Lücke gegen müde Italiener aufreißen.
Justin: Tuchel muss nach dem Freiburg-Spiel weiter auf Tel bauen. Ihm jetzt wieder das Selbstvertrauen zu nehmen, wäre absurd. Zumal Sané einfach eine schwache Form hat und auch alle anderen nicht wirklich überzeugen. Meine Offensive: Tel, Musiala, Kane und dann einer aus Sané und Müller.
Nochmal mit Kimmich hinten rechts?
Auch aus Mangel an verfügbaren Optionen ließ Tuchel in den letzten Wochen Kimmich als Rechtsverteidiger auflaufen. Der Nationalspieler hatte hier mehrfach defensive Probleme, weshalb Tuchel ihn gegen Freiburg vorzeitig vom Feld nahm. Zudem fehlt Upamecano rot gesperrt. Wie wird der Defensivverbund aus Abwehrzentrum und Mittelfeld gegen Lazio aussehen?
Andreas: Ich denke, trotz Upas Ausfall gibt es genug Optionen. Auch wenn Kimmich zuletzt enttäuscht hat, sollte Kimmichs Qualität rechts für Lazio reichen. De Ligt und Minjae wären dann zentral und mit Davies über links würde sich eine passable Viererkette bilden lassen. Auf den zentralen defensiven Positionen könnten Goretzka und Pavlovic spielen, während Sané (rechts) und Musiala (links) außen agieren und Müller zentral. Dier, Tel und Guerreiro wären dann außen vor, aber dennoch sehr gute Alternativen. Ich glaube nicht, dass Lazio massiv angreifen wird. Es wird eher wieder eines dieser Spiele sein, in denen spielerische Lösungen und natürlich Tore gefragt sind.
Sophia: Der Rückzug von Kimmich auf die augenscheinlich bekannte Position des Rechtsverteidigers ist gescheitert und auch Julian Nagelsmann sollte als Trainer der Nationalmannschaft seine Rückschlüsse daraus ziehen. Somit erfordert die knappe Personalsituation auf den Außenpositionen eine Rückkehr von Konrad Laimer auf Rechts, während Raphael Guerreiro auf Links sehr wahrscheinlich den Vorzug vor Alphonso Davies erhält. Durch die Sperre von Upamecano komplettiert sich die Innenverteidigung eigentlich von selbst: Eric Dier, der sich bislang stets solide präsentierte und mit cleveren langen Bällen und Verlagerungen seine Mitspieler fand, sowie Matthijs de Ligt. Seine Teilnahme an der abschließenden Pressekonferenz vor dem Spiel verstehe ich jedenfalls als Wink mit dem Zaunpfahl. Für Minjae Kim wird trotz Italien-Erfahrung wahrscheinlich die Bank drohen.
Niels: Durch den Ausfall von Upamecano wird die Zentrale aus Kim und Dier bestehen. Kim ist Tuchels Liebling und kann mit seiner Zweikampfhärte gegen die Italiener punkten. Das hat er im Hinspiel bereits gezeigt. Tuchel wird Dier de Ligt vorziehen, weil er in ihm den besseren Spielgestalter sieht. Kimmich war gegen Freiburg auf hinten rechts abermals verloren, deshalb erwarte ich Laimer auf hinten rechts und Kimmich in der Zentrale. Zumindest für den Beginn des Spiels. Hinten links wird Davies spielen, seine offensiven Läufe werden eher gefragt sein als seine Defensivzweikämpfe. Das Mittelfeld wird dann komplettiert durch Pavlovic.
Souveräner Sieg oder Lucky Punch?
Welchen Spielverlauf erwartet ihr? Ein klassisches Tuchel-Abtasten mit Potential zum Lucky Punch und Verlängerung oder lässt der Trainer seine Spieler von der Kette, wie es einst nur Carlo Ancelotti zu tun vermochte?
Justin: Ich erwarte einen ähnlichen Verlauf wie zuletzt fast immer. Ein Start, in dem man sieht, dass Bayern gewillt ist. Nutzen sie hier früh eine Chance, könnte das beflügeln. Gelingt das nicht, wird es wieder zäh – inklusive der Gefahr, dass Lazio mitbekommt, dass sie gute Chancen haben und es dann wieder wackelig wird.
Georg: Ein defensiv kontrollierendes Spiel wäre nicht gut für den FC Bayern. Je länger es 0:0 steht, desto größer wird die Verunsicherung. Gleichzeitig spricht derzeit nichts für ein befreiendes Feuerwerk, wie etwa in den angesprochenen Rückspielen gegen Porto und Salzburg. Und doch traue ich es ihnen zu. Bayern muss schnell in einen dominanten Modus schalten. Die Mannschaft ist weder satt noch hat sie ein Mentalitätsproblem. In diesem Rückspiel können sie genau das beweisen. Und sie werden es beweisen. Ich erwarte einen souveränen Sieg.
Andreas: Wie Georg hoffe ich auch auf einen souveränen Sieg, die Bayern müssen einfach Alles-oder-Nichts spielen. Ich habe auch das Gefühl, dass Tuchel nicht mehr wirklich die volle Kontrolle über das Team hat. Und ich bin mir sicher, dass jeder einzelne definitiv in die nächste Runde will und von Anfang an Vollgas geben wird. Wenn dann früh ein Tor fällt, kann das Spiel sehr gut ausgehen. Wenn nicht, hoffe ich, dass das Bayern-Kartenhaus nicht zusammenfällt, wie es manchmal in dieser Saison der Fall war.
Alexander: Auch wenn es sich paradox anhören mag, ich wünsche mir für dieses Spiel, dass die Spieler gewissermaßen gegen den Trainer spielen; dass sie sich vornehmen, in einer emanzipatorischen Aufwallung das belastende Joch der ungeliebten und fremden Taktik des Coaches einmal abzuschütteln und ein Zeichen zu setzen: „Ha, wir leben noch, wir können noch Fußball spielen, egal wie sehr wir uns taktisch verbiegen sollen und wie wenig wir verstanden werden – und heute beweisen wir euch, was in uns steckt, und wenn wir uns selbst dazu ermächtigen müssen.“
Raus, und dann?
Sollte der schlimmste Fall eintreten und der FC Bayern gegen Lazio in der heimischen Arena ausscheiden, wäre dies das Ende von Tuchel und wenn ja, wie würde man die Zeit bis zum Saisonende überbrücken?
Florian: Sollte der FC Bayern gegen Lazio scheitern, sehe ich keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit mit Thomas Tuchel. Ich gebe Tuchel zwar recht, dass er nicht das alleinige Problem ist, allerdings wird bei einem weiteren Rückschlag der Druck so groß sein, dass am Ende nur die Entlassung stehen kann und wird. Eine internen Interimstrainer sehe ich nicht. Wenn es zur Tuchel-Entlassung kommen wird, könnte ich mir eine Zwischenlösung mit Bayern-Vergangenheit vorstellen. Vielleicht ein Trainer, der im Sommer dann in das zweite Glied rückt und dem Verein erhalten bleibt, wie beispielsweise Miroslav Klose?
Georg: Ich rechne nicht mit einem Ausscheiden, aber falls doch, dann müsste Tuchel sofort gehen, ohne Wenn und Aber. Noch zehn Ligaspiele, dabei zehn Punkte Rückstand nach oben und zehn Punkte Vorsprung auf Platz vier, ohne die Champions League gäbe es kaum noch etwas zu gewinnen oder zu verlieren. Im März stehen Spiele gegen Mainz und Darmstadt an, bevor eine zweiwöchige Länderspielpause folgt. Das alles würde den Einstieg für den Nachfolger oder die Nachfolgerin einfach machen. Ich lese überall, es gebe keine Kandidaten für eine Interimslösung. Das halte ich, frei nach Beckenbauer, für Schmarrn. Ich würde es machen, wenn Eberl anruft. Und hunderte tatsächliche Trainer natürlich ebenso. Notfalls stellt man einen Ex-Spieler an die Seitenlinie und nennt ihn Teamchef.
Andreas: Ich denke wie Florian und Georg: es ist klar, dass die Tage von Tuchel mit einem Ausscheiden gezählt wären. Was dann passiert, wäre tatsächlich eine äußerst ungewöhnliche Situation. Allerdings versuche ich auch immer optimistisch zu sein und sage: Ohne jeglichen Druck hätte man wirklich viel Zeit, sich um den Umbruch im Sommer zu kümmern. Und das ist dann eine Chance, stärker als je zuvor zurückzukommen. Das Finale Dahoam 2025 muss das Ziel und die Vision sein.