Manchester United 0:1 FC Bayern München: Risikominimierung nach dem Debakel?
Nach der 1:5-Niederlage bei Eintracht Frankfurt wurde vielerorts darüber diskutiert, was Thomas Tuchel verändern müsse. Seine Antwort fiel minimalistisch aus. Lediglich einen Wechsel nahm der 50-Jährige vor: Jamal Musiala feierte sein Startelfcomeback und ersetzte damit Eric Maxim Choupo-Moting.
Die Ausgangssituation war für beide Teams sehr unterschiedlich – und doch wollten sie aus unterschiedlichen Gründen einen Sieg einfahren. Manchester United stand mit dem Rücken zur Wand. Immerhin die Europa League schien mit einem entsprechenden Ergebnis aber noch greifbar zu sein. Bayern wiederum wollte vor allem eines: Ein Stück Wiedergutmachung nach der Pleite in der Bundesliga.
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Manchester United vs. FC Bayern: Der Spielverlauf
Vom „Wut-Motor“ sprach Thomas Müller zwischen den beiden Partien. Dieser müsse nun anspringen, um eine Reaktion zeigen zu können. Von Wut war im Old Trafford allerdings wenig zu sehen. In der Anfangsphase sahen die Zuschauer*innen ein ausgeglichenes Spiel ohne jegliche Highlights. Die Bayern kombinierten sich zwei-, dreimal sehenswert nach vorn, kamen aber nicht gefährlich zum Abschluss. United wiederum hatte einen Distanzschuss von Luke Shaw verbucht.
In den höheren Pressingphasen der Red Devils war dem FCB die Verunsicherung noch anzumerken. Immer wieder flogen lange Bälle ins Aus oder der Ballbesitz wurde anderweitig hergeschenkt. Die von Tuchel viel zitierten „kritischen Fehler“, also Ballverluste mit einer Absicherung von fünf oder weniger Spielern, blieben diesmal aber größtenteils aus. Je länger das Spiel dauerte, desto mehr rissen die Bayern die Kontrolle an sich. Auch weil Jamal Musiala und Harry Kane sich fallen ließen und so den Spielaufbau unterstützten.
In den zweiten 45 Minuten war es dasselbe bild. Manchester United erwischte einen guten Start und konnte ein paar hohe Ballgewinne verbuchen, daraus aber keine Chancen kreieren. Die Bayern bekamen aber schnell wieder Kontrolle in ihre Aktionen. Am Ende reichte eine gut zu Ende gespielte Aktion mit Beteiligung des eingewechselten Thomas Müller, Harry Kane und dem Torschützen Kingsley Coman, um die Partie nahezu unaufgeregt zu gewinnen (71.).
Manchester United vs. FC Bayern: Das fiel auf
Tuchel zeigte sich nach der Partie hochzufrieden, sprach bei Prime Video sogar vom „besten Gruppenspiel“, das er von seinem Team gesehen habe. Hinsichtlich der Spielkontrolle ist ihm da kaum zu widersprechen. Defensiv ließen die Münchner nicht zu, in Ballbesitzphasen gelang es ihnen recht schnell, unruhige Phasen zu eliminieren. Es ist und bleibt der größte Gewinn der noch kurzen Tuchel-Zeit, dass die Bayern meist in der Lage sind, die Ruhe zu bewahren.
Nach einem Wochenende, an dem genau das nicht gelungen ist, war es wichtiger, abgeklärt und ruhig zu bleiben, als mit Wut in das nächste offene Messer zu laufen. In der jüngeren Vergangenheit haben die Bayern zwar offensiver und spektakulärer gespielt als jetzt unter Tuchel, doch sie waren auch anfälliger dafür, sich selbst mit Harakiri-Aktionen zu verunsichern. Was in Frankfurt geschah, erinnerte stark an Muster, die man hinter sich zu haben glaubte.
Auch Tuchel sprach unter der Woche davon, dass er und das Team geglaubt hätten, bereits weiter zu sein. Ein tieferer Einblick in seine Philosophie, als es zunächst den Anschein macht. Der Bayern-Trainer will kontrollierte, ruhige und abgeklärte Auftritte seiner Mannschaft sehen. Notfalls eben auch mal mit weniger Chancen, dafür aber mit defensiver Stabilität und gutem Ballbesitzspiel.
In Manchester gab es Momente, in denen man wackelte. Mit dem hohen Pressing kamen die Münchner nicht immer optimal klar. Auch in der Offensive fehlte in zu vielen Aktionen die Präzision – wie schon in Frankfurt. Zwar kommen die Bayern in die richtigen Räume, doch dort treffen sie aktuell zu häufig die falsche Entscheidung. Wichtig zu sehen war es für das Trainerteam aber, dass man sich diesmal dagegenstemmen konnte. Der Auswärtssieg bei United war eine gute Mischung aus Arbeit und der Rückgewinnung an Vertrauen in die eigenen Stärken.
Spieler des Spiels: Joshua Kimmich
Die Kritik an Joshua Kimmich ist in diesem Jahr besonders laut geworden. Bei vielen Fans kann der Mittelfeldspieler offenbar nicht mehr die Erwartungen erfüllen. Wobei die Frage erlaubt sein muss, was die Erwartungshaltung ist, wenn immer wieder ein möglicher Bankplatz oder gar Verkauf diskutiert wird. Denn auch wenn die Kritik an seinen Leistungen nicht unberechtigt ist, so zählt Kimmich nach wie vor zu den besten Spielern des Kaders. In Manchester hat auch er eine klare Reaktion auf das Frankfurt-Spiel gezeigt. Kimmich war nahezu immer anspielbar, entlastete damit die stark unter Druck stehenden Innenverteidiger und fand stets kluge Passwege in die Spitze. Auch defensiv war er stark, gewann vier seiner sechs Zweikämpfe am Boden und fing drei Bälle ab. Die Debatten um ihn werden sicher kein Ende nehmen, doch in Spielen wie in Manchester wird deutlich, was der FC Bayern an ihm hat – und dass die Probleme im Mittelfeld tiefer liegen als bei einzelnen Personalien.
Enttäuschung des Spiels: Manchester United
Der FC Bayern war verunsichert nach dem 1:5 in Frankfurt. In einzelnen Situationen war das zu sehen. Manchester United wiederum war das Team, das unbedingt gewinnen musste. Viel zu sehen war nicht davon. Abseits der angesprochenen höheren Pressingsituationen spielten die Red Devils größtenteils passiv und zurückhaltend. Mit dem Ball waren sie komplett harmlos. Mehr sei im Moment mit diesem Team einfach nicht möglich, erklärte Experte Matthias Sammer bei Prime Video. Ein trauriges Fazit für einen einstigen Spitzenklub. Dementsprechend sollte sich der FC Bayern aber auch davor hüten, die Kehrtwende größer zu machen als sie ist. Es war ein wichtiger Sieg für das eigene Selbstverständnis. Doch der VfB Stuttgart wird am kommenden Wochenende ein gänzlich anderes Kaliber.
Manchester United vs. FC Bayern: Was noch?
Auf den Rängen wurde den Fans des FC Bayern München eine besondere Ehre zuteil. Im Auswärtsblock wurde auf jedem der rund 3.800 Sitze je ein Brief deponiert, in dem sich die Fans der Red Devils bei den Münchnern bedankten. Der Grund: Ein Denkmal in München-Riem, das an das 1958 dort verunglückte Flugzeug erinnert. Damals kostete der Absturz mehreren Spielern von Manchester United das Leben. Am Old Trafford erinnert eine Uhr an die hochtalentierten „Busby Babes“, die nach Trainer Matt Busby benannt wurden.
Teil der Briefe war zudem eine Anstecknadel, auf der jener Adler zu sehen ist, den man nach dem Unglück auf der Brust trug. „Es ist ein schönes Zeichen, dass uns solch eine Aktion zuteil wurde“, erklärte Alexander Salzweger, Sprecher des Münchner Club Nr. 12, im Gespräch mit Spox: „Das ist absolut nicht selbstverständlich.“ Am Tag vor dem Aufeinandertreffen hatten Vertreter der Kurt Landauer Stiftung zu Ehren von Sir Bobby Charlton einen Blumenkranz vor dem Old Trafford platziert.
Manchester United vs. FC Bayern: Die Daten zum Spiel
Tor: 0:1 Coman (71.)
Gelbe Karten: Antony (53.), Amrabat (61.), Goretzka (88.)
Aufstellung Manchester: Onana – Diogo Dalot, Maguire (Evans, 40.), Varane (Mainoo, 80.), Shaw (Wan-Bissaka, 46.) – Amrabat, McTominay – Antony (Pellistri, 75.), Bruno Fernandes, Garnacho (Mejbri, 74.) – Höjlund
Aufstellung FC Bayern: Neuer – Mazraoui (Laimer, 46.), Upamecano, Kim, Davies – Kimmich, Goretzka – Coman (Tel, 77.), Musiala (Müller, 67.), Sané (Guerreiro, 90.) – Kane