Klara Sieg gegen Wolfsburg: Bühl entscheidet das Topspiel
Vor der Partie bangte Bayern-Trainer Jens Scheuer um seine Schlüsselspielerinnen Lina Magull und Sydney Lohmann. Letztendlich waren beide einsatzfähig und so gab es keinerlei Überraschungen in der Startelf.
Ausgangssituation und Erwartungshaltung waren klar: Die Bayern wollten das so wichtige Heimspiel gewinnen, um den Vorsprung in der Tabelle auf fünf Punkte anzuheben. Aber sie wollten auch zeigen, dass sie bereit sind für einen Angriff auf den VfL.
Falls Ihr es verpasst habt:
Halbzeit 1
In der ersten Halbzeit war davon zunächst noch recht wenig zu spüren. Die Wolfsburgerinnen machten den souveräneren Eindruck und hatten die bessere Spielanlage. Aus einer 4-4-2-Grundordnung heraus stellten sie im Mittelfeldpressing vor allem das Zentrum zu und zwangen die Bayern immer wieder zu langen Bällen.
Der Mannschaft von Jens Scheuer fiel nach vorn wenig ein, hinten standen sie auch wegen einer starken Leistung der Viererkette lange sicher. In der 26. Minute war es dann aber einer dieser langen Bälle, den Klara Bühl mit etwas Glück kontrollieren konnte. Plötzlich waren die Bayern in Überzahl. Bühl legte nach kurzem Dribbling quer und fand Viviane Asseyi, die die Führung erzielte.
Entscheidend besser wurde das Spiel der Münchnerinnen in der Folge aber nicht. Wenig Zug zum Tor, wenig Kreativität gegen ein gut organisiertes Wolfsburg – letztendlich neutralisierten sich beide Teams und alles deutete auf eine ereignislose Schlussphase des ersten Durchgangs hin.
Doch die Bayern hatten in Form eines Standards noch eine Möglichkeit. Expertin Lina Magull trat den Ball zielsicher in den Strafraum, wo Marina Hegering sich lösen und das zweite Tor für ihre Mannschaft erzielen konnte (43.). Zwei Abschlüsse, zwei Tore, ein sonst aber eher überschaubares Spiel der Bayern. Scheuer wird sich nicht darüber beschwert haben.
Halbzeit 2
Im zweiten Durchgang schienen sich die Bayern dann aber den Vorsprung nachträglich verdienen zu wollen. Sie kamen sofort mit Tempo und Druck nach vorn aus der Pause, erzielten in der 47. Minute sogar das 3:0 durch Lineth Beerensteyn und waren erstmals das klar spielbestimmende Team. Bis zur 60. Minute hätten die Münchnerinnen den Deckel draufmachen können, verpassten aber einige gute Angriffsmöglichkeiten.
Und so kam es, dass Wolfsburg in den letzten 30 Minuten nochmal ins Spiel fand. Bayern wirkte nun unorganisiert und öffnete zwischen den Ketten Räume für den VfL. Nach einem Foul von Beerensteyn im Strafraum sorgte Lena Goeßling per Elfmeter für das erste Gegentor der Bayern in dieser Saison.
Wolfsburg blieb druckvoll, ohne aber ganz große Chancen herausspielen zu können. Bayern beschränkte sich jetzt auf viele lange Bälle und die Hoffnung, einen entscheidenden Nadelstich setzen zu können – was in der 77. Minute gelingen sollte. Nach einer Hereingabe von Magull war es Dominique Janssen, die per Eigentor die Vorentscheidung brachte.
Dinge, die auffielen:
1. Aufschwung gegen Rezession statt absolutem Topspiel
Vom Topspiel der Frauen-Bundesliga haben sich viele Werbung für den deutschen Fußball erhofft. Und tatsächlich sprechen 5 Tore und ein sehr temporeiches Spiel für die Qualität beider Mannschaften. Nach einer langen Phase des gegenseitigen Abtastens musste Wolfsburg im zweiten Durchgang nach vorn schieben. Dadurch ergaben sich für die Bayern Räume zum Kontern.
Nicht falsch verstehen, Qualität hatte diese Partie allemal. Doch das ganz, ganz große Spektakel und Fußballfest blieb trotz der vielen Tore aus. Das hat auch einfache Gründe: Die Bayern befinden sich gerade in einem Aufschwung. Zum absoluten Top-Team fehlt es den Münchnerinnen noch an einigen Nuancen, die wir folgend noch aufgreifen werden. Auf der anderen Seite scheint der VfL Wolfsburg einer Rezession zu unterliegen.
An die starken Leistungen vergangener Tage können sie im Moment nicht anknüpfen. Und so war es letztendlich ein gutes Fußballspiel, das zu unterhalten wusste. Zugleich zeigt insbesondere der internationale Niveauvergleich, dass es für beide weiter Luft nach oben gibt. Nicht mehr, nicht weniger.
2. Starke 15 Minuten setzen den Maßstab
Neben einem guten Ergebnis ist es vor allem die Viertelstunde nach der Halbzeitpause, die den Bayern für die kommenden Monate Mut machen muss. Dort haben sie sich über einen längeren Zeitraum in der Hälfte der Wolfsburgerinnen festgesetzt, Druck ausgeübt und sich Chancen erarbeitet. Sie gaben den Ton an, spielten endlich so selbstbewusst, wie sie vor der Partie wirkten. Es war die einzige Spielphase, in der die Bayern ihren Gegnerinnen deutlich überlegen waren. Für die Zukunft muss es das Ziel sein, sich auch auf diesem hohen Niveau mehr Spielanteile zu erarbeiten. Letztendlich war die Effizienz der Trumpf, mit dem die Bayern dieses Spiel für sich entscheiden konnten.
3. Wo war das Mittelfeld?
In den letzten Wochen wussten die Bayern häufiger mit temporeichen und variablen Spielzügen zu überzeugen. Gegen Wolfsburg gelang es ihnen trotz des Ergebnisses zu selten, das auf das höhere Niveau zu transferieren. In der ersten Halbzeit blieb das Herzstück der Mannschaft, das zentrale Mittelfeld, nahezu komplett aus dem Spiel. Von Magull, Lohmann und Zadrazil war nicht viel zu sehen.
In der zweiten Halbzeit riss vor allem Magull die Partie stärker an sich und konnte so Einfluss nehmen. Insgesamt bleib das Spiel nach vorn aber zu unstrukturiert und zu abhängig von Einzelaktionen. An diesem Abend mag das durch eine hohe Effizienz und etwas Glück funktioniert haben, für die Zukunft bleibt die Frage offen, ob diese Spielweise nachhaltig erfolgreich sein kann.
Gerade in großen Spielen macht es unter Scheuer zu oft den Eindruck, dass die Mannschaft ein bisschen zu zaghaft und mit zu viel Respekt agiert. Das druckvolle Pressing wich in einigen Spielphasen einem pragmatischeren Ansatz, der Wolfsburg aber die Möglichkeit gab, kontrolliert aufzubauen. Das 4-4-2 der Bayern gegen den Ball blieb immer dann wirkungslos, wenn man von hinten nicht konsequent nachschob. Gerade in der erwähnten Phase nach der Pause zeigte sich aber, dass Wolfsburg durchaus Fehler macht, wenn man sie unter Druck setzt.
4. Klara Bühl entscheidet die Partie
Will man die Partie auf eine Spielerin herunterbrechen, wäre es wohl Klara Bühl. Die 19-jährige Angreiferin machte mit ihren Dribblings, Läufen und Pässen den Unterschied. Viel mehr Chancen als der VfL Wolfsburg hatten die Bayern nicht. Dank Bühl konnten sie aber mehr von ihnen nutzen. In den letzten Wochen waren die Leistungen von Bühl immer recht schwankend. Gute Aktionen wechselten sich stets mit schlechteren ab. Ihr Talent ist aber unverkennbar und an diesem Sonntag konnte sie das ohne Zweifel unter Beweis stellen.
5. Die Abwehr bleibt auch gegen Wolfsburg stabil
Das vielleicht größte Qualitätsmerkmal der Bayern Frauen ist aktuell die Defensive. Es brauchte erst einen berechtigten, aber sehr unnötigen Elfmeter, um in dieser Saison überhaupt ein Gegentor zu kassieren. Auch die starke Offensive der Wolfsburgerinnen haben die Bayern in den meisten Momenten vom eigenen Tor weghalten können. Und wenn doch mal ein Abschluss aus der zweiten Reihe kam, war Torhüterin Laura Benkarth zur Stelle.
Nicht immer sind die Bayern perfekt organisiert. Manchmal öffnen sich zwischen Abwehr und Mittelfeld zu große Räume, weil nicht konsequent genug nachgeschoben wird im Pressing. Aber selbst wenn sie mal nicht gut stehen, lösen sie es auf individueller Ebene meistens gut. Die Neuzugänge Hanna Glas und Marina Hegering machen dahingehend einen wichtigen Unterschied, weil sie viele Zweikämpfe gewinnen.
Mit einer solchen Defensivleistung wird es den Bayern in der Bundesliga noch oft gelingen, das mitunter holprige Offensivspiel zu kaschieren. Den Qualitätstest hat vor allem die Viererkette im Topspiel bestanden.
6. Vorentscheidung im Meisterschaftskampf?
Bei fünf Punkten Vorsprung neigt man nun dazu, die Meisterschaft für entschieden zu erklären. Doch dem ist noch lange nicht so. Too early to call. Wolfsburg schien sich in den letzten Wochen eigentlich zu stabilisieren, hatte heute auch schlicht kein Spielglück. Auf der anderen Seite erzielten die Bayern vier Tore aus fünf ernstzunehmenden Möglichkeiten – darunter ein Standard und ein Eigentor. Bayern muss damit rechnen, dass der VfL konstant punkten wird und sich selbst weiterentwickeln. All die Kritik (auf hohem Niveau) schmälert die gute Leistung der Bayern keinesfalls. Aber Einordnung ist wichtig, will man erfolgreich bleiben.
Wie bereits erwähnt, befinden sich die Bayern erst in einem Aufschwung. Um den Höhepunkt der eigenen Leistungsfähigkeit zu erreichen, wird es noch einiges an Verbesserung brauchen. Mit diesem Talent, dem herausragenden Mittelfeld und der nun mehrfach unter Beweis gestellten Mentalität ist mehr möglich als das, was die Bayern gegen schwächelnde Wolfsburgerinnen mitunter gezeigt haben. Unter dem Strich darf die Zufriedenheit über das deutliche Ergebnis und die herausragende Defensivleistung nicht die Analyse der Probleme überdecken.
Die Struktur in Ballbesitz reicht zu oft nicht aus, um souverän mit hohem Pressing umzugehen. Sechser-, Achter- und Zehnerraum könnten noch konsequenter und effizienter besetzt werden, um die ganze spielerische Klasse der Mannschaft zu entfalten und nicht immer auf die sehr langen Pässe in die Spitze angewiesen zu sein. Diesem Team zuzusehen, macht jetzt schon Spaß. Wie viel Spaß macht es erst, wenn ihnen die letzten Entwicklungsschritte auf das absolute Top-Niveau gelingen sollten? Punktuell deuten sie an, was noch in ihnen steckt. Es ist die Aufgabe des Trainerteams, aus der Andeutung einen dauerhaften Ist-Zustand zu machen.
7. Teamgeist
Und wer gemeinsam als Team so in komplizierten Spielen wie jenem am Sonntagnachmittag auftritt, der ist zweifelsohne dazu in der Lage, sich für kommende Aufgaben entsprechend zu pushen. Es ist nicht weniger als beeindruckend, wie spürbar der Teamgeist dieser Mannschaft ist. Jede für eine und eine für jede. Diese besondere Stimmung kann das Team unabhängig von allen Analysen noch sehr weit tragen – wenn sie noch mehr an sich glaubt, als es insbesondere in der ersten Halbzeit den Anschein gemacht hat. Das 4:1 gegen den VfL Wolfsburg dürfte dabei Rückenwind geben.