Fünferpack-Kolumne: Über Ribéry, Kovač und Retterspiele
Die Kolumne stellt dabei meine persönliche Meinung zu den behandelten Themen dar. Über eure Meinung, anregende Diskussionen sowie konstruktive Kritik in den Kommentaren würde ich mich sehr freuen.
1. Definiert sich Erfolg über den Champions-League-Titel?
In der Kommentarspalte zu unserem letzten Podcast hat der Leser Pleitegeier die Frage in den Raum geworfen, ob Hummels und Lewandowski zu den ganz Großen gezählt werden können, auch wenn sie in ihrer Karriere nicht die Champions League gewinnen sollten. Muss ein Spieler einmal in seiner Laufbahn auf Europas Thron gesessen haben?
Mats Hummels ist fünffacher deutscher Meister, deutscher Pokalsieger, Weltmeister, trug 70-mal das Trikot mit dem Adler auf der Brust und bestritt 299 Ligaspiele sowie 51 Champions-League-Spiele für die beiden größten deutschen Vereine Borussia Dortmund und Bayern München. Aber den höchsten europäischen Vereinswettbewerb hat er nie gewonnen.
Natürlich gilt der Champions-League-Titel als ultimativer Ritterschlag für einen Spieler und eine ganze Mannschaft. Aber wären ohne ihn Kahn und Effenberg oder Lahm und Schweinsteiger weniger im Gedächtnis der Fans? Augenthaler und Matthäus durften den Henkelpokal nie in die Höhe recken und zählen dennoch zu den größten Bayern-Spielern.
Der Champions-League-Titel vollendet eine Spielerkarriere. Er zeigt, dass ein Spieler auch auf internationaler Ebene erfolgreich ist. Und doch kann man auch ohne ihn sagen, dass Lewandowski einer der besten fünf Bayern-Stürmer aller Zeiten und Hummels vermutlich sogar vor Boateng der beste deutsche Innenverteidiger des Jahrtausends ist. Auch ohne Henkelpokal.
2. Ikonische Momente von Ribéry
In unserem teaminternen Slack-Chat kam es zu einer Diskussion über die ikonischen Momente diverser ehemaliger und aktueller Bayern-Spieler. Bei Schweinsteiger fallen einem gleich mehrere große Momente ein. Auch bei Robben schießen einem blitzartig einige Tore in wichtigen Spielen in den Kopf. Lewandowski hat seinen Fünferpack gegen Wolfsburg. Doch wie ist das bei Monsieur Ribéry?
Im Sommer gehen zwölf Jahre Franck Ribéry in München zu Ende. An welche Momente aus dieser Zeit denkt man sofort bei seinem Namen? Welche Tore sind mit dem Franzosen verknüpft? Welche Aktionen haben sich in das Gedächtnis der Fans eingebrannt?
Natürlich sind da die Aktionen aus seiner ersten Saison in München: die Panenka-Elfmeter gegen Bremen und im Pokal-Derby gegen 1860 oder der Jonglage-Trick gegen Schulz. Die anderen 121 Tore fallen einem nicht so spontan ein.
Viele Szenen von abseits des Platzes blieben in Erinnerung: Ribéry der Spaßvogel, der mit dem Mannschaftsbus in Doha Schilder umfährt oder einen Eimer Wasser über Kahn nach dem Training ausleert. Oder die Vertragsverlängerung auf dem Rathausbalkon 2010.
Die großen Momente scheinen zu fehlen. Ein Eindruck, der jedoch nur auf den ersten Blick stimmt. Das Traumtor von Robben im Old Trafford 2010? Vorbereitet von Ribéry. Das Wembley-Tor von Robben zum Triple 2013? Vorbereitet von Ribéry.
Speziell nach der Ankunft von Robben war der Franzose nicht mehr alleine für die Glanzmomente in einem immer stärkeren Bayern-Team verantwortlich. Ribéry durfte sich dann wieder auf das konzentrieren, was er am besten kann: Assists verteilen, gefährliche Situationen einleiten und regelmäßig Tore schießen. Wenn auch nicht immer die glanzvollen.
3. Lewandowski und das Double-Double
Bereits im letzten Frühjahr habe ich in einem Round-Up die Statistik Double-Double, die eigentlich aus dem Basketball kommt, auf den Fußball angewandt. Dabei bezeichnet der Ausdruck eine Saison mit zehn Toren und zehn Vorlagen.
Nachdem in der letzten Saison kein einziger Spieler in der Bundesliga diese Marke erreichte, haben in der aktuellen Saison bereits einen Spieltag vor Schluss sieben Akteure mindestens zehn Treffer und genauso viele Assists.
Beim FC Bayern gelang Robert Lewandowski in dieser Spielzeit diese statistische Besonderheit. Mit 22 Toren und 12 Vorlagen führt der Pole dabei die ligaweite Torjäger- und Scorerliste an. Seine zwölf Assists sind zudem sein persönlicher Bestwert. Mit 34 Scorerpunkten spielt er seine drittbeste Saison.
Der große Bayern-Verfolger Dortmund stellt mit Sancho (11/18) und Reus (16/11) gleich zwei Spieler mit einem Double-Double. Auch Leverkusen, Gladbach und Frankfurt, die noch um die internationalen Ränge kämpfen, haben mit Volland (14/11), Hazard (10/11) und Haller (14/10) jeweils einen Double-Doubler im Kader. Als letzter Spieler taucht noch Max Kruse (11/11) auf, der an der Weser einmal mehr eine große Saison spielt.
Für diesen Abschnitt wurden die Vorlagen laut Kicker verwendet. Die Zählweise weicht hier zwischen den einzelnen Datenquellen leicht ab.
4. Festhalten an Kovač
Die Personalie Kovač scheint die Bayern-Bosse zu spalten. Während Hoeneß dem Kroaten noch die Treue schwört, rückt vor allem Rummenigge von Versprechungen ab. Im aktuellen Sportstudio am Samstag verstärkte Sportdirektor Salihamidžić diesen Eindruck, als er gefragt nach der Jobsicherheit des Trainers verklausuliert mit “Wir werden sehen” antwortete.
Damit macht man eine unnötige Baustelle auf. Was Kovač in seiner ersten Saison im Münchner Haifischbecken abliefert, wird unntöig klein gemacht. Nach dem 3:3 gegen Düsseldorf, als alle den Kopf des Kroaten forderten, blieben die Bayern-Bosse nach außen ruhig und gaben ihrem Trainer eine zweite Chance. Diese hat der 47-Jährige mehr als ordentlich genutzt.
Mit seiner Mannschaft hat er neun Punkte Rückstand auf Dortmund aufgeholt. Die zweitgrößte Aufholjagd in 56 Jahren Bundesliga. In der Rückserie hat er in 16 Spielen 39 Punkte geholt. Das deutlich stabilisierte Team stellt mit 47 Toren die gefährlichste Offensive im Kalenderjahr.
Was kann man Kovač vorwerfen? Den mutlosen Auftritt in der Champions-League. Die fehlende Einbindung von jungen Spielern. Die teils befremdlich positiven Aussagen über die Leistung der Mannschaft.
Sicher alles valide Punkte und dennoch traue ich Kovač zu, dass er daraus lernen kann und will. Man sollte ihm eine Saison mit kompletter Vorbereitung plus ein paar sinnvollen Ergänzungen zum Kader, die er mit beeinflussen kann, geben, um ihn abschließend zu bewerten und nicht nur alles an den Titeln Meisterschaft und Pokal aufhängen.
Momentan geistert der Name Erik ten Hag durch die Münchner Presselandschaft. Der Ex-Amateure-Trainer führt gerade ein junges Ajax Amsterdam zur holländischen Meisterschaft und scheiterte in wortwörtlich letzter Sekunde denkbar knapp im Europapokal-Halbfinale. Er gilt als Taktik-Fuchs und großer Entwickler von jungen Spielern.
Und doch bin ich der Meinung, dass man Kovač nächste Saison noch geben sollte. Sinnvoll ist das aber nur dann, wenn er dazu auch den Rückhalt aus der Führungsriege hat.
5. Münchner Retter in der Not
Wie diese Woche publik wurde, dürfen die Bayern-Stars nach dem DFB-Pokalfinale nicht direkt in den Urlaub fliegen. Vielmehr steht am Montag, dem 27. Mai, ein Freundschaftsspiel auf dem Betzenberg gegen den 1.FC Kaiserslautern an. Der wirtschaftlich stark angeschlagene Traditionsverein soll durch die Einnahmen aus Ticketverkäufen finanziell unterstützt werden. Es ist nicht das erste Retterspiel der Münchner.
Die erste so titulierte Begegnung fand 2003 am Millerntor statt. Der FC St. Pauli, der noch zwei Jahre vorher unter Flutlicht den großen FC Bayern bezwungen und sich selbst zum Weltpokalsiegerbesieger ausgerufen hatte, war finanziell in Schieflage geraten. Im Juli reisten die Münchner nach Hamburg und schlugen Pauli vor über 20.000 Zuschauern mit 1:0 durch ein Tor von Guerrero. Die Einnahmen in Höhe von 200.000 € konnte der bis in die Regionalliga abgestiegen Kiez-Club gut gebrauchen. Mittlerweile spielten die Hamburger wieder in der zweiten Liga um den Aufstieg mit, der diese Saison jedoch knapp verpasst wurde.
In der Folgezeit hat sich die Liste um einige bekannte Traditionsvereine verlängert. Dabei ist egal ob Norden, Süden, Osten oder Westen. Überall wo ein Verein Probleme mit dem Geld bekommt, bringt ein Testspiel gegen die Münchner frisches Geld in die Kassen. Union Berlin, Darmstadt 98, Alemannia Aachen, Hansa Rostock, Dynamo Dresden, Kickers Offenbach und jetzt eben der FCK.
Frühere Rivalitäten, Feindschaften oder Sticheleien spielen für den Rekordmeister dabei meist keine Rolle. Es ist schön zu sehen, dass der Verein hierin seine Pflicht sieht und somit auch ein starkes Bekenntnis zum deutschen Fußball ausspricht.