Vorschau: SV Werder Bremen – FC Bayern München
Wer am Dienstagabend etwas genauer hinsah, der konnte eine bayrische Mannschaft beobachten, die unbedingt wollte. Schon vor Anpfiff wirkten die Spieler hoch motiviert und fokussiert. Allen voran Arjen Robben, der bei der Champions-League-Hymne mehrfach grimmig nickte, als wolle er sagen: „Heute zeigen wir es allen! Das ist der Wendepunkt!“
Und immerhin das war auch zu erkennen. Die Mannschaft will die Wende packen. Umso erleichterter waren die Spieler, dass am Ende endlich mal wieder eine dominante Leistung mit einem hohen Sieg belohnt wurde. Lange sah man sie nicht mehr so fröhlich und gelassen wie nach dem 5:1.
Doch erneut war es Arjen Robben, der die richtigen Worte fand. Man habe jetzt nur ein Spiel gewonnen. Das sei gut. Geht die Partie am Wochenende gegen Werder Bremen aber verloren, so habe man direkt wieder Unruhe. Robben und der FC Bayern wissen, dass das Ergebnis über viele Probleme hinwegtäuschte. Denn am Willen und an der Einstellung – und das wurde nicht zum ersten Mal deutlich – scheitert dieser FC Bayern im Moment nicht.
Eine kleine Anpassung
Auch für Niko Kovač war dieser Sieg aber sehr wichtig. Vermutlich wäre er heute nicht mehr Trainer des FC Bayern, wenn seine Mannschaft nicht für ihn gearbeitet hätte. Und das gilt es diesem viel kritisierten Kader immerhin anzurechnen. Ihren Trainer ließen sie trotz aller Gerüchte und Unruhe nicht hängen. So tritt keine Mannschaft auf, die ihren Trainer loswerden möchte.
Allerdings wird auch das nur eine Randnotiz bleiben, wenn jetzt nicht die weiteren Schritte folgen. Kovač steht weiterhin unter Druck. Gegen Benfica versuchte er, das Mittelfeld zu stabilisieren. Einen ähnlichen Ansatz gab es bereits im Heimspiel gegen Ajax, als er Martínez auf die Sechs stellte und Thiago sich immer wieder sehr tief fallen ließ. Ob das so gewollt war, ist aber eine andere Frage.
Gegen Benfica war die Doppelsechs definitiv gewollt, vorher sogar von Kovač angekündigt. Dadurch, dass Kimmich sich fast nie zwischen die Innenverteidiger fallen ließ, entstanden zudem keine allzu großen Löcher im zweiten Drittel. Der Nationalspieler erledigte seine Aufgabe sehr erwachsen und strategisch klug. Er gab Struktur, wo er Struktur geben konnte und versuchte, dem Mittelfeldspiel mehr Balance zu verleihen.
Weniger Risiko, mehr Stabilität
Mit Goretzka hatte er einen intelligenten Box-to-Box-Spieler neben sich, der die Verbindung zwischen Müller und Kimmich garantierte. Die Präsenz im Zentrum war dadurch etwas mehr gegeben. Kovač minimierte mit dieser Anpassung das Risiko. Die langen Wege zu den hohen Achtern wurden verkürzt und seine Mannschaft stand auch insgesamt etwas tiefer.
Hier und da lauerten die Münchner sogar auf Konter – wie beim 2:0 durch Arjen Robben. Es bleibt die Erkenntnis, dass dadurch zumindest gegen Benfica mehr Stabilität ins Spiel kam. Das Passspiel war etwas sicherer und hinten gab es bis auf wenige Szenen kaum Unruhe.
Trotzdem blieb aber das Gefühl, dass der Gegner einen so großen Anteil daran hatte, dass dieser Fortschritt aus taktischer Perspektive kaum Relevanz hat. Benfica zeigte keine Gegenwehr und ergab sich seinem Schicksal früh. Obwohl der Gegner erschreckend schwach war, zeigten die Bayern aber auch hier wieder einige Probleme. Dem Spiel fehlte es an Tiefe, Tempo und Durchschlagskraft. Im Aufbauspiel wurde erneut sehr früh der Weg auf die Außenbahnen gesucht, wo sich nicht selten zwei Spieler in Unterzahl in den Ballverlust „kombinierten“.
Reicht das?
Die Tore entstanden fast ohne Ausnahme aus Standards oder Einzelaktionen. Solange man die Spiele gewinnt, ist es prinzipiell egal, wer die Tore wie erzielt. Doch wirklich zukunftssicher und verlässlich ist dieses Konzept eben nicht. Kovač hat auf die Krise mit ähnlichen Mitteln reagiert wie Joachim Löw bei der Nationalmannschaft. Weniger Risikopässe, tiefere Staffelung, mehr auf Sicherheit bedacht – der DFB schaffte es damit immerhin, Zeit zu gewinnen.
Ähnlich geht es jetzt Niko Kovač. Er hat mit dieser vorsichtigeren Ausrichtung und etwas Spielglück endlich einen hohen Sieg erlangt. Die Frage ist aber, ob das auf Dauer reicht. In jedem Fall war das Spiel Balsam für die Seele und ein wichtiger Schub für das bayrische Selbstvertrauen. Kovač hat endlich eine taktische Anpassung vorgenommen. Nun wird er daraus die richtigen Schlüsse ziehen müssen. Mit den Rückkehrern Thiago und Coman stehen darüber hinaus bald wieder echte Waffen im Kader, die ihm dabei helfen können.
Gegen Werder Bremen wird es auf mehr ankommen als Stabilität. Um deren Defensive zu knacken, wird es nach vorn wieder mehr Mut brauchen, ohne aber hinten alles zu öffnen. Der Job des Trainers hängt zwar kurzfristig von Ergebnissen ab. Langfristig wird jedoch entscheidend sein, ob er endlich eine gute taktische Balance findet. Jetzt zu schlussfolgern, dass die Herangehensweise vom Dienstag der neue Stiefel ist, den man fortan runterspielen kann, wäre der falsche Weg.
Günstiger Zeitpunkt für ein Spiel in Bremen?
Vor einigen Wochen wäre das Spiel in Bremen ohne Frage ein Top-Spiel gewesen. Nicht nur, weil die Münchner sich zu Beginn der Saison besser präsentierten, sondern auch, weil Werder sehr gut in diese Saison kam. Mit den Neuzugängen Klaassen, Harnik und Sahin bekam die Mannschaft nicht nur spielerische Klasse dazu, sondern schien auch vor allem in Ballbesitz endlich strukturelle Fortschritte zu erzielen.
Werder spielte sehr reif, traute sich offensiv viel zu und kam bei Ballverlusten auch schnell in eine Grundordnung, die es den Gegnern schwer machte, sie auszukontern. Das alles war noch bemerkenswerter, weil Max Kruse seit einigen Monaten seiner Form hinterherläuft. War er vor einiger Zeit noch der Dreh- und Angelpunkt der Werder-Offensive, so fehlen ihm jetzt häufig die Bindung zum Spiel und auch das nötige Spielglück.
Vielleicht war es auch genau seine Form, die den Bremern in den letzten Wochen abging. Für die Mannschaft von Trainer Florian Kohfeldt ging es zuletzt nämlich bergab. Von der spielerischen Klasse war wenig zu sehen und auch das Pressing wirkte merklich schüchterner und passiver. Für den FC Bayern kommt das Spiel jetzt deshalb vielleicht gelegener als noch im September oder Oktober.
Wie mutig spielt Werder?
Kohfeldt kündigte bereits eine mutige Vorstellung seiner Mannschaft an. In den letzten Spielen krankte das Werder-Spiel auch daran, dass man Zweikämpfe mied und sich darauf konzentrierte, Passwege zuzustellen. Dabei ließ sich die Mannschaft teilweise so tief fallen, dass der Druck zu hoch war.
Gegen Bayern wird es natürlich das primäre Ziel sein, das Zentrum zu verdichten. Doch will Bremen erfolgreich sein, muss auch Druck nach vorne kommen. Lassen sie sich hinten reindrücken, wird irgendwann eine individuelle Aktion oder eine Flanke den Weg ins Tor finden. Setzt Kohfeldt auf das häufig praktizierte 4-4-2 gegen den Ball, so wird es auch darum gehen, in einigen Spielphasen weiter nach vorn zu schieben.
Denkbar ist aber auch, dass der Trainer auf eine Fünferkette umstellt, die die Breitenverteidigung vereinfacht und gleichzeitig einen weiteren Innenverteidiger ermöglicht. Bayern erzielte in dieser Saison wettbewerbsübergreifend acht Tore per Kopf und versucht ohnehin auffällig oft, nach Flanken zum Erfolg zu kommen. Gerade da zeigte Werder in dieser Saison ein paar Schwächen.
Wer schafft die Wende?
Die Rückraumbesetzung war für zweite Bälle nicht optimal und die Lufthoheit ging den Bremern ebenfalls ab. Ein dritter Innenverteidiger könnte das Flanken-Festival der Bayern vielleicht entschärfen. Aus Münchner Perspektive sollte man sich nicht darauf verlassen, dass eine Einzelaktion oder eine Flanke am Ende reicht.
Werder hat trotz der Schwächeperiode eine spielstarke Mannschaft, die alles mitbringt, um dem FCB weitere Punkte abzunehmen. Folgt ein weiterer uninspirierter Auftritt der Münchner, ist ein Sieg unwahrscheinlich. Bremen wird mit mehr Ehrgeiz, einem besseren Plan und mehr Laufbereitschaft antreten als Benfica.
Beide Teams befinden sich in einer komplizierten Phase. Es geht dementsprechend sowohl für Werder als auch für die Bayern um eine Wende. Können die Münchner ihrem Trainer erneut etwas mehr Luft verschaffen? Oder gelingt den Bremern der erste Sieg gegen den Rekordmeister seit 2008?
Das Thesen-Duell
Die Regeln findet ihr hier. Die Zahl für These 3 wurde diesmal von Fatbardh gewählt. Kurzfristige Änderungen sind bis zum Spieltag noch möglich.
Ergebnis des letzten Spieltags: Justin 3,6 : 3,6 Fatbardh
Zwischenstand insgesamt: Justin 51,6 : 48,8 Fatbardh
Justins Tipps
- Torschütze: Robert Lewandowski
- Freie These: Bayern schießt mindestens 2 Tore.
- Über/Unter 2,5: Über!
- Aufstellung: Neuer – Rafinha, Süle, Boateng, Alaba – Kimmich, Goretzka – Müller – Robben, Lewandowski, Ribéry
Fatbardhs Tipps
- Torschütze: Arjen Robben
- Freie These: Bayern kassiert mindestens zwei Gegentore.
- Über/Unter 2,5: Über!
- Aufstellung: Neuer, Kimmich, Süle, Boateng, Alaba, Martínez, Sanches, Müller, Robben, Lewandowski, Ribéry