Langer Abend in Osnabrück
Es hatte etwas von der Atmosphäre des Paulaner Traumspiels, als der FC Bayern an der Bremer Brücke in Osnabrück empfangen wurde. Der kleine SV Rödinghausen hatte durch einen Sieg in der Verlängerung gegen Dresden das “Traumlos” (Zitat Trainer Maaßen) gezogen und durfte gegen den amtierenden Meister antreten. Für die Münchner hingegen sollte es darum gehen möglichst souverän und dennoch kraftsparend weiterzukommen.
Falls ihr es verpasst habt
James, Boateng, Robben, Ulreich, Hummels, Coman und Tolisso – auf diese Sieben musste Kovač bei der Reise zum Regionalligisten verzichten. Für sie rückten die Nachwuchsspieler Früchtl, Jeong, Shabani und Will in den Kader nach.
In der Startelf rotierte Kovač fleißig durch. So kamen Rafinha, Sanches, Ribéry und auch Wagner zu einem Einsatz von Beginn an. Dauerbrenner Kimmich durfte so erstmals verschnaufen. Ebenso gab Martínez unter Kovač sein Debüt in der Verteidigung. Im Mittelfeld bekam Thiago Sanches und Goretzka zur Seite gestellt.
Von Beginn an gestaltete sich das zu erwartende Bild: Die Münchner liefen gegen eine weiße Wand aus Verteidigern. Direkt nach vier Minuten hatte Wagner nach einem Durchbruch von Goretzka die erste Chance, verpasste jedoch.
Auch in den nächsten Minuten zeigten die Münchner einige zielstrebige Aktionen. Nach einer Ecke spielte Rafinha einen langen Ball, der die komplette Abwehr des Regionalligisten aushebelte. Sanches musste nur noch quer in die Mitte legen, wo Wagner zum 1:0 einschob (8.).
Nach dem Tor drückte Bayern schnell auf die Vorentscheidung. Bei einem Dribbling in den Strafraum wurde Sanches von Flottmann gezogen, sodass der Portugiese zu Fall kam. Den fälligen Strafstoß verwandelte Müller sicher (13.).
Die Münchner hatten die Partei anschließend im Griff und spielten ihre Angriffe so lange aus, bis sich ein Loch in der Abwehr von Rödinghausen fand. In der 23. Minute wurde nach einer Flanke von rechts Goretzka in den Rücken gestoßen. Folgerichtig entschied der Schiedsrichter auf Strafstoß. Der bis dahin starke Sanches durfte antreten, schoss jedoch per Vollspann an die Latte.
Nach 25 Minuten ergab sich dann doch die große Chance für Rödinghausen. Müller spielte ohne Übersicht im Mittelfeld einen unnötigen Fehlpass direkt in den Fuß von Engelmann. Der Stürmer vergab diese Chance aus bester Position jedoch. Im Anschluss nahmen die Bayern den Fuß leicht vom Gas und überließen dem Regionalligisten etwas mehr Spielanteile.
Obwohl die letzte Konsequenz in der Folge immer häufiger fehlte, kamen Goretzka (29.) und Müller (37.) zu großen Chancen, die Heimann jedoch beide stark parierte. Mit einer 2:0-Führung für den haushohen Favorit ging es in die Pause.
Ohne Wechsel ging es aus der Pause. Während die Münchner noch mental in der warmen Kabine waren, legte der Gastgeber im Dauerregen flott los und kam erneut durch Engelmann zur bisher größten Chance. Der Schuss des Stürmers flog jedoch über den Kasten von Neuer.
Kurze Zeit später bebte die Bremer Brücke, denn der SV Rödinghausen konnte tatsächlich den Anschlusstreffer erzielen. Nach einer starken Flanke von Lunga ist Meyer vor Rafinha am Ball und stochert diesen aus fünf Metern an Neuer vorbei (49.).
Nach dem Anschlusstreffer zog sich Rödinghausen wieder zurück, um auf Konterchancen zu warten. Der Rekordpokalsieger von der Isar kam zwar immer wieder in den Strafraum, häufig fehlte dann allerdings gegen die nun tief stehenden Gastgeber das letzte Quäntchen.
Zur 69. Minute wechselte Kovač erstmals und brachte Kimmich für Goretzka. Der eigentliche Rechtsverteidiger durfte in der Folge, wie auch in der Nationalmannschaft, im Mittelfeld spielen.
Nachdem Thiago einen Schlag auf den Knöchel abbekam und durch Gnabry ersetzt wurde, kam Ribéry zum Abschluss von der Strafraumkante (74.). Der starke Heimann verhinderte jedoch, dass der Franzose den ursprünglichen Vorsprung wiederherstellte.
Bis zum Ende der Partie kam Bayern nicht mehr zwingend genug vor das Tor der Gastgeber und auch Rödinghausen konnte keine der Konteransätze erfolgreich vollenden. In der Nachspielzeit durfte Shabani noch etwas Luft bei den Profis schnuppern.
Nach starken zwanzig Anfangsminuten und einem ernüchternden weiteren Spielverlauf, zieht Bayern in die nächste Runde des DFB-Pokals ein. Die Auslosung findet bereits am Sonntag, dem 4. November statt. Für die Münchner geht es nun daheim gegen Freiburg und Athen, bevor es zum Spitzenspiel zum Tabellenführer nach Dortmund geht.
Drei Dinge, die auffielen
1. Der zweite Anzug glänzt für zwanzig Minuten
Ein zentrales Mittelfeld mit Thiago, Sanches und Goretzka, davor eine dreiköpfige Sturmreihe aus Müller, Wagner und Ribéry – das klang vor dem Anpfiff wenig verlockend und mehr nach Statik im Angriffsspiel ohne individuelle Ideen. Es sollte jedoch ganz anders kommen.
In den ersten zwanzig Minuten spielten die oben genannten, unterstützt durch einen starken Rafinha, vergleichsweise groß auf. In dieser Phase war ein Positionsspiel erkennbar, bei dem die Platzierung eines Spielers in einer Zone zwar sichergestellt, aber personell variabel war. Dafür sorgten gerade Goretzka, Müller und Sanches, die stark rotierten. Aus dieser kreativen Phase entstanden beide Tore sowie auch der zweite Elfmeter.
Zum ersten Mal seit langer Zeit funktionierte Kovačs Idee mit den hohen Achtern, die zusätzlich Druck auf die Abwehrreihe des Gegners entfalten. Mit Thiago auf Sechs ergaben sich hier nicht die sonst bekannten großen Lücken, da der Spanier immer wieder geschickt aufrückte und so die Abstände verkürzte.
Nun muss man natürlich relativieren, dass der Gegner nur in der vierten Liga spielt und gerade in der ersten Phase auch keinen Ansatz von Gegenpressing zeigte. Dennoch kann das Positionsspiel erstmal unabhängig von der Stärke des Gegners betrachtet werden und entsprechend positiv hervorgehoben werden.
2. Selbstbewusster Sanches überzeugt
Besonders hervorgehoben werden muss an dieser Stelle Renato Sanches. Der 21-Jährige durfte erstmals seit Ende September wieder von Anfang an auflaufen und konnte das Vertrauen von Kovač zurückzahlen.
Gerade in der Anfangsphase war deutlich, dass Rödinghausen mit der Schnelligkeit und Physis von Sanches regelrecht überfordert war. Der Portugiese nutzte dies effizient aus und ging weite Wege, immer wieder auch in den Strafraum. Durch genau diese Aktionen kam Bayern auch zum frühen Doppelschlag. Auch in der zweiten Hälfte wurde es meist dann gefährlich, wenn der junge Portugiese involviert war.
Dass Sanches den zweiten Elfmeter treten durfte, zeigt das neue Selbstverständnis des Europameisters von 2016. Vor wenigen Monaten schien es noch undenkbar, dass Sanches zum Strafstoß antreten dürfte geschweige denn wollte.
Wenn der Portugiese diese Kombination aus Laufbereitschaft, Physis und Mentalität auch in anderen Spielen abrufen kann, kann er für Kovač diese Saison noch sehr wichtig werden.
3. Immer wieder ein Bruch im Spiel
Der verschossene Strafstoß von Sanches markierte einen Wendepunkt im Spiel der Münchner. Wo vorher noch viele Positionswechsel und Läufe in den Strafraum waren, folgte statisches Ballgeschiebe. Wo man vorher noch Rödinghausen nicht einmal in die Nähe des Balls ließ, hatte der Gastgeber nun immer wieder in gefährlichen Zonen die Kugel.
Verstärkt wurde die Statik im Angriffsspiel dadurch, dass die Münchner auf den Flügel kaum in die Eins-gegen-Eins-Duelle gingen. Bei Müller auf der Außenbahn ein bekanntes Problem, da der Raumdeuter generell in die Mitte zieht und den Flügel nicht konsequent besetzt. Auf der linken Seite lief es jedoch nur marginal besser, denn Ribéry tat sich über weite Strecken schwer seinen direkten Gegenspieler zu schlagen.
In der Defensive zeigte man sich immer wieder anfällig. Gerade bei Umschaltsituationen kam man dem Gegner teilweise einfach nicht hinterher. Allzu oft verpasste man den richtigen Moment, um den direkten Gegenspieler zu stellen und somit den Angriff der Rödinghäuser zu unterbrechen.
Der Bruch im Spiel nach einer starken Anfangsphase zieht sich bisher wie ein roter Faden durch die Amtszeit von Kovač. Hierfür eine Lösung zu finden, wird für den Kroaten eine große Aufgabe, die massiv mit seinem Erfolg zusammenhängen wird.