Vorschau: FC Augsburg – FC Bayern München
Auf Patreon haben wir in den letzten Tagen Fragen gesammelt, die wir nun im Rahmen der Vorschau beantworten. Hin und wieder wird das Vorschau-Format dazu dienen, Eure Themen zu diskutieren.
Sollte der FC Bayern nicht langsam eine feste Elf finden, die sich aufeinander einspielt, und alle Abläufe in Fleisch und Blut übergehen lässt?
Tatsächlich halte ich es für wichtig, gerade im Mittelfeld eine klare Entscheidung zu treffen. Thiago war zwar zuletzt raus, hat aber gegen Sevilla bis auf einen katastrophalen Fehlpass herausragend gespielt. Fit muss er Stammspieler sein, da gibt es keine Diskussionen.
James ist derzeit einfach in Top-Form. Auch er sollte als wichtigster Spieler im Mittelfeld gesetzt sein. Seine Wertigkeit stellte er in Sevilla unter Beweis. Jetzt hat Heynckes aber das Problem mit Vidal. Martínez ist der einzige Spieler im Kader, der die Sechserposition so bekleiden kann, wie der Trainer es wünscht. Für meine Begriffe beraubt Heynckes uns unserer Stärken, wenn er dieses Trio bricht, nur um eine Scheinstabilität zu erzeugen, die gar keine ist. Siehe Sevilla.
Ich persönlich finde Thiago deutlich stabiler in unserem System als Vidal. Ab davon muss Heynckes diese Entscheidung für sich treffen, und dann zusehen, dass sich speziell sein Mittelfeld einspielt. Wir haben gegen Real letztes Jahr gesehen, wie tödlich Kontrollverlust im Zentrum sein kann. Bekommen wir hier nicht langsam ein eingespieltes Trio auf den Platz, wird es schwierig. Aber: Jupp Heynckes muss auch weiter rotieren. Das bleibt nicht aus. Andernfalls hast du sofort schlechte Stimmung. Daher wird er die richtige Balance finden (müssen). Ich traue ihm das zu.
Gegen Sevilla fand ich das Umspielen des gegnerischen hohen Pressings nicht berauschend. Wir haben ja schon Mannschaften gesehen, die gegen uns noch aggressiver angelaufen sind. Ich könnte mir durchaus auch vorstellen, dass Augsburg auf diese Weise reagiert. Wie würdet ihr aufstellen und positionieren, um solch ein Anlaufen und kompaktes Hochschieben des Gegners zu umgehen?
Grundsätzlich spielt auch hier das Mittelfeld die zentrale Rolle. Ich schrieb bereits in der Vorschau auf Sevilla, dass wir mit Vidal zu schnell auf die Außenbahnen spielen, weil der sich nur selten gut anbietet, und noch seltener eine gute Folgeaktion hat – so kam es auch. Mit Vidal musst du eigentlich den Ballverlust in Kauf nehmen, und dann das Gegenpressing forcieren.
Mit Thiago und James auf dem Platz sah das schon deutlich besser im Aufbau aus. Sevilla zog sich schnell zurück, weil sie vorne keine Erfolge mehr hatten. Dass es dann im letzten Drittel trotzdem nicht optimal lief, sei erstmal dahingestellt, aber der Spielaufbau war in dieser Konstellation absolut okay. Gerade weil Hummels und Boateng ja die Qualität haben, auch längere Pässe zu spielen.
Gegen Augsburg erhoffe ich mir auch einen etwas höher anlaufenden Gegner, aber es wird kein Vergleich zu Sevilla sein. Die wirklichen Gradmesser beschränken sich ab jetzt auf den DFB Pokal und die Champions League.
Wie kommt Thomas Müller am besten zur Geltung, und welche Auswirkungen hat das auf die Defensiv-Formation im Mittelfeld? Gibt es dazu Statistiken? Wie sollte er in einem vermeintlichen Halbfinale der Champions League gegen Real/Barca/Liverpool eingesetzt werden?
Die Frage beinhaltete auch – das habe ich der Länge wegen rausgeschnitten -, ob er mit James und Robben klar kommt. Das Spezielle an Müller ist, dass er mit fast jedem Spieler klar kommt. Die Befürchtungen nicht weniger, dass James UND Müller nicht funktionieren würde, haben sich nicht bewahrheitet. Beide zusammen sind derzeit die wichtigsten Offensivspieler. Am besten eingebunden ist Müller, wenn er als Freigeist und Bindeglied über den ganzen Platz rennen darf.
Schon unter van Gaal war es Müller, der die beiden Flügelspieler, das Mittelfeld und den Stürmer so unterstützte, dass alle um ihn herum besser werden. Müller ist ein Phänomen. Diesen Freigeist brauchen wir in den großen Spielen, wenn wir auch nur annähernd eine Chance haben wollen. Die einzige Statistik, die ich kenne, ist, dass Bayern mit Müller nur selten verliert. Wenn hinter ihm Thiago und Martínez spielen, mache ich mir keine Sorgen um eine vermeintlich fehlende Stabilität. Wenn das (Gegen)Pressing funktioniert, ist diese nicht in Gefahr.
Versteht Jupp Rudy (als Spielertyp) nicht, oder warum ist er derzeit außen vor? Wie kann ein neuer Trainer Rudys Stärken in das Spiel der Bayern integrieren?
Ich glaube nicht, dass Heynckes ihn nicht versteht. Rudy passt nur nicht in sein System. Oft setzte Heynckes ihn als Sechser ein, und dann muss Rudy so spielen wie Martínez. Er ist aber viel eher ein schwächerer Thiago. Am besten funktionierte Rudy, als Thiago neben ihm den Fokus der Gegner auf sich zog. Da konnte Rudy befreit aufdrehen.
Aktuell wird er immer so aufgestellt, dass der Gegner sofort Druck auf ihn aufbauen kann. Die daraus resultierenden Fehler haben sein Selbstvertrauen geschwächt, und auch seine Leistungen haben darunter gelitten. Es kommt also alles zusammen: komische Einbindung, schlechte Form und fehlendes Selbstvertrauen. Ich würde ihn dennoch gerne unter einem anderen Trainer sehen. Sein Potential ist nach wie vor da.
Banal gesagt: Martínez ist der Mann für die Kombination aus Ballbesitzfußball und Mittelfeldschlacht. Er ist der Mann für Heynckes-Fußball. Rudy ist besser für komplett auf Dominanz und Kontrolle ausgerichtete Systeme. Er braucht die Unterstützung seiner Nebenleute mehr als Martínez. So spielt der FCB aber nicht mehr.
Wie würde ein Zentrum aus Rudy, Thiago und James gegen Augsburg passen und wie sollte der Spielaufbau / Fortsetzung gewählt werden?
Gegen Augsburgs Pressing könnte das gut passen. Rudy wäre mit genügend Anspielstationen abgesichert, und die anderen beiden sind sowieso super. Ich glaube aber, dass Heynckes vor Sevilla komplett rotiert. Das wird wiederum Chancen für Augsburg bieten. Ich erwarte eine umkämpfte Partie im Mittelfeld und einige Chancen für das Heimteam.
Darüber hinaus ist es gar nicht die Intention von Jupp Heynckes, alles spielerisch zu lösen. Deshalb haben wir leider auch nicht Martínez, James und Thiago zusammen gesehen. Deshalb werden wir auch sehr wahrscheinlich nicht Rudy mit den beiden sehen.
Hier wird auch deutlich, dass der Kader viel flexibler aufgestellt ist, als Heynckes es für sich nutzt. Das soll nicht als Kritik verstanden werden, aber in Zukunft muss man vielleicht schauen, ob diese Flexibilität vom Trainer dann auch benötigt wird.
Keiner flankt mehr als der FC Bayern. Bei der Suche nach der Antwort auf die Frage, warum man dennoch bei Flanken so ungefährlich ist, stößt man schnell auf die „Strafraumbesetzung“. Was tut sich an dieser Front und warum ist das so ein Issue?
Auch hier wird ein Dilemma deutlich: die beste Strafraumbesetzung haben wir mit dem nachstoßenden Vidal. Mit Vidal haben wir wiederum einen berechenbaren Aufbau, der zu einem Überangebot an Flanken führt. Bayern täte gut daran, links mehr spielerisch zu lösen, und dann in überraschenden Situationen auf Kimmich zu verlagern. Wenn der Platz hat, kommt da meist sogar was bei rum.
Die Strafraumbesetzung muss man trainieren. Bei der Anzahl an Flanken ist zu erwarten, dass Bayern das macht. Ich hoffe aber weiterhin, dass sich die spielerischen Lösungen weiter verbessern. Die Chance auf ein Tor ist so nachweislich viel höher. An dieser Front sehe ich gerade in den Halbräumen große Fortschritte.
Zwei Stürmer statt immer nur einer – ein Zukunftsmodell?
Aktuell spielt Bayern ja mit einem Stürmer + Müller als Freigeist. Für mich auch die Optimallösung. Das Zukunftsmodell muss auf allen Positionen flexibel sein. Auch aus taktischer Perspektive. Gegen und mit dem Ball.
Ancelotti wurde immer wieder empfohlen, mit Dreierkette zu spielen – warum ist der Ruf verstummt?
Weil Heynckes eine gute Mischung gefunden hat. Martínez bewegt sich in dieser Zone sehr gut. Mal kippt er ab, mal stößt er vor. Das kommt der – von mir – geforderten Variante mit Martínez als vorstoßendem Innenverteidiger schon sehr nah. Deshalb rufe ich derzeit nicht mehr ganz so laut. Gerade in Spielen ohne Robbery fehlt mir von Heynckes aber immer noch jegliche Anpassung an die Situation. Eine klare Dreierkette mit Wingbacks könnte helfen.
Welcher deutsch-sprachige Trainer würde am besten zum Kader von Bayern München passen?
Da Tuchel raus ist: Julian Nagelsmann. Er hat genug Erfahrung (10 Jahre Trainer), und auch international dieses Jahr viel gelernt. Er steht für einen Stil, der die Moderne im Fußball prägen könnte. Aktuell wäre das vielleicht sogar ein Vorsprung gegenüber anderen Vereinen. Dass er „nur“ im Mittelmaß steht mit Hoffenheim, liegt daran, dass dieser Kader einfach nicht mehr bietet. Die Schlüsselspieler sind weg, sehr junge Spieler wurden integriert (weiterer Pluspunkt), und ein großer Teil spielte vor 3 Jahren noch gegen den Abstieg. Dafür holt er noch sehr viel heraus. Ich bin mittlerweile zu 100% überzeugt, dass der Schritt nicht zu früh käme. Nagelsmann könnte eine neue Ära einleiten.
Wäre Marco Rose von Salzburg ein Trainer für die Bayern und warum bzw. warum nicht?
Gemeinsam mit René Maric und dem gesamten Team macht er einen tollen Job. Wäre sehr spannend, einen Spielverlagerer beim FCB zu sehen. René ist ein guter und kompetenter Typ. Ach ja, und Marco Rose scheint auch ganz gut zu sein.
Ich verfolge die U-Mannschaften nicht, und würde gerne wissen, ob die beiden spekulierten Abgänge Wintzheimer und Mai ein Zeichen von fehlender Perspektive im Bayernkader sind, oder ob den beiden nicht das nötige Potenzial zugetraut wird, sich beim FCB duchzusetzen.
Gerade wo ja aktuell versucht wird, wieder mehr auf die eigene Jugend zu setzen.
Bei Wintzheimer hat unser Autor Martin zuletzt ja (ich glaube auf Twitter) betont, dass es sehr wahrscheinlich nicht für den FC Bayern reichen wird. Von einem Mai-Transfer wären wir alle sehr überrascht. Er war immer Leistungsträger in seiner Mannschaft, und hat eine gute Perspektive. Das wäre echt schade, und wohl auch ein Versäumnis des Klubs.
Welche Amateure-Spieler (oder U17/U19) sollten im Liga-Endspurt Einsatzzeiten bekommen?
Ich würde ja Batista Meier gerne mal im Profibereich sehen. Aber ich habe einen zu kleinen Überblick. Letztendlich freue ich mich über jeden, der die Chance erhält.
Zum 6ten Mal in Folge Meister. Zuviel des Guten? Sind die Bayern noch „gesund“ für die Bundesliga?
Gesund sind wir für die Liga schon lange nicht mehr. Wir müssen in Europa konkurrenzfähig bleiben, und kaufen dafür die besten Spieler der Liga ein, weil wir müssen. Ein Teufelskreis. Die DFL wird Lösungen finden müssen. Auch wenn alle gegen das Kippen von 50+1 sind, so wird immer nur „NEIN!“ gebrüllt. Eine Alternative wird nicht präsentiert. Die Aufgabe hätte man früher angehen müssen, nun ist sie für die DFL noch größer.