Vorschau: DFL-Supercup gegen Borussia Dortmund
Vor dem ersten Pflichtspiel der Saison haben wir uns bei Stefan Buczko vom Yellowwallpod erkundigt, wie es aktuell um den größten Rivalen in der Bundesliga steht.
Hallo Stefan, der BVB hat eine starke Saison hinter sich, musste mit Gündogan, Mkhitaryan und Hummels aber drei Schlüsselspieler abgeben. Kann man die überhaupt ohne Qualitätsverlust ersetzen und welche Ansätze hat Tuchel auf diesem Weg schon erkennen lassen?
Natürlich kann man keinen der drei oben genannten ohne Qualitätsverlust ersetzen – jedenfalls nicht als Borussia Dortmund. Man hat die €100 Millionen genutzt um die Qualität der Kaderbreite aufzubessern, aus der die Spitze über die nächsten Jahre nachwachsen soll.
Marc Bartra ist wohl der Spieler, der am ehesten als “like-for-like-Ersatz” verpflichtet wurde. Der 25-Jährige hat ähnliche Anlagen wie Mats Hummels was den Spielaufbau betrifft. Er hat definitv eine höhere Geschwindigkeit als der ehemalige Kapitän, aber ob er die gleiche Präsenz und Durchsetzungsfähigkeit eines Hummels erlangen wird, bleibt abzuwarten. Mit Bartra, Sebastian Rode und Mario Götze hat man drei hochveranlagte Spieler zum BVB geholt, die sich bei zwei der drei besten Vereine der Welt nicht durchsetzen konnten. Dies geschah in der Hoffnung, dass man diesen Spielern Spielanteile und eine höhere Priorität zugestehen kann, als der FC Bayern oder FC Barcelona tun könnten, damit sie den Sprung auf internationales Niveau schaffen können.
Thomas Tuchel hat in den Vorbereitungsspielen darauf verzichtet große Veränderungen gegenüber der Vorsaison auszuprobieren. Er hat seine Mannschaft häufiger in einem 3-2-4-1-, 4-1-4-1- oder 4-3-3-System spielen lassen, in Formen und Ausrichtungen die Borussia Dortmund in der letzten Saison schon angewandt hat. In Anbetracht dessen, dass man acht Neuverpflichtungen in kürzester Zeit integrieren muss, hätte es auch wenig Sinn gemacht die noch bestehenden Automatismen aufzubrechen.
Die Stärken der Dortmunder lagen in der ersten Tuchel-Saison im Angriff, während man hinten zu viele Gegentore kassierte. Würdest Du dem zustimmen und wo siehst Du die Stärken sowie Schwächen der Borussia in der kommenden Saison?
Was Borussia Dortmund defensiv in einigen Testspielen gezeigt hat war teilweise abenteuerlich. Man hat vor allem große Probleme in der Übergabe von Gegenspielern gesehen, was in durchgemischten Testspielmannschaften mit vielen Neuzugängen häufig der Fall ist. Es ist für den BVB hauptsächlich eine Frage der Zeit, wovon allerdings wohl nicht ausreichend gegeben ist.
Julian Weigl, der mit den EM-Fahrern sehr spät zur Mannschaft hinzugestoßen ist, wird der Gesamtstruktur der Mannschaft einiges an Stabilität verleihen. Das Prinzip der Chancenminimierung des Gegners durch Verringerung der Ballverluste, wird Bayern-Fans sicherlich bekannt sein. Der 20-Jährige wird in seinem zweiten Jahr sehr viel Verantwortung übernehmen müssen, da er momentan zum wichtigsten Spieler avanciert.
Man konnte die Stärken und Schwächen des BVB bis jetzt fast nur erahnen. Die hohe Geschwindigkeit im letzten Drittel mit Pierre-Emerick Aubameyang, Marco Reus, Ousmane Dembélé, Christian Pulisic und André Schürrle wird von gegnerischen Trainern wohl oft als erstes genannt. Mit Dembélé, Emre Mor und Mario Götze hat man trotz des Abgangs von Henrikh Mkhitaryan seine Qualitäten im Eins-gegen-Eins verstärkt, welche dabei helfen werden tiefstehende Gegner noch besser zu bearbeiten. Pulisic macht allen Anzeichen nach auch noch einen gewaltigen Schritt nach vorn.
Ansonsten bleibt festzuhalten, dass sich der BVB im Vergleich zur Vorsaison vorerst nicht allzugroß verändern wird. Die Anfälligkeit gegen aggressiv pressende Mannschaften ist und bleibt ein Problem für die schwarzgelben, sowie eine schwache Verteidigung von Standartsituationen. Es ist davon auszugehen, dass die Schwächen der Borussia zu Beginn der Saison sichtbarer sein werden als die vermeintlichen Stärken.
Mario Götze und Sebastian Rode sind vom FC Bayern nach Dortmund gewechselt. Wie bewertest Du die beiden Tansfers und welche Rolle werden sie vermutlich einnehmen?
Für mich ist Mario Götze der eindeutige Königstransfer. Da man Henrikh Mkhitaryan und Ilkay Gündogan nicht halten konnte, fehlt es gewaltig an kreativem Potenzial. Bei dem deutschen Nationalspieler und Thomas Tuchel herrscht Einigkeit, dass Götzes beste Position im Zentrum liegt. Daraus resultiert die Hoffnung, dass er dadurch sein Talent voll ausschöpfen kann und wieder zu einer gefestigten Größe im BVB-Spiel wächst.
Ob dies auch für Sebastian Rode gilt bleibt abzuwarten. Allerdings hat der 25-Jährige in den Testspielen schon unter Beweis gestellt, dass er eine große Hilfe für die Mannschaft sein kann. Als man mit 4:3 in letzter Sekunde beim FC Liverpool verloren hat, sind die Stimmen laut geworden, dass es dem BVB an körperlicher Robustheit im Mittelfeld fehlt. Ob es an diesem Abend tatsächlich an körperlicher Robustheit mangelte, sei dahingestellt. Mit Rode hat man diese dazugewonnen, denn er hat Qualitäten die man von einem Sven Bender schon durchaus kannte. Allerdings ist Rode sauberer im Spielaufbau und in der Ballführung besser als Bender, welcher genau aus diesen Mängeln keine Chance auf seiner alten Mittelfeldposition unter Tuchel hat. Es wird definitiv für Rode zu mehr Einssatzzeiten reichen als zuletzt unter Pep Guardiola.
Der Supercup hat nicht das größte Prestige. Lass uns dennoch kurz darüber sprechen. In welcher Ausrichtung erwartest Du den BVB?
Der Blick in die Glaskugel verrät mir, dass Tuchel mit Rode, Weigl und Castro im defensiven Mittelfeld eine defensivere Variante ausprobieren wird. Vorne wird er mit Schürrle, Götze, Pulisic und Aubamenyang auf eine schlichtweg dreiste Geschwindigkeit setzen.
Eine ernsthafte Prognose kann man allerdings noch nicht abgeben.
Welchen Mehrwert liefert die Partie gegen die Bayern am Sonntag für Borussia Dortmund Deiner Meinung nach und was erwartest Du Dir vom Spiel?
Als allererstes wird diese Partie sicherlich zur Vermarktung der Bundesliga beitragen, da ich mir nicht vorstellen kann, dass es ein langweiliger Kick wird. Das Comedy-Potenzial ist gerade in einem Spiel zwei Wochen vor Saisonbeginn noch gewaltig. Beide Teams werden sich wohl gegenseitig gnadenlos die Schwächen aufzeigen, an denen es noch zu arbeiten gilt. Ich habe jedoch die Befürchtung, dass die nichtvorhandene defensive Stabilität ein böses Erwachen nach sich ziehen könnte.
Man darf das Spiel nicht zu hoch bewerten, aber eine zu hohe Niederlage könnte direkt dem Selbstvertrauen schaden – andersherum ginge es natürlich genauso, aber nach den Beobachtungen aus den Freundschaftsspielen kann ich mir einen Sieg am Sonntagabend nicht so wirklich vorstellen.
Das klingt als gäbe es noch viel zu tun beim BVB. Können die Dortmunder dem Rekordmeister in dieser Saison dennoch wieder gefährlich werden, oder ist der Umbruch einfach zu groß?
Nur die Bayern selbst können sich gefährlich werden. Wenn sie die Konstanz der letzten Jahre beibehalten, kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendeine Bundesligamannschaft an die Münchner herankommen kann.
Ich glaube nicht daran, dass Borussia Dortmund die 78 Punkte aus der Vorsaison wiederholen oder gar überbieten wird. Gerade durch die Belastung in der Champions League, die nochmal eine andere sein wird als die Europa League, sehe ich schon den ein oder anderen “unnötigen” Punkteverlust herbei.
Kein Verein hat den DFL-Supercup häufiger gewonnen als der BVB. Am Sonntag haben sie die Möglichkeit ihren Vorsprung auszubauen.
Seit 2010 wird der Wettbewerb zu Saisonbeginn wieder ausgetragen. Er besteht nur aus einem Endspiel, für das sich der amtierende deutsche Meister sowie der DFB-Pokalsieger automatisch qualifizieren. Gewinnt ein Verein das Double, so wie die Bayern in der vergangenen Saison, tritt dieser gegen den Vizemeister an. Der Supercup hat sowohl unter den Verantwortlichen, als auch bei den Fans nicht das größte Ansehen. Zwischen 1987 und 1996 wurde er erstmals ausgetragen. Damals unter dem Namen „DFB-Supercup“ und ab 1992 als „Panasonic-Supercup“. Ab 1997 wurde dieses Finale allerdings durch den Ligapokal abgelöst, der in der Form eines kleinen Turniers ausgespielt wurde und so wenig mit der eigentlichen Idee zu tun hatte. 2007 wurde auch dieser Pokal abgeschafft, ehe 2010 der heute bekannte DFL-Supercup wieder eingeführt wurde. Eine Besonderheit dieses Finals ist, dass es keine Verlängerung gibt. Steht es nach 90 Minuten Unentschieden, gibt es direkt Elfmeterschießen. Seit 2011 hat der DFB-Pokalsieger beziehungsweise der Vizemeister Heimrecht.
Wie eingangs erwähnt, ist Borussia Dortmund mit fünf Titeln der Rekordsieger dieses Wettbewerbs. Bayern München (4), Werder Bremen (3), Kaiserslautern, Schalke, Stuttgart und Wolfsburg (jeweils ein Mal) folgen ihnen. Am Wochenende können die Münchner also den Ausgleich schaffen und zum gemeinsamen Rekordsieger avancieren. Grundsätzlich ist dieser Pokal aber häufig eine letzte Gelegenheit für die Trainer noch etwas auszuprobieren. Die Standortbestimmung ist den Teams deutlich wichtiger als der Pokal an sich. Das wiederum macht den Wettbewerb aber auch interessant für neutrale Zuschauer, da oft ein gewisser Unterhaltungswert vorhanden ist.
Am Sonntag treffen also die beiden besten Mannschaften der vergangenen Saison aufeinander. Wie Stefan uns bereits richtig analysierte, hat der BVB mannschaftstaktisch nicht viel verändert. Tuchel setzt auf bewährte Automatismen und versucht, die Neuzugänge dort bestmöglich zu integrieren. Gegen Bayern setzte der 42-Jährige zuletzt immer wieder auf eine Dreierkette, die gegen den Ball zu einer stabilen Fünferkette wurde. Das könnte auch am Wochenende wieder eine Option sein. Guardiola fand darauf gute Lösungsansätze, doch wie wird Ancelotti seine Mannschaft einstellen?
Auch deshalb ist der Supercup interessant. Man wird erstmals sehen, wie der Italiener sich gegen Tuchels BVB schlägt, wenngleich wir uns noch am Anfang der Saison befinden. Es ist erwartbar, dass Ancelotti eine offensive und aggressive Ausrichtung wählt, da Dortmund hier seine größten Schwächen während der Vorbereitung offenbarte. Hohes, aber kompaktes Pressing sind ein Mittel zum Erfolg. Gleichwohl müssen die Münchner aber auch die „schlichtweg dreiste Geschwindigkeit“ verteidigen, wie Stefan sie bezeichnete.
Der Supercup mag in seiner Wertigkeit ziemlich unwichtig sein, aber das Duell auf dem Rasen verspricht großes Unterhaltungspotenzial. Wie gut kann der BVB nach dem Umbruch schon sein? Welche Veränderungen gibt es im Spiel der Münchner zu beobachten? Wie viel Ballbesitz überlässt Ancelotti den Dortmundern? Die Antworten auf diese Fragen könnte es bereits am Sonntag geben.
Zudem ist es die erste und zugleich letzte Möglichkeit für Ancelotti die vielen Nationalspieler, die erst nach der USA-Tour zum Training kamen, einzubinden. Schließlich beginnt nur fünf Tage später für die Münchner bereits der DFB-Pokal. Neuer, Lewandowski, Müller und Hummels dürften von diesen sicherlich in der Startelf stehen. Darüberhinaus gibt es aber einige Fragezeichen. So ist zwar Ribery mit nach Dortmund gereist, ein Einsatz hängt wohl aber vom Grad der Verletzung ab.
Statistiken zum Spiel
Die bisherigen Supercup-Spiele gegen den BVB
- Borussia Dortmund 2:0 FC Bayern München (2014, Signal Iduna Park, Dortmund)
- Borussia Dortmund 4:2 FC Bayern München (2013, Signal iduna Park, Dortmund)
- FC Bayern München 2:1 Borussia Dortmund (2012, Allianz Arena, München)
- FC Bayern München 3:4 Borussia Dortmund (1989, Fritz-Walter-Stadion, Kaiserslautern)
Fun Facts
- Der BVB ist mit fünf Titeln Rekordsieger. 1989, 1995, 1996, 2013 und 2014 ging der Supercup nach Dortmund. Nur 2011 (gegen Schalke 04) und 2012 (gegen den FC Bayern) verloren sie dieses Finale. Es ist also die achte Teilnahme der Borussia.
- Die Münchner werden bereits zum zehnten Mal teilnehmen, haben allerdings schon fünf Finals verloren. 1989, 2013 und 2014 verlor man gegen Borussia Dortmund, 1994 ging der Pokal nach Bremen und vor der letzten Saison setzte sich der VfL Wolfsburg im Elfmeterschießen gegen die Bayern durch. Die vier Titel sammelte der Rekordmeister 1987 (gegen Hamburg), 1990 (gegen Kaiserslautern), 2010 (gegen Schalke 04) und 2012 (gegen Borussia Dortmund).
- Der FC Bayern gewann das erste Supercup-Finale überhaupt. Im Jahr 1987 besiegten sie den Hamburger SV mit 2:1 im Waldstadion in Frankfurt.
- Rekordspieler des Wettbewerbs sind Ulrich Borowka, Philipp Lahm, Robert Lewandowski, Thomas Müller, Oliver Rech und Mirko Votava (je 5 Spiele).
- Rekordtorschütze ist Wynton Rufer mit vier Treffern. Zwischen 1989 und 1994 spielte er für Werder Bremen und 1997 absolvierte er 14 Pflichtspiele für Kaiserslautern. Arjen Robben, Jürgen Wegmann (beide 3 Tore), Günter Breitzke, Jürgen Degen, Thomas Müller und Marco Reus (allesamt zwei Tore) folgen ihm.
- Sebastian Rode, Mario Götze und Mats Hummels könnten im Supercup jeweils ihr erstes Pflichtspiel für ihren neuen Verein gegen den Ex-Klub bestreiten.
- Rekordtrainer ist Otto Rehhagel. Er coachte sechs Supercup-Endspiele. Fünf Mal stand er für Werder Bremen an der Seitenlinie und ein weiteres Mal für Kaiserslautern. Karl-Heinz Feldkamp, Jupp Heynckes, Jürgen Klopp (jeweils 4) und Pep Guardiola (3) folgen auf den nächsten Rängen.
- Bereits 1941 kam es unter der Bezeichnung „Herausforderungskampf“ zu einem direkten Vergleich zwischen dem Tschammer-Pokalsieger Dresdner SC und dem Deutschen Meister Schalke 04. Der Dresdner SC setzte sich mit 4:2 durch. Weitere inoffizielle Supercup spiele gab es 1977 (Gladbach 3:2 Hamburg), 1983 (Hamburg 2:4 n.E. FC Bayern), 2008 (FC Bayern 1:2 Dortmund) und 2009 (Wolfsburg 1:2 Bremen).
Fünf Thesen zum Spiel
- Es werden mindestens drei Tore fallen.
- Der FC Bayern gewinnt den Supercup.
- Borussia Dortmund wird treffen.
- Die Münchner werden weniger als 60% Ballbesitz haben.
- Ein Ex-Spieler (Hummels, Rode oder Götze) wird treffen.