Wie gut ist der Bayern-Kader besetzt?

Justin Trenner 11.08.2016

In den letzten Jahren gingen die Münchner stets mit mindestens 20 Feldspielern in die Saison. Sollten sie keinen Transfer mehr tätigen, könnte dies ein gutes Zeichen für Julian Green sein. Der 21-Jährige zeigte teilweise ordentliche bis gute Leistungen in der Vorbereitung und könnte nun eine ernsthafte Alternative für Robert Lewandowski und Thomas Müller sein. Als Backup-Lösung vielleicht gar keine schlechte Idee. Der US-Nationalspieler wäre der 20. Akteur im Kader des Rekordmeisters, wenn man die Torhüter außen vor lässt. Auch Benko und Dorsch zählen zwar zum offiziellen Kader, doch wie viele Einsätze den beiden winken, ist fraglich. Green dürfte hier die größten Chancen haben, wenn kein weiterer Spieler mehr verpflichtet wird.

Mit dem Prinzip, 20 oder maximal 21 Kaderplätze zu vergeben und gegebenenfalls noch Jugendspieler zu ergänzen, fuhren die Münchner zuletzt gut. Lediglich Extremfälle brachten die Mannschaft an ihre Grenzen. Um diese zu vermeiden, wurden noch mal Spieler geholt, die die Qualität des Teams erhöhen. Sebastian Rode, Mario Götze und Medhi Benatia verließen den Verein, während Sanches und Hummels neu dabei sind. Das erlaubt den Bayern noch mehr Rotationsmöglichkeiten, auch in größeren Spielen. Doch reicht das, um auf Härtefälle vorbereitet zu sein?

Die Abwehr

Mit der Verpflichtung von Mats Hummels hat der amtierende Meister qualitativ einen weiteren Schritt nach vorn gemacht. Auch wenn Medhi Benatia und Serdar Taşçı den Verein verlassen haben, ist jede Position in der Defensive ausreichend besetzt. Zumal gerade der Marokkaner äußerst verletzungsanfällig war und nie wirklich Fuß in München fassen konnte. Hummels hingegen hat in den letzten Jahren durchschnittliche Ausfallzeiten vorzuweisen. Seit der Saison 2010/11 fiel der Nationalspieler insgesamt 315 Tage aus und verpasste so 57 Spiele. Das sind im Schnitt 52,5 Tage und 9,5 Spiele pro Spielzeit. Auffällig ist dabei, dass der Neuzugang 2013/14 (98 Tage/26 Spiele) und 2014/15 (115 Tage/16 Spiele) relativ häufig verletzt war. Bereits in der letzten Saison kehrte er jedoch wieder zur Normalität zurück. Hummels verpasste nur fünf Begegnungen und fehlte 33 Tage. Auf ihn dürfte also Verlass sein. Spannender wird diese Frage bei Holger Badstuber, Javi Martínez und vielleicht auch Jérôme Boateng sein. So oder so sollten die Münchner aber, wenn man auch Kimmich und Alaba berücksichtigt, in der Innenverteidigung auf alle Szenarien vorbereitet sein.

Joshua Kimmich könnte mittelfristig Konkurrent für Rafinha sein.(Foto: Christof Stache / AFP / Getty Images)
Joshua Kimmich könnte mittelfristig Konkurrent für Rafinha sein.
(Foto: Christof Stache / AFP / Getty Images)

Auf der Außenbahn bieten sich den Bayern ebenfalls genügend Optionen. Kapitän Philipp Lahm und David Alaba sollten gesetzt sein. Hinter ihnen gibt es mit Rafinha, Bernat und Kimmich genügend Alternativen, die in der Bundesliga für Ruhepausen der beiden sorgen können. Langfristig sieht sich gerade Kimmich aber im Mittelfeld. Rafinha ist zudem nicht der jüngste und könnte mittelfristig wegbrechen. Hier sollte der Verein in den nächsten Jahren ein bis zwei Alternativen finden. Speziell die Nachfolge von Lahm ist noch lange nicht geklärt.

Das zentrale Mittelfeld

Im Mittelfeld hat Carlo Ancelotti die vielleicht größte Auswahl. Neben spielstarken Varianten wie Thiago und Xabi Alonso, bieten sich dem Italiener auch klassische Box-to-Box-Arbeiter wie Arturo Vidal und Renato Sanches an. Darüber hinaus gibt es mit Kimmich noch einen extrem spielintelligenten Sechser, der seine Zukunft ebenfalls im Mittelfeld sieht. In der Zentrale des Rekordmeisters dürfte es deshalb den spannendsten Konkurrenzkampf geben. Lässt der Trainer ein 4-4-2 spielen, gibt es nur zwei Positionen für die fünf genannten Personalien. Aber auch in einem 4-1-4-1, das drei zentrale Positionen für Mittelfeldspieler bietet, wird es nicht viel einfacher. Das System gibt nur eine Stürmer-Position her und so würde auch Thomas Müller in die Verlosung dieser Plätze fallen. Dass Ancelotti mit einer Dreierkette agieren lässt, scheint zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich zu sein. Auch Javi Martínez, David Alaba und Philipp Lahm sind theoretisch Spieler, die im Mittelfeld einen Mehrwert bieten können. Hier wird der Trainer Entscheidungen treffen müssen, die auch mit Blick auf die Teamchemie sehr wichtig sein werden. Das Zentrum ist fast schon überbesetzt, verspricht aber auch jede Menge fußballerische Qualität. Ancelotti ist hier in der Theorie auf jeden Ernstfall vorbereitet.

Die Flügelstürmer

Man könnte meinen, dass die Außenbahn in den letzten Jahren die wichtigste Zone des Spielfelds für die Bayern war. Der Flügelfokus besteht in München wahrscheinlich seit der Verpflichtung Ribérys, spätestens aber seit der von Robben. Beide prägten eine Ära, die sich nun langsam dem Ende neigt. Robben ist wieder mal verletzt. Zwar fällt der Niederländer nicht allzu lange aus, doch jede Ausfallzeit lässt die Zweifel an einer gesunden Saison wachsen. Die Alternativen verpflichtete man bereits vor der letzten Saison. Douglas Costa und Kingsley Coman übernahmen die Rolle der beiden über weite Strecken mit Bravour, zeigten dabei aber auch mehrfach, dass sie noch nicht auf dem Niveau von „Robbery“ sein können. Speziell Costa baute in der Rückrunde zunehmend ab und offenbarte große Schwierigkeiten im Spielverständnis. Gerade in der Hinrunde konnte der Brasilianer aber auch überzeugen. Zwar macht er viele fahrlässige und nicht durchdachte Sachen in einem Spiel, doch hatte er auch oft genug positive Momente, die dann spielentscheidend waren.

Bei Kingsley Coman ist die Situation eine andere. Der 20-Jährige ließ keinerlei Zweifel an sich offen und überzeugte in seinem ersten Bayern-Jahr fast restlos. Seine größten Schwächen lassen sich auf das noch junge Alter reduzieren. Er trifft nur selten falsche Entscheidungen, überzeugt mit hoher Spielintelligenz und spielte ein selbstbewusstes Spiel. Will man den Franzosen kritisieren, so muss man sein Endprodukt ansprechen. Häufig setzt er sich im Eins-gegen-Eins oder gar im Eins-gegen-Zwei durch, findet dann aber nicht die beste Lösung im Strafraum. Eigene Abschlüsse führen nur selten zum Erfolg und auch seine Hereingaben sind ausbaufähig. Wie schon gesagt, ist Coman aber erst 20 Jahre alt. Dass Karl-Heinz Rummenigge schon öffentlich von einer festen Verpflichtung des noch von Juventus ausgeliehenen Angreifers spricht, zeigt, dass der Franzose auf einem guten Weg ist.

Wichtig wäre es dennoch, dass Robben und Ribéry in den entscheidenden Wochen des Kalenderjahres 2017 fit sind. Coman und Costa fehlt es aus verständlichen Gründen an Konstanz. Wie gut hätte den Bayern im Champions-League-Halbfinale der vergangenen Saison wohl ein Robben getan? Der Niederländer trifft im Strafraum mit beeindruckender Quote gute Entscheidungen und kann mit seiner ganzen Art eine Offensive ankurbeln. Als der FC Bayern im März gegen Mainz 05 verlor, war er derjenige, der die ganze Mannschaft mitreißen konnte. Robben veränderte den Spielverlauf zugunsten der Münchner und erzielte zwischenzeitlich sogar den Ausgleich. Dass die Mainzer am Ende dennoch die drei Punkte holten, lag auch an äußeren Faktoren wie dem Abschlusspech oder einer unglücklichen Spielgeschichte. Arjen Robben ist und bleibt der Mann für die wichtigen Spiele und sollte er in den wichtigen KO-Spielen der Champions-League-Saison fit und in Form sein, erhöhen sich die Chancen der Bayern auf den Titel enorm.

In den großen Spielen weiter unverzichtbar: Arjen Robben und Franck Ribéry.(Foto: Alexander Hassenstein / Bongarts / Getty Images)
In den großen Spielen weiter unverzichtbar: Arjen Robben und Franck Ribéry.
(Foto: Alexander Hassenstein / Bongarts / Getty Images)

Selbiges gilt im übrigen für Franck Ribéry. Der Franzose scheint unter Ancelotti einen zweiten Frühling zu erleben. Zwar ist er gewiss kein einfacher Spieler, aber er kann den Bayern mit seiner Qualität weiterhin helfen. Bestätigt sich der gute Eindruck aus der Vorbereitung, könnte der 32-Jährige tatsächlich noch ein weiteres Mal der Schlüssel zu einer erfolgreichen Saison sein. Priorität muss dabei auch die Belastungssteuerung haben. Wie viele Spiele kann der Franzose noch am Stück absolvieren? Bleibt er jetzt über längere Zeit von Verletzungen verschont? Gibt die Gesamtkonstellation es her, dass Ancelotti ihm viele Pausen gönnen kann? Diese und weitere Fragen werden darüber entscheiden, ob Ribéry tatsächlich seinen zweiten Frühling erlebt, oder nicht.

Ob der FC Bayern auf diesen Positionen ausreichend besetzt ist, lässt sich nicht abschließend klären. Auf dem Papier sind sie es. Sollte jedoch neben Ribéry und Robben auch noch einer der anderen beiden Flügelspieler ausfallen, wird es eng im Kader. Diesen Fall gab es bereits, als am Ende der letzten Hinrunde nur noch Kingsley Coman verfügbar war. Auf der USA-Reise testete Ancelotti auf diesen Positionen Juan Bernat, David Alaba und Philipp Lahm. Die Versuche zeigten, dass ohne Eins-gegen-Eins-Qualitäten die Durchschlagskraft fehlt. Würde man aber noch einen Spieler verpflichten, wäre die Position im Falle eines fitten Kaders überbesetzt. Die Bayern befinden sich in einer Übergangsphase. Solange Robben und Ribéry noch da sind, werden sie hinsichtlich der Verletzungen auch etwas Glück benötigen.

Das Traumduo ohne Alternative

Im Angriff kann der FC Bayern auf Thomas Müller und Robert Lewandowski zurückgreifen. Eigentlich könnte das Thema damit auch abgehakt sein. Beide spielen seit Jahren ein konstant hohes Niveau und sind zudem fast nie verletzt. Seit jeher wird aber auch die Frage in den Raum gestellt, was die Münchner machen würden, wenn sie doch mal ausfallen. Eingangs wurde bereits erwähnt, dass es derzeit so aussehe, als würde Julian Green die Backup-Rolle übernehmen. Es ist aber fraglich, ob er die optimale Besetzung dafür ist. Kommt es zum Ernstfall, ist der Rekordmeister hier vielleicht am schlechtesten vorbereitet. Mario Götze ist nicht mehr da und auch Pizarro, der quasi die bestmögliche Lösung hinter Lewandowski war, wurde bereits vor einiger Zeit an Bremen abgegeben. Sollte der Rekordmeister auf dem Transfermarkt nicht mehr tätig werden, so kann man als Bayern-Fan nur hoffen, dass das Traumduo im Angriff weiterhin gesund bleibt. Viel Rotation ist jedenfalls nicht zu erwarten.

Fazit

Alles in allem hat der Kader der Bayern nur kleinere Baustellen. Die spannendsten Fragen gibt es wiedermal zur Belastungssteuerung und der Verletzungsanfälligkeit. Speziell im Zentrum ist der Serienmeister aber exzellent besetzt. Ancelotti hat nicht nur viele hochklassige Spieler zur Verfügung, sondern kann auch noch auf viele verschiedene Gegner reagieren. Es lässt sich also zweifelsohne behaupten, dass die Verantwortlichen auf dem Papier wiedermal einen großartigen Job gemacht haben. Die Mannschaft ist ausgewogen, bietet viele Alternativen und hat auch für die Zukunft einiges anzubieten. Sollten die Verletzungen sich auf ein normales Maß reduzieren, sind die Titelchancen auch in dieser Saison in allen Wettbewerben sehr gut.