EM-Blog: Ein Plädoyer für die Dreierkette

Justin Trenner 03.07.2021

Flexibilität ist Trumpf. Fünf von acht Viertelfinalisten haben bei der Europameisterschaft im Achtelfinale mit einer Fünferkette begonnen. Hinzu kommen mit Deutschland, Frankreich und der Niederlande drei weitere Achtelfinal-Teilnehmer, die mit fünf “Verteidigern” begonnen haben. Schon in der Gruppenphase fiel auf, dass viele Teams mit einer kompakten Fünferkettenformation verteidigten. Nicht nur individuell unterlegene Mannschaften, sondern auch einige Top-Nationen.

Der Fokus lag dabei häufig auf der Defensive: Stabil stehen, wenig zulassen und über Kontersituationen zum Erfolg kommen. Aber es gab auch gegenteilige Beispiele: Die Niederlande agierte aus einer 5-3-2-Grundordnung heraus sehr offensiv. So offensiv, dass der rechte Flügelverteidiger Denzel Dumfries mitunter mehr Flügelstürmer als ein Verteidiger war.

Auf der anderen Seite standen aber wiederum Negativbeispiele wie Deutschland oder zu Beginn des Turniers auch Österreich, die aus ihrer Fünferkette heraus kaum offensive Durchschlagskraft entwickelt haben. Behäbig, statisch, zu risikolos – so die allgemeine und berechtigte Kritik. Aber selbst bei den offensiv ausgerichteten Niederländern gab es viele kritische Stimmen aus der Heimat, die eine Rückkehr zum 4-3-3 gefordert haben.

Der schlechte Ruf der Dreierkette

Die Dreierkette, sie ist trotz einiger Positivbeispiele spätestens bei diesem Turnier etwas in Verruf geraten. England und Deutschland neutralisierten sich mit der risikolosen Interpretation ihrer 3-4-3-Systeme so lange, bis auch die letzten Zuschauer:innen vor dem Fernseher eingeschlafen sind. Solche Spiele haben auch direkte Auswirkungen auf die Grundstimmung bei den Fans des FC Bayern. In den sozialen Netzwerken gibt es immer mal Stimmen, die einer Dreierkettenformation bereits die Erfolgsmöglichkeiten absprechen und Nagelsmann davor warnen, sie auch beim Rekordmeister zu etablieren. Warum auch das 4-2-3-1 verändern, das in den letzten Jahren so erfolgreich war?

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Solche Urteile kommen aber viel zu schnell. Nicht die Dreierkette ist Schuld daran, dass Mannschaften wie die deutsche so behäbig nach vorn gespielt haben, sondern die fehlende Flexibilität und Integration der Spieler auf dem Platz sind es – und somit eben auch die Arbeit der Trainer vor und während des Turniers. Deutschland war ein Paradebeispiel dafür, was passiert, wenn Spieler nicht gut ins System integriert sind. So schrieb Fußballexperte Tobias Escher in seinem EM-Tagebuch über Toni Kroos: “Anders als bei Real Madrid waren [seine] Bewegungen aber nie in eine größere, zielgerichtete Spielidee eingebunden. Kaum jemand schuf die passenden Optionen für Kroos, um das Spiel zu beschleunigen.”

Stattdessen liefen sich die Deutschen teilweise gegenseitig die Räume zu. Auch Thomas Müller war einer der Spieler, die im 3-4-3 nie so richtig Anbindung fanden. Nicht aber, weil er grundsätzlich in einer solchen Ausrichtung nicht funktionieren kann, sondern weil um ihn herum aufeinander abgestimmte Laufwege und eine gewisse Anzahl an Spielern fehlten, mit denen er interagieren kann. Deutschlands Interpretation der Dreierkettenformation war mitunter so mutlos, dass Müller gemeinsam mit zwei oder drei anderen Mitspielern gegen vier oder fünf Gegenspieler Lösungen finden musste.

Eine Dreierkette muss nicht “defensiv” sein

Formationen werden gern mit “Systemen” gleichgesetzt, wobei das nur die halbe Wahrheit ist. Zwar ist die Formation als Grundstruktur ein Teil des Systems, aber eben nicht mehr. Entscheidend sind die Ausrichtung und die darin integrierten Abläufe sowie deren Umsetzung. Eine Grundstruktur kann unterstützend sein.

Welche Spielertypen stehen zur Verfügung? Wo haben die einzelnen Spieler ihre Stärken und wie hebe ich diese hervor? Das sind Fragen, die letztendlich darüber entscheiden, wie ein Trainer die Einzelteile zu einer Mannschaft zusammenpuzzelt. Eine Dreierkette ist dabei nicht per se defensiver als eine Viererkette mit zwei hochstehenden Außenverteidigern.

Auch Deutschlands 3-4-3 hätte in der Interpretation noch deutlich offensiver wirken können, wenn Bundestrainer Joachim Löw auf den Außenbahnen mindestens einen Spieler gehabt hätte, der zuverlässig mit Tempo und technischen Fähigkeiten Eins-gegen-eins- oder Eins-gegen-zwei-Situationen auflösen kann. Oder wenn die Mannschaft Lösungen gefunden hätte, sich durch gutes Nach- und Verschiebeverhalten hinter die gegnerische Abwehr zu kombinieren. Gerade weil die deutsche Mannschaft aber auf solche einstudierten Abläufe nicht zurückgreifen konnte, gab es die berechtigte Kritik daran, auf die für die meisten Spieler vertraute Viererkette umzustellen. Auch um Schlüsselspieler in ihre gewohnten Rollen zu bringen. Allerdings ist Deutschland da aufgrund der wechselhaften Vorbereitung auf das Turnier eine Ausnahme und eignet sich deshalb nicht als Totschlagargument gegen die Dreierkette.

Dänemark und Italien als vorbildliche Beispiele?

Die Dänen nutzen die Dreierkette beispielsweise für eine gute Konter- und Defensivabsicherung, aber auch für eine natürliche Dominanz im Spielaufbau. Ein Spielaufbau mit drei Spielern ist schwieriger zu pressen als einer mit zwei. Außerdem können die aufbaustarken Innenverteidiger das Spiel breiter machen, wodurch sich bessere Passwinkel und die Möglichkeit zum Andribbeln ergeben – beides sehr wichtig für ballbesitzorientierte Mannschaften, um nicht in ewiges Quergeschiebe zu verfallen. Die Flügelverteidiger können zudem sehr hoch schieben, wodurch es den Offensivspielern ermöglicht wird, das Mittelfeld und die letzte Linie mit vielen Spielern zu besetzen und so die theoretische Unterzahl im offensiveren Bereich auszugleichen.

Italien ist ein etwas anderes Beispiel. Denn auf dem Papier spielen sie mit einer Viererkette. Dennoch machen sie sich die beschriebenen Vorteile oft zunutze, indem der rechte Verteidiger tiefer und eingerückter steht und der linke Verteidiger fast zum Flügelstürmer wird. Trainer Roberto Mancini lässt damit trotz einer Viererkettenformation phasenweise mit Dreierkette spielen. Italien könnte nach diesem Turnier als Vorbild für ballbesitzorientierte Mannschaften dienen, weil sie die Vorteile von Vierer- und Dreierkette so klug miteinander kombinieren, dass die Nachteile beider Formationen nahezu komplett kaschiert werden können. Insgesamt ist es bemerkenswert, wie sauber die Abläufe innerhalb des Teams funktionieren.

Und auch Dänemark hat im Turnierverlauf bereits auf fluide Wechsel zwischen Vierer- und Dreierkette gesetzt. Gegen Wales rückte Verteidiger Andreas Christensen nach zehn Minuten ins Mittelfeld, um eine Unterzahlsituation auszugleichen. Im Viertelfinale gegen Tschechien nutzten die Halbverteidiger immer wieder den Raum vor sich, um mit Tempo anzudribbeln. Ihre Variabilität und die Möglichkeit, in unterschiedlichen Spielsituationen auf unterschiedliche Grundausrichtungen zurückgreifen zu können, haben sie und auch die Italiener bis ins Halbfinale gebracht. Die Dreierkette also als Erfolgsrezept? Zumindest ist das ein viel angemesseneres Fazit dieser Europameisterschaft als die Generalkritik an ihr. Denn nicht sie ist Schuld am mitunter vorsichtigen und behäbigen Spielstil einiger Mannschaften, sondern die Trainer sind es, die es in vielen Fällen genau darauf anlegen und eine behäbige, weil vermeintlich risikoarme Spielweise bevorzugen.

Nagelsmann und die Dreierkette

Der FC Bayern könnte stark davon profitieren, dass Julian Nagelsmann die Dreierkette mindestens als Option etablieren wird. Sie haben einen ausgewogeneren Kader als beispielsweise der DFB und der neue Trainer ist nicht Joachim Löw oder Franco Foda. Bei all seinen bisherigen Stationen hat er unter Beweis gestellt, dass auf eine Dreierkette eine sehr offensiv ausgerichtete Formation mit gleichzeitig guter Defensivabsicherung aufgebaut werden kann. Der 33-Jährige denkt vorrangig offensiv. Leipzig zählte trotz eines eindeutigen Stürmerproblems zu den offensivstärksten Teams der Liga, stellte zugleich aber auch die mit Abstand beste Defensive.

Weil Nagelsmann seine verschiedenen Grundformationen mit Leben gefüllt hat – konkret: mit Abläufen und Automatismen. Das ist wichtiger als jede Zahlenkombination. Und er ist auch kein Trainer, der sich auf eine Formation festlegt. Es ist damit zu rechnen, dass die Bayern auch während einer Partie flexibel zwischen Dreier- und Viererkette wechseln. Vielleicht wie die Italiener, die das über eine asymmetrische Raumaufteilung lösen, vielleicht wie die Dänen, die zumindest im Defensivbereich etwas strikter ausgerichtet sind, vielleicht aber auch wie beide.

Die Dreierkette hat viele Vorteile – auch für offensivfokussierte Teams, die gern den Ball haben. Deshalb wäre es unklug, sie in eine Schublade zu stecken und nur deshalb zu ignorieren, weil anderes zuvor ja “immer schon” besser funktioniert hat. Flexibilität ist eben Trumpf. Und die Dreierkette ist nicht der Teufel, der für vermeintlich behäbige und defensivfokussierte Spielstile verantwortlich ist. Gerade als FC Bayern muss man dafür nur an die Zeit unter Pep Guardiola zurückdenken.



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  1. Wie soll Müller in einem 3-4-3 optimal funktionieren? Denke er wird sich das auch fragen. Und wie der Autor im Podcast selbst sagt, ein Trainer, der es nicht versteht, Müller einzubinden, bekommt Schwierigkeiten.
    Und Gnabry als rechter Schienenspieler?

    Antwortsymbol4 AntwortenKommentarantworten schließen
    1. Erstmal ist eine Dreierkette nicht zwingend ein 3-4-3. Es gibt ausreichend Variationen. Dann sind folgende Punkte wichtig:

      • die Dreierkette war im deutschen Team aus zwei wichtigen Gründen nicht erfolgreich: Abstimmung/Automatismen und wenig Mut im Spiel nach vorn. Beides ist für einen Klubtrainer mit klarer Spielidee einfacher umzusetzen. Nicht die Spieler können keine Dreierkette, sondern das System insgesamt hatte zu wenig Substanz. Das wäre womöglich auch mit jeder anderen Formation der Fall gewesen.
      • es geht nicht darum, eine feste Grundformation zu haben, sondern auf Gegner und Spielsituationen flexibel zu reagieren; dafür ist die Dreierkette nur eines von vielen taktischen Mitteln und sie kann situativ wie über längere Phasen zum Einsatz kommen.
      • alles, was Georg bereits geschrieben hat unter deinem letzten Post, den ich aufgrund der Tonalität abermals absichtlich nicht beantwortet habe. Insbesondere was Müller angeht: Es geht nicht darum, in welcher Formation er aufläuft, sondern wie er vorne eingebunden ist. Da gibt es auch mit einer Dreierkette viele gute Möglichkeiten. Und Bayern hat allein mit Lewandowski schon ganz andere Möglichkeiten als der DFB.

      1. Das ist ja alles okay aber jetzt lass uns mal die Theorie, andere Teams und den DFB beiseite.
        Wie willst Du konkret 3 er Kette beim FCB so spielen, das Müller sich genauso entfalten kann, wie im 4-1-4-1 oder 4-2-3-1? In der von Georg erwähnten Raute, müsste Goretzka geopfert werden, was unwahrscheinlich ist. Also soll Müller davor zentral mit Lewa spielen und drum herum Sane oder Coman?

        Also nehmen wir an das vor
        Pavard Upamecano Hernandez
        Gnabry Kimmich Goretzka Davies spielen.

        Wie genau willst Du dann davor mit Müller spielen, so das er seine Qualitäten mindestens so gut wie im jetzigen System entfalten kann?

        Und auch wenn Gnabry bei der TSG unter Nagelsmann rechter Schienenspieler gespielt hat, kann ich nicht erkennen, wie das bei uns in der CL gegen top Teams defensiv gut gehen soll.

        Es fehlt mir die Vorstellungskraft zu erkennen, das mit unserem vorhandenen Spielermaterial, insbesondere mit Müller, da Vorteile zu unserem seit über 10 Jahre praktizierten System sein sollen( in dem wir ja auch schon oft genug variiert haben, und im Aufbau, insbesondere unter Pep und Flick, 2er oder 3er Ketten gesehen hatten).

        Heißt ja nicht das wir es mal unter Nagelsmann nächste Saison spielen. Heißt auch nicht das ohne Müller und einem echten rechten Schienenspieler wie Hakimi, man nicht einen grundsätzlichen Systemwechsel vornehmen kann, auch wenn man dann Spieler kaufen und Verkaufen müsste, was wiederum zzt schwierig sein dürfte.

        Den grundsätzlichen Vorteil eines Systems mit 3er Kette kann ich auch nicht erkennen.

      2. Neuer
        Pavard, Upamecano, Hernández
        Goretzka, Kimmich
        Gnabry, Müller, Musiala, Davies
        Lewandowski

        Ein Beispiel.

        Neuer
        Süle, Upamecano, Hernández
        Goretzka, Kimmich
        Gnabry, Musiala, Davies
        Müller, Lewandowski

        Noch eins.

        Es kommt nicht auf das Papier an, sondern auf die Umsetzung. Du kannst die Spieler vorn mit entsprechender Anweisung und Einbindung aus ihrer Position heraus flexibel einsetzen.

        Gegen den Ball bist du damit ebenfalls flexibel.

        Pavard, Upamecano, Hernández, Davies
        Gnabry, Goretzka, Kimmich, Musiala
        Müller, Lewandowski

        Gn, P, U, H, D
        Go, K, Mu
        Mü, L

        Du kannst hoch pressen, du kannst tief pressen. Es geht nicht um Nummern, es geht um Laufwege und Integration.

        Auch unter Flick haben die Bayern übrigens phasenweise Dreierkette gespielt.

        Pavard, Boa, Alaba
        Goretzka, Kimmich
        Sané, Müller, Gnabry, Davies
        Lewandowski

        Auf dem Papier ein 4-2-3-1, in der Umsetzung oft Dreierkette. Die Dreierkette komplett abzuschreiben, empfände ich nicht nur als grundsätzlich falsch, sondern man würde sich selbst damit großer Möglichkeiten berauben.

        Vorteile habe ich bereits einige genannt. Konterabsicherung, strukturell im Aufbau, Passwinkel, weil mehr Dreiecke, bessere Möglichkeiten zum Andribbeln uvm.

        Niemand spricht davon, dass es die eine Formation wird. Aber es könnte unter Nagelsmann zurecht eine von vielen sein.

      3. @918
        Das ist doch eine völlig festgefahrene und schematische Diskussion. Selbstverständlich funktioniert Müller mit Dreierkette; siehe Pep-Zeit.

        Müller benötigt für sein Spiel:
        – eine dynamische Umgebung, in der andere für Aufbau und Struktur suchen
        – einen Zielspieler im Zentrum, der dieses hält und Verteidiger bindet
        – Die Freiheit, sich im ‚Thomas-Müller-Raum‘ zu bewegen, also halbrechts und zentral
        – laufstarke und spielintelligente Unterstützung am rechten Flügel, die auf seine Läufe reagieren kann.

        Alles wäre auch mit Dreierkette umzusetzen. Ob Gnabry oder Sarr geeignete Spieler für den rechten Flügelläufer sind, steht auf einem anderen Blatt. Nämlich a) auf dem von Nagelsmann, sich nach dem verfügbaren Spielermaterial zu richten und b) auf dem von Brazzo, (endlich) diesen klaren Scouting-Auftrag zu erfüllen.

  2. Okay, wenn die Schienenspieler um Müller herum entsprechend agieren, könnte es vielleicht funktionieren; bedeutet aber das zumindest ein winger obsolet sein dürfte. Sane (Königstransfer?) und/oder Coman, mit dem man aber verlängern will. Und bedeutet auch das man Gnabry so viel zutraut, das wirklich defensiv auszufüllen.
    Wenn man einen richtigen rechten Schienenspieler holen sollte, ginge Gnabry auch in der Luft.
    Bin immer noch nicht überzeugt, das eine 3er Kette für unser jetziges Spielermaterial passt und sich die meisten spieler darin wohl fühlen.

    Man wird sehen was Nagelsmann dann tatsächlich macht und wie es funktionieren wird, wenn er 3er Kette implementiert.

  3. interessante Diskussion und Ansichten. Macht auf jeden Fall Spass auf die neue Saison. Eine gewisse Systemflexibilität und eine damit verbundene gemäßigte Rotation würden uns sicher weiterhelfen. So lange es nicht zu Pep’s ‘mad scientist’ Ansatz ausartet.

  4. Ich habe starken Flügelfokus bei Bayern oft zwiespältig empfunden. Man hatte und hat natürlich die Spieler dafür, aber es ist immer auch ein bisschen berechenbar und der Erfolg stark abhängig von der Form (und den Verletzungen) der Winger. Spezialisten wie Coman werden immer weniger bezahlbar (ich rechne mit einem baldigen Abgang), vielleicht ist es deshalb der richtige Zeitpunkt an mehr Flexibilität zu arbeiten. Gerade mit Musiala ergeben sich bei einer Dreierkette interessante Möglichkeiten (kein Zufall, dass er in beiden Beispielsaufstellungen von Justin steht, während Coman und Sané fehlen). Ich gehe sogar soweit zu behaupten, dass die Personalien Musiala (wie schnell kommt er auf welches Niveau) und Coman (wie lange bleibt er noch) eine Schlüsselrolle in Bezug auf die taktische Ausrichtung spielen. Bin mir sicher, dass wir uns unter Nagelsmann schnell an verschiedene Formationen (bzw. ihre Mischung) gewöhnen werden und oft ist es tatsächlich die Umsetzung, die über Wohl und Wehe entscheidet. Gerade wenn man Vereine aus dem Mittelfeld verfolgt (so wie ich den SC Freiburg), sieht man wie wenig die Formation auf dem Papier über die Spielweise und den Erfolg aussagt (in Freiburg Foren habe ich schon lange keine Grundsatzdiskussion mehr über Dreier- und Viererkette gelesen). Ich finde das Kapitel Nagelsmann auf jeden Fall spannend und bin taktisch ganz unvoreingenommen.

    Antwortsymbol1 AntwortKommentarantworten schließen
    1. Weil hier im aktuellen Diskussionsforum auch die Coman Frage angerissen wird, kopiere ich meinen Post unter dem Podcast jetzt hier auch noch mal rein:

      Anderes Thema, und ich weiß nicht, ob hier schon mal diskutiert: der Doku war mir noch gar kein Begriff, bis zum Spiel gegen Italien. Der ist erst 19, sehr durchsetzungsstark und erscheint mir äußerst interessant als Alternative für unsere oft formschwachen und leider auch oft verletzten Außenstürmer. Gibt es her wen, der ihn schon öfter gesehen hat?

  5. Danke Justin!
    Vor etlichen Jahren hat ein gewisser Herr Klinsmann die 5er Kette zu etablieren versucht und ich erinnere mich an zwei oder drei Spiele, die richtig gut waren. Aber weil am Ende Klinsmann episch scheiterte, war auch die 5er Kette Geschichte. Mir hat besonders die flexible Umstellung auf 3 Abwehrspieler zugesagt, weil gerade gegen tief stehende Gegner diese Möglichkeit mehr Optionen bietet. Weil du Italien als Beispiel anführst, so bin ich mir sicher, dass Davies hierfür der absolut richtige Spieler links ist, dafür ist mir noch nicht ganz klar, welche Rolle Coman hätte, aber als Spielertyp würde Sane gut passen, sofern er wieder etwas mehr Selbstvertrauen entwickeln würde.
    Bin wirklich sehr gespannt und würde sogar in Kauf nehmen, ein Jahr lang kleinere Brötchen zu backen, um die Automatismen zu entwickeln. Ob aber Nagelsmann diese Zeit gegeben wird?

  6. Hernandez musste wegen seiner Knieverletzung, einem Meniskuseinriss, operiert werden. Laut Brazzo soll er “in wenigen Wochen wieder voll zur Verfügung stehen”.
    Zumindest die Saisonvorbereitung und ein angemessener Urlaub sind damit futsch.
    Wäre ja auch seltsam gewesen, wenn wir mal ungeschoren aus einem großen Turnier herausgegangen wären.
    Bei Hernandez formt sich nun leider auch das Bild bezüglich seiner Einsatzfähigkeit bzw. Robustheit.
    Der Allerstabilste ist er nicht und scheint es auch nicht mehr zu werden.

    Antwortsymbol2 AntwortenKommentarantworten schließen
    1. Ich sehe die Hernandez-Verpflichtung mittlerweile immer kritischer: Verteidiger eher vom Typ Wadenbeißer mit mäßiger Schnelligkeit, überschaubaren spielerischen Qualitäten und im Aufbauspiel, der dann auch noch einen ganzen Batzen an finanziellen Mitteln gebunden hat, ob das der Spieler ist, den wir unbedingt gebraucht haben? Weil er so teuer ist, entsteht dann auch der Druck, ihn unbedingt zu bringen. Bayern ist aber zumindest seit LvG eine proaktive, spielbestimmende Mannschaft, und daher auch wegen der Spieleröffnung auf eine bis zu einem gewissen Grad spielstarke Innenverteidigung angewiesen.

      Vor allem aber werden Spiele im Mittelfeld entschieden, und dafür hätte uns z.B. Rabiot viel mehr genützt, wage ich zu behaupten. Solide Innenverteidiger finden sich leichter.

      Im Nachhinein kann man das natürlich immer leicht sagen, insofern will ich hier keine Vorwürfe konstruieren und vor allem keine leidigen Debatten befeuern. Aber bei vielen Posts hier hatte man ja in der letzten Saison das Gefühl, unser ganzes Wohl und Wehe hinge davon ab, ob Hernandez nun spielt oder nicht, und das halte ich einfach für falsch.

      1. Ich bin immer noch der felsenfesten Meinung, dass Brazzo es den großen Klubs zeigen wollte, dass auch der FC Bayern einen so großen Transfer stemmen kann…. nur um zu zeigen, dass man es kann. Ein Fehler, der Millionen kostet und wie man jetzt sieht, auch eine potentielle Zukunft. Denn die anderen Spieler mucken jetzt bei der Vertragsverlängerung auf. Sie sehen ja, was der FCB bezahlen konnte. Zudem fehlt heute das Geld für neue Transfers. Corona hin oder her.

  7. “Dennoch machen sie sich die beschriebenen Vorteile oft zunutze, indem der rechte Verteidiger tiefer und eingerückter steht und der linke Verteidiger fast zum Flügelstürmer wird. Trainer Roberto Mancini lässt damit trotz einer Viererkettenformation phasenweise mit Dreierkette spielen. Italien könnte nach diesem Turnier stilbildend für ballbesitzorientierte Mannschaften werden, weil sie die Vorteile von Vierer- und Dreierkette so klug miteinander kombinieren, dass die Nachteile beider Formationen nahezu komplett kaschiert werden können.”
    => Ich weiß nicht ob man hier von “stilbildend” sprechen kann. Diese Tendenzen gibt es doch seit Jahren. Meiner Meinung nach hat man das asymetrische Viererkette genannt als Pep bei Bayern Trainer war. Und ob Pep der erste war mit diesem Trend wage ich auch so bezweilfen. Ich habe generell Probleme mit “taktischen” Innovationen, weil das meiste m.M.n irgendwie schonmal da war…

    Die Diskussion 3er-Kette vs. 4er-Kette ist eh überbewertet, weil sich das – wie du richtig schreibst – situations-bezogen auflöst.

    Wichtig ist meiner Meinung nach der Trend häufiger durch das Mittelfeld direkt zu spielen um sofort Druck auf die letzte Linie der gegnerischen Mannschaft zu haben. Auch Pressing/Gegenpressing spielen die Italiener besser als wir.

    Hier fehlte es unter Löw die letzten 3-4 Jahre komplett, der ist irgendwie hängengeblieben in 2014 und hat es nicht geschafft seiner Mannschaft eine modere Spieleidee zu vermitteln. Wahnsinn das man das eigentlich mitgemacht hat über 3-4 Jahre.

    Antwortsymbol1 AntwortKommentarantworten schließen
    1. Danke für deinen Kommentar.
      “Stilbildend” bezieht sich aufs gesamte System und meint in diesem Fall einfach nur, dass sich viele Mannschaften daran orientieren könnten, die einen Ballbesitzfokus haben. Revolutionär sind sie sicher nicht, aber in der Sauberkeit ihrer Abläufe schon vorbildlich. Insofern ist “stilbildend” womöglich einfach missverständlich. Ich werde das umgehend korrigieren.

  8. Wenn man das Ganze so löst wie Italien – ok. Die haben dann aber auch nur 2 IV auf dem Platz und opfern keinen Offensivspieler für einen 3. IV. Gerade das sehe ich kritisch und sehe auch nicht wirklich einen Sinn, wenn man offensiv agieren möchte.

    Zudem gefallen mir auch die “Rollen” bei so einem System oft nicht. Die IV stehen hinten oft alleine, was dazu führt, dass sie immer wieder unpassende Duelle gegen schnelle Außenstürmer führen müssen. Die AV stehen höher und blockieren so die Außenbahn für die echten Experten (LA/RA) dort. Sie selber können sich aber natürlich nicht so im 1 gegen 1 durchsetzen, was dann oft in einem Halbfeld-Flankengewitter endet. Die LA/RA werden in die Mitte gedrückt, wo sie ihre Stärken nicht 100%ig umsetzen können. Zusätzliche Probleme wie die fehlende Rolle für Müller kommen dann noch hinzu. Sehr fraglich für mich das Ganze.

    Antwortsymbol7 AntwortenKommentarantworten schließen
    1. Na ja, du brauchst halt die passenden Spielertypen. Pavard und Hernandez spielen ja auch oft aussen gegen Flügelstürmer. Davies kann sehr wohl erfolgreich ins 1:1 gehen. Rechts könnte auch ein Flügelstürmer wie Gnabry auf der Position spielen. Musiala passt perfekt in den Halbraum. Ja, für einen Coman scheint es nicht ideal, aber auch das müsste man erstmal ausprobieren. Sehe die Stärken der einzelnen Spieler nicht so stereotyp nach Position wie Du.

    2. Zumal Italien mit 4er Kette (2IV), die natürlich wie bei uns oft zur 3er Kette wird (mit einem sehr offensiven LAV), gegen Belgien mit 3er Kette ((3IV), extrem gut die Räume hinter den Schienenspielern oder wenn zurückgedrückt, vor den Schienenspielern, zu nutzen wusste.
      Wenn schon die sehr gut organisierten Belgier, die jahrelang 3er Kette spielen, Probleme bekommen, dann sieht man wie einfach es ist, in die Zwischenräume dieses Systems zu gelangen.
      Gegen top Teams hatte auch RBL, besonders gegen uns und in der CL immer wieder Probleme. Man erinnere sich an die Spiele gegen ManUnited oder Liverpool, die die 3er Formation schön zerlegt haben.

      1. Leipzig hat in beiden Partien gegen Bayern mit Viererkette gespielt.

      2. Die Bilanz von Nagelsmann in Spitzenspielen ist echt übel. Ob es an der Dreierkette oder was auch immer liegt.

      3. Beispielsweise gegen Tottenham und Atlético, oder bei den vielen Unentschieden gegen Bayern. Vielleicht liegt dann vieles auch einfach an der individuellen Qualität der Mannschaft.

      4. Ja das ist richtig- hatte ich anders in Erinnerung.

        Heute spielen zwei nominale 4er Ketten mit jeweils 2 IV gegeneinander.
        Mal sehen wie das ausgeht

      5. Nagelsmann hat den Spielern wohl schon mitgeteilt, das es grundsätzlich bei einer 4er Kette bleibt. Wäre auch sehr verwunderlich, wenn er es anders angehen würde.

  9. Ich meine, es gilt zu unterscheiden zwischen Defensiv- und Offensivstruktur! Wenn der Gegner den Ball hat, werde ich in der letzten Linie nicht mit nur drei Mann verteidigen wollen, da sollten es mindestens 4 Abwehrspieler sein, um nicht zu viel Raum frei zu lassen!
    Somit stellt sich die Frage nach einer Dreierkette doch gar nicht!

    Bei eigenem Ballbesitz wiederum sind drei Mann in der letzten Linie besser, als nur zwei, da auf diese Weise mehr Flexibilität im Aufbauspiel gegeben ist und ich gerade im Fall hochstehender Mannschaften beim Offensivvortrag eine Anspielstation mehr habe!
    Hinzu kommt, dass ich mit drei Mann auch einen Vorteil in der Absicherung gegen Konter habe.
    Ist der Ball aber verloren, brauche ich fast zwingend den vierten Mann in der Kette, und da finde ich tatsächlich die beschriebene italienische Lösung mit asymmetrischen Aussenverteidigern einen sehr flexiblen Ansatz, der erfolgversprechend sein kann.
    Wir werden sehen, was Nagelsmann plant – vor allem, WANN er diese Änderung einführt! Jetzt schon zu Beginn seiner Zeit bei unserem FCB, oder baut er erstmal auf das Fundament von Flick, und ändert fundamentale Dinge erst zur nächsten Saison, wenn er die Spieler auch noch besser kennengelernt hat?

    Ein Nachsatz – nicht zum Thema, aber mir wichtig:
    Ich störe mich an der geschlechtsneutralen Wortführung im Text! Den Doppelpunkt im Wort “Zuschauer:innen” überlese ich schnell, sodass ich mich nicht wirklich angesprochen fühle als männlicher Leser oder auch als Zuschauer. Auch bei anderen geschlechtsbezogenen Begriffen ist es ein Umstand, der das Lesen und erst recht das laute Vorlesen erschwert und den Wortfluss zereisst. Zudem empfinde ich es reichlich unhöflich, mich zu zwingen, mir einen Teil eines Wortes wegdenken und ggf. auch noch das Pronomen gedanklich anpassen zu müssen. Was spricht dagegen, z.B. “Zuschauer und Zuschauerinnen” zu schreiben? Gern auch gentlemanlike “Zuschauerinnen und Zuschauer”!
    Ein Text wird dadurch nicht viel länger, und den geringen Aufwand und das bisschen Zeit, was aufzubringen ist, um beide Geschlechter anzusprechen, ohne Wortfluss und Stil zu stören, sollten wir als Leserinnen und Leser doch wert sein, oder?

    Antwortsymbol1 AntwortKommentarantworten schließen
    1. Zum Nachsatz: mich stört das inzwischen alles nicht mehr, ob Binnen-I, Gender-Sternchen oder -Doppelpunkt … alles besser als die um sich greifende, sprach-vergewaltigende Partizipitis: Studierende, Forschende, Lehrende usw. … im Fußball gäbs dann bald nur noch Spielende, Zuschauende, und hier bei msr Lesende und Kommentierende :-(

  10. Morgen gibts die PK von Nagelsmann.
    Mal sehen ob es etwas zu diesem Plädoyer gibt

  11. Nach mehreren Interviews dürfte dem letzten klar sein das Nagelsmann bei uns dauerhaft keine 3er Kette mit 3 IV etablieren wird.
    Es bleibt bei einer 4er Kette mit 2 IV als Grundformation die ab und zu variiert wird.
    Gnabry wird kein rechter Schienenspieler.

    UH hat es klar ausgesprochen:
    Gegen den Unmut vor allem der Bayernspieler wurde völlig unnötig diese 3er Kette implementiert mit dem einzigen Grund nämlich Kroos zu integrieren.
    Auch bei der NM wird die 3er Kette unter Flick keine Rolle spielen.

    Überlassen wir also diese kreative Errungenschaft anderen modernen Clubs und NM, die damit so wahnsinnig erfolgreich sind.

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