Vorschau: FC Bayern München – SC Paderborn

Justin Trenner 20.02.2020

„Wenn’s normal läuft, kriegen wir ein blaues Auge“, sagte Paderborns Trainer Steffen Baumgart vor dem Gastspiel seiner Mannschaft in der Münchner Allianz Arena. „Es muss viel für uns laufen, wenn wir einen Punkt holen wollen.“ Übersetzt: Die Bayern können sich nur selbst schlagen, wenn sie so selbstgefällig und nachlässig agieren, wie in einigen zweiten Halbzeiten zuletzt. Eigentlich ist zum Spiel am Freitagabend damit auch alles gesagt.

Es gibt eben Spiele, bei denen eine detaillierte Taktikanalyse mehr Sinn macht und es gibt jene, in denen es nicht auf die taktischen Details, sondern viel mehr auf die Einstellung ankommt. Doch Hansi Flick hat es seinerseits auf der bayerischen Pressekonferenz treffend formuliert: „Sie wollen Fußball spielen, wurden bisher unter Wert verkauft. Das unterscheidet sie von vielen Teams in der Bundesliga.“

Allein deshalb lohnt es sich, doch mal etwas genauer hinzuschauen und zu analysieren, was Paderborn eigentlich anders macht als viele andere Bundesligisten. Und der Interimstrainer des FC Bayern schob zurecht nach: „Wir haben im Hinspiel gemerkt, wie schwierig es werden kann.“

SC Paderborn: Ein erfrischender Aufsteiger

3:3 in Dortmund, knappe 2:3-Niederlage daheim gegen Raba und das ebenfalls abwechslungsreiche 2:3 im Hinspiel gegen den FC Bayern – es gibt in dieser für die Paderborner so komplizierten Saison genügend Beispiele dafür, wie unangenehm sie als Gegner sein können. Nach einem langen Anlauf mit 7 Niederlagen, einem Unentschieden und fünf Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz stand für viele fest: Dieses Paderborn ist zwar recht mutig, doch es wird am Ende nicht reichen.

In den folgenden 14 Partien sammelte die Mannschaft von Baumgart vier Siege, drei Unentschieden und 15 Punkte bei sieben Niederlagen. Im selben Zeitraum stehen immerhin Hertha, Frankfurt, Düsseldorf und Bremen hinter den Ostwestfalen. In der realen Tabelle beträgt der Rückstand auf Platz 16 (Düsseldorf) einen Punkt.

Will man den Stil der Paderborner mit einer Statistik beschreiben, wäre dies wohl die „PPDA“-Statistik, also die durchschnittliche Anzahl an Pässen, die der SCP seinen Gegnern in dessen Hälfte erlaubt. Der Wert liegt hier bei 11,59. Immerhin Platz 10 in der Liga. Nur Köln (10,53) hat im Tabellenkeller einen noch kleineren Wert zu bieten.

Anpassung an das höhere Niveau

Baumgarts 4-2-3-1 ist gegen den Ball recht flexibel. Meist presst Paderborn in einem 4-4-2, in einigen Situationen entstehen aber auch 4-1-4-1- oder 4-2-3-1-ähnliche Strukturen. Baumgart macht die durchschnittliche Höhe des Pressings stark vom Gegner abhängig. Hertha erlaubten sie letzte Woche nur 9,23 Zuspiele im Schnitt, bis eine Defensivaktion erfolgte. Gegen Schalke lag der Wert bei 16,3. Beim 3:3 in Dortmund konnte der BVB sogar 31,86 Pässe im Schnitt spielen, ohne von Paderborn gestört zu werden und die Bayern kamen bei ihrem Gastauftritt beim Aufsteiger durchschnittlich auf 16,9 Zuspiele.

Die Spanne zeigt: Paderborn ist gegen stärkere Teams vorsichtiger, zieht sich eher in ein tiefes Mittelfeldpressing zurück. Baumgart hat im Laufe der Saison gelernt, sich und seinen Fußball an das höhere Niveau anzupassen. Selbst Mannschaften aus dem Tabellenkeller sind der seinigen individuell mindestens leicht überlegen. Dann versuchen die Ostwestfalen, durch höheres Anlaufen den Druck zu erhöhen und einen offenen Schlagabtausch auf Augenhöhe zu erzwingen.

Aus Perspektive der Bayern entscheidend ist der andere, häufig gegen die stärksten Teams der Liga angewendete Plan. Die Blaupause für eine erfolgreiche Umsetzung bietet die erste Halbzeit gegen Borussia Dortmund. Damals wurde durch eine tiefere Staffelung eine höhere Positionierung der Innenverteidiger beim Gegner erzwungen. Kam Paderborn dann an den Ball, konnten sie den riesigen Raum hinter der Dortmunder Viererkette nutzen, indem sie ihre schnellen Angreifer in Laufduelle mit den langsameren Verteidigern des Gegners schickten.

Dieser Plan erforderte eine hohe Intensität gegen den Ball. Denn auch wenn der BVB damals in schlechterer Verfassung war als im jetzigen Winter, so ist es für einen Aufsteiger keine Selbstverständlichkeit im Westfalenstadion 45 Minuten lang so eine Defensivleistung zu bringen. Eine Symbiose aus taktisch sehr limitierten Borussen und aggressiven sowie disziplinierten Paderbornern ermöglichte ein 3:0 für den Außenseiter zur Pause. Dortmund bespielte ausschließlich die Flügel, ohne aber das Zentrum einzubeziehen und so spielten sie den Gästen in die Karten.

Viel Mut mit dem Ball

Paderborn ist stark, wenn sie ihre Gegner auf den Außenbahnen stellen können. Sie verschieben aus dem kompakten 4-4-2 schnell und effizient, wenn sie geordnet sind und nicht ausreichend vom Gegner gefordert werden. Gleichzeitig gelang es ihnen in Dortmund, mit dem Ball für Entlastung zu Sorgen. Auch hier begünstigte der Gegner das eigene Vorhaben. Favres Stil gegen den Ball ist selbst in Phasen des Angriffspressings kaum mannorientiert.

So entstand gegen den Ball zwar Druck, weil der BVB präsent war, doch Paderborns Spieler konnten sich immer wieder freilaufen, ohne bei einem Anspiel direkt unter Zugzwang zu stehen. Mit diesen kurzen Ballbesitzphasen ging Paderborn ein hohes Risiko, das ihnen aber gleichzeitig Entlastung und Erholung einbrachte.

Und genau das ist auch der Unterschied zu vielen anderen Mannschaften. Im Schnitt listet WhoScored nur 13,2 % der eigenen Pässe des SCP als „lang“. 56 lange Bälle pro Spiel bedeuten ligaweit Platz 16. Allein der Vergleich mit Aufsteiger Union Berlin zeigt den Unterschied: 18,6 % aller Pässe, die die Köpenicker spielen, werden als „lang“ gelistet. 72 pro Spiel sind Höchstwert in der Bundesliga. Leverkusen (9,9 %), Bayern (8,8 %), Hoffenheim (11,3 %), Bremen (12,2 %), Dortmund (8,3 %), Gladbach (11,2 %) und Raba (9,1 %) sind die einzigen Mannschaften mit einem kleineren relativen Anteil an langen Bällen in ihrem eigenen Spiel.

Dieser direkte, aggressive und mutige Stil ist es, der Paderborn den Aufstieg in die Bundesliga erst ermöglichte. Gleichzeitig zeigte die Saison auch, dass Fehler auf diesem Niveau umso härter bestraft werden. Baumgart scheint nach eigener Aussage dennoch die Sonne aus dem Hintern. Weil er weiß, dass in Paderborn nahezu jeder hinter ihm und seiner Philosophie steht. Und wenn der SC weiterhin so lern- und anpassungsfähig ist, besteht trotz des Niveauunterschieds eine realistische Chance auf den Klassenerhalt.

FC Bayern: Bloß nicht an Chelsea denken

Was das Duell mit den Bayern betrifft, wird Baumgart wohl eher auf zwei zweite Halbzeiten des Rekordmeisters hoffen. Gerade aus der angesprochenen Partie der Dortmunder lässt sich viel lernen. Lassen die Bayern Paderborn im Spielaufbau zu viel Raum, kann es insbesondere bei der eigenen, sehr hohen Positionierung gefährlich werden.

Es wird darauf ankommen, die Gäste ständig zu Entscheidungen zu zwingen. Dann machen sie Fehler und öffnen Räume. Dortmund konnte das erst in der zweiten Halbzeit zeigen, als mit Brandt dann ein Spieler auf dem Platz stand, der die Zwischenräume im Halbraum ständig besetzt hat.

Vorbildlich waren hier aber auch die Tore der Bayern beim 3:2-Erfolg. Über die Außenverteidiger eröffneten die Bayern teils sehenswert in den Halbraum, von wo dann die Flügelspieler in die Tiefe geschickt wurden. Einfaches Prinzip (im Zentrum den Gegner anlocken und anschließend den dadurch geöffneten Raum bespielen), nicht immer so leicht umzusetzen. Denn dafür braucht es Geschwindigkeit und Genauigkeit.

In den ersten Halbzeiten zeigten die Bayern diese Attribute zuletzt mit beeindruckender Intensität. Fraglich bleibt weiterhin, ob ihnen auch der nächste Schritt der Kontrolle gelingt, wenn die Intensität mal aus Gründen der Krafteinteilung ausbleibt.

Paderborn wird den Bayern viel abverlangen. Sie werden ihnen aber noch mehr abverlangen, wenn sie dürfen. Die Meisterschaft wird letztendlich nicht in den wenigen Top-Spielen der Saison entschieden, wie das vor der Partie gegen Raba fälschlicherweise vielerorts impliziert wurde. Sie wird in Momenten wie diesen entschieden, wenn der FC Bayern vor seiner bisher wichtigsten Partie der laufenden Saison steht, sich zunächst aber auf eine Pflichtaufgabe konzentrieren muss. Denn jeder bayerische Gedanke an Dienstag macht eine Überraschung am Freitagabend nur wahrscheinlicher.

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Spieltagssieger

Jonathan gewinnt den letzten Spieltag mit 22 Punkten. Die Top 5:

  1. zoot_jw – 272 Punkte (0,17 Spieltagssiege)
  2. Edlan – 272 Punkte (0 Spieltagssiege)
  3. Stiepel-Arne – 270 Punkte (0 Spieltagssiege)
  4. CH1310, dain, SportfreundHH – 269 Punkte (0 Spieltagssiege)

Lahmsteiger: Platz 76 – 239 Punkte (0 Spieltagssiege)

So läuft es gegen Paderborn …

Bayern macht wieder schnell den Deckel drauf und gewinnt am Ende mit 4:1.

So könnte Bayern spielen …

4-3-3: Neuer – Odriozola, Hernández, Alaba, Davies – Thiago, Kimmich, Goretzka – Müller, Lewandowski, Gnabry

Es fehlen: Süle, Perišić, Martínez (alle verletzt), Boateng und Pavard (beide gesperrt)

So läuft der Spieltag …

Bayern 4:1 Paderborn
Bremen 1:3 Dortmund
Hertha 2:1 Köln
Gladbach 2:1 Hoffenheim
Freiburg 2:1 Düsseldorf
Schalke 1:1 Leipzig
Leverkusen 2:1 Augsburg
Wolfsburg 2:1 Mainz
Frankfurt 2:1 Union