Super-Egal-Cup? Bayern empfängt Dortmund
Über den Stellenwert des Supercups lässt sich streiten. Während der UEFA-Supercup am vergangenen Donnerstag durchaus Prestige genießt, wirkt der DFL-Supercup doch recht konstruiert – als weiterer Marketingpokal. Den Titel nehmen die Mannschaften zwar immer recht gern mit und die eine oder andere ausgelassene Feier auf dem Platz in den letzten Jahren zeigt auch, dass er nicht ganz wertlos ist. Aber seine Bedeutung für die Saison wird doch stets überhöht.
In diesem Jahr ist die Situation nochmal eine andere. Selbstverständlich würde niemand der Beteiligten das öffentlich zugeben, aber gelegen kommt der Termin für beide Mannschaften eher nicht. Gerade der FC Bayern, der nach dem Champions-League-Finale aus einer kurzen Urlaubspause und einer extrem kurzweiligen Vorbereitung direkt in die Saison springen musste, quält sich schon jetzt durch die ersten englischen Wochen.
Ermüdete Bayern gegen angeschlagenen BVB
Gegen Sevilla, ganz besonders aber gegen Hoffenheim zeigten sich Ermüdungserscheinungen, die Flick Sorge bereiten dürften. Bis zum 5. Oktober haben die Münchner rund um den Hauptverantwortlichen Hasan Salihamidžić noch Zeit, um den Kader entscheidend zu verbreitern. Aber selbst mit 2-3 Spielern mehr wird diese Saison mit der zusätzlichen Belastung durch die FIFA-Klubweltmeisterschaft und den nahezu aberwitzigen Nationalspielen eine große Herausforderung für den Rekordmeister – wenn das Coronavirus nicht wieder eine Erholungspause bereit hält.
Dortmund sollte von diesen Problemen noch nicht allzu heftig betroffen sein. Im Gegenteil: Eigentlich ist diese Saison die große Chance für die Verfolger, etwas zu schaffen, woran in Zeiten des Monopols durch die Bayern längst keiner mehr glaubt. Doch schon am vergangenen Wochenende, wo die Münchner erstmals Punkte liegen ließen, konnte kein direkter Konkurrent richtig davon profitieren.
Dem BVB fehlt die Frühform. Wie so oft in den letzten Jahren wirkt das Team unter Favre trotz riesigem Talent zu steif, wenn es gegen aggressive, gut organisierte Mannschaften geht. Gegen Augsburg bekamen sie ihre PS insbesondere im letzten Drittel nicht auf die Strecke. Zu unstrukturiert und zufällig wirkte das Geschehen, sobald Dortmund sich mal im Angriffsdrittel festsetzen konnte.
So verteidigte Hoffenheim den FC Bayern
Es sind Spiele wie das nun anstehende, die der Mannschaft von Lucien Favre liegen: Ein Gegner, der nicht nur mitspielen, sondern das Spiel kontrollieren möchte, bietet den Borussen die Möglichkeit, aus einem Mittelfeldpressing heraus Ballgewinne und Umschaltsituationen zu erzeugen. Der sich dann ergebende Raum ist wie gemacht für die Tempooffensive.
Orientieren kann sich Favre dabei an den starken Hoffenheimern. Sebastian Hoeneß hat es geschafft, seine Mannschaft perfekt auf die Spielweise des FC Bayern einzustellen. Aus einem kompakten 5-3-2 heraus verengten die Hoffenheimer nicht nur den Handlungsspielraum von Spielgestalter Joshua Kimmich, sondern auch die Halbräume.
Funktioniert die Eröffnung über Kimmich nicht, sind die Bayern gezwungen, über ihre Außenverteidiger zu eröffnen. Auch das funktioniert in den meisten Fällen gut, weil Benjamin Pavard und Alphonso Davies (oder Lucas Hernández) sehr ballsichere Spieler sind, die auf unterschiedliche Art und Weise in der Lage sind, Drucksituationen aufzulösen. Unterstützend dazu bieten sich zudem immer genug Optionen im Halbraum an.
Die TSG verzögerte das Bayern-Spiel entscheidend
Die meisten Bundesligisten werden durch die Eröffnung auf einen Außenverteidiger getriggert. Das bedeutet, dass sie dann anfangen zu pressen, um den Gegenspieler an der Außenlinie zu isolieren. Maßgeblich dafür verantwortlich ist die Seitenlinie, die den Außenverteidiger stark beschränkt.
Pavard ist sehr gut darin, mit klugem Positionsspiel und genauen Pässen die ihn unter druck setzende Pressinglinie des Gegners auszuhebeln. Davies hingegen nutzt gern kurze Dribblings und Doppelpässe, um diagonal ins Mittelfeld zu ziehen, oder sich an der Außenlinie nach vorn zu bringen.
Hoffenheim hat beide Spieler herausragend verteidigt. Nicht nur durch die Spieler, die ihnen direkt auf den Füßen standen, sondern auch durch jene, die sofort nachschoben und die Optionen im Halbraum oder Zentrum zustellten. Bayerns Spiel ist normalerweise so schnell, dass sich Gegner schwer damit tun, sie zu verteidigen. Die TSG aber hat eine Verzögerung der bayerischen Aktionen erzwungen und sich somit die entscheidenden Bruchteile einer Sekunde gewonnen.
Bayern braucht vielleicht kleine Anpassungen
Auch bei Seitenverlagerungen waren sie schnell am Mann. Selbstverständlich durch die ohnehin breit aufgestellte Fünferkette, aber auch durch das gut antizipierende und laufstarke Dreier-Mittelfeld. Flick sagte am Ende, dass Hoffenheim ihnen die Räume zugestellt habe, die sie bespielen wollten. Damit traf er es auf den Punkt.
Dortmund kann sich durchaus daran orientieren. Die große Frage wird aber sein, ob diese Blaupause der Hoffenheimer nun wirklich einer Entschlüsselung des Bayern-Spiels gleicht. Es ist ein bisschen wie einst bei Arjen Robben: Selbstverständlich wissen alle, was kommt. Doch verteidigen können sie es nur, wenn er einen schlechten Tag erwischt. Vielleicht ist das bei den Bayern ähnlich.
Grundsätzlich ist das Spiel der Münchner recht flexibel angelegt und nicht so einfach mit nur zwei oder drei gezielten taktischen Anpassungen zu verhindern. Dennoch wird auch Flick an Alternativen arbeiten müssen, um seine Gegner trotz der Gewissheit über das bayerische Fußballspiel weiter überraschen zu können.
Die größte Herausforderung ist nicht sportlicher Natur
Die stark einrückenden Flügelspieler könnten so auch mal breiter stehen. Verlagerungen finden in den meisten Fällen einen der weit aufgerückten Außenverteidiger. Warum nicht beispielsweise mal Davies diagonal einrücken lassen und mit Leroy Sané oder Kingsley Coman am linken Flügel Breite geben? Beide Spieler eignen sich gut dafür, nach Verlagerungen ins Eins-gegen-eins zu gehen – eine Qualität, die zumindest gegen Hoffenheim häufig fehlte.
Sowohl Gnabry als auch Sané kreierten aus dem Stand zu wenig Gefahr. Auch hier gibt es womöglich den einfachen Grund, dass beide nicht bei 100 % sein konnten. Dennoch wird Flick im taktischen Bereich nochmal nachjustieren müssen, will er so gut organisierte und vorbereitete Gegner wie Hoffenheim in Zukunft effizienter knacken. Schließlich ging die Partie nicht erst in der Schlussphase verloren, sondern bereits deutlich früher, als Fitness nicht unbedingt das schlagende Argument sein konnte.
Für den FC Bayern ist der Supercup nun Fluch und Segen zugleich. Einerseits die Lästigkeit eines weiteren Termins, andererseits die schnelle Chance zur Rehabilitation. Doch die größte Herausforderung der nächsten Tage sind nicht sportlicher Natur. Es wird darum gehen, noch 2–3 Spieler zu finden, die dem Team weiterhelfen können – möglichst sofort. Weil Adrian Fein und Mickaël Cuisance offensichtlich (noch) keine Rolle in den Planungen von Flick spielen, wird es in den nächsten Tagen umso heißer an der Säbener Straße.