Bayerns zwei Gesichter schlagen Köln mit 4:1
Was in der aktuellen Tabelle aussieht wie ein ziemlich klarer Fall, wurde insbesondere von den Bayern sehr ernst genommen: Köln verlor vor der Partie gegen die Münchner noch kein Heimspiel unter Trainer Markus Gisdol. Nimmt man nur die vergangenen sieben Spieltage zusammen, trafen sich sogar die beiden besten Teams der Liga.
Falls Ihr es verpasst habt:
Dementsprechend seriös sah auch die Aufstellung des Rekordmeisters aus. Hansi Flick scheint bisher ohnehin kein großer Freund von extremer Rotation zu sein. Gerade im Defensivverbund nimmt der Interimscoach ungern Veränderungen vor. Im Vergleich zum 0:0 gegen Raba Leipzig wechselte er auch gegen Köln nur ein einziges Mal: Kingsley Coman ersetzte Leon Goretzka, wodurch Thomas Müller in die Zentrale rückte. Erstmals seit dem 4:0-Erfolg gegen Borussia Dortmund und überhaupt erst zum zweiten Mal unter Hansi Flick standen somit Serge Gnabry und Coman zusammen in der Startelf.
Auch Gisdol überraschte nicht wirklich. In einem 4-2-3-1 starteten Mark Uth und Jhon Córdoba in den zentralen Offensivpositionen. Sie wurden vom in der Vorschau vorgestellten Ismail Jakobs und Dominick Drexler flankiert. Zu erwarten war in den Umschaltsituationen also ein Fokus auf die linke Spielfeldhälfte, wo auf bayerischer Seite Jérôme Boateng und Benjamin Pavard möglicherweise als Schwachstellen ausgemacht wurden.
Doch von Schwächen war in den ersten Minuten wenig zu sehen. Die Bayern übernahmen direkt die Kontrolle, Köln versuchte tief und kompakt zu verteidigen. In der 3. Minute gab es dann aber schon die erste Watschn für das Heimteam. Nach einer starken Überladung auf der linken Seite stand Thiago im Zwischenlinienraum frei. Der Spanier bediente Müller, der direkt auf Lewandowski durchsteckte: 1:0.
Direkt mit dem nächsten Spielzug der Bayern setzte es die nächste Watschn. Diesmal überlud der Rekordmeister die rechte Seite und spielte über ein kurzes Coman-Dribbling Müller im Zentrum frei. Über Lewandowski und nochmals Müller war es schließlich wieder Coman, der den Ball einschob. Ein Traumstart der Münchner.
Und auf Watschn Nummer eins und Watschn nummer zwei folgte gleich noch die dritte. Köln kam sichtlich geschockt überhaupt nicht in die Partie und Bayern wusste das zu nutzen. Nach einer Ecke kam Serge Gnabry an den Ball, umkurvte zwei Verteidiger und schloss zielsicher ins rechte untere Eck ab (12.).
Vom Gefühl her war das Spiel an dieser Stelle schon gelaufen. Allein schon deshalb, weil der Effzeh nicht mal den kleinen Zeh, geschweige denn einen ganzen Fuß in die Tür bekam. Wie ein warmes Messer durch die Butter glitten auch die Bayern ein ums andere Mal durch die gesamte Defensive der Kölner. In der 20. Minute war es Thiago allein, der mit einem Dribbling über gut 20 Meter seinen eigenen Abschluss einleitete. Diesmal blieb Timo Horn allerdings verschont, dem Spanier rutschte der Ball etwas über den Schlappen. In der Folge schien sich die Partie einen Augenblick lang zu beruhigen. Die Bayern nahmen etwas Tempo raus und Köln bekam ein paar Spielanteile, ohne aber gefährlich zu werden.
Ein Tor lag erst wieder in der Luft, als die Bayern abermals über Müller einen schnellen Angriff initiierten. Gnabry scheiterte aber an der Latte (30.). Kimmich (37.) wie Müller (45.) wollte kein vierter Treffer mehr gelingen und so ging es mit einer mehr als verdienten 3:0-Führung in die Kabine.
Die große Frage, die sich in der Pause stellte, war natürlich, ob die Bayern das Ergebnis diesmal auch in der zweiten Halbzeit souverän nach Hause bringen würden. Und es war nicht mal eine Minute im neuen Durchgang vorbei, da lag der Ball schon im Tor von Manuel Neuer. Über die rechte Abwehrseite der Bayern kamen die Kölner nach einer Flanke zu einer Vier-gegen-zwei-Überzahlsituation. Ein verunglückter Abschluss landete plötzlich bei Skhiri, der auf Córdoba quer legte. Doch lange stand es nicht 1:3, weil der Treffer der Prüfung durch den VAR nicht standhalten konnte: Skhiri stand knapp im Abseits.
Trotzdem war das Spiel nun ein anderes. Köln kam gerade über Flanken immer wieder gefährlich in den Strafraum der Gäste. So auch in der 55. Minute, als der Ball erneut im Tor der Bayern lag. Wieder war es Córdoba, wieder aber eine Abseitsposition, die diesmal direkt erkannt wurde.
Vor allem aber war es wieder eine bayerische Mannschaft, die in der zweiten Halbzeit den Verwaltungsmodus nicht zu finden schien. Ein Kölner Tor wäre nach gut einer Stunde längst verdient gewesen. Nur knappe Abseitssituationen und eine Neuer-Rettung in letzter Sekunde (62.) verhinderten dieses Szenario.
Erst eine Einzelaktion von Serge Gnabry sollte die Situation vorübergehend entspannen. Der Nationalspieler zog von links nach innen und erzielte die 4:0-Führung mit einem schönen Abschluss ins lange Eck (66.). Doch lange hielt dieser Zustand nicht an. Köln kam durch Uth in der 70. Minute nochmal zurück, in der Folge aber nicht weiter heran. Dabei hatten sie durch Córdoba (78.) und Modeste (89.) beste Chancen. Einzig und allein an Neuer lag es, dass es im zweiten Durchgang nicht nochmal spannender wurde.
Wieder bleiben also zwei Halbzeiten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Über einen ähnlichen Verlauf wie gegen Hoffenheim hätten sich die Bayern nicht beschweren können. Und so bleibt trotz eines deutlichen 4:1-Erfolgs die Frage nach dem “Warum” unbeantwortet im Raum stehen.
Dinge, die auffielen:
1. Müller ist der Gamechanger
Vielleicht lag es ja daran, dass das Ding nach fünf Minuten im Prinzip schon durch war. Erst Lewandowski, dann Coman – früh stand es 2:0 für die Bayern und Köln wusste nicht mehr, wo hinten und wo vorne ist. Einen großen Anteil an der furiosen Anfangsphase hatte Thomas Müller. Bei beiden Treffern stand er jeweils goldrichtig als verbindendes Glied zwischen Mittelfeld und Angriff. Wie zu seinen besten Zeit lief Müller in einer Freirolle über den gesamten Platz. Er half bei Überladungen, bildete die Zwischenstation für Kombinationen und machte einen Lauf nach dem anderen, um seinen Mitspielern die Räume zu öffnen. Vor allem aber glänzte er in einer Spielmacherrolle, die man so im Saisonverlauf eigentlich von Philippe Coutinho erwartet hätte. Sechs Torschussvorlagen, zwei Torvorlagen und unzählige Angriffe, die durch ihn eingeleitet wurden – Müller blüht unter Flick weiter auf.
Aber auch gegen den Ball blieb Müller der Strukturgeber der bayerischen Offensive. Der 30-Jährige organisierte die Positionierung seiner Mitspieler und lief selbst unermüdlich an. Gerade für Lewandowski war Müller ein wichtiger Zuarbeiter: Während der Raumdeuter viel unterwegs war, konnte der Pole sich auf die Absicherung des Zehnerraums konzentrieren. Müller war Dreh- und Angelpunkt seiner Mannschaft in fast allen Phasen und zeigte auf beeindruckende Art und Weise, dass er ein Gamechanger sein kann, durch den auch die anderen Offensivspieler nochmal stärker wirken.
2. Positionswechsel und Überladungen
Müller war überall und so überrascht es nicht, dass ein Name bei der zweiten Auffälligkeit beim Gastauftritt in Köln erneut eine zentrale Rolle spielt. Mit Gnabry und Coman hatten die Bayern sofort eine ganz andere Geschwindigkeit und Dynamik im Spiel, weil Köln sich nicht auf einen Flügelspieler allein, sondern auf zwei und dann auch noch auf das Duo Müller/Lewandowski im Zentrum konzentrieren musste. Von Beginn an war ihnen die Überforderung ins Gesicht geschrieben, zumal die Bayern auch nicht statisch agierten.
Ständig wechselten die vier Offensivspieler ihre Positionen, ständig tauchten sie in den Zwischenräumen auf und zogen so die Viererketten des Effzeh auseinander. Man könnte es glatt als geordnetes Chaos bezeichnen, das vor allem Müller auf dem Platz organisierte.
Im Spiel nach vorne waren es häufig Überladungen, die zu guten Abschlusssituationen führten. Als Blaupause lassen sich die beiden ersten Treffer anführen. Die drei zentralen Mittelfeldspieler Thiago, Kimmich oder Müller bildeten auf den Außenbahnen enge Dreiecke mit Coman, Gnabry und den jeweiligen Außenverteidigern. Kölns Pressing griff dadurch ins Leere und die Münchner befreiten sich durch einen Spieler im Zentrum. Anschließend hatte man genügend Raum, um den Angriff vernünftig auszuspielen.
3. Köln kommt an seine Grenzen, Bayern erlebt ein Déjà-vu
Die Kölner nahmen sich viel vor, versuchten in die Zweikämpfe zu kommen, scheiterten aber meistens kläglich daran. Mit den vielen Läufen der gegnerischen Offensivspieler waren sie schlicht überfordert. Hier klaffte abermals eine riesige Qualitätslücke zur Spitze der Liga auf. Das ist viel mehr eine Feststellung als ein Vorwurf, ordnet die Leistung der Bayern dementsprechend aber auch nochmal ein. Gerade die Konterabsicherung des Rekordmeisters wurde von den Kölnern nur selten auf die Probe gestellt. Und wenn, dann deutete sich auch hier wieder das eine oder andere Problem an.
In der zweiten Halbzeit schien sich das Bild nochmal zu verändern. Köln kam dann mehrfach gefährlich vors Tor von Manuel Neuer. Abermals schafften es die Münchner nicht, ihre souveräne Leistung aus der ersten Halbzeit auf den zweiten Durchgang zu übertragen. An den Einwechslungen von Corentin Tolisso und Lucas Hernández kann es jedenfalls nicht allein gelegen haben. Und so wird den Rekordmeister auch in den nächsten Wochen die Frage verfolgen, warum sie in der zweiten Halbzeit regelmäßig ins Schwimmen kommen.
4. War das die Champions-League-Elf?
Trotzdem: Die schnellste 3:0-Auswärtsführung der eigenen Bundesliga-Geschichte, ein furioser Müller in geliebter Freirolle, zwei Außenspieler, die Tempo ins Spiel bringen und ein perfekt eingebundener Weltklasse-Lewandowski im Zentrum. Die erste Halbzeit setzte abermals Maßstäbe. Es scheint beinahe so, als hätte Flick seine Champions-League-Elf für die Duelle mit Chelsea gefunden. Das ist insbesondere für Leon Goretzka bitter, der in den letzten Wochen durchaus überzeugte, sich aber heute ansehen musste, wie Müller in allen Belangen nochmal eine Schippe mehr drauf legte. Doch solche Alternativen auf der Bank zu haben, ist ein Luxus, den Flick für seine Saisonziele zwingend braucht.
Weiter hinten wird Lucas Hernández sehr wahrscheinlich am kommenden Wochenende gegen Paderborn die Möglichkeit erhalten, Flick nochmal umzustimmen. Boateng hatte seine fünfte gelbe Karte erhalten und wird nicht spielen. Selbiges trifft auf Benjamin Pavard zu, weshalb entweder Álvaro Odriozola seine Chance bekommen oder Kimmich in seine alte Rolle zurückkehren wird. Mit Blick auf Chelsea dürfte es aber bei Pavard als Rechtsverteidiger bleiben. Alle anderen Spieler scheinen sich hingegen rechtzeitig vor dem Achtelfinale gegen Chelsea in Form gebracht zu haben. Die Ausgangslage ist – Stand jetzt – jedenfalls gut. Zumindest für die ersten 45 Minuten.
5. Manuel Neuer
Neuer hielt die deutliche Führung der Bayern fest. Ohne seine abermals großartige Leistung hätte es am Ende wohl anders ausgesehen. Von den Diskussionen um seine sportliche Leistungsfähigkeit ist mittlerweile jedenfalls nicht mehr viel übrig.