Vorschau: Borussia M’gladbach – FC Bayern München
Dieter Hecking gilt vor allem unter Taktiknerds eher als wenig fortschrittlich und langweilig. Doch wie so oft ist es der Erfolg, der einem recht gibt. Und der ist beim Trainer in dieser Saison wieder vorhanden.
Nachdem sein 4-4-2 nicht mehr zu funktionieren schien, stellte Hecking zur neuen Spielzeit auf ein 4-3-3 um. Dadurch verpasste er dem Passspiel seiner Mannschaft etwas mehr Diagonalität und insgesamt eine zur Spielweise besser passende Struktur.
Zuletzt gab es für Gladbach jedoch in drei Bundesliga-Spielen keinen Sieg. Das Unentschieden gegen Frankfurt sowie die Niederlagen gegen den VfL Wolfsburg und Hertha BSC sorgten für einen Rückschlag, der zumindest nicht gänzlich überraschend kam. Eine längere Schwächeperiode hatten die Fohlen nämlich noch nicht und so könnte der Gastauftritt in Gladbach für den FC Bayern zum denkbar günstigsten Zeitpunkt kommen.
Erfolgsgeheimnis Raute?
Es gab Zeiten, da wurde in Deutschland über die sogenannte „Falsche 9“ diskutiert. Meist wurden damit eher Spieler wie Mario Götze oder Lionel Messi assoziiert, weil sie klein, quirlig und beweglich sind. In Wirklichkeit ist es aber nicht der Körper, der darüber entscheidet, ob ein Spieler eine „Falsche 9“ ist. Es ist seine Rolle.
Lars Stindl ist beispielsweise ein Stürmertyp, der in vielen Phasen einer Partie einer solchen Rolle nahekommt. Er ist damit auch Mittelpunkt der neuen Struktur, die insgesamt mehr Dreiecke bietet als das vorherige 4-4-2. Durch sein häufiges Abkippen bildet Stindl eine Raute mit den beiden Achtern und einem Sechser, der wiederum ein Dreieck mit den beiden Innenverteidigern bildet.
Die variablen Außenverteidiger schieben je nach Bedarf unterschiedlich hoch, können in manchen Phasen aber sogar leicht einrückende Rollen einnehmen. Für Hecking-Verhältnisse ist das schon fast Hipsterscheiss! Je nach Positionierung der Außenverteidiger rücken auch die Flügelspieler (meist Plea und Hazard) mehr ein. Sie sollen schließlich auch die variable und raumöffnende Rolle Stindls für sich nutzen.
Variabilität im Kader
Für die unterschiedlichen Positionen und Rollen kann Hecking vor allem in der Offensive und im Mittelfeld auf viele Varianten zurückgreifen. Plea spielte in dieser Saison bereits auf allen drei Angriffspositionen, Hazard spielt mal auf der rechten, mal auf der linken Seite und mit Raffael, Herrmann und Johnson gibt es technisch starke und schnelle Spieler als Ersatz. Nicht zu vergessen ist sicherlich Traoré, der aber wegen einer schweren Verletzung nur auf 381 Spielminuten kam.
Im Mittelfeld hat Hecking mit Strobl, Kramer, Zakaria, Hofmann und Neuhaus ebenfalls einen breiten Kader, der zudem auch unterschiedliche Qualitäten mitbringt. Während Strobl, Hofmann und Neuhaus ihre Stärken eher im Spiel mit dem Ball haben und dort vor allem für Pässe oder Dribblings in die Zwischenräume zuständig sind, bringt Kramer eine robustere Komponente ins Mittelfeld. Zwar ist auch er ein technisch begabter Fußballer, doch man merkt den Unterschied zu beispielsweise Strobl sofort. Zakaria ist eher ein kompletter Box-to-Box-Spieler, der alles mindestens ein bisschen kann.
Der 22-Jährige bringt als Zwischenspieler eine vertikale Dynamik ins Spiel, weil er sowohl mit klugen Vertikaldribblings als auch mit klugen Pässen glänzen kann. Er kann aber auch Zweikämpfe und wird so zur Allzweckwaffe in Heckings Mittelfeld. Besonders wichtig ist für den Trainer aber, dass alle fünf Spieler sich unter Druck meist klug verhalten und der Mannschaft somit in einer Liga, die im Pressing überzeugt, Sicherheit und Ruhe verleihen.
Was erwartet den FC Bayern?
Eine weitere Stärke der Gladbacher ist das gut organisierte Pressing. Hier konnte Hecking fast all seinen Mannschaften eine gute Organisation an die Hand geben. Auch mit der Borussia gelang ihm das. Mit nur 25 Gegentoren stellen die Fohlen gemeinsam mit Borussia Dortmund die zweitbeste Abwehr der Liga. 31,52 xGA (Expected Goals Against) sind zudem der fünftbeste Wert in Deutschlands Oberhaus.
Probleme bekam Heckings Mannschaft vor allem gegen ebenfalls gut organisierte Abwehrreihen. Dann hat Gladbach noch nicht die letzte Durchschlagskraft, die ein Top-Team braucht, um regelmäßig viele Tore zu schießen und auch enge Spiele für sich zu entscheiden. 42 Tore sind immerhin der sechstbeste Wert der Liga, doch es ginge noch mehr.
Vielleicht ist das zugleich auch die größte Schwachstelle des Trainers. Auch bei seinen vorherigen Stationen krankte Heckings System an variablem Offensivspiel, wenn er nicht mindestens einen überragenden Angreifer hatte. Gegen den FC Bayern spielt das alles aber eine weniger bedeutende Rolle. Gladbach wird ähnlich wie im Hinspiel aus einer kompakten Defensive heraus die Umschaltmomente suchen. Gerade über die gute Mittelfeldstruktur und die schnellen Außenspieler soll es bei Ballgewinnen in hoher Geschwindigkeit nach vorn gehen. Dabei werden die Außenverteidiger eine große Rolle spielen. Allen voran Wendt, der gern mal da ist, wenn der Gegner pe … lassen wir das. Die Bayern hatten in dieser Saison jedenfalls ihre größten Schwächen, wenn sie mit hohem Tempo und viel Raum im Mittelfeld attackiert werden konnten. Da brauchen sie eine gute Absicherung bei Ballverlusten.
Was ist von Kovač zu erwarten?
Dementsprechend ist es für den FC Bayern nicht nur entscheidend, was vom Gegner zu erwarten ist. Es ist noch wichtiger, was von den Münchnern selbst zu erwarten ist. Die ernüchternde Antwort ist: kein großer Fortschritt. Kovač und sein Trainerteam legen keinen großen Wert auf Positionsspiel. Deshalb wird es auf die Besetzung im Mittelfeld ankommen, wie sicher die Bayern mit ihrem Ballbesitz umgehen werden.
Vielleicht werden die Bayern sogar weiter auf die tieferen Außenverteidiger und die zurückhaltenden Sechser setzen, um Gladbach in den Umschaltmomenten wenig Raum zu geben. Allerdings braucht der FC Bayern unbedingt einen Sieg, um im Meisterschaftsrennen zu bleiben. Geht Kovač hier nicht mehr Risiko, droht eine ähnliche Partie wie gegen Hertha BSC, die in jede Richtung hätte kippen können. Die Berliner verpassten ihrerseits die Führung, während Bayern einen Standard brauchte. Letztendlich entschied der Rekordmeister ein Spiel mit ganz wenigen Chancen denkbar knapp für sich.
Gegen Gladbach wird das so nicht funktionieren. Zu stabil ist die Defensive, wenn man sie nicht herausfordert, zu sicher sind sie im Kombinationsspiel, wenn die Aggressivität im Zentrum nicht existent ist. Vorne haben sie mit Plea (13 Tore, 3 Assists in 24 Pflichtspielen) und Hazard (12 Tore, 9 Assists in 24 Pflichtspielen) zwei extrem torgefährliche Spieler. Und mit Stindl den Mann, der ihnen die Räume erlaufen kann. Versuchen die Bayern, zu viel zu reagieren, werden sie gegen diesen Gegner schwimmen. Egal, ob Gladbach aktuell eine Schwächelphase droht oder nicht. Zumal es durch die Ausfälle von Ribéry, Robben, Coman, Alaba und Goretzka gleich nochmal schwerer wird. Doch das darf nicht als Ausrede zählen, wollen die Bayern zum siebten Mal in Folge Meister werden.
Das Thesen-Duell
Die Regeln findet ihr hier. Die Zahl für These 3 wurde diesmal von Fatbardh
Ergebnis des letzten Spieltags: Justin 1,2 : 1,2 Fatbardh
Zwischenstand insgesamt: Justin 88,2 : 77,8 Fatbardh
Justins Tipps
- Torschütze: Serge Gnabry
- Freie These: Bayern gewinnt nicht.
- Über/Unter 3,5: Unter!
- Aufstellung: Neuer – Kimmich, Süle, Boateng, Rafinha – Thiago, Martínez – James – Müller, Lewandowski, Gnabry
Fatbardhs Tipps
- Torschütze: Joshua Kimmich – wenn das stimmt, kriegt er 2 Punkte (Anmerkung der Redaktion; extra ohne Abkürzung für euch)
- Freie These: Bayern spielt nicht zu Null
- Über/Unter 3,5: Unter!
- Aufstellung: Neuer, Kimmich, Süle, Boateng, Rafinha, Thiago, Martínez, James, Müller, Lewandowksi, Gnabry