Vorschau: FC Bayern München – Borussia Dortmund
Es sei ja nicht schlimm, wenn man mal nicht Meister würde. Kovač paraphrasierte seinen Präsidenten, der ähnliche Worte vor dem Hinspiel gegen Borussia Dortmund verwendete, mit einer beängstigenden Selbstverständlichkeit, bei der viele Bayern-Fans vermutlich kurz zusammenzuckten. Nun ist es aber ausgerechnet Hoeneß, der den Druck auf Trainer und Spieler erstmals in der laufenden Saison extrem erhöht. Man möchte fast schon ein „glücklicherweise“ anfügen.
Es dürfe keine Ausreden mehr geben. Spätestens gegen Dortmund erwartet der Präsident, dass die Mannschaft liefert: „Wir müssen gewinnen. Dazu gibt es für mich keine Alternative.“ Es ist ein leicht verschärfter Ton, den Hoeneß an den Tag legt. Man konnte raushören, dass er im Falle eines Scheiterns noch stärker hinterfragen würde, wo die Fehlerquellen liegen – und da ist sicher nicht nur die Mannschaft gemeint.
Doch am Ende des Tages ist es eben nur Spekulation. Kovač hat oft genug Rückendeckung erhalten. Er wird sie vermutlich auch nach einer Niederlage erhalten. Die Bayern haben sich in den letzten Monaten bereits für jedes erdenkliche Szenario viele Argumente zurechtgelegt – vielleicht ist das sogar Teil des Problems.
Neue Spieler werden es schon richten
Eine schwache Schiedsrichter-Leistung hier, viel Pech im Abschluss dort, individuelle Fehler, für die der Trainer ja nichts könne, an einer anderen Stelle – Bayern ist bereits Deutscher Meister. Und zwar darin, die Schuld von sich zu schieben und dabei fast schon resignierend darauf aufmerksam zu machen, dass es halt nicht anders gehe.
Es fehlt das Gefühl, dass der Klub weiß, wo die Probleme liegen. Klar, im Sommer kommen neue Spieler für drölf Millionen Euro, zehn katarische Warane und zwei Kästen Augus … Paulaner, aber man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass das allein tatsächlich ausreichen würde. Zu überlegen sind im europäischen Vergleich die Konkurrenten auf dem Transfermarkt.
Und auch neue Spieler werden die Lücken im Mittelfeld nicht von alleine stopfen, wenn es ihnen niemand beibringt oder sagt. Sie werden die aktuelle Spielweise vielleicht etwas temporeicher und somit auch besser umsetzen können als einige Akteure des aktuellen Kaders. Letztendlich werden die taktischen Probleme aber dafür sorgen, dass auf hohem Niveau erneut kein Blumentopf gewonnen wird. Genau da braucht es eben einen Vorsprung, um tatsächlich mithalten zu können. Und schaut man sich die Ausgaben der Top-Klubs an, ist das sicher nicht das dicke Portemonnaie auf dem Transfermarkt. Es braucht also Alternativen.
Elefantenrennen mit überraschend vielen Punkten
Aber gut, das ist Zukunftsmusik und was interessiert uns schon der Dreck von morgen? In mittlerweile fast schon zur Klub-DNA werdenden Underdogsprache muss man erstmal von Spiel zu Spiel schauen. Und erstmal wird eben Borussia Dortmund in der Allianz Arena zu Gast sein. Eine Paarung, die in der jüngeren Vergangenheit für Spektakel sorgte. Klopp gegen Heynckes. Klopp gegen Guardiola. Tuchel gegen Guardiola. Diese Duelle fanden häufig auf taktisch sehr hohem Niveau statt.
Man stellte sich damals die Frage, ob überhaupt eine der beiden Mannschaften unter dem enormen Druck zusammenbrechen würde und wer den ersten Fehler machen würde. Diesmal ist die Frage vorher eigentlich nur, wie schnell der erste Fehler passiert und welche der beiden Mannschaften mehr von ihnen nutzt.
Zugegebenermaßen ist es angesichts der bisherigen Leistungen beider Mannschaften sogar etwas überraschend, dass der BVB und die Bayern bereits bei 63 beziehungsweise 61 Punkten stehen. Während Dortmund von einer wirklich guten (bisweilen aber auch glücklichen) Hinrunde profitiert, profitieren die Bayern von einer bisher guten (bisweilen aber auch glücklichen) Rückrunde – was die Ergebnisse betrifft. Denn beide spielen aktuell nicht wirklich herausragenden Fußball. Es ist gewissermaßen ein Elefantenrennen an der Spitze.
ÜVB Dortmund
Das ist natürlich kein großer Vorwurf an Dortmund. Wie so oft in den letzten Jahren haben sie in dieser Saison wieder von vorne begonnen. Neuer Trainer, neue Spieler, neue Spielweise – der BVB muss fast jedes Jahr einen Übergang gestalten. Quasi der Übergangsverein Borussia (auch wenn ÜVB eher wie eine unangenehm falsche Abkürzung für ein Verkehrsunternehmen in Uerdingen klingt …).
Während Dortmund also das Maximum aus dieser Saison holt und teilweise sogar etwas überperformt (Überperformverein Borussia?), sind die Bayern trotz vieler Punkte unter ihren Möglichkeiten geblieben. Im Prinzip sagt dieser Satz schon alles über die Verhältnisse in der Bundesliga aus.
Doch bisher holt der BVB eben trotzdem die Punkte und das verdient Respekt. Sie gewinnen mehrfach Spiele, die die Münchner mindestens einmal zu oft nicht gewonnen haben. Auch wenn in der Rückrunde der Eindruck entstand, dass sich das nun drehen würde.
Die Details machen den Unterschied
Wie so oft sind es also Kleinigkeiten, die letztendlich darüber entscheiden, ob Erfolg da ist oder nicht. Doch auch wenn beide Vereine sportlich und fußballerisch schon bessere Zeiten gesehen haben, dürfen sich Zuschauer*innen am Samstag auf einen tollen Fußballabend freuen.
Vielleicht sind es gerade die Defensivschwächen beider Mannschaften, die dazu führen, dass es wieder viele Tore zu bestaunen gibt. Auf der einen Seite die zu Genüge von uns analysierten taktischen Schwachstellen der Münchner. Andererseits Favres Dortmund, das zuletzt in der Verteidigung Schwächen offenbarte, die teils auf die individuelle Klasse, teils aber auch auf taktische Probleme und teils auf Verletzungen zurückzuführen sind.
Gegen die Bayern werden dem BVB wohl erneut die Außenverteidiger ausgehen. Hier gibt es für den noch amtierenden Meister also die Möglichkeit, eigene Stärken auszuspielen: Gnabry war zuletzt in herausragender Form und Coman hat zumindest das Potenzial, Dortmund massive Probleme zu bereiten. Auf der anderen Seite wird es für die Bayern wichtig sein, Reus und Sancho zu stoppen, die ebenfalls mit viel Tempo, technischer Qualität und Dynamik auf die bayerische Defensive zulaufen werden. Die Frage wird dann sein: Wer macht einen Fehler zu viel? Aber auch: Wer kann den eigenen Stürmer besser ins Spiel bringen? Denn natürlich wird auch Robert Lewandowski (46 Torbeteiligungen in 38 Pflichtspielen – was für eine Scheißsaison!) für die Bayern wieder eine große Rolle spielen.
Tempo, Druck, Cleverness
Dortmund bekommt vor allem im Aufbauspiel Probleme, wenn sie unter Druck gesetzt werden. Das zeigte unter anderem Leverkusen sehr wirkungsvoll. Die Bayern täten dementsprechend gut daran, einige Phasen im Angriffspressing einzustreuen. Dann braucht es aber auch die nötige Cleverness, um in den Zwischenlinienräumen nicht zu viel Platz zu erlauben. Die Kombination aus Lewandowski und Müller erwies sich zuletzt aber als zielführend, um Druck nach vorne auszuüben.
Von hinten muss dann aggressiv nachgeschoben werden und gerade Reus und Götze dürfen keine Räume bekommen. Sie sind die Schlüsselspieler im zweiten und letzten Drittel für den BVB. Gerade Götze zeigt aktuell, dass er als Achter immer noch extrem hohes Niveau hat. Vor allem dann, wenn er sich aus Drucksituationen befreien muss.
Im Hinspiel brachte Favre in der zweiten Halbzeit Dahoud, der sich clever zwischen die Ketten der Bayern schob. Haben die Münchner wieder keine Lösung, um den Raum zwischen Abwehr und Mittelfeld zu verteidigen, wird Dortmund die Oberhand haben. Für den FC Bayern wäre es dementsprechend wichtig, früh die Kontrolle zu gewinnen. Das kann Kovač erreichen, indem er auf sein direktes Spiel ins Angriffsdrittel verzichtet und die Passwege verkürzt. Einerseits führt das zu weniger Risiko, andererseits droht wiederum eine zu langsame Ballzirkulation. Es liegt an den Spielern und ihrem Trainer, die richtige Mischung aus Tempo und Geduld zu finden.
Wie wird Dortmund auftreten?
Bayern bekommt vor allem im Aufbauspiel Probleme, wenn sie unter Druck gesetzt werden. Das zeigte unter anderem Leverkusen sehr wirkungsvoll. Die Dortmunder täten dementsprechend gut daran, einige Phasen im Angriffspressing einzustreuen. Moment. Die Sätze kennen wir doch? Eben. Und das macht es so spannend.
Wer balanciert Mut und Defensive am besten? Wer bringt seine eigenen Stärken ein und schafft es gleichzeitig, die des Gegners einzugrenzen? Kovač scheiterte gegen Liverpool auch deshalb, weil er sich zu sehr auf die Stärken des Gegners einließ. Gegen Dortmund hat er erneut die Chance, zu beweisen, dass er auch anders kann.
Von Dortmund kann hingegen erwartet werden, dass sie sicherlich auch mal höher anlaufen werden, um zu testen, wie sattelfest die Bayern tatsächlich sind. In vielen Phasen wird das Spiel aber laufen wie vor einigen Monaten. Der BVB mit einer lauernden, aggressiven und kompakten Formation in der eigenen Hälfte, die Bayern mit dem Ball auf der Suche nach Lücken. Warum sollte Dortmund als Tabellenführer auch ins offene Messer laufen?
Überfliegerverein Borussia?
Die Sorge beim FC Bayern sollte nicht sein, dass die Spieler nicht an ihr Limit gehen. Tatsächlich ist es den Münchnern in den letzten Jahren überraschend häufig gelungen, trotz großer Probleme im Saisonverlauf rechtzeitig in einen Modus zu kommen, der zumindest ordentliche bis gute Leistungen auf hohem Niveau garantierte. Es ist die individuelle Qualität, die den Rekordmeister regelmäßig rettet. Der BVB hingegen funktioniert als Mannschaft besser. Und sie haben mit Favre einen Trainer, der in großen Spielen die Qualität hat, Details anzupassen und so den Spielverlauf entscheidend zu drehen. Kovač konnte das bis jetzt nicht nachweisen.
Auch im Hinspiel gegen Borussia Dortmund war das zu sehen. Die Bayern kamen immerhin über ihre Mentalität gut in die Partie, die Niederlage war letztendlich jedoch verdient, weil Dortmund sich im Laufe der Partie gut anpasste. Diesmal sind wenigstens die Vorzeichen etwas anders: Dortmund ist Tabellenführer und wird mit allem zufrieden sein, was keine Niederlage ist. Gewinnen die Schwarz-Gelben sogar, ist die Meisterschaft fast vorentschieden. Fünf Punkte Vorsprung wären für den BVB ein mentaler Push, der sie durch die Restsaison tragen dürfte. Und für die Bayern wäre es ein mentaler Rückschlag, der einen Bruch bedeuten könnte.
Es ist erneut das Duell einer Mannschaft, die am Ende ihrer Ära strauchelt und einem Rivalen, der mal wieder in den Startlöchern steckt. Das garantiert Fehler und Unsicherheiten. Es garantiert damit aber auch einen großen Unterhaltungsfaktor, den die meisten Anhänger*innen der Bundesliga in den letzten Jahren vermisst haben. Um den aufrecht zu erhalten, steht ausnahmsweise der FC Bayern unter Zugzwang. Dem BVB ist das recht. Denn faktisch hat Dortmund trotz der vielleicht einmaligen Chance auf den Titel in dieser einen Partie weniger zu verlieren als die Bayern. Sie sind für ein breites Publikum weiterhin der ÜVB – der Überfliegerverein Borussia. Und die Bayern? Die kämpfen im Moment darum, nicht abzustürzen. Ein Sieg gegen Dortmund würde dabei schon sehr helfen.
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Das Thesen-Duell
Die Regeln findet ihr hier. Die Zahl für These 3 wurde diesmal von Justin gewählt.
Ergebnisse der letzten beiden Vorschauen: Justin 6,8 – 5 Fatbardh
Zwischenstand insgesamt: Justin 101,6 – 89,4 Fatbardh
Justins Tipps
- Torschütze: Marco Reus
- Freie These: Dortmund trifft mindestens doppelt.
- Über/Unter 3,5: Über!
- Aufstellung: Neuer – Kimmich, Süle, Hummels, Alaba – Thiago, Goretzka – Müller – Gnabry, Lewandowski, Coman
Fatbardhs Tipps
- Torschütze: Robert Lewandowski
- Freie These: Bayern trifft mindestens dreimal.
- Über/Unter 3,5: Über!
- Aufstellung: Neuer – Kimmich, Süle, Hummels, Alaba – Thiago, Goretzka – James – Gnabry, Lewandowski, Coman