Supercup: Bayern verliert in Dortmund

Daniel Trenner 03.08.2019

Knapp eine Woche vor dem Auftaktspiel im DFB-Pokal in Cottbus begab sich der FC Bayern nach einjähriger Abstinenz zum 1. Pflichtspiel im Dortmunder Westfalenstadion. 

Falls Ihr es verpasst habt:

Wie bereits die komplette Vorbereitung schon schickte Trainer Kovač seine Mannschaft im 4-3-3 mit drei klaren zentralen Mittelfeldspielern auf das Feld. Überraschend jedoch erhielt Tolisso den Vorzug vor Sanches, obwohl dieser am Mittwoch sogar länger gespielt hatte. Während man dem Franzosen noch seine schwere Kreuzbandverletzung mitunter ansah, spielte der Portugiese bislang die vermeintlich stärkere Vorbereitung.

In Anbetracht der Zweifel ob der Wichtigkeit dieses sogenannten “1. Titels der Saison” verwunderte auch die Aufstellung Comans nach seiner verletzungsbedingten Auswechslung gegen Tottenham ein wenig.

Ansonsten war es die erwartete Aufstellung: Mit Süle und Boateng spielten die bis dato stärksten Innenverteidiger, Kimmich und Alaba bildeten wie so oft das Außenverteidigerduo, Thiago begann im defensiven Mittelfeld und durch Gnabrys Ausfall rückte Thomas Müller auf die Rechtsaußenposition.

Lucien Favre stellte seine Dortmunder im 4-2-3-1 ohne die beiden früheren Münchner Mario Götze (Bank) und Mats Hummels (Verletzt) auf.

Gleich in der ersten Minute zwang Alcácer Süle zum Ballverlust in der eigenen Hälfte, Guerreiro sprintete durch zur Grundlinie und legte den Ball in die Mitte zu Reus, der Neuer zu einer Weltklasseparade zwang.

Nach einer Ecke Bayerns nutzte der BVB einen Fehlpass von Boateng um in der 14. Minute Alcácer zu schicken. Neuer stürmte möglicherweise etwas verspätet aus seinem Tor, verkürzte den Winkel aber noch so weit, dass der Spanier aus 45 Metern den Ball zwar am Münchner Torhüter vorbei legen konnte, jedoch auch das Tor nicht traf.

In der 23. Minute kamen dann auch die Bayern zu ihrer ersten Großchance: Goretzka presste hoch und eroberte durch einen Sprint den Ball, legte ihn in die Mitte, wo Coman jedoch an Hitz scheiterte.

Bayern brachte das Spiel dann insofern unter Kontrolle, dass Dortmund zwar kaum mehr zu Chancen kam, aber man auch selbst nicht zwanghaft Hitz in Gefahren brachte. Mit einem 0:0 auf der Anzeigetafel ging es in die Kabine.

Ohne Wechsel begann die 2. Hälfte und direkt traf Dortmund: Thiago spielte auf Höhe der Mittellinie unter Druck einen Fehlpass, der Sancho zum Dribbling gegen am Ende vier Bayern-Spieler einlud. Der Engländer setzt sich dennoch durch fand in der Mitte Alcácer, der mit einem Beinschuss gegen Süle den Ball flach und platziert aus 20 Metern an Neuer vorbei ins Tor schob.

Nach einer Ecke war in der 69. Minute Bayern weit aufgerückt, verspielte aber den Ball. Der durchstartende Sancho konnte nicht mehr aufgehalten werden und der junge Engländer traf durch die Beine Neuers.

Game over. Die Bayern kamen nicht mehr zurück. Zwar gab es einige Angriffe, jedoch hatten sie auch zweifach Glück mit dem Schiedsrichtergespann, als Kimmich keinen Platzverweis (77.) und Sanches in den Schlussminuten keinen Strafstoß provozierte.

Dinge, die auffielen:

1. Vorbereitung adé?

Nach der vielbeachteten guten Vorbereitung erschien das Spiel ein wenig wie ein Rückfall in alte Zeiten. Zwar sah man noch immer einige gute Bewegungen und Positionierungen im Aufbau, doch mutete es an, als ob mit dem Einzug in die gegnerische Hälfte die meisten guten Ansätze der Vorbereitung liegen gelassen wurden. Statt mutig durch die Mitte zu kombinieren, wurde der Ball auf die Außen und dort vor allem zu Coman gespielt, der sich dann erstmal gegen gleich mehrere Spieler zu behaupten hatte.

Über Außen zu spielen ist ein bewährtes Mittel, und wenn man so gut durch die Mitte aufbaut, dass man gegnerische Außenverteidiger isoliert und die Flügelstürmer dadurch zu Eins-gegen-Eins-Situationen kommen, kann das auch erfolgreich sein. Doch falls man den Spielern den Mangel an Ideen förmlich anmerkt und sie dem Außenstürmer früh einfach den Ball zuschieben, in der Hoffnung ihm wird schon etwas kluges einfallen, kommen nur selten gute Angriffe zustande.

Gleichwohl ergibt es natürlich Sinn den blitzschnellen Coman ins Duell mit dem langsamer gewordenen Piszczek zu schicken und dem Franzosen gelang auch einiges, doch der Eindruck, der FC Bayern konnte aus diesem ungleichen Duell nicht alles rausholen, bleibt trotzdem. Schließlich führte Coman oftmals einen Drei- statt einem Zweikampf.

2. Unkoordiniertes Pressing

Bayern lief Dortmund immer wieder hoch an. Betrachtet man die Dortmunder Aufstellung erscheint dies auch als durchaus logisches Mittel, schließlich sind Hitz, Toprak und Schulz für Unsicherheiten unter Druck bekannt. Doch obwohl das einige Male von Erfolg gekrönt war, war das hohe Pressing ein zweischneidiges Schwert. Denn von Koordination oder gar Pressingfallen kann kaum eine Rede sein. Die Offensivspieler pressten so wie es ihnen gerade passte und nicht im Kollektiv. Provoziert man damit tatsächlich einen Ballgewinn, ist das auch in Ordnung. So wie etwa als Goretzka Comans Chance in der 23. Minute einleitete. Schafft es der Gegner jedoch diese wüsten Versuche von einem, vielleicht zwei Spielern zu umspielen und die Mannschaft war nicht auf hohes Pressing ausgerichtet, entstehen auf einmal brandgefährliche Räume.

3. Klaffende Lücken & Thiagos Rolle

Durch die scheinbare Wende im Fall Leroy Sané, ist ein anderes Transfergerücht in den Hintergrund geraten: Marc Roca. Wozu Bayern einen weiteren Mittelfeldspieler gebrauchen könnte, zeigte sich in Dortmund. Auch hier gab es Flashbacks zur abgelaufenen Saison. Zwar nicht nur dort aber vor allem im Mittelfeld klafften mitunter riesige Räume. Und das nicht nur wegen dem unkoordiniertem Pressing. Gerade in den beiden Anfangsphasen der jeweiligen Hälften zeigte sich dies mitunter eklatant. Dortmund verfügt über sehr schnelle Spieler. Gewährt man diesen Räume, ist das Ergebnis oft fatal.

Diese Räume versuchte gerade Thiago so gut es geht zuzudecken. Das gelang ihm meist auch gut, aber gerade dann, wenn es nicht klappte, behielt der Spruch von Mats Hummels Recht: Alleine ist schwer. Tolisso und speziell Goretzka ließen ihn ein ums andere Mal im Stich. Mitunter, weil sie zu hoch standen, mitunter weil sie sich nicht anboten.

Um diese defensiven Löcher zu stopfen, stellte Kovač im Herbst zunächst noch auf ein 4-2-3-1 um, und holte später noch Martínez in die Mannschaft. Der wiederum schloss zwar tatsächlich die Löcher, war dann jedoch im eigenen Ballbesitz fast völlig unbrauchbar und zeigte: Des Weisheits letzter Schluss war auch der Baske nicht. Wenn Kovač beim 4-3-3 bleiben möchte, sollte er versuchen Thiago da aufzustellen, wo er eigentlich auch mal angedacht war: Als Verbindungsspieler zwischen defensivem und offensivem Mittelfeld.

Klappt aus verschiedenen Gründen die interne Lösung Kimmich nicht, wäre es eine sehr gute Idee sich nach einem Mittelfeldspieler umzuschauen, der Thiago im Ballbesitz unterstützt und die Räume besser zuläuft. Vielleicht ist Marc Roca tatsächlich diese Lösung.