Vorschau: FC Bayern München – Besiktas Istanbul

Justin Trenner 18.02.2018

Es hätte den FC Bayern deutlich härter treffen können. Die Auslosung bescherte der Champions League tolle Aufeinandertreffen wie Real Madrid gegen Paris oder Juventus gegen Tottenham. Für die Münchner blieb letztendlich ein Gegner, auf den sie zuletzt 1997 in der Gruppenphase der Königsklasse trafen. Es waren gleichzeitig die einzigen beiden Duelle zwischen dem FC Bayern und Besiktas Istanbul. Beide endeten mit 2:0 für den FCB.

Die (jüngere) Vergangenheit

Für Besiktas ist das Achtelfinale bereits eine Art historischer Erfolg. Zwar standen sie 1987 schon mal im Viertelfinale des Europapokals der Landesmeister, doch auf dem Weg dorthin profitierten sie in Runde 2 vom Ausstieg Nikosias, die aus politischen Gründen nicht antraten. Damals brauchte es für die Türken also lediglich zwei Siege gegen KS Dinamo Tirana (Albanien / 2:0 und 1:0), um die Runde der letzten Acht zu erreichen. Endstation war dort Dynamo Kiew (0:5 und 0:2). Dagegen ist die Wertigkeit des diesjährigen Erfolgs schon höher einzuschätzen. In einer ausgeglichenen Gruppe mit Leipzig, Monaco und Porto setzten sie sich als Gruppensieger durch. Ein Nachweis von internationaler Klasse.

In der jüngeren Vergangenheit erreichte Besiktas seine größten europäischen Erfolge, wenn sie in der kleineren Europa League antreten durften. 2017 scheiterten sie dort knapp im Viertelfinale, weil Lyon im Elfmeterschießen die Oberhand behielt. 2012 ging es bis ins Achtelfinale, wo Atlético Madrid eine Nummer zu groß war (1:3 und 0:3). Speziell in der Champions League kamen sie aber nie über die Gruppenphase hinaus.

Umso beeindruckender ist der Erfolg, der sich eingestellt hat, seit Senol Günes Trainer der schwarzen Adler ist. 2015 übernahm er den Posten, nachdem Besiktas seit 2009 nicht mehr Meister wurde und seit 2011 auch den türkischen Pokal nicht gewonnen hatte. Sowohl 2016 als auch 2017 ging die Meisterschaft an sein Team. Der Pokalerfolg blieb zwar weiter aus, doch das ist angesichts des attraktiven und erfolgreichen Fußballs, den Besiktas spielte, nicht so dramatisch.

Senol Günes feierte mit Besiktas einige Erfolge.
(Foto: Stuart Franklin / Bongarts / Getty Images)

Für welchen Fußball steht Senol Günes?

In der Saison 2015/16 spielte Besiktas vielleicht den attraktivsten und temporeichsten Fußball seit sehr langer Zeit. Günes implementierte ein mehr als solides Aufbauspiel und darüber hinaus ein – mindestens auf nationaler Ebene – starkes Positionsspiel. Die Mannschaft war in der Lage, hohes Pressing zu überspielen und mit hoher Geschwindigkeit zu kombinieren. Zwei alte Bekannte aus München spielten damals eine große Rolle.

Einerseits der türkische Torschützenkönig Mario Gomez und auf der anderen Seite Jose Ernesto Sosa, der hinter ihm eine zentrale Rolle einnahm. Er war der Spielmacher, der alle Mannschaftsteile verband, die nötige Struktur gab und seine Offensivspieler in Szene setzte. Davon ausgehend kann man analysieren, wie das heutige Team von Senol Günes funktioniert beziehungsweise funktionieren soll.

Günes steht durchaus für taktische Flexibilität. Er passt seine Vorgaben an den eigenen Kader sowie den Gegner an und verändert sie von Spiel zu Spiel. Grundsätzlich ist Besiktas unter ihm aber ein sehr offensiv ausgerichtetes Team im 4-2-3-1/4-4-2. Der Flügelfokus war schon in der besagten ersten Saison ein wichtiger Baustein für den Erfolg. Quaresma und Töre besetzten damals die offensiven Außenbahnen und brachten viel Gefahr. Besiktas verstand es gut, diese beiden Spieler mit guten Kombinationen und Bewegungen freizuspielen.

Dennoch war die Abhängigkeit nie so groß, dass das Zentrum vernachlässigt wurde. Dort sammelte Sosa in der Süper Lig 19 Torbeteiligungen. Ein solcher Spieler fehlt dem Team heute schmerzlich. Zwar kommt Talisca, den sich Besiktas von Benfica ausleihen konnte, auf bisher 17 Torbeteiligungen in allen Wettbewerben und eine gute Quote von ungefähr 130 Minuten pro Beteiligung, doch er ist gerade im strukturellen Bereich seiner Position nicht so stark wie Sosa. Vielmehr ist er eine Art zweite Spitze, die im Passspiel und in der Ballzirkulation nicht viel beiträgt, dafür aber große Torgefahr ausstrahlt.

Kein aktueller Spieler im Kader scheint aber als angemessener Spielmacher zu taugen. Günes hat das Spiel deshalb angepasst. Gerade in der Champions League wich er häufig auf eine weniger dominante und teils bewusst chaotische Ausrichtung aus.

In den Spielen gegen den AS Monaco versuchte Besiktas beispielsweise mit langen Schlägen auf die eigene linke Seite das Mittelfeld zu überbrücken. Dort wurde schließlich überladen. Anschließend sollten spätestens die zweiten oder dritten Bälle gewonnen werden, um aus der Enge heraus auf die rechte Seite zu verlagern, wo Quaresma wartete. Der Portugiese ist kein überragender Eins-gegen-Eins-Spieler (mehr). In der Champions League hatten die Gegner ihn häufig im Griff.

Adriano (LV) schiebt nach vorne, der Sechser und der Zehner auf die linke Seite und ein Achter auf die Sechs. Damit überlädt Besiktas die linke Seite. Spannend wird dann die Reaktion der Bayern. Schiebt der Sechser zum Ausgleich mit rüber? Pressen die Offensivspieler hoch? Besiktas wird versuchen, die linke Zone zu bespielen, um dann nach rechts aufzulösen, wo Quaresma wartet. Bayern kann entweder schon den ersten langen Schlag mit hohem Pressing behindern oder die eigene rechte Seite klug im Raum verteidigen. Kommt der Seitenwechsel, wird es gefährlich.

Trotzdem ist Quaresma aber enorm gefährlich, wenn er Platz bekommt. Seine Flanken sind häufig präzise und immer ein großes Risiko für die verteidigende Mannschaft. Besiktas ist ohnehin mit der Zeit sehr abhängig von hohen Hereingaben geworden. Im Heimspiel gegen Porto schaufelte alleine Quaresma 18 Flanken in den Strafraum.

Das machte in der Hinserie häufig auch Sinn, weil mit Tosun ein Spieler im Kader stand, den man als kompletten Stürmer bezeichnen kann. Er ist nicht nur kopfballstark, sondern auch gut im Abschluss und begabt am Ball. Alle 103 Minuten war er an einem Tor beteiligt und auch die Spielmacher-Lücke im Zentrum konnte er zumindest in Ansätzen kaschieren. Sein Wechsel im Winter war ein herber Rückschlag.

Zwar trifft Talisca regelmäßig und auch der ebenfalls kopfballstarke Negredo hat als Joker hin und wieder funktioniert (78 Minuten pro Torbeteiligung), aber letztendlich haben beide auch klare Schwächen. Keiner von ihnen ist so komplett wie Tosun. Deshalb verpflichtete Besiktas im Winter noch Vagner Love.

Auch der war in den letzten Spielen kein 1:1-Ersatz für Tosun, aber dennoch ein erheblicher Fortschritt. Er bringt nicht nur die nötige Robustheit mit, sondern ist auch in der Lage, seine eigenen Chancen zu erarbeiten und Bewegung ins Offensivspiel zu bringen. Allerdings benötigt er ganz offensichtlich noch Zeit, um sich perfekt zu integrieren und auch seine Qualitäten im Kopfballspiel sind nicht auf dem Level von Tosun. Hier hat Besiktas erheblich an Stärke verloren.

Auf der nächsten Seite geht es darum, auf was sich die Bayern speziell im Hinspiel einstellen müssen. Wie wird Besiktas agieren?

Die Türken spielen nicht mehr so einen schnellen Fußball wie 2015 und 2016, aber sie brauchen auch nicht viele Chancen und sind sehr erfahren. Worauf müssen die Bayern speziell achten?

Dafür analysieren wir zunächst die einzelnen Mannschaftsteile und erarbeiten mögliche Schwachstellen der Gäste.

Stärken und Schwächen der Abwehrreihe

Der FC Bayern könnte genau der Gegner für die Türken sein, bei dem die erwähnten strukturellen Schwachstellen in Ballbesitz kein allzu hohes Gewicht haben. Das Team ist im Vergleich zu den letzten Jahren nämlich deutlich erfahrener und abgezockter. In der Defensive ist der Schlüsselspieler Pepe, der nicht nur für seine teils absurde Aggressivität bekannt ist, sondern auch für ein gnadenlos gutes Zweikampfverhalten. Er organisiert die Abwehr und hält den Laden hinten dicht. Medel wäre eine erfahrene Alternative für den verletzten Tosic. Spielt Medel aber im Mittelfeld, dürfte Vida starten. Beide sind physisch gute Verteidiger, aber Medel ist technisch stärker.

Auf den defensiven Außenbahnen haben die schwarzen Adler schon eher ihre Probleme. Adriano ist auf der linken Seite ein sehr erfahrener und intelligenter Verteidiger. Gegen Monaco schob er teilweise so diagonal ins Zentrum, dass man von einem falschen Außenverteidiger reden konnte. Er hilft dabei, die linke Seite offensiv zu unterstützen, den Halbraum besser zu bespielen und seinen Mittelfeldspielern Lösungen anzubieten, um enge Situationen zu entkrampfen. Auch gegen den Ball ist er zumindest stabil, aber nicht ohne Schwächen. Hier könnte Robben für Druck sorgen, wenn er seine Form steigert.

Rechts hingegen wird es komplizierter für die Türken. Sowohl Gönül als auch seine Alternativen sind nicht die beste Lösung. Gönül fällt gelegentlich aus und hat speziell gegen schnelle Spieler seine Probleme. Spielt er nicht, rückt Adriano meist auf seine Seite und Erkin spielt links. Hier muss der FC Bayern eine klare Schwachstelle ausmachen. Im Idealfall stellen sie tatsächlich Kingsley Coman auf, der im Kader nicht nur der schnellste Offensivspieler ist, sondern auch die beste Quote im Eins-gegen-Eins aufweisen kann.

Allerdings gilt das nur, wenn Adriano tatsächlich links verteidigt und nicht wieder rechts aushelfen muss. Im letztgenannten Fall sollte man in Betracht ziehen, Coman auf die rechte Außenbahn zu schicken – also auf die Seite wo Adriano nicht spielt. Es wäre fahrlässig, diese Schwachstelle mit Ribéry und/oder Robben zu bespielen. Natürlich können auch sie mit ihrer Qualität den Unterschied machen, doch Coman ist das in diesem Spiel eher zuzutrauen.

Im Mittelfeld kompakt und physisch oder offensiver?

Im Zentrum vor der Abwehr ist zumindest in München mit einer sehr physischen Besetzung zu rechnen. Hutchinson und Medel sind zwei sehr aggressive und zweikampfstarke Spieler. Ersterer wird sich einzig und allein auf das Abräumen beschränken und den Achtern der Bayern das Leben schwer machen wollen. Medel hingegen bringt wie erwähnt auch technische Fähigkeiten mit, um Gegenpressingsituationen der Bayern aufzulösen und dann die schnellen Flügelspieler in Szene zu setzen. Auf ihn sollten die Münchner den Fokus bei Ballverlusten legen – egal ob in der Innenverteidigung oder auf der Sechs. Seine Vertikalität im Passspiel ist einzuschränken.

Aus taktischer Perspektive wäre eine Doppelacht mit James und Thiago im Hinspiel sehr sinnvoll. Allerdings muss beim Spanier erstmal abgewartet werden, wie fit er nach nur einem Einsatz schon sein kann. Vidal wäre speziell gegen den Ball wertvoll. Er könnte die aufbauenden Sechser und Verteidiger gehörig unter Druck setzen und so kontrollierte Umschaltmomente der Gäste verhindern.

Auf der bayerischen Sechs dürfte Martínez als Absicherung der beiden Achter die taktisch beste Variante sein. Nur er kann den großen Raum vor der Abwehr alleine verteidigen und nur er kann schwierige Situationen nach Ballverlusten in letzter Sekunde verhindern. Bayerns taktische Schwächen könnten damit kaschiert werden.

Auf der Zehn wird sich Günes auf der anderen Seite zwischen einer weiteren physisch stärkeren Variante (Tolgay Arslan) und einem offensiveren Spieler, der allerdings gegen den Ball nicht ganz so effektiv arbeitet (Talisca oder Özyakup) entscheiden müssen. Mit Arslan wäre das Zentrum sehr kompakt, allerdings weniger durchschlagskräftig. Talisca wäre die offensivste Variante, die allerdings großes Risiko bedeuten würde.

Besiktas wird das Zentrum verdichten wollen. Je nach Druck und Positionierung der Bayern kann die Staffelung variieren. Bayern wird sich dort häufig in Unterzahl befinden und muss deshalb die richtigen Räume finden.

Özyakup machte besonders in der Champions League schon sehr gute Spiele. Er wäre eine gute Mischung aus Offensive und Defensive. Mit ihm hätte Besiktas nicht nur die Außenbahnen als Fixpunkt, sondern auch das Zentrum. Özyakup kann Chancen kreieren, unter Druck kluge Entscheidungen treffen und hin und wieder für starke Einzelaktionen sorgen. Zudem war er sehr stark darin, nach Außen zu kippen, um da zu überladen. Er ist als Strukturgeber nicht so gut wie Sosa damals, aber die beste vorhandene Option, wenn Besiktas spielerisch dagegenhalten möchte.

Es ist auch denkbar, dass Medel hinten startet und Arslan neben Hutchinson auf die Sechs rückt. Davor müsste sich Günes dann trotzdem zwischen Özyakup und Talisca entscheiden, wobei Letzterer eher die Joker-Variante in München sein dürfte, weil er gegen den Ball zu ineffektiv agiert.

Die Außen dicht machen

Auf der Außenbahn sind Quaresma und Babel gesetzt. Ersterer wird mehr durch Flanken und sein Passspiel überzeugen wollen, während Babel häufiger ins Dribbling geht und sich selbst Abschlüsse erarbeitet. Der Niederländer hatte zuletzt eine Formschwäche, aber umso beeindruckender ist es, dass er dennoch schon neun Treffer erzielt hat. Gerade sein Saisonstart war stark.

Gegen die Bayern wird er sich von seiner besten Seite präsentieren wollen. Auf der linken Seite wird er allerdings auch auf Joshua Kimmich treffen, der sich zuletzt in jedes Duell warf und gegen den Ball klare Fortschritte machte. Gegen Babel wird er eine Schlüsselrolle einnehmen.

Auf der anderen Seite hat Alaba vermutlich weniger Dribblings zu verteidigen, dafür muss er Quaresmas Flanken und Verbindungen ins Zentrum verhindern, ohne sich selbst aus dem Offensivspiel zu nehmen. Alaba war zuletzt auf einem sehr starken Weg. Er sollte im Normalfall mit Quaresma fertigwerden.

Allerdings liegen diese Aufgaben ja nicht nur bei Bayerns Außenverteidigern. Die Münchner müssen schon frühzeitig im Spiel in allen Mannschaftsteilen hellwach und taktisch klug agieren.

Worauf Bayerns Augenmerk liegen sollte

Besiktas wird sich im Hinspiel nicht passiv hinten reinmauern, aber aktiv und sehr kompakt verteidigen wollen. Vor allem der Aggressivität und Körperlichkeit der Gäste sollten die Münchner mit einem guten Positionsspiel und einer schnellen Ballzirkulation entgehen. Über 80 gelbe Karten sammelte Besiktas in dieser Saison bereits. Hinzu kamen sechs Platzverweise (darunter eine glatte rote Karte). Fast schon überraschend steuerte Pepe nur fünf gelbe Karten bei.

Besiktas ist dennoch nicht als „Tretertruppe“ zu betrachten. Ihre durchaus gefährliche Offensivausrichtung sowie die spielerische Qualität des Teams müssen sie besonders in den Umschaltmomenten zeigen, wenn sie etwas mitnehmen wollen.

Um das zu erreichen, werden sie ihr Pressing variieren. In den Duellen mit Leipzig überzeugten sie beispielsweise mal mit hohem Angriffspressing, um sich später kompakt in die eigene Hälfte fallen zu lassen. Diese Wechsel im Spielrhythmus werden sie auch in München zeigen.

Besiktas wird in einigen Phasen auch mal höher anlaufen. Dann müssen die Bayern versuchen, die Außenspieler des Gegners in die Mitte zu locken. Gegen Monaco rückten die Flügel häufig heraus und es entstand eine verschobene 4-3-3-Staffelung, im offensivsten Fall eine 4-2-4-Staffelung. Kriegt Bayern den Ball dann in die Räume auf der Außenbahn, ergeben sich Chancen, den dunkelgrünen Bereich im Zentrum zu bespielen. Von dort könnten sie schließlich die Halbräume öffnen und den gesamten Gegner mit wenigen Pässen aushebeln.

Im Speziellen ist das Fazit für den FC Bayern, dass sie schon in Ballbesitz sehr gut organisiert sein müssen. Gegen die physisch starken Spieler im Zentrum sollten sie Lösungen finden, um nicht in zu viele Zweikämpfe verwickelt zu werden. Andernfalls droht ein ähnliches Spiel im Mittelfeld wie gegen Schalke. Dort verloren die Bayern häufig die Kontrolle und ließen sich in zu viele offene Duelle verwickeln.

Ein fitter Thiago wäre wie erwähnt neben James die Optimallösung. Speziell im Hinspiel, wo Besiktas mehr verteidigen als angreifen wird. Kann er nicht spielen, muss man auf einen Sahnetag von Vidal hoffen. Er ist nicht der Spielertyp, der James spielerisch und strukturell entlastet, aber er kann an guten Tagen in Ballbesitz zumindest Lewandowski vorne entlasten, der gegen Pepe und Medel beziehungsweise Vida definitiv Unterstützung braucht.

Auch Müller kann diese Aufgabe sehr gut ausfüllen. Gemeinsam mit Lewandowski und James wären die Drei durchaus in der Lage, das Zentrum in die Hand zu nehmen und den Abwehrriegel zu knacken. Allerdings sind James und Müller im Gegenpressing deutlich schwächer als Vidal. Ein Kompromiss wäre hier, dass Müller für den zuletzt schwachen Robben beginnt und einen einrückenden Flügelspieler gibt. Kimmich kann eine Seite auch alleine bespielen und man hätte so mehr Personal im Zentrum, um die Kontrolle zu übernehmen.

Unabhängig von der Besetzung sind Seitenverlagerungen ein wichtiges Handwerkszeug. Aus der engen Mitte heraus wird man die schnellen Außenspieler gegen die Außenverteidiger in Szene setzen müssen. Es bleibt zu hoffen, dass Heynckes Coman vertraut. Er könnte im Hinspiel schon für eine Vorentscheidung sorgen, während Robben und Ribéry zuletzt immer mehr Zweifel aufkommen ließen. Allerdings war Coman am Wochenende erkältet und Ribérys frühe Auswechslung gegen Wolfsburg war auch vielsagend. Es wäre deshalb schade, weil Ribéry zuletzt das Spiel eher behäbiger machte, als es anzutreiben – trotz seiner Tore, die das nur kaschierten.

Taktisch muss es mit Ball also immer wieder in die Zone 14 (den Zehnerraum) gehen, damit man dann von dort schnell die Halbräume öffnen kann. Genau das gelang den Bayern zuletzt nicht perfekt.

Wenn James aus dem Spiel genommen wird und Thiago nicht spielt oder einen schlechten Tag erwischt, droht ein gefährlicher Flügelfokus, den Besiktas einfach wegverteidigen kann.

Flanken sind tendenziell eher kein probates Mittel gegen physisch starke Türken. Schaffen es die Münchner nicht, den Ball temporeich und raumöffnend zirkulieren zu lassen, droht ein statisches Spiel, in dem Besiktas leichteren Zugriff erhält.

Dann können die schwarzen Adler ihre Umschaltstärke ausnutzen und über Medel und möglicherweise Özyakup die Verbindungen zu Babel und Quaresma finden. Vorne steht dann entweder der sehr kopfballstarke Negredo oder der spielerisch stärkere Vagner Love. Letzterer dürfte die für Konter bessere Variante sein.

Bayern braucht zwingend ein Hinspiel-Polster

Bayern hat alle Karten in der eigenen Hand. Besiktas wird ihnen physisch, läuferisch und taktisch vieles entgegensetzen, aber es sollte nur dann reichen, wenn die Münchner nicht in der Lage sind, ihre spielerische Qualität auf den Rasen zu bringen. Mögliche Ursachen wären ein vielleicht fataler Bankplatz von Coman oder eine schlechte Staffelung im Zentrum gegen abgezockte Spieler von Besiktas.

Deren individuelle Erfahrung ist groß. Sie haben nicht mehr das Tempo von vor zwei Jahren und auch technisch agieren sie nicht mehr so sauber. Aber sie werden die Bayern unter Druck setzen, hin und wieder etwas höher anlaufen, um zu sehen wie der Gegner darauf reagiert und ihren Rhythmus damit ständig verändern. Diese Geschwindigkeitswechsel sind vielleicht die größte Stärke der Türken. Besiktas ist gewiss kein Freilos, sondern eine Mannschaft, die auf den Punkt da sein kann und nicht viele Chancen für ein Tor benötigt.

Ihr Durchschnittsalter von rund 29 Jahren könnte der Grund für eine sehr inkonstante Saison sein. Sobald Bayern sie aber auch nur ein bisschen unterschätzt oder es nicht schafft, die klaren Schwachstellen auf der Außenbahn zu nutzen sowie die Zwischenräume im Mittelfeld gut zu besetzen, könnte es zu einem unbefriedigenden Ergebnis kommen.

Im Rückspiel erwartet den FC Bayern ein extremes Feuerwerk, wenn Besiktas ein gutes Ergebnis aus München mitnehmen sollte. Sie werden dann eines der lautesten Stadien Europas hautnah erleben und sich großem Druck einer heimstarken Mannschaft ausgeliefert sehen.

Das Hinspiel gegen den FC Porto vor nicht allzu langer Zeit hat bewiesen, dass eine spezielle Atmosphäre auch ein großes Team beeindrucken kann. Die Bayern wären daher gut beraten, ein gutes Polster aus dem Hinspiel mitzunehmen. Besiktas ist ob der Ergebnisse in den letzten Wochen etwas verunsichert und Bayern selbstbewusst genug, um auch im Achtelfinale der Champions League Gegner zu Hause deutlich zu besiegen.

Danke an Anil und Göksel, die mich bei meiner Recherche unterstützt haben.

Fantipp

Im Fantipp tippt einer unserer Leser den Spielausgang. Für den richtigen Tipp gibt es drei Punkte und für die richtige Tendenz (Sieg, Unentschieden, Niederlage) einen Punkt. Verglichen wird dies dann mit einem Tipp aus der Miasanrot-Redaktion. Am Ende der Saison wird sich zeigen, ob die eingeladenen Fans mehr Punkte erreicht haben, als die Redaktion.

Göksel tippt auch direkt mal gegen mich beide Partien. Er ist Experte für den türkischen Fußball und kennt Besiktas besser als die meisten Anderen.

Göksel: Hinspiel: Ich erwarte von der ersten Minute an selbstbewusste Bayern, die sich im Hinspiel eine komfortable Situation vor dem Rückspiel schaffen wollen. Der türkische Meister wird, wie meist üblich bei türkischen Teams, mit Respekt und einer gewissen Nervosität ins Spiel gehen. Aber die Chancen, die ihnen ermöglicht werden, werden sie versuchen zu verwerten. Mein Tipp für das Hinspiel: 3:1 für den FC Bayern.
Im Rückspiel wird demnach Besiktas liefern müssen. Mit den Fans im Rücken werden sie mitgetragen. Der deutsche Meister wird im Konterspiel etwas entgegensetzen wollen. Besiktas wird das Rückspiel 2:1 für sich entscheiden.

Justin: Die Bayern werden sehr engagiert und konzentriert ins Hinspiel gehen. Besiktas kann sich allerdings einige gefährliche Konter erspielen. Trotzdem gewinnt Bayern mit 3:1. Im Rückspiel schafft Besiktas ein relativ frühes Tor und heizt das Duell so richtig an. Kurz vor der Halbzeit fällt dann der Ausgleich. Bayern kommt trotzdem schwimmend aus der Kabine und muss erneut in Rückstand gehen. Sie bekommen das Geschehen aber wieder in den Griff und erreichen durch ein 2:2 schließlich mehr oder weniger souverän die nächste Runde.