Vorschau: Welche Bedeutung hat das Spiel gegen Hoffenheim?

Justin Trenner 26.01.2018

Unter der Woche hatte ich die Wahl zwischen einer detaillierten Analyse eines durchaus spannenden Teams – der TSG Hoffenheim – oder einem Kommentar, der Grundsätzliches in Frage stellt. Schon beim 4:2 gegen Bremen kamen mir einige Gedanken in den Kopf.

Es war seit langer Zeit mal wieder ein wirklich unterhaltsames und spannendes Spiel. Einerseits wegen starker Bremer, andererseits wegen schwacher Bayern, die nur über Willen und individuelle Blitzmomente zurückkamen – immerhin.

Doch welche Bedeutung hatte das alles noch? Der Vorsprung ist mittlerweile auf absurde 16 Punkte angewachsen. Im Januar. Die Schuld wird oft dem FC Bayern zugesprochen. Leon Goretzka sei das jüngste Beispiel für den Niedergang der Bundesliga.

In Deutschland eilt Bayern von Titel zu Titel. Hier feiert der Rekordmeister den Supercup.
(Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images )

Unrecht haben diese Stimmen zumindest nicht. Erneut wechselt einer der besten Fußballer des Landes zum besten Verein des Landes. Ein natürlicher Prozess wie er überall stattfindet. Deshalb ist ein Vorwurf auch unangemessen. Der FC Bayern tat, was er tun musste.

Dennoch wird das alles zunehmend zu einem Problem, dem sich der Rekordmeister nicht entziehen kann. Es ist zudem eines, das keine offensichtliche Lösung anbietet. Die Bayern sind meilenweit davon gezogen und es gibt keinen natürlichen Gegner mehr, der die Abomeisterschaft beenden kann.

Das schmälert keinesfalls die Leistung, die der FC Bayern in den letzten Jahren erbracht hat. Gerade Meisterschaften mit rund 90 Punkten und der extrem unterschätzte Triumph über Tuchels zähen BVB erfüllten jeden Fan des FCB zurecht mit Stolz.

Langeweile und keine Lösung

Doch langsam ist zumindest bei mir auch die Langeweile eingekehrt. Es ist schwer, sich für einen Wettbewerb zu motivieren, der kein wirklicher Wettbewerb mehr ist. Die Bayern waren schon letzte Saison nicht mehr am Limit und sind es in dieser erst recht nicht. Sie schöpfen ihr Potenzial nicht mehr aus und doch reicht es. Deutlich.

Unter Jupp Heynckes ist zumindest eine Leistungsbereitschaft entstanden, die zu einer grundsoliden Situation führt. Doch solide kann nicht der Anspruch eines Klubs sein, der wieder oder immer noch zu den besten Fünf in Europa zählen möchte.

Normalerweise waren diese Zeiten des Umbruchs, in denen sich die Bayern seit rund zwei bis drei Jahren befinden, auch Zeiten des Misserfolgs. Zeiten in denen die Bundesliga zur Stelle war, um den großen Klub aus dem Süden zu bestrafen beziehungsweise deren Situation auszunutzen.

Wirklich da ist niemand mehr. Borussia Dortmund nahm große Rückschläge hin. Dazu zählen nicht nur zentrale Abgänge, sondern auch ein schwieriger Trainerwechsel. Das Geld wäre immerhin da, um den BVB zunächst wieder auf den zweiten Platz zu führen, doch der Abstand zum FC Bayern wächst und wächst.

Leipzig war der Nutznießer der schwarz-gelben Lage. Doch auch RB ist noch lange nicht gefestigt genug, um oben mitzuhalten. Auch sie sind nicht vor einschneidenden Transfers geschützt. So wird Keita den Verein verlassen und auch Werners Zukunft ist nicht sicher. Sie zu ersetzen, wird selbst für diesen gut geführten Klub schwierig. Es ist eher ein Symptom als eine Hoffnung, dass sie fast schon die letzte Hoffnung auf eine spannende Liga sind.

So könnte man nun durch die ganze Nation gehen, aber eine Schuldfrage zu stellen ist auch nicht zielführend. Ob die Stars nun nach München, Manchester, Barcelona, Madrid, Turin oder London gehen, spielt eine untergeordnete Rolle. Die Bundesliga kann ihre Topspieler nur halten, wenn sie zum FC Bayern gehen. In England führt der Weg an die Spitze gleich zu drei, vier oder fünf Klubs. In Spanien sind es mindestens zwei oder drei.

Die Lösung lautet vielleicht Geld. Doch reicht das? Und wo soll es herkommen? Fragen, die immer neue Probleme aufwerfen. Antwortet man mit der Abschaffung der 50+1-Regel, so bangen Fans zurecht um ihren Fußball, wie sie ihn hier kennen. Auch und besonders um ihre Vereine, die ähnliches durchmachen könnten wie 1860 München oder Hannover 96.

Wäre eine bessere Verteilung der TV-Gelder eine Lösung? Auch hier kann nur ein „vielleicht“ die Antwort sein. Natürlich würde man die kleineren Klubs stärken, doch der FC Bayern dürfte auch ab von dieser Einnahmequelle sehr deutlich vor der nationalen Konkurrenz stehen.

Das Resultat wäre also sehr wahrscheinlich, dass die Bayern weiter Serienmeister werden und gleichzeitig der Abstand zu Europas Spitze weiter wächst. Somit wäre auch der letzte Verein aus der Bundesliga endgültig Konkurrenzunfähig.

Interessant ist der Ansatz einer Obergrenze für Ablösesummen und Gehälter. Natürlich müsste dies auf der ganzen Welt gelten. Eine Umsetzung ist derzeit aber nicht in Sicht.

Auch ein Playoff-System wurde des Öfteren diskutiert. Vielleicht würde das helfen, um hier und da auf dem Zufallsweg einen neuen Meister zu ermitteln und auch die Spannung wäre sicher größer. Doch den DFB-Pokal könnte man dann abschaffen und das traditionelle Ligasystem wäre ebenso eingeäschert wie die Bezeichnung „ehrlichster Titel“. Es würde darüber hinaus wenig daran ändern, dass der FC Bayern immer noch mit Abstand die größten Chancen auf den Titel hätte. Ob ein bisschen mehr Zufall also die Lage derart verbessert? Eher nicht.

Was kümmert es den FC Bayern?

Je länger ich darüber nachdenke, umso absurder wird die Situation. Mein Verein enteilt in der eigenen Liga, die immer mehr an Bedeutung verliert. Der aktuelle Vorsprung ist längst nicht mehr nur als überragende Leistung des FC Bayern zu werten. Es ist ein schlechtes Zeugnis für viele ehemalige Top-Klubs in Deutschland, die ihre Stars nicht halten konnten und überdies viele Fehler begangen.

Zeitgleich liegt hier aber auch die Betonung auf dem Verb „konnten“. Es gab keine Möglichkeit, sie zu halten. Sie mussten oftmals chancenlos zusehen. Genau das macht einem Sorgen für die Zukunft. Auch als Fan des FC Bayern, dem solche Momente nur in ganz wenigen Fällen ereilen.

Mats Hummels sprach in einem Interview mit „RTL Nitro“ indirekt darüber, dass die Bundesliga derzeit nicht konkurrenzfähig sei. Er sprach auch taktische Defizite an. In Ballbesitz könnten die meisten Teams nicht viel anrichten. Eine sehr genaue Analyse der Pressing-Liga, die seit Jahren zu verteidigen weiß, aber nicht gerade vor Kreativität strotzt.

Ein Wechsel in der Spielkultur würde der Liga sicher gut tun. Doch auch er könnte den Abgang vieler guter Spieler nur im Ansatz kaschieren. Viel interessanter waren aber Hummels‘ Aussagen zum eigenen Team. Derzeit habe er nicht das Gefühl, dass die Bayern der absolute Favorit auf den Champions-League-Titel wären.

Der Weg ist extrem weit und er ist steiniger denn je. In der Bundesliga wird der FC Bayern zu wenig gefordert. Hier und da machen Mannschaften den Münchnern das Leben schwer, doch wenn Leistungen wie die gegen Bremen oder in Leverkusen mittlerweile reichen, um letztendlich sogar relativ souverän zu gewinnen, dann läuft vieles falsch.

Man könnte argumentieren, dass wichtige Spieler fehlen und die Mannschaft erst aus der Winterpause kam. Immerhin ist das ein tatsächlich zu berücksichtigender Punkt. Doch Ende November und im gesamten Dezember sah es nur selten anders aus.

In der Liga feiern nur die Bayern – zuletzt in Leverkusen. (Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Im letzten Drittel ist die Mannschaft mehr denn je von der Kreativität einzelner Köpfe abhängig. Robben und Ribéry können diese Last schon längst nicht mehr tragen und selbst der bisweilen überragende James ist dazu nicht im Alleingang fähig.

Thiagos Rückkehr wird die Spielkultur der Bayern weiter verbessern und auch die steigende Form einzelner Akteure wird dazu führen, dass die Münchner sich mindestens im erweiterten Kreis um den Champions-League-Pokal ansiedeln.

Doch die Umstände erschweren es brutal. Woche für Woche steht die Frage der Bedeutung im Raum, wenn der FC Bayern in einem Bundesliga-Spiel aufläuft. Das Ergebnis gegen Hoffenheim ist längst unwichtig geworden – ein fatales Zeichen. Es geht lediglich darum, sich in den richtigen Rhythmus für das Champions-League-Achtelfinale zu bringen, um dann eine gute Leistung abzurufen.

Einfacher wäre das, wenn schon jetzt alles auf dem Spiel stehen würde. Wenn Hoffenheim am Thron der Bayern sägen würde oder ein anderes Team. Davon ist die Liga weit entfernt. Und so ist das Spiel am Samstag zwar eines, das für sich betrachtet sehr interessant werden kann, doch es ist kein Bedeutsames und erst recht keines, das den FC Bayern zu seiner besten Leistung zwingen wird.

Es ist ein zunehmend größeres Dilemma für den FCB und die offensichtlichsten Lösungen führen nur zu weiteren Problemen. Einerseits wird man weiter die besten Spieler der Liga kaufen (müssen), um in Europa konkurrenzfähig zu sein und andererseits braucht es eine starke Bundesliga, um dieses Ziel zu erreichen. Und das Schlimmste daran ist, dass die Macht der Münchner in diesem Fall stark begrenzt ist.