Bundesliga Saisonvorschau II: Die Ü-Eier
In der Bundesliga geht es manchmal richtig zur Sache. Zwei Niederlagen und man steht unten drin. Zwei Siege und Europa ist eine Option. Mannschaften wie Borussia Mönchengladbach können davon ein Lied singen.
Der erste Teil beschäftigte sich mit dem Kampf um den Klassenerhalt. Im zweiten Teil beschäftigen wir uns neben der Borussia auch noch mit dem FC Augsburg, Werder Bremen, Hertha BSC, Stuttgart und Eintracht Frankfurt. Wohin geht die Reise für all diese Mannschaften? Alle haben das Potenzial für Sensationen, aber sie alle können auch ganz schnell in den Abstiegskampf abrutschen.
Die Bundesliga ist voller Überraschungseier. In jedem siebten Ei befindet sich eine positive Sensation. Ist einer dieser sechs Klubs ein siebtes Ei?
FC Augsburg
Weiter den Baum raufklettern
Im Dezember 2016 entschied sich der FC Augsburg dazu, Trainer Dirk Schuster zu entlassen. Es war ein kurzes Vergnügen, das Klub und der Ex-Darmstädter miteinander teilten. Stattdessen übernahm ein vielerorts unbekannter Name. Ein Lehrer, der es selbst nicht zum Profi schaffte, nebenberuflich seitdem aber eine Trainerkarriere anstrebte.
Seit 2014 war Manuel Baum Trainer im Jugendbereich des FCA. Dann kam die große Chance, seinen Traum zu verwirklichen. Doch die ersten sechs Monate liefen eher durchwachsen. Augsburg konnte sich nur knapp retten.
Während die Öffentlichkeit zur Saison 2017/18 davon ausging, dass Baums Augsburger zu den sicheren Abstiegskandidaten zählen würden, genoss der Trainer intern stets vollstes Vertrauen. Man blieb ruhig und ließ den Trainer arbeiten.
Das zahlte sich aus. Schon früh zeichnete sich ab, dass die Augsburger mit dem Abstieg nichts zu tun haben werden. Eher gab es noch Luft nach oben. Mit dem 12. Platz waren Team und Trainer am Ende nicht unzufrieden.
Achtet man auf die Wortwahl der Verantwortlichen und Spieler in Interviews, wird man aber schnell eine Balance aus leichtem Selbstlob und dem Streben nach mehr feststellen.
Die vergangene Saison hat ein Selbstbewusstsein geweckt, das förderlich sein kann. Bis auf Marwin Hitz gab es keinen Schlüsselspieler, der den Klub verlassen hat. Baum kann also mindestens auf dieselbe Qualität zurückgreifen, mit der er schon im Vorjahr erfolgreich war.
Strategisch ist wieder mit hoher Flexibilität zu rechnen. Ob Dreier-, Vierer- oder Fünferkette – Baum entschied sich immer erst kurzfristig. Er wechselte die Grundformationen, aber auch die Höhe des Pressings sowie die Art und Weise des Anlaufens. Der 38-Jährige legt viel Wert auf eine organisierte Arbeit gegen den Ball, achtet akribisch auf die Details.
Darüber hinaus verbringt er viel Zeit mit dem Studium der Gegner. Wo könnten sich Lücken ergeben? Wie können die Stärken der eigenen Spieler ausgenutzt werden, um Schwächen des Gegners zu bespielen? Manuel Baum macht sich viele Gedanken.
In nur einem Jahr hat sich deshalb die Meinung der Öffentlichkeit stark verändert. Augsburg zählt nicht mehr zu den Abstiegskandidaten. Genau da liegt aber auch die Gefahr. Nach einem erfolgreichen Jahr droht immer Stagnation. Selbst wenn die Spieler in den Interviews das Bewusstsein dafür gezeigt haben, müssen sie es noch auf den Platz bringen.
Der FC Augsburg strebt zwar nach mehr, darf dabei aber nicht die Basis vergessen: Klassenerhalt.
Unsere Prognose: Augsburg wird eine ähnlich solide Saison spielen wie im Vorjahr, sich sogar etwas verbessern: Platz 11.
Experten-Interview
Um eine noch bessere Einschätzung zu erhalten, haben wir Felix eingeladen.
Letztes Jahr galt der FCA als Abstiegskandidat schlechthin. Es folgten eine überragende Hinrunde und eine weniger gute Rückrunde. Was macht das mit Deiner Erwartungshaltung für die neue Saison?
Absolut. Das Saisonziel in Augsburg ist immer Klassenerhalt. Sollte sich abzeichnen, dass das zu einem Zeitpunkt erreicht wird, um die Ziele nach oben zu korrigieren, dann ist die sportliche Leitung sicherlich selbstbewusst genug, das so zu artikulieren, z.B. einstelliger Tabellenplatz. Die überragende Hinrunde der vergangenen Saison hatte viel mit Konstanz zu tun, die wiederum mit nahezu verletzungsfreiem Kader einherging. Fehlt Alfred Finnbogason wie in der Rückrunde über einen längeren Zeitraum, verändert sich die offensive Statik und Effizienz beträchtlich. Aber deswegen wurde auch Julian Schieber verpflichtet. Man kann nur hoffen, dass die Ausfallperioden beider verletzungsanfälliger Mittelstürmer nahezu komplett phasenverschoben auftreten.
Wie zufrieden bist du mit der Transferphase deines Klubs und wer konnte sich in der Vorbereitung bisher besonders positiv präsentieren?
Die Verpflichtungen sind eine gute Mischung aus Erfahrung und Potenzial. An Erfahrung wurden Julian Schieber und André Hahn verpflichtet, beides Spieler, die bei optimalem Karriereverlauf für den FC Augsburg nicht greifbar wären, aber geringes Risiko darstellen. An Potenzial wurden der junge Mittelfeldspieler Frederik Jensen, immerhin finnischer Nationalspieler, und Doppelderbysiegergott Felix Götze von den Bayern Amateuren geholt. Felix Götze dürfte sich direkt in einem offenen Kampf mit Eigengewächs Raphael Framberger um die Stammposition als Rechtsverteidiger befinden. Bis jetzt musste der FC Augsburg außer Marwin Hitz auch keine Leistungsträger abgeben, trotz aller Gerüchte scheinen Philipp Max, Michael Gregoritsch und Alfred Finnbogason weiter in Augsburg zu spielen. Trotzdem ist der Kader noch etwas aufgebläht, da viele Leihspieler zurückgekehrt sind, und trotz mangelnder Perspektive noch nicht wieder verliehen oder transferiert wurden. Immerhin haben wir den blauen Depp Moritz Leitner verkaufen können. Gemessen an den Augsburger Möglichkeiten bin ich zufrieden mit den Sommertransfers.
Schwer zu sagen, ob es einen klaren Gewinner der Vorbereitung gibt, ein Verlierer ist auf jeden Fall Caiuby, der letztes Jahr ein wichtiger Leistungsträger war. Aber wer eigenmächtig seinen Urlaub um eine Woche verlängert und das erste Trainingslager verpasst, ist selber schuld. Zumindest zeigt er sich nach seiner Rückkehr geläutert und arbeitet hart, wieder den Anschluss zu finden.
Wie wird die Spielanlage aussehen und wo muss sich das Team im Vergleich zur vergangenen Saison verbessern?
Der FC Augsburg wird weiterhin aus einer kompakten Defensive heraus agieren und mit einem schnellen und einstudierten Umschaltspiel die Gegner attackieren wollen. Verbessern muss man sich vor allem in der Konstanz und in Spielen, in dem der Gegner dem FCA die Initiative überlässt, was gerade bei Heimspielen immer öfter passiert. Das werte ich aber durchaus als ein Kompliment und als ein Indiz dafür, dass sich der FCA in der Bundesliga etabliert hat. Zudem könnte eine höhere Effizienz vor dem gegnerischen Tor könnten nicht schaden.
Auf welchem Tabellenplatz landet der FCA am Ende der Saison und wird der FC Bayern wieder Meister?
Der FC Augsburg wird diese Saison auch wieder mindestens drei andere Mannschaften finden, die hinter ihm landen werden. Ich halte einen Tabellenplatz im Bereich 10 bis 14 für realistisch. Sagen wir, es wird wieder Platz 12 wie in der vergangenen Saison. Das ist auch das Stichwort, der FC Bayern wird – gähn – wieder Meister, wie in den letzten Jahren, aber eine Neuerung gibt es dann doch, denn es wird allenthalben erschallen:
„Hipp hipp, hipp hipp, hipp hipp hurra, die mintgrünen Bomber sind da!“
Werder Bremen
Zurück zu alten Tagen
Am Flughafen in Bremen ist die Hölle los. Wegen eines Mannes, der gerade im Lila-Anzug vom Gate kam, sind hunderte Werder-Fans außer sich. Dieser Mann heißt Claudio Pizarro – Triple-Sieger mit den Bayern, mehrfacher Deutscher Meister, aktuell noch erfolgreichster Bundesliga-Torschütze aus dem Ausland.
Nur wenige Spieler, die mehrfach für zwei so unterschiedliche Klubs wie Werder Bremen und Bayern München gespielt haben, genießen solch einen Status in beiden Fanlagern.
Diese Szenarien spielten sich 2015 ab. Drei Jahre später – also in diesem Sommer – kommt Pizarro zum fünften Mal an die Weser. Diesmal gibt es eher geteilte Meinungen über den Transfer. Immerhin wird der Stürmer im Oktober 40 Jahre alt.
Doch es wird im Sommer die einzige Verpflichtung bleiben, die von den Fans kontrovers diskutiert wird. Pizarro soll einer jungen Mannschaft, die sich innerhalb der letzten Monate stark entwickelt hat, mit seiner Erfahrung weiterhelfen. Niemand im Klub erwartet von ihm Wunderdinge.
In der vergangenen Saison schaffte es Trainer Kohfeldt, aus einem kopflosen Team, das sich häufig gegen den Abstieg stemmen musste, eine Einheit zu formen. Herz, Leidenschaft, aber auch taktisch-strategische Ideen steckten hinter dem plötzlichen Erfolg.
Gerade im Spielaufbau und in den vielen Ballbesitzphasen hat Werder große Schritte gemacht. Das hing auch mit Delaney zusammen, der nun zu Borussia Dortmund wechselte. Schlüsselspieler in der Offensive war und ist ohne Frage Max Kruse. Der Stürmer läuft in solchen Fragen meist etwas unter dem Radar, zählt aber zu den besten Offensivspielern der Liga.
Durch sein intelligentes Raumverhalten bietet er seiner Mannschaft mehr Variabilität und Sicherheit im letzten Drittel. Seine Laufwege sind fast immer mit großem Mehrwert verbunden.
Klaassen, der für 13,5 Millionen Euro vom FC Everton kam, soll die Lücke füllen, die Delaney hinterließ. Betrachtet man sein Potenzial, so macht diese Verpflichtung unglaublich viel Sinn. Allgemein wirkt es so, als hätte Werder endlich wieder eine Idee davon, wie die Zukunft aussehen soll.
Kohfeldt bekam Spieler, die zu seiner Spielidee passen. Verpflichtungen wie Harnik oder Pizarro unterstützen ihn dabei nicht nur aus fußballerischer Sicht, sondern vor allem auch mit ihrer Erfahrung. Das wird es dem Trainer leichter machen, junge Spieler an die erste Mannschaft heranzuführen.
Doch Werder ist mehr als gute Spieler. Durch Kohfeldt erlangten die Bremer eine mannschaftliche Geschlossenheit, die sie zu einem unangenehmen Gegner macht.
Die Balance passt an der Weser. Wenn der Klub diese Entwicklung kontinuierlich und mit viel Geduld weitergeht, dann kommt man den alten, erfolgreichen Tagen vielleicht wieder ein paar Schritte näher. Doch dieser Weg ist noch weit und so wird Kohfeldt zunächst darauf achten müssen, die Leistungen aus dem Vorjahr zu bestätigen, um dann eventuell noch einen Gang zuzulegen. Den Bremern ist jedenfalls viel zuzutrauen.
Unsere Prognose: Werder wird eine souveräne Saison spielen, lange auf Europa hoffen, am Ende aber mit Platz 8 zufrieden sein.
Experten-Interview
Wir können ihn fast schon unseren Miasanrot-Experten für Werder Bremen nennen: Joey gibt uns Einblicke in seine Gedanken.
Werder Bremen hat sich spielerisch in den letzten Monaten gut entwickelt. Würdest du dieser These zustimmen?
Definitiv. Wobei ich da etwas ambivalent bin: Der spielerische Fortschritt unter Kohfeldt war klar erkennbar, das steht für mich außer Frage. Im Aufbau wurde strukturierter agiert, taktisch waren wir flexibler und insgesamt wurde deutlich mehr Fokus auf Ballbesitzphasen und deren Ausgestaltung gelegt. Gleichzeitig waren wir in vielen dieser Bereiche nach wie vor erheblich von Einzelakteuren abhängig. So war der Aufbau ohne Moisander bspw. weiterhin nur durchschnittlich und ohne Kruse fehlte es im letzten Drittel an Raumgewinnen.
Wo ist denn sonst noch Optimierungsbedarf und was muss passieren, damit die nächsten Schritte gegangen werden können?
Das Ziel muss es sein, die positive spielerische und taktische Entwicklung fortzusetzen und unabhängiger von einzelnen Akteuren zu werden. Im letzten Drittel fehlte es auch unter Kohfeldt deutlich an Durchschlagskraft und, v.a. wenn Kruse gedeckt wurde, auch an Konstruktivität im Passspiel. Im Aufbau wiederum waren und sind wir massiv von Moisander abhängig, während es im Mittelfeld an strategischer Klasse fehlt. Durch die intensive Vorbereitung sowie die personellen Nachbesserungen sollten wir dort jedoch Fortschritte verbuchen können.
Wie zufrieden bist du mit diesen personellen Nachbesserungen und welche Erwartungen hast du an die Saison?
Ich bin insgesamt zufrieden und das ist eine absolute Seltenheit. Die Transferaktivitäten des Vereins wirkten lange nicht so durchdacht, klar strukturiert und auf eine Spielphilosophie ausgerichtet wie diesen Sommer. In der Offensive hat man viele der von Kohfeldt gewünschten Halbraumspieler verpflichten können, sich passender und breiter für seinen gewünschten Spielstil aufgestellt und gleichzeitig eine Flexibilität sichergestellt, um Anpassungen vornehmen zu können. Mit Klaassen hat man zudem einen sehr vielversprechenden Ersatz für Delaney verpflichten können, der uns offensiv sicherlich weiterhelfen wird. Sein Timing für offensive Vorstöße ist, wie auch sein Abschluss, noch besser als bei Delaney und im Spiel mit dem Ball ist er kreativer. Das dürfte uns helfen, die positive spielerische Entwicklung fortzusetzen. Unzufrieden bin ich damit, dass wir, Stand jetzt, weder einen Konkurrenten für Bargfrede (vorzugsweise mit Stärken im Aufbau), noch einen Innenverteidiger mit Stärken im Aufbauspiel verpflichtet haben. So sehe ich die Gefahr, dass wir weiterhin stark von Moisander abhängig sein werden.
Auf welchem Platz landet Werder am Ende der Saison und wer wird Meister?
Bei Werder rechne ich mit einer Platzierung in der oberen Tabellenhälfte. Wie genau die aussieht, wird am Ende sehr knapp entschieden. Ich lehne mich aber einfach mal aus dem Fenster und sage: Wir landen auf Platz 6. Die Meisterfrage könnte diese Saison ebenso spannend werden. Der BVB hat sich sinnvoll verstärkt, mit Favre einen hervorragenden Trainer verpflichten können und die Stimmung scheint wieder besser zu sein. Die mangelnde Qualität im Sturmzentrum könnte ihnen jedoch zum Verhängnis werden. Angesichts des Kaders sollte Bayern eigentlich Meister werden, allerdings lehne ich mich auch hier aus dem Fenster und sage: Dortmund macht’s.
Auf der nächsten Seite geht es um Hertha und Gladbach.
Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach schaffen derzeit nicht den nächsten Schritt. Sie sind aber beide bemüht, die scheinbare Stagnation positiv zu verkaufen. Können sie in dieser Saison ins obere Drittel vorstoßen?
Hertha BSC
Ein grauer Tag im November
Wir springen wieder ins Jahr 2015. Standort ist diesmal Berlin. Ende November. Ein klirrend kalter Wind weht durch die Straßen der Hauptstadt. Der Schnee macht es zumindest für diejenigen erträglich, die ohnehin große Fans dieser Jahreszeit sind. Am Sonntagnachmittag wird die TSG Hoffenheim zu Gast im Olympiastadion sein.
Fast zeitgleich spielen die Berliner Eisbären in der Mercedes-Benz-Arena. Immerhin hatten Alba Berlin, die Füchse und die BR Volleys ihre Spiele der Woche bereits absolviert. Trotzdem finden am Abend nur rund 37.000 Zuschauer den Weg ins Olympiastadion.
Der kalte Wind bläst durch das Marathon-Tor, das Spiel hilft ebenfalls nicht dabei, dass den Menschen wärmer wird. Am Ende gewinnt Hertha zwar mit 1:0, allerdings mit nur einem Torschuss auf das gegnerische Tor – und der kommt von Polanski, einem Spieler der TSG Hoffenheim. Dárdai, der gerade seine erste Saison als Hertha-Trainer bestreitet, macht trotzdem einen zufriedenen Eindruck.
Auch im Jahr 2018 ist der Spielstil der Berliner etwas eigen. Dárdai steht immer noch an der Seitenlinie, sein Team schießt immer noch durchschnittlich wenig Tore, kassiert aber auch verhältnismäßig wenig Gegentore. Die Ergebnisse geben ihm bis hier hin Recht. Doch in Berlin will man mehr.
Dárdai ist seit 2015 damit beschäftigt, diese Euphorie auszubremsen. „Wir spielen seit drei Jahren einen ähnlichen Fußball, weil wir seit drei Jahren fast die gleiche Mannschaft haben. Deshalb können die Menschen auch keine große Veränderung erwarten. Für einen Aus- und Weiterbildungsverein, wie wir es sind, ist es top, wenn wir Siebter, Sechster oder Zehnter werden“, sagte er dem Kicker.
Er hat damit sicherlich einen Punkt, doch die Ambitionen des Klubs sind größer als Platz Zehn. Als Hauptstadt möchte man im Volkssport Fußball regelmäßig am internationalen Wettbewerb teilnehmen. Die Plätze Sieben, Sechs und Zehn sind ein klarer Fortschritt zu allem, was vor Dárdai passierte. Er hat Hertha immerhin in der oberen Tabellenhälfte etabliert.
Für den nächsten Schritt fehlen aber nicht nur neue Spieler, die der Trainer zurecht vermisst, sondern auch taktische Mittel, um die vorgegebene Strategie auf dem Platz umzusetzen. In Ballbesitz wirkten die Berliner unter Dárdai stets träge und statisch. Es fehlte an Lösungen, wie man über Kurzpassspiel ins letzte Drittel kommt.
Ein Trainer kann zwar „nur“ mit dem arbeiten, was er vorfindet. Aber er kann Spielern auch Alternativen an die Hand geben, taktische Kniffe finden, um die eigenen Schwächen zu kaschieren und seinem Team gegen stärkere Mannschaften somit einen Vorteil zu verpassen. Das gelang ihm in der vergangenen Saison nicht mehr so gut wie in den ersten beiden Jahren.
In Berlin droht deshalb Stillstand. Auch die Bewertung des Trainers wird davon abhängen, auf welchem Tabellenplatz die Alte Dame in dieser Saison einlaufen wird. Wenn Hertha am 24. November dieses Jahres – also exakt drei Jahre und zwei Tage nach dem Winter-Kick gegen Hoffenheim – erneut auf die TSG trifft, sollte nicht mit erheblich mehr Zuschauern gerechnet werden. Schon gar nicht, wenn es wieder ein grauer und kalter Tag wird.
Nach dem harten Kern, der immer seinen Weg ins Olympiastadion findet, fühlen sich viele Berliner woanders besser unterhalten. Hertha bietet selten Spektakel. Dárdai und den Fans dürfte das egal sein, wenn Hertha wie damals mit 1:0 gewinnt. Lediglich auf Torjäger Polanski muss der 42-Jährige diesmal verzichten.
Unsere Prognose: Hertha bleibt die graue Maus der Liga, muss sich erneut mit Platz 10 zufrieden geben.
Experten-Interview
Marc Schwitzky von Hertha BASE 1892 wird uns im Detail erklären, was er von seiner alten Dame in diesem Jahr erwartet.
Hertha wurde in der Vergangenheit oft als graue Maus bezeichnet. Platz 10 in der letzten Saison passt da etwas ins Bild. Ist das Glas damit halb voll oder halb leer – wie zufrieden ist man in Berlin?
Keine einfache Frage, denn die Zufriedenheit wird massiv von der kommenden Spielzeit abhängen. Schafft man es, sich taktisch-spielerisch weiterzuentwickeln, dann war die vergangene Saison der benötigte Anlauf dafür.
Pál Dárdai hat oft angemerkt, dass die letzte Saison vor allem dafür da war, junge Spieler einzubinden. Die Eigengewächse Arne Maier (19), Maxi Mittelstädt (21), Jordan Torunarigha (20) oder auch Palko Dárdai (19) haben alle einen Schritt nach vorne gemacht. Niklas Stark (23) ist zum Abwehrchef befördert worden und auch die Neuzugänge Davie Selke (23) und Valentino Lazaro (22) gehören ja noch zu der jungen Fraktion. Es wurden vergangene Spielzeit also sehr viele Früchte gepflanzt und nun muss die Ernte zwingend erfolgen. Sollte es erneut eine solch graue Saison werden, dann spricht man in Berlin von Stagnation und muss leider auch die Arbeit von Dárdai etwas in Frage stellen, denn die von ihm erträumte Zukunft kann nur durch starke Gegenwartsarbeit ermöglicht werden.
Ein weiteres Vorurteil ist die Diskrepanz zwischen Realität und Zielsetzungen. Welche Ziele verfolgt die Hertha kurz- und langfristig und wie beurteilst du sie hinsichtlich der Erreichbarkeit?
Ach, das ist schon lange nicht mehr der Fall in Berlin, genau genommen seit dem Amtsantritt von Pál Dárdai. Mit ihm ist ein klarer Realismus in den Verein eingekehrt, auch wenn die angesprochene Zukunftsvision der Klubverantwortlichen natürlich ambitioniert ist.
Klare Ziele wurden öffentlich nicht genau formuliert. Es ist aber davon auszugehen, dass Hertha auch in den kommenden Jahren zu dem Kreis der Bundesligisten gehören will, die um Europa mitspielen. Mit einem deutlich weniger talentierten Kader hat man sich bereits zweimal qualifiziert, sodass Gerede von „sich etablieren“ oder „nicht unten hineinrutschen wollen“ eigentlich nicht mehr glaubhaft wäre. Dafür ist der Kader auch zu ambitioniert zusammengestellt. Um die gewünschten Tabellenregionen zu erreichen, muss aber, wie gesagt, eine spielerische Weiterentwicklung stattfinden.
Langfristig will Dárdai eine Ajax-ähnliche Kaderstruktur haben, in der sehr viele Eigengewächse ihren Platz finden und zu starken Bundesliga-Spielern heranwachsen. Schaut man sich die bereits genannten Talente wie auch den 1999er-Jahrgang an, der die A-Jugend-Meisterschaft gewann, befindet man sich auf einem sehr guten Weg. Auch in diesem Jahr sind mit Muhammed Kiprit und Dennis Jastrzembski sehr vielversprechende Youngster in den Profi-Kader gerutscht.
Unter Dárdai neigte Hertha oft zum statischen Ballbesitzspiel. Wo siehst du aus strategischer Sicht den größten Handlungsbedarf und wo muss sich das Team verbessern, um die Ziele zu erreichen?
Richtig, das ist die große Baustelle. In der vergangenen Saison konnte man oft durch Konter oder Standard-Situationen glänzen, aus dem Ballbesitz heraus ist eher wenig zu holen gewesen. Ein großer Faktor ist das zentral-defensive Mittelfeld. Oft haben Fabian Lustenberger und Per Skjelbred zusammengespielt, mittlerweile ist der von uns erfundene Begriff der „Doppelsechs des Todes“ recht geflügelt, denn diese beiden Kämpfer töten nicht nur das gegnerische Aufbauspiel, sondern auch das eigene. Mit Arne Maier kam eine unverhoffte Waffe im Ballbesitzspiel hinzu, aber ein gerade einmal 19-Jähriger kann das nicht alleine konstant schultern. Es braucht also personelle Verstärkung für die Zentrale. Es könnte viel von Spielmacher Ondrej Duda abhängen, der in den vergangenen zwei Jahren das Sorgenkind von Hertha war, aktuell aber eine starke Vorbereitung absolviert und vielleicht ein Hoffnungsträger werden könnte.
In der kommenden Saison will Hertha erstmals mit einer Dreierkette spielen, die ebenfalls dazu beitragen könnte, weniger ausrechenbar zu sein. Mit Stark, Torunarigha und Rekik hat man spielerisch starke Innenverteidiger, die beim Spielaufbau tatkräftig mithelfen könnten. Die Hoffnungen liegen also auf dem Transfermarkt, Duda und neuen taktischen Mitteln.
Auf welchem Platz landet Hertha am Ende der Saison und wer wird Meister?
Da sich einige direkte Konkurrenten von Hertha (Gladbach, Bremen, Stuttgart) auffällig gut verstärkt haben, glaube ich, dass es dieses Jahr mit Platz 7 und aufwärts schwierig wird. Sollte man sich spielerisch aber weiterentwickeln und seine Talente weiterhin so fördern, dann können alle Berliner mit Platz acht bis neun gut leben.
Es ist sehr langweilig, den FC Bayern als Meister zu tippen. Ich glaube aber, dass Niko Kovač diesen Wettbewerb sehr ernst nehmen wird und Borussia Dortmund sich erst einmal an den Favre-Fußball gewöhnen muss. Ansonsten sehe ich keinen Verein in der Lage, wirklich anzugreifen – höchstens RB Leipzig. Mein Tipp lautet daher trotzdem: FC Bayern München.
Borussia Mönchengladbach
Man muss nicht immer sexy sein
„Berlin ist arm, aber sexy!“ – mit diesem Spruch sorgte der ehemalige Berliner Oberbürgermeister Klaus Wowereit für Lacher und einen guten Übergang von Berlin zu Borussia Mönchengladbach in unserer Vorschau. Denn Max Eberl, Sportdirektor der Borussia, formte mit verhältnismäßig wenigen Mitteln eine konkurrenzfähige Mannschaft.
Seit der Saison 2011/12 erreichten die Gladbacher immer mindestens Platz 9. Nach der erfolgreichen Zeit unter Lucien Favre bestand sogar die Hoffnung, dass man regelmäßig am Europapokal teilnehmen könnte. Doch in Gladbach kehrte wieder Normalität ein.
Ähnlich wie Hertha BSC verkam die Elf vom Niederrhein zu einer grauen Maus in der Bundesliga. Zwei neunte Plätze in Folge sind zwar vollkommen okay, aber auch kein sonderlich großer Erfolg. Mit Dieter Hecking kam sogar ein Trainer, der zu dieser Bewertung passt wie kaum ein anderer.
Hecking steht für Graue-Maus-Fußball, wenn man so will. Selten passt er die Grundformation seiner Mannschaft an, noch seltener gibt es Überraschungsmomente. Mittelfeldpressing, flügellastiges Angriffsspiel, individuelle Klasse der Spieler – die taktischen Mittel des einstigen Pokalsiegers sind schnell erklärt.
Doch Hecking steht damit eben auch für Stabilität und Konstanz. Seine Mannschaften rutschten nur selten tief ab. Die Frage für die kommende Saison wird trotzdem sein, ob nach zwei stabilen Jahren endlich wieder Schritte nach vorn gemacht werden können. Dafür muss sich auch Hecking strecken und wandeln.
„Normalität ist nicht sexy“, weiß Max Eberl. Doch er bittet auch um Verständnis dafür, dass es Zeit brauchen würde, um die Baustellen zu beheben. Der Sportdirektor stellt sich vor Trainer und Mannschaft. Es gibt auch längst keinen Grund, das nicht zu tun.
Aber liest man zwischen den Zeilen, so erwartet er im Laufe der Saison Fortschritte. Spielerisch und tabellarisch. Die Ambitionen Eberls sind groß, der Kader hat hohe Qualität. Seine Borussia muss nicht immer sexy sein, aber nach zwei Jahren ohne Europapokal ist der Hunger auf das internationale Geschäft riesig.
Unsere Prognose: Hecking wird den nächsten Schritt mit Gladbach nicht schaffen. Die Borussia landet zum dritten Mal in Folge auf Platz 9.
Experten-Interview
Für mehr Expertise zu Borussia Mönchengladbach haben wir Gisela Schneider befragt – besser bekannt als Teilzeitborussin.
Eberl und Gladbach haben eine gesunde und realistische Selbsteinschätzung. Dementsprechend war man bei Platz 9 in der vergangenen Saison weder überschwänglich, noch traurig. Welche Erwartungen hast du in dieser Spielzeit an die Borussia?
Meine Erwartungen sind eigentlich die gleichen wie im letzten Jahr und in den Jahren davor: Ein Platz oberhalb der 5 dürfte realistisch betrachtet nicht drin sein, einer unterhalb der 9 allerdings auch nicht. Von der Platzierung abgesehen, erhoffe ich mir allerdings hauptsächlich, endlich mal wieder schönen Fußball von meiner Mannschaft zu sehen. Das ist mir neben dem Klassenerhalt das Wichtigste.
Stand jetzt wurde der Kader nur behutsam ergänzt und nicht völlig durcheinandergewirbelt, was mich hoffen lässt, dass die Mannschaft schnell eingespielt sein wird. Wenn uns jetzt noch das Verletzungspech mal in Ruhe lässt (ein Bänder- und ein Muskelfaserriss in der Vorbereitung waren schon wieder ein Stimmungskiller), könnte es sogar mit beiden Zielen klappen – dem Tabellenplatz und dem sehenswerten Fußball.
Wie zufrieden bist du mit dem aktuellen Kader und siehst du noch Handlungsbedarf?
Mit der Defensive bin ich sehr zufrieden. Dort hat uns nur Jannik Vestergaard verlassen, während wir mit einem jungen Links- und einem erfahrenen Rechtsverteidiger lang ersehnte Zugänge verzeichnen konnten. Ebenso glücklich macht mich das Mittelfeld. Dort waren wir schon letzte Saison gut besetzt und mit den zurückgehehrten Langzeitverletzten und zwei stark wirkenden jungen Neuen haben wir in der Zentrale jetzt eine Menge Flexibilität an Namen wie an Spielertypen. Mit dem Angriff bin ich hingegen noch etwas ratlos. Zum einen gibt es dort noch ein paar Transferfragezeichen, mal schauen, wer zu Saisonbeginn tatsächlich auf dem Platz stehen wird.
Und ich weiß nicht so recht, was ich mir unter der Verpflichtung von Pléa vorzustellen habe. Das Konzept Mittelstürmer ist bei der Borussia nicht gerade eine Erfolgsgeschichte und ich persönlich mag dieses System auch nicht besonders. Nunja, vielleicht bin ich da auch voreingenommen. Mal abwarten, wie sich das entwickelt – es kann ja auch sehr erfolgreich werden.
Langfristig will man bestimmt wieder in den Europapokal. 2012 (Platz 4), 2014 (Platz 6), 2015 (Platz 3) und 2016 (Platz 4) war die Borussia quasi am Maximum ihrer Leistungsfähigkeit. Was fehlt aktuell vielleicht noch, um dort wieder hinzukommen?
Unberechenbarkeit, meine ganz klare Antwort. Sowohl im System als auch bei jedem einzelnen Spieler. Gefühlt habe ich in der letzten Saison (und oft auch in den Jahren zuvor) fast jede Woche dasselbe Spiel gesehen – mit einem Gegner, der genau wusste, was man tun muss, um unseren Spielern den Zahn zu ziehen und unseren Matchplan auszuhebeln. Ich wünsche mir, dass nicht jeder Trainer schon Wochen im Voraus weiß, wie er seine Mannschaft gegen uns einstellen muss, und dass wir einen Gegner mal mit einer Umstellung aus dem Konzept bringen können, statt wieder und wieder das gleiche Rezept anzuwenden.
Glücklicherweise lassen die Testspiele und diverse Aussagen in den Sommerinterviews den Schluss zu, dass Trainer und Spieler das genauso sehen und daran arbeiten.
Auf welchem Platz landet Gladbach am Ende der Saison und wer wird Meister?
Es ist ja fast schon Tradition, dass unser Tabellenplatz gar nicht von uns abhängt, sondern davon, was unsere Mitbewerber auf die Reihe kriegen. Also schaue ich nach oben und tippe, dass mindestens drei der Vereine, die letzte Saison vor uns landeten, das nicht noch mal hinbekommen. Schaut man dann noch auf die Clubs, die hinter uns lagen, sollte Platz 6-7 für uns drin sein.
Und Meister werden natürlich die Bayern. Ich denke zwar, dass eure Saison sehr holperig werden könnte, aber ich sehe einfach keine Konkurrenz weit und breit, die nicht mit ihren eigenen Problemchen beschäftigt wäre. Außer vielleicht Schalke. Aber der Tipp ist mir dann doch zu mutig.
Auf der letzten Seite schauen wir uns Pokalsieger Frankfurt und die Stuttgarter an.
Eintracht Frankfurt
Wo ist die Stabilität?
Im Supercup und in der Vorbereitung zeigte Eintracht Frankfurt noch kein gutes Gesicht. Zu schwer wiegen die Abgänge von Schlüsselspielern, zu wenig kann der Kader bisher die Forderungen von Trainer Adi Hütter umsetzen.
Nicht zuletzt beim Supercup gegen die Bayern zeigte sich, dass Frankfurt noch lange nicht das nötige Niveau hat, um wieder in die obere Tabellenhälfte zu drängen. Die Spielphasen, in denen sie aggressiv nach vorne pressen, sind zu unsauber. In der Tiefenverteidigung kriegen sie ebenfalls Probleme. Mit dem Ball, auch das wurde am Sonntag deutlich, fehlt die Kreativität, um Chancen herauszuspielen. Überall fehlt es derzeit mindestens an Nuancen.
Oftmals brannte es nur für die Bayern, wenn ein Standard oder eine Flanke in den Strafraum segelte. Doch Frankfurt glaubt an seinen Weg. Viele junge Spieler fanden in der Sommerpause den Weg an den Main. Lernwillig, dynamisch, schnell – Hütter braucht solche Attribute für seine Ideen.
Allerdings muss der Trainer abwägen, ob er diese nicht erstmal hinten anstellt und nur sukzessive an die Mannschaft trägt. Während der Vorbereitung wirkte die Eintracht häufig überfordert. Auch die Fitness schien noch nicht ausreichend vorhanden zu sein, um den geplanten Fußball über eine längere Distanz umzusetzen.
Adi kriegt aktuell die Hütte voll – neun Gegentore waren es in sieben Testspielen, fünf kamen gegen die Bayern hinzu. Ohne eine gewisse Grundstabilität wird der Start in der Bundesliga nicht gelingen. Die Vergangenheit zeigte, dass Mannschaften mit einer starken Defensivarbeit sehr erfolgreich sein können.
„In der zweiten Halbzeit war es fast schon peinlich. Oder eher: unangenehm. Die Bayern waren uns in allen Belangen überlegen“, konstatierte Hütter nach dem Supercup-Spiel. Doch sein Blick muss jetzt – ähnlich zu seiner Spielidee – nach vorne gehen. In Frankfurt gibt man ihm die Zeit, die er braucht, um die personellen Rückschläge zu verkraften und seine Vorstellungen umzusetzen. Dauert das aber zu lange, droht eine schwere Saison.
Unsere Prognose: Frankfurt wird schlecht in die Saison starten, sich aber rechtzeitig fangen. Platz 12 heißt es am Ende.
Experten-Interview
Marvin vom Eintracht-Podcast sieht die neue Saison ebenso skeptisch wie wir.
Neben einer recht ordentlichen Bundesliga-Saison sticht natürlich der Pokalsieg hervor. Wie optimistisch bist du, dass die SGE ihr Niveau nach den vielen Abgängen trotzdem mindestens halten kann?
Bislang bin ich eher skeptisch. Die Neuverpflichtungen sind allesamt interessant, aber mal wieder Wundertüten. Angesichts der dreifachen Belastung und des Wegfallen eines Leaders wie Boateng erscheint es mehr als unrealistisch, die vorherige Saison zu wiederholen. Aber: Hübner und Bobic haben schon in den Vorjahren bewiesen, dass sie wichtige Transfers manchmal auch erst kurz vor Saisonstart eintüten. Insofern darf man gespannt sein, ob sich da noch was tut.
Für welche Art Fußball steht Adi Hütter? Oder anders: was erwartest du aus strategischer Sicht vom neuen Coach?
Hütter steht für einen offensiven Tempo-Fußball. Wichtig ist für ihn primär, dass Spieler schnell sind und sich damit optimal in das System einfügen, weswegen auch das einstige Toptalent Stendera bei der Eintracht keine Zukunft hat.
Wie sieht die langfristige Zielsetzung des Klubs aus? Wo muss Eintracht Frankfurt sich in den nächsten Jahren hinentwickeln?
Ziel ist zum einen der dauerhafte Verbleib in der Bundesliga – mit gelegentlichen Teilnahmen in der Europa League. Einpendeln zwischen 8 und 12 also, mit Ausreißern nach oben, sofern es die Saison zulässt. Zum anderen muss langfristig aber darauf gesetzt werden, einen Rhythmus in Sachen Ausbildung und Entwicklung eigener Stars reinzubekommen. Ähnlich wie Freiburg vielleicht. Aktuell agieren wir mit vielen Leihen, was extrem gut laufen kann, jedoch größere Schwankungen bereithält und uns um Extremfall ohne Ablösesumme zurücklässt.
uf welchem Platz landet Frankfurt am Ende der Saison und wer wird Meister?
Nach einer mitreißenden Europa-League-Saison und vielen tollen Momenten, allerdings auch Anlaufschwierigkeiten mit dem neuen Trainer – insbesondere in der Liga, landen wir in der Bundesliga auf Platz 12. Meister wird erneut der FC Bayern. Mit einem Kovač, der viele Kritiker überrascht. Erneut.
VfB Stuttgart
Barometer Twitter
Im sozialen Netzwerk Twitter gibt es einen ganz großen Vorteil: egal, wo auf der Welt etwas passiert, man erfährt es extrem schnell. Die Geschwindigkeit, in der Nachrichten durch die Welt gezwitschert werden, ist manchmal beeindruckend.
Doch Twitter hat auch einen ganz großen Nachteil: in derselben Geschwindigkeit lassen sich User zu einer vorschnellen Meinung provozieren, die sie dann schnell abschicken.
Menschen, die während der Saison 2017/18 eine Twitter-Timeline voller Stuttgart-Fans hatten, dürften sich köstlich amüsiert haben. Mit der Verpflichtung von Michael Reschke im Sommer 2017 ging man jedenfalls nicht so glücklich um, wie man das als Bayern-Fan vielleicht erwartet hätte. Denn Reschke hatte sich ja durchaus einen Namen gemacht.
Seine ersten Transfers waren jedoch eher weniger vielversprechend. Nachdem ältere Spieler, die längst über ihrem Zenit waren, zum VfB kamen, machte der Hashtag „Reschkerampe“ auf Twitter die Runde. Ein Jahr später hat sich diese negative Stimmung gewandelt.
Pablo Maffeo (Manchester City U23), Nicólas González (Argentinos), Borna Sosa (Dinamo Zagreb), Roberto Massimo (Arminia Bielefeld U19), Marc Oliver Kempf (SC Freiburg), David Kopacz (Borussia Dortmund U19) – Reschke hat in diesem Sommer sein Netzwerk spielen lassen und Talente auf der ganzen Welt gesucht, um den VfB zu verstärken.
Doch damit nicht genug. Mit Gonzalo Castro und Daniel Didavi kam auch richtig Qualität nach Stuttgart – mit Erfahrung.
Wie das eben so ist, wenn man hauptsächlich junge Spieler verpflichtet, wird es darauf ankommen, wie schnell sich die Talente auf Bundesliga-Niveau entwickeln können. Doch einige der Namen sind sehr vielversprechend.
Wäre da nicht Tayfun Korkut, dem auf Twitter schon der Abstieg bescheinigt wurde, als er noch kein einziges Spiel als Trainer absolviert hatte. Diesmal sogar von sehr vielen Menschen, die alles andere als VfB-Fans sind.
Doch – wie sollte es auch anders sein? – Korkut überraschte. Aus den 14 verbleibenden Spielen holte der Trainer 31 Punkte. Nur der FC Bayern kam in derselben Zeit auf drei mehr.
Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass das alles so bleibt. Dem VfB Stuttgart ist aber viel zuzutrauen. Von einem Einbruch bis hin zum internationalen Geschäft, auf das der Klub schon so lange wartet, ist alles drin.
Schaut man sich dieser Tage auf Twitter um, so reden verdächtig wenige über den VfB, wenn es um die begehrten Plätze im oberen Drittel geht. Wird Twitter seinem Ruf als Barometer erneut gerecht, gibt es vielleicht eine große Überraschung.
Unsere Prognose: Der VfB Stuttgart ist das siebte Überraschungs-Ei. Platz 6!
Experten-Interview
Lennart Sauerwald schreibt für Rund um den Brustring und gibt uns Einblicke in seine Gefühlswelt vor der neuen Saison.
Zu Beginn der Reschke-Zeit gab es viel Gegenwind. Wie siehst du ihn heute und warum?
Ich komme mit seiner Art nicht immer unbedingt klar, aber was seine Arbeit angeht, bin ich derzeit zuversichtlich. Der Gegenwind, den Reschke letzten Sommer aushalten musste, hat ja verschiedene Gründe: Sein Vorgänger war in Stuttgart beliebt und geschätzt und seine Entlassung ist bis heute für die Wenigsten nachvollziehbar. Reschke hatte bis zum Ende des Transferfensters nur wenig Zeit und verpflichtete neben Santiago Ascacíbar auch Dennis Aogo und Ex-VfB-Spieler Andreas Beck. Transfers, die nicht unbedingt zu seinem Ruf als „Perlentaucher“ passten. Hinzu kam, dass man ihm anmerkte, dass er bis dahin nicht in der Öffentlichkeit gestanden hatte, was zu unglücklichen und unpassenden Aussagen seinerseits führte. Im Winter hat er mit Thommy einen ziemlichen Volltreffer gelandet und in der Sommerpause mit vielen frühzeitigen, interessanten Transfers nachgelegt. Was die bringen, werden wir sehen, am Meisten begeistert mich bisher Nicolás González. Auf jeden Fall hat er es geschafft, auf fast jeder Position für Konkurrenz zu sorgen. Die Saison ist aber auch für ihn eine Bewährungsprobe.
Der VfB hat eine große Vergangenheit, aber auch einige Talfahrten hinter sich. Wie sieht die kurzfristige und wie die langfristige Zielsetzung des Klubs aus?
Wenn man den Präsidenten fragt, spielen wir in zwei bis drei Jahren wahlweise in der Champions League oder „es sind nur noch zwei Vereine in Deutschland größer als wir: einer im Westen, einer im Süden“. Das hat er kurz nach dem Aufstieg 2017 gesagt. Wenn die Ausgliederung, die kurz danach erfolgte, langfristig Früchte tragen soll, ist das auch fast alternativlos, denn nur in der Champions League nimmst Du Summen ein, mit denen Du den mit der einmaligen Daimler-Finanzspritze (von 41,5 Mio Euro) verstärkten Kader dauerhaft finanzieren kannst. Diese Saison sind aber erstmal alle bescheiden und geben am liebsten gar kein Saisonziel aus. Eigentlich gilt für einen Aufsteiger im zweiten Jahr ja immer noch der Klassenerhalt als Maxime, ich gehe davon aus, dass wir frühzeitig irgendwo im gesicherten Mittelfeld stranden.
Siehst du gar keine Chance, irgendwie ins internationale Geschäft zu rutschen? Was fehlt den Stuttgartern, um den Anschluss nach oben zu packen?
Nein. Platz 7 in der vergangenen Saison war eine Ausnahmesituation, in der sich die Mannschaft nach dem xten Trainerwechsel in den letzten Jahren mal wieder am eigenen Schopf aus dem Sumpf zog und am Ende eines surrealen Laufs sogar eine völlig unmotivierte Bayern-Mannschaft in deren Stadion überrannte (musste sein, aber bedeutet uns wahrscheinlich auch mehr als Euch). Dieser Lauf ist jetzt zu Ende und Korkut muss neue Antworten auf die schlechteste Torausbeute in der Bundesliga-Geschichte des VfB finden. Die Abwehr hatte letztes Jahr endlich mal wieder Bundesliga-Format und ist selbst bei einem Pavard-Abgang nicht wirklich schlechter. Wenn bei uns vorne wieder mehr geht, kann ich mir vorstellen, dass wir uns mal wieder für den UEFA-Pokal qualifizieren. Die Champions League halte ich auf Sicht für unrealistisch, eine Ausreißer-Spielzeit ausgenommen.
Auf welchem Platz landet der VfB und wer wird Meister?
Der VfB landet auf Platz 9, Meister wird mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit der FC Bayern, die restlichen 20 Prozent rechne ich einem Geniestreich von Lucien Favre zu.
Zwischenfazit
Im Prinzip ist es unmöglich diese Mittelfeld-Teams sicher in eine bestimmte Region der Tabelle zu tippen. Es kann gut sein, dass Frankfurt plötzlich wieder oben dabei ist und der VfB mit seiner jungen Mannschaft Lehrgeld bezahlt. Das schöne am Mittelfeld ist eben, dass Nuancen, dass wenige Spiele darüber entscheiden können, ob die Saison am Ende eine Sensation oder eine Katastrophe wird. Bundesliga, Bloody hell!