Vorschau: Hamburger SV – FC Bayern München

Justin Trenner 20.10.2017

Trotz der großen Tradition ging dem Aufeinandertreffen zwischen dem Bundesliga-Dino und dem Rekordmeister jedoch zuletzt die Spannung ab. 17 Mal in Folge gelang den Hamburgern kein Sieg und 64 Gegentore kassierten sie dabei. Immerhin war es in Heimspielen etwas enger in der jüngeren Vergangenheit.

Auch da gab es den letzten Sieg für die Hanseaten zwar am 26.09.2009, doch die letzten beiden Spiele gewannen die Münchner mit nur einem Tor Unterschied. Im September des vergangenen Jahres musste sogar ein Last-Minute-Treffer von Joshua Kimmich herhalten.

(Foto: Alexander Hassenstein / Bongarts / Getty Images)

Jupp! Jupp! Jupp! Jupp!

In München zweifelt aber derzeit niemand daran, dass es auch im 18. Duell in Folge wieder keinen Sieg für den HSV geben wird. Zu groß ist dafür das zurückgekehrte Selbstverständnis vieler Fans. Der Grund dafür ist Jupp Heynckes, der es in wenigen Tagen geschafft hat, aus einer scheinbar leblosen Mannschaft ein Team zu formen, das wieder zusammen arbeitet.

Als Arjen Robben am Mittwochabend kurz vor 21:30 Uhr auf seiner rechten Seite zu Boden ging, um dem Celtic-Angreifer den Ball abzugrätschen, wurde vielen klar, was zuletzt fehlte. Es stehen wieder 11 Spieler auf dem Platz, die zusammen alles geben.

Das ist die Basis, auf der alles weitere nun folgen muss. Und es gibt noch einiges zu verbessern. Denn so ganz ist der Hype um Jupp Heynckes noch nicht berechtigt. Ja, die Münchner boten gegen Freiburg und Glasgow jeweils ein sehr strukturiertes und durchdachtes Pressing, das deutlich weniger Lücken bot als zuletzt. Und ja, in diesen zwei Spielen war die Leistung stabiler. Das lag auch am frischen Wind, den ein Trainerwechsel häufig mit sich bringt.

Es darf nicht vergessen werden, dass die Herausforderung aus taktischer Perspektive immer noch eine riesige ist. Die stärkeren Gegner kommen erst noch und dann wird sich zeigen, wie sehr Heynckes der Retter in der Not sein kann.

Das Pressing ist dabei eine gute Basis und der bisher größte Unterschied zu vorher. Die Bayern wechseln gegen den Ball zwischen 4-4-2, 4-1-4-1, 4-5-1, 4-2-3-1, 4-3-1-2 und einigen anderen Variationen. Der Übergang wirkt fluide und die wichtigsten Räume sind meist abgedeckt. Auch die Höhe und Intensität des Pressings variiert. Wichtig ist jedoch vor allem die gegebene Kompaktheit und dass es weniger Alleingänge von Einzelspielern gibt.

Nicht immer gelang es den Bayern, die Räume hinter dem Gegenpressing zu schließen oder den Gegner gar nicht erst in diese Zonen zu lassen. Die Ansätze sind hier sehr gut, die Konsequenz und Konstanz fehlen noch. Es wird zudem spannend, mit wie viel Disziplin Vidal sich beispielsweise an das Konzept halten kann und wird.

Positiv entwickelt hat sich neben der Arbeit gegen den Ball auch die Strafraumbesetzung. Lewandowski wird etwas besser eingebunden und auch die vielen Flanken finden häufiger ihr Ziel, weil es weniger nach Verzweiflung aussieht. So kreuzen die Angreifer hin und wieder, aber auch die Achter stoßen mal in die Spitze, um das Zentrum zu überladen. Auf Dauer wird das aber nicht reichen.

43 Flanken waren es gegen Celtic Glasgow und auch gegen den SC Freiburg wurden überdurchschnittlich viele gezählt. Hin und wieder sind gefühlvolle Kimmich-Hereingaben, gute Dribblings von Coman bis an die Grundlinie und Standards ein großer Mehrwert, doch ein Großteil von den Flanken landet im Nichts.

So ist das mit diesen hohen Bällen. Sie sind selbst bei bester Besetzung des Strafraums keine gute Wette auf ein Tor. Umso wichtiger ist es, dass Jupp Heynckes die Probleme im Halbraum löst. Jérôme Boateng kritisierte nach dem Spiel, dass es ein besseres Positionsspiel brauche. In der zweiten Halbzeit wäre die Mannschaft zu viel gelaufen. Vor allem hinterher.

Damit trifft der Verteidiger genau ins Schwarze. Hermann und Heynckes arbeiten daran. Die Zonenmarkierungen auf dem Feld und penibles Coaching während des Trainings sind Teil dieser Arbeit. Gerade weil der Weg aber noch so weit ist und die Spiele gegen Teams aus Schottland und dem Breisgau vielerorts so überbewertet werden, sollte der Hype um die Jupp-Bayern aber noch gebremst werden.

Ein vorsichtiges, erleichtertes Durchatmen sei durchaus erlaubt, doch will man erfolgreich durch die Leipzig-Woche kommen und schließlich auch Dortmund und Paris besiegen, braucht es eine sehr große Leistungssteigerung.

Heynckes hat es geschafft, die solide, aber durchwachsene Leistung der Ancelotti-Bayern aus der letzten Saison wiederherzustellen. Nun muss der nächste Schritt kommen. Hin zu Konstanz, mehr spielerischer Qualität und besserem Positionsspiel. Jeder sollte sehen, dass das Flügelspiel der Bayern nun ein anderes ist. Die Durchschlagskraft im Dribbling ist nicht mehr vergleichbar mit der von 2013.

Heynckes hat es aber immerhin geschafft, dem Flügelspiel feste Abläufe zu geben. Diese sind wiederum auf beiden Seiten sehr unterschiedlich. Rechts zieht Robben konsequent in die Mitte. Müller und Kimmich geben dem Spiel dann meist Breite. Kann Robben nicht durchbrechen, ist es der Rechtsverteidiger, der möglichst freigespielt wird, um dann gefühlvolle Flanken zu schlagen. Die Rolle Müllers ist es, beiden die nötigen Räume zu verschaffen.

Links ist das etwas anders. Comans Ausgangsposition ist konsequent der Halbraum – so war es zuletzt auch bei Ribéry. Dort dient er David Alaba und Thiago als Anspielstation. Zwischen dem Franzosen und Alaba gibt es dann ein abgestimmtes Wechselspiel zu beobachten. Zieht Coman nach innen, gibt der Österreicher Breite. Wählt Alaba aber die Option, Coman zu vorderlaufen, muss natürlich der Flügelstürmer auf der Außenbahn bleiben. Mit der Hilfe von Thiago kam es so schon zu einigen netten Ansätzen, die für Durchbrüche im Halbraum sorgten.

Allerdings ist das Spiel insgesamt doch noch sehr berechenbar. Diese Abläufe werden so nicht immer funktionieren, weil Gegner sich drauf einstellen. In beiden Grafiken wird oben deutlich, dass das Zentrum zu kurz kommt. Es ist immer noch zu viel “U” in der Spielkultur des Meisters. Zumindest gegen Glasgow hätte man sich da von Rudy und Thiago mehr Präsenz erwünscht, doch beide bekamen trotz guter statistischer Werte nicht ihr ganzes Können auf den Platz.

Um sich nicht zu sehr von Flanken abhängig zu machen, brauchen die Münchner Unterstützung der Angreifer und Achter. Gleichzeitig ist aber eine adäquate Absicherung von Nöten. Diese Balance aus Kombinationen im Zentrum und schnellem Flügelspiel ist nicht einfach.

Natürlich wird sich der Flügelfokus nicht gänzlich auflösen lassen. Dafür sind die Außenspieler zu dominant. Auch Kimmichs Flanken sind zu stark, um sie zu verbieten. Trotzdem braucht es eine viel bessere Balance aus Kombinationen und hohen Hereingaben. Eine mannschaftstaktische Herausforderung, die anspruchsvoll und spannend ist. Der Weg ist weit, aber machbar.

Was erwartet den FC Bayern?

Das Programm sollte Heynckes dabei entgegenkommen. Nach Freiburg folgte das höhere Niveau in der Champions League. Auch Glasgow war aber nicht in der Lage, die noch vorhandenen Schwächen der Münchner zu nutzen. Im Anforderungsprofil sollte ein Auswärtsspiel beim Hamburger SV da noch eine kleine Steigerung sein, ehe es zwei Mal gegen Leipzig geht.

Am Wochenende erwartet den FC Bayern erneut ein Gegner, der mit viel Intensität spielt. Die Mannschaft von Markus Gisdol spielt ein Mittelfeldpressing, das hin und wieder auch zu Mannorientierungen neigt. Das Ziel der Hamburger wird es daher sein, die Münchner im Mittelfeld früh zu stören, um unkontrollierte Bälle oder Angriffe über die Flügel zu erzwingen.

Bei Ballgewinnen werden sie – anders als Glasgow – nicht viel Wert auf ein geordnetes Kurzpassspiel legen. Lange Bälle gehören zur Grundlage ihres Spiels. Sorgen diese für einen erneuten Ballverlust, versuchen die Hamburger im Umschaltprozess ein starkes Gegenpressing zu erzeugen und so die zweiten Bälle zu gewinnen.

Insgesamt artet dies häufig im bewussten Chaos aus. Das ist typischer Gisdol-Fußball. Am Ende der vergangenen Saison funktionierte dies sogar recht gut. In der Rückrundentabelle belegten die Hanseaten immerhin den siebten Platz. Unter der Woche soll der Trainer die Fünferkette trainiert haben, weshalb diese natürlich auch zur ernsthaften Option gegen die Münchner wird. Damit würde der HSV natürlich etwas mehr Zugriff in der Defensive bekommen, doch ob das gegen die Heynckes-Automatismen reicht?

Die derzeitige Tabellensituation sollte von den Bayern jedenfalls nicht unterschätzt werden. Schon in Hamburg wird es eine erneute Leistungssteigerung brauchen, damit der Jupp-Hype kein jähes Ende findet.

Im Moment steht die Realität des FC Bayern irgendwo zwischen den katastrophalen letzten Ancelotti-Wochen und dem Gefühl, dass wieder 2013 ist. Es ist also an der Zeit, dass sich die Realität langsam den Emotionen annähert, die in den letzten beiden Spielen geweckt wurden. Dafür braucht es ein noch besseres Pressing, konsequenteres Positionsspiel und kreative Lösungsansätze, um Chancen ohne Flanken-Flatrate zu kreieren.

Wissenswertes zum Spiel:

  • Keine Mannschaft hat eine schlechtere Passquote als der Hamburger SV (67,8%). Ein Grund dafür: Fast jeder fünfte Pass ist ein langer Ball. Zum Vergleich: Beim FC Bayern ist es ungefähr jeder 11. Pass.
  • Der HSV ist sehr fokussiert auf die Flügel. Nur 25% der Angriffe gehen über die Zentrale.
  • Anstoß ist am Samstagabend um 18:30 Uhr (Live nur bei Sky).
Die Statistiken der beiden in der Bundesliga.

Expertentipp

Im Expertentipp tippt ein externer Experte den Spielausgang. Für den richtigen Tipp gibt es drei Punkte und für die richtige Tendenz (Sieg, Unentschieden, Niederlage) einen Punkt. Verglichen wird dies dann mit einem zweiten Expertentipp, der vom Autorenteam von Miasanrot.de kommt. Am Ende der Saison wird sich zeigen, ob die eingeladenen Experten mehr Punkte erreicht haben, als die Redaktion.

Nachdem Jolle mit ihrem wohlüberlegten und gut ausformulierten Expertentipp richtig lag, führt die Redaktion nun mit 15:10. Diesmal ist Marius Soyke unser Gast. Er kommt aus Hamburg und ist bei Transfermarkt.de tätig. Er tritt gegen unseren Statistiker Lukas an, der das Endergebnis bereits berechnet hat.

Marius Soyke: Markus Gisdol steht nach der Niederlagenserie mit dem Rücken zur Wand – gegen die Bayern darf er aber noch mal verlieren. Zu hoch nach Möglichkeit aber natürlich nicht. Das hat zumindest vor heimischem Publikum ja schon in den vergangenen Jahren ganz ordentlich funktioniert. Deshalb ließ der HSV-Coach diese Woche mit Fünferkette und zwei Sechsern trainieren. Ob man die Offensiv-Power der Bayern so stoppen kann? Möglicherweise. Gleichzeitig Akzente nach vorn setzen? Ziemlich schwierig. Irgendwann wird eine der Angriffswellen durchkommen – wenn nicht erst in der 90. Minute wie vor einem Jahr auch noch die zweite. Der FC Bayern gewinnt 2:0 in Hamburg.

Lukas: Der FC Bayern wird den Aufwärtstrend seit dem Trainerwechsel fortsetzen können. Sowohl defensiv (drittmeisten Gegentore) als auch offensiv (nur 6 Tore nach 8 Spielen) offenbarte der HSV diese Saison zu viele Schwächen, um gegen einen immer besser eingespielten FC Bayern punkten zu können. Mit einem 2:0 werden die Bayern die Torbilanz unter Jupp Heynckes auf 10:0 ausbauen.

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  1. Meine fünf Thesen zum Spiel:

    1. Bayern München gewinnt erneut mit einer sehr dominanten Vorstellung.
    2. Lewandowski trifft mindestens einmal.
    3. Ulreich bleibt zum dritten Mal hintereinander schadlos.
    4. Tolisso und James spielen mehr als 30 Minuten lang.
    5. Der HSV kassiert mindestens drei gelbe Karten.

    Im Spiel gegen Celtic trafen leider nur zwei von fünf Thesen zu. Meine Trefferquote liegt bei 58%. (Insg. 35 von 60 richtig)

    Antwortsymbol2 AntwortenKommentarantworten schließen
    1. Es hat glaub ich unter der letzten Vorschau schon jemand geschrieben: was ist eine dominante Vorstellung (oder gar eine sehr dominante Vorstellung)? Bezieht sich das auf Ballbesitz, Torschüsse, expected Goals oder was? Eigentlich müssen die Thesen klar quantifizierbar sein und hinterher eindeutig mit ja/nein beantwortbar sein und das seh ich bei “Bayern München gewinnt erneut mit einer sehr dominanten Vorstellung” nicht. Zumal das eigentlich zwei Thesen sind (These 1: Bayernsieg. These 2: Bayern dominiert). Schreib doch stattdessen: “Bayern wird über 60 % Prozent Ballbesitz haben” oder “Bayern wird mindestens zehn mal mehr aufs Tor schießen als der Gegner”, dann ist klar wie das gemeint ist.

      Unabhängig davon: Ich finds cool, dass du die Thesen weiterführst. Les sie mir immer vor dem Spiel durch und denk ein bissl drüber nach ;)

      1. Erst einmal vielen lieben Dank, freut mich sehr. Die Thesen haben mir in den Artikeln immer am meisten gefallen und ich werde sie ohne Ausnahme bis Saisonende fortführen. Wenn ich am Ende der Saison insgesamt eine Trefferquote von mindestens 60% vorweisen kann, mache ich weiter. Falls nicht, lasse ich es. Dabei versuche ich immer keine “Alibithesen” aufzustellen sondern den Spiel genauer zu prognostizieren. Ist immer auch eine kleine Challenge gegen mich selbst. Ich verfolge die Spiele daduch mit deutlich mehr Spannung. :D

        Mit souverän gewinnen meine ich den Sieg gegen Schalke und gegen Freiburg. Unsouverän wäre ein Sieg wie gegen Anderlecht. Ich erwarte, dass Bayern morgen nicht nur +65% Ballbesitz hat sondern das Spiel klar kontrolliert und die Hamburger am eigenen Strafraum fesselt, sodass sie es nicht einmal wagen daran zu denken anzugreifen. Ballbesitz bedeutet nicht gleich Dominanz, auch das sollte bekannt sein. Mit dieser These meine ich, dass Bayern ZU währnd der Spielzeit zu keinem Zeitpunkt gefährdet ist zu verlieren bzw. in Rückstand zu geraten. Dass der Gegner maximal drei bis fünf Torabschlüsse auf das Bayerntor vorweisen kann und dass Bayern es sich leisten kann zwei Gänge zurückzuschalten und das Ding im Schongang zu gewinnen. Das ist im Großen und Ganzen was ich mit dieser These meine. Du hast allerdings Recht, ich sollte das klarer erläutern, denn das lässt sich aus der gestellten These ja nicht herauslesen.

  2. Schöne Vorschau, mal wieder vielen Dank. Die Tipps sind sich ja recht ähnlich, da wird sich wohl nix tun ;)

    Eine Verbesserung die mir hier ein wenig zu kurz kommt: ich fand die Konterabsicherung gegen Celtic in der ersten Halbzeit deutlich verbessert, da hatte Glasgow wirklich keine Chance, obwohl sie prinzipiell ganz gut kontern können. Erst als Bayern merklich Mitte der zweiten Halbzeit merklich den Fuß vom Gas nahm kamen die Schotten zu Chancen. Trotzdem richtig, die Euphorie etwas zu bremsen, auch wenn ich ein wenig optimistischer bin.

    Eine kurze Anmerkung wegen der Startseite: mir wird an Stelle drei immer noch die Podcast-Episode 51 “Ein Co für Carlo” angezeigt. Dieser Podcast ist denk ich mittlerweile reichlich veraltet, den solltet ihr denk ich von der Startseite nehmen…

    Antwortsymbol2 AntwortenKommentarantworten schließen
    1. Nein, nein, nein. Da soll endlich eine neue Folge hin!!

      Ab und zu Justin oder Steffen in anderen Podcasts sind nicht Bayernfokus genug.

      1. Aus diesem Grund erscheint (wöchentlich) unser englischsprachiger Podcast, wo meist jemand aus unserer Redaktion teilnimmt: https://miasanrot.com/podcast/

        Die Integration des Podcasts auch in die deutsche Seite steht bei mir als ToDo, das ich aber aktuell beruflich nicht zwischenschieben kann.

  3. “Allerdings ist das Spiel insgesamt doch noch sehr berechenbar. Diese Abläufe werden so nicht immer funktionieren, weil Gegner sich drauf einstellen. In beiden Grafiken wird oben deutlich, dass das Zentrum zu kurz kommt. Es ist immer noch zu viel “U” in der Spielkultur des Meisters. Zumindest gegen Glasgow hätte man sich da von Rudy und Thiago mehr Präsenz erwünscht, doch beide bekamen trotz guter statistischer Werte nicht ihr ganzes Können auf den Platz.”

    Das ist eine – nenen wir es mal – interessante Interpretation. Wenn die Angriffsmitte komplett verwaist, ist dafür also die Doppelsechs verantwortlich. Nicht etwa derjenige, der dort nominell spielt. Der ist dagegen sowas von unbeteiligt, dass er nicht einmal eine einzige Erwähnung wert ist. Wenn schon von statistischen Werten die Rede ist: Wie sind denn 52 Ballkontake in der offensiven Schaltzentrale so einzuschätzen?

    “Natürlich wird sich der Flügelfokus nicht gänzlich auflösen lassen. Dafür sind die Außenspieler zu dominant. Auch Kimmichs Flanken sind zu stark, um sie zu verbieten.”

    Das ließe sich vielleicht vermeiden, wenn ihn der Mitte jemand Dominanteres auflaufen würde. Im obigen Zitat ist Kimmich explizit und Coman implizit erwähnt. Diese beiden verdienen zusammen(!) wohl etwa die Hälfte Müllers. Wirft das nicht auch schon genug Fragen auf, wenn sie dennoch “zu dominant” sind, um das Spieler über Müller laufen zu lassen?

    Antwortsymbol4 AntwortenKommentarantworten schließen
    1. Der Satz ist mir beim ersten Durchlesen gar nicht aufgefallen. In der Tat ziemlich komisch, die Verantwortung für ein Loch im Zehnerraum bei der Doppelsechs und nicht auf der 10 zu suchen. Heynckes wird über kurz oder lang nicht drumherum kommen, James auf die 10 zu stellen und eine der beiden heiligen Kühe Robben oder Müller auf die Bank zu setzen. Derjenige wird aber dennoch genug Einsatzzeit bekommen, weil er nämlich die einzige Wechsel-/ Rotationsoption in der gesamten Offensive für vier Positionen (!) sein wird. An der Stelle vielen Dank an die Kaderplanung.

      1. Es ist sehr interessant die Dominanz im Zentrum von jemandem zu verlangen, der ganz andere Rollen zugewiesen bekommt. Natürlich haben Rudy und Thiago die Verantwortung im Zentrum Kontrolle zu erlangen. Dabei geht es nicht nur um den Zehner-Raum, sondern auch um die Halbräume. Thiago und Rudy haben die Verbindungen nach vorne auf Lewandowski und Müller oder den einrückenden Coman nicht Bzw. zu selten gefunden. Sie haben eine Teilverantwortung für das U im Aufbau, weil sie Teil des Aufbaus sind und weil sie die Initiatoren im Mittelfeld sind. Natürlich hat Müller ebenfalls eine Verantwortung dafür. Seine Aufgaben sind von heynckes aber gänzlich anders definiert worden.

      2. Teilverantwortung ok. Das klingt ja schonmal anders. Letztendlich wissen wir alle nicht, wie sich Heynckes die Anbindung an den Zehnerraum genau vorgestellt hat. Vielleicht hätte er sich gewünscht, dass Thiago und Rudy mehr aufrücken, um die Anbindung zu den Offensivspielern zu suchen. Vielleicht hat er es sich auch so vorgestellt, dass Robben und Coman noch mehr und auch tiefer in die Halbräume einrücken und dort verbindend tätig werden oder dass Alaba und Kimmich einrücken. Wir wissen es einfach nicht, deshalb wär ich da mit Schuldzuweisungen vorsichtig.

        Letztendlich kann man aber an dieser Diskussion einen in meinen Augen unterschätzten Aspekt für das vermeintliche Nachlassen Müllers beobachten: Müller ist darauf angewiesen, neben sich Leute zu haben, die selbst ein Spiel gestalten und kreativ werden können. 2013 konnte man sich mit Martinez und (teilweise) Müller im Zentrum zwei relativ unkreative Leute im Mittelfeldzentrum leisten, weil auf den Außenpositionen mit Alaba, Lahm, Ribéry und Robben vier für ihre Position außergewöhnlich kreative Spieler zur Verfügung standen, die regelmäßig einrückten und gegnerisches Pressing umspielten. Davon ist einer ganz weg (Lahm), einer lange verletzt (Rib) und zwei nicht mehr in der Form von 2013. Coman und Kimmich sind noch nicht so weit wie Rib und Lahm damals. Da fallen die Schwächen Müllers ins Gewicht, die damals kaschiert wurden.

        Ich denke nicht, dass wir von Thiago erwarten sollten, sowohl die Probleme im tiefen Spielaufbau auf der 6/8 als auch die Anbindung an die Offensive auf der 10 sicherzustellen. Das wäre eine totale Überfrachtung mit Aufgaben, der (zumindest auf CL-Niveau) kein Fußballer der Welt gewachsen wäre. In der Nationalmannschaft wird letztere Aufgabe von Özil übernommen, der im Zehnerraum für die Verbindungen sorgt und Müller spielt als “halbrechter Zehner” neben ihm. So ähnlich sollte das denk ich auch mit James funktionieren. Auf diesen zu verzichten können wir uns letztlich einfach nicht leisten, weil von den Flügeln nicht mehr das Spielmacherpotential kommt wie noch vor ein paar Jahren.

      3. Natürlich braucht Müller kreative Spieler. Die waren mit Rudy und Thiago gegeben. Deshalb ärgerte es mich, dass beide im Zentrum nicht allzu viel geschafft haben. Gerade Rudy war doch sehr vorsichtig.

        Man muss aus der Kritik jetzt auch nicht mehr machen, als ich schreibe. Wer jetzt welchen Anteil hat, ist unerheblich. Wichtig ist, dass das Zentrum so derzeit nicht funktioniert. Und es funktionierte 2012-16 deutlich besser.

  4. Guter Artikel, doch verstehe ich es einfach nicht, warum man krampfhaft das Haar in der Suppe sucht. Bisher ist die Arbeit von Jupp überragend, hätte ich mir so nicht vorgestellt. Die Mannschaft ist viel kompakter, als sie es unter Ancelotti jemals war. Das Pressing ist ebenfalls deutlich verbessert und man spielt konsequent Chancen heraus. Damit wurden von heute auf morgen drei große Probleme sehr stark verbessert. Jupp hat auf der PK heute gesagt, dass sie bisher nicht einmal taktisch gearbeitet haben. Also was will man erwarten? Das wird sich die nächsten Wochen auch nicht ändern, weil einfach die Zeit fehlt. Also bitte hört auf, nach jedem Spiel die höchsten Maßstäbe anzulegen. Es ist Standpunkt jetzt einfach nicht mehr drin. Klar, man möchte nicht wieder auf einen Hype aufspringen, doch finde ich es falsch, sehr gute Arbeit immer wieder einschränkend zu kritisieren. Das wäre so als würde man ne neue Baufirma beantragen, weil die andere es nicht geschafft hat dir in 1,5 Jahren ein Haus hinzubauen. Und nach zwei Wochen würde man die neuen Bauarbeiter kritisieren, dass noch nicht das komplette Haus dasteht, mit Dach, Innenausstattung usw.
    Meiner Meinung nach kann, wie oben schon erwähnt, ein James viele Probleme lösen. Ich bin immer noch überzeugt, dass die Variante mit Coman, James, Müller und Lewi die beste ist. Ich fand Robben die letzten Spiele nicht so überzeugend, dass man ihm konsequent einen Stammplatz einräumen sollte. Auch wenn ich seine Defensivarbeit sehr loben muss. Müller scheint ja erstmal seinen Platz zu haben, das auch zurecht. Auch wenn er mal wieder eine Schippe auf sein Passspiel und die Ballannahme drauflegen könnte.
    Ich Tippe auf ein 3:0 gegen den HSV. Mit einem Scorer von James.

    Antwortsymbol9 AntwortenKommentarantworten schließen
    1. Was heißt Haar in der Suppe suchen? Natürlich treten wir etwas auf die Bremse, weil man erst in einigen Tagen weiß, wo die Mannschaft steht. Wir können auch Hurra schreien, obwohl NOCH (und das betonen wir ja auch) nicht alles super ist. Aber dann können wir den Blog auch dicht machen. Wir suchen ja nicht krampfhaft etwas, wenn alles toll ist. Aber wir sprechen schon das an, was uns auffällt.

      1. Ich bin trotzdem der Meinung, man könnte ein einigen Stellen die Leistung von Heynckes mehr würdigen. Nach meinem empfinden liest sich der Text sehr negativ und setzt schon wieder viel zu hohe Maßstäbe an. Die Probleme die ihr erwähnt, sind so vorhanden und müssen langfristig auch gelöst werden. Doch mir gefällt die Erwartungshaltung nicht. Man sollte hierfür deutlich stärker die Umstände berücksichtigen, unter denen die Arbeit von dem neuen Trainerteam aufgenommen wurde. Ich finde die Leistung bisher phänomenal, mehr als ich erwartet habe. Und es ist unfair, die bereits erreichten Punkte als normalen Prozess abzutun. Hier wurde sehr viel in sehr kurzer Zeit erreicht.
        Wie gesagt, stimme ich euch in den einzelnen Punkten zu. Doch der Umfang und der Zeitpunkt der Kritik halte ich für unangemessen gegenüber dem Trainerteam.

      2. Die Meinung sei dir gelassen. Ich sehe das aber anders. Ich stelle eindeutig heraus, was Heynckes bereits positiv bewegt hat. Den Rest schiebe ich nicht Heynckes in die Schuhe, sondern sage, was jetzt besser werden muss. Gegen Leipzig und Co. wird es bessere Leistungen brauchen.

        Alles was ich also sage: Mir ist das zu viel Hurra. Es war nur ein guter Start. Wenn die Steigerung gegen Leipzig und Dortmund kommt, reden wir mal über ein Hurra von mir. So weise ich darauf hin, dass wir abwarten sollten. Es ist viel zu tun.

      3. Zumal du mir mal den Satz zeigen solltest, in dem ich das Trainerteam kritisiere. Die Probleme wurden hinterlassen.

      4. Ich kann hier auch keine Kritik im Artikel an Heynckes erkennen. Die Verbesserungen werden klar benannt und auch gelobt. Allerdings muss man in meinen Augen drei Dinge anmerken:

        1. Auch wenn wir unter Heynckes wieder etwas besser spielen ist dennoch eine Rückentwicklung im Vergleich zum Stand von vor ein paar Monaten und erst Recht Jahren zu sehen. Auch in Ancelottis erster Saison waren wir jedenfalls nicht schlechter als momentan. Man sollte Ancelotti nicht nachträglich schlechter machen als er war.

        2. Unmittelbar nach Trainerwechseln gibt es sehr oft plötzliche Leistungsschübe, insbesondere wenn es mit dem alten Trainer aus irgendeinem Grund Probleme gab. Mein Lieblingsbeispiel ist immer Favres Ende in Gladbach: grundsätzlich toller Trainer und gute Mannschaft, aber durch irgendwelche Gründe, die nur Insider wirklich wissen können, passt es einfach nicht mehr. Dann geht Favre und der Nachfolger macht eigentlich nichts tolles, aber durch das Wegfallen der bisherigen Blockaden geht die Leistung erstmal steil nach oben. Ich sag nicht dass das bei Heynckes so ist. Aber wir werden erst in einigen Monaten sehen, inwieweit Heynckes die Mannschaft methodisch weiterbringt…

        3. Nichts gegen Freiburg und Celtic…aber zwei Heimspiele gegen diese Gegner sind natürlich auch ein denkbar einfaches Auftaktprogramm

      5. Absolut. Zustimmung.

      6. Was heißt Haar in der Suppe suchen? Natürlich treten wir etwas auf die Bremse, (…) Wir suchen ja nicht krampfhaft etwas, wenn alles toll ist. Aber wir sprechen schon das an, was uns auffällt.

        Es ist völlig richtig, daß MSR die negativen Aspekte betont, die es noch gibt. Es ist völlig richtig, sich dem Medien-Hype um Jupp Heynckes zu verweigern. Es nutzt niemandem, jetzt anhand der Ergebnisse die Mannschaft hochzujubeln. Jeder sieht doch, was noch falsch läuft. Welche Probleme es noch gibt und daß die Ergebnisse auch anders hätten ausfallen können. (Ein 4:2 wäre jeweils _möglich_ gewesen, zum Beispiel.)

        Mir ist es lieber, dieser Blog ist (angeblich) “zu kritisch”. Jubelarien sollen andere schreiben. Erinnert Euch mal an den Schulz-Hype. Der war sehr schnell vorbei, nachdem die Wähler Herrn Schulz genauer zuhörten …

    2. Was mir am besten an Heynckes gefällt, ist seine reflektierte und zielgerichtete Art (Ich glaube, er würde die Einschätzung von Justin sogar teilen). Bei einem Gefälligkeitsdienst strahlt er deutlich mehr Professionalität aus als die gesamte Vereinsführung. Vor allem scheint es ihm nicht um sein Ego zu gehen, sondern um Inhalte, um die Arbeit an sich als Trainer. Ich glaube dass er deshalb so respektiert wird.

      1. Ganz genau. Ich finde seine Aussagen derzeit auch super angenehm. Er erkennt die Schwächen. Ob er und Hermann sie verbessern können, wird sich zeigen. Ich bin aber etwas optimistischer als mit Carlo Ancelotti.

  5. In der kurzen Zeit wurde vom Trainerteam ein toller Job gemacht. Mehr kann man nicht erwarten.
    Ich würde gg. tiefstehende Gegner auch gerne mal James sehen. Mit Thiago und Rudy dahinter und Robben sowie Coman auf den Flügeln. Ich glaube aber das wir im Augenblick, aufgrund von körperlichen Defiziten und der noch nicht optimal abgestimmtes Defensivstaffelung auf die Lauf, Führungs und Kampfbereitschaft eines TM gg. starke Gegner wie z.B. Leipzig angewiesen sind. Morgen wäre die Gelegenheit da, James einmal loszulassen. (Ich habe noch nicht viele Spiele nach der WM von ihm gesehen, so das ich ihn z.Z.nur seine Technik, Abschluss und Passgenauigkeit loben kann)

    Antwortsymbol1 AntwortKommentarantworten schließen
    1. Ich denke, es wird hochinteressant, wer neben Thiago auflaufen darf: Rudy oder Vidal? Wenn es Vidal sein sollte (was ich nicht glaube), wäre es interessant zu sehen, ob Heynckes innerhalb des Spieles auf Vidal einwirken würde, sollte dieser taktische Vorgaben ignorieren.

  6. Auf welche “Bremse” tretet ihr eigentlich ? Weder Trainer noch Spieler sagen, dass jetzt alles wieder gut ist. Insbesondere der Trainer betont doch immer wieder, in welchen Bereichen er noch viel zu tun hat. Auch von den Spielern hört man solche Aussagen und ich denke man muss auch niemanden im Verein sagen, dass weder Freiburg noch Celtic die stärksten Gegner sind…

    Antwortsymbol3 AntwortenKommentarantworten schließen
    1. Ich glaube ich betone eingangs ganz gut, dass es mir beim Hype nicht um Heynckes oder die Mannschaft geht. Die Grundstimmung rund um den Klub ist derzeit sehr überschwänglich und nostalgisch.

    2. Und meine/unsere Artikel richten sich ja nun nicht in erster Linie an Klub und Spieler, sondern meist an die Fans. Dass dort eine gewisse Stimmungslage erkennbar ist, die die derzeitige Situation (verständlicher Weise) etwas überhöht, wird wohl kaum jemand bestreiten, der dieser Tage in den sozialen Netzwerken unterwegs war. Die „Bremse“ gilt daher vor allem Fans und gewissen Medienberichten, die den alten FCB bereits zurück sehen.

      1. Sehe ich auch so und eine gewisse Nachhaltigkeit wird sich erst nach den Spielen gegen RB und DO zeigen müssen. Und heute ist ja auch erst mal ein Auswärtsspiel; denke die Hamburger werden ordentlich dagegen halten. Siehe letztes Jahr in Hamburg.

  7. […] Am Offensivspiel muss weiterhin geschraubt werden, jedoch ist dies auch weitaus schwieriger zu train… Neben den taktischen Änderungen herrscht beim FC Bayern auch wieder ein anderer Wettbewerb. Die Spieler sind motivierter und mit Heynckes ist ein Trainer da, der erst mit 100% zufrieden ist und immer wieder noch Nuancen findet die verbessert werden müssen. In der Vergangenheit hat das die Bayern stark gemacht, ob das auch für die Zukunft gilt, bleibt abzuwarten. […]

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