Wölfe bauen zahme Bayern auf
Am Tag nach der kuriosesten Pressekonferenz der Bayern-Historie seit Trappatoni seine Spieler als Flasche leer bezeichnet hatte, schickte Trainer Kovač die vielleicht momentan stärkste Elf auf das Feld.
Falls Ihr es verpasst habt:
Überraschenderweise stand auch James in der Startelf, der erst spät von der Länderspielreise nach Kolumbien zurückgekehrt war.
Vor der Abwehr setzte der Kroate zur Stabilisierung auf Martínez. Die wiedergenesenen Boateng und Goretzka saßen genauso wie ihr Nationalmannschafts-Kollege Müller zu Beginn auf der Bank.
Bei den Wölfen setzte Trainer Labbadia nach fünf sieglosen Spielen in Folge weitestgehend auf die Mannschaft, die vor der Länderspielpause gegen Bremen verloren hatte. Lediglich Rexhbecaj und Gerhardt kamen neu dazu und ersetzten Tisserand und Malli.
Nach einem bisher schaurigen Oktober wollten die Münchner in der Autostadt das Ruder herumreißen. Entsprechend dominant begannen die Roten, jedoch zu Beginn noch ohne die notwendige Konsequenz im Angriff. Vielmehr hatten sie sogar Glück, dass Neuer nach einem riskanten Rückpass von Kimmich mitdachte und vor Gerhardt klären konnte.
Die Wolfsburger zeigten nur direkt nach Ballverlusten das hohe Gegenpressing, das die Bayern zuletzt vor große Probleme gestellt hatte, und zogen sich dann in ein sehr kompaktes 4-5-1-System vor dem eigenen Strafraum zurück.
Nach einem von vielen Fouls gegen Lewandowski, konnte James mit einem Freistoß aus 20 Metern erstmals Casteels prüfen (11.). Sein Schuss wurde durch den Wolfsburger Schlussmann jedoch problemlos entschärft.
In der 18. Minuten hatte Süle Glück, dass sein Rempler gegen den ansonsten frei vor Neuer stehenden Arnold vom Schiedsrichter nicht als Foul gewertet wurde. Zuvor rückte Hummels erneut zu früh raus und wurde per Beinschuss düpiert.
Im Folgenden konnten die Münchner das Spiel etwas beruhigen und kamen durch Gnabry sowie Robben und Lewandowski zu einigen Chancen.
Aus dieser Phase heraus dann auch die 1:0-Führung. Einen langen Pass von Hummels ließ Thiago einfach durch auf Lewandowski – ein seltenes und sehr benötigtes Überraschungsmoment im sonst statischen Bayern-Spiel. Der Pole vollendete eiskalt mit seinem vierten Saisontreffer (30.).
Direkt im Anschluss hätte James auf 2:0 erhöhen können, doch der Kolumbianer scheiterte aus kurzer Distanz an Casteels.
Bis zur Pause wurden Thiago für einen Ellenbogenschlag und Robben aufgrund einer Schwalbe noch verwarnt, ansonsten ging es mit einer 1:0-Führung des Rekordmeisters in die Halbzeit.
Zu Beginn der zweiten Hälfte ersetzte Rafinha Alaba positionsgetreu als Linksverteidiger.
Durch eine viel zu kurze Kopfballrückgabe von William kam Bayern dann glücklich zum 2:0. Lewandowski antizipierte richtig und kam vor Casteels an den Ball. Anschließend musste der Stürmer nur noch ins leere Tor einschieben (49.).
Nur wenig später hatte der amtierende Meister erneut Glück. Weghorst wurde von Rafinha im Strafraum ungelenk zu Fall gebracht (52.). Allerdings stand der Niederländer vorher im Abseits.
Die letzte halbe Stunde musste Bayern zu zehnt absolvieren. Im Zweikampf mit Rexhbecaj trifft Robben den Wolfsburger am Knöchel und sieht zurecht die gelbe Karte – seine zweite an dem Nachmittag.
Nur fünf Minuten nach dem Platzverweis konnte Wolfsburg verkürzen. Per Traumpass fand Gerhardt auf der rechten Seite Mehmedi, der scharf vors Tor flankte. Dort kam Weghorst vor Süle an den Ball und verwandelte unwiderstehlich zum 1:2 (63.).
In der Folge nahm Kovač Gnabry vom Feld und brachte mit Goretzka die sichere Variante ins Spiel. Sein Gegenüber Labbadia hingegen wechselte offensiv.
Wolfsburg kam nun immer mehr ins Spiel – doch es waren die Münchner, die das Tor schießen sollten. Thiago spielte einen kurzen Pass auf Lewandowski, den der Pole geschickt auf James weiterleitete. Der Kolumbianer stand plötzlich frei vorm Tor und vollendete gekonnt zum 3:1 (72.).
Mit diesem Tor war das Spiel de facto entschieden. Sanches kam kurz vor Schluss noch zu einem Kurzeinsatz. Der Portugiese ersetzte James.
Somit endet nach vier sieglosen Pflichtspielen in Folge eine in München ungewohnte Serie, die für einige Nationalspieler sogar sechs Spiele andauerte. Ein kleines Erfolgserlebnis auf das alle Spieler und Verantwortlichen sehnlich gewartet hatten.
Dinge, die auffielen:
1. Kontrollverlust nach zehn Minuten
Mittlerweile kann man fast seine Uhr danach stellen. Nach etwa zehn Minuten lässt Bayern merklich nach und überlässt dem Gegner mehr und mehr Spielanteile. Gegen Amsterdam war dies erstmals nach dem Führungstreffer deutlich zu merken, gegen Gladbach folgten hieraus die beiden Nackenschläge zum 0:1- und 0:2-Rückstand und auch heute gegen Wolfsburg ließ man die Hausherren unnötigerweise in die Partie kommen.
Die Gründe hierfür sind von außen schwer einzusehen, allerdings fehlte allen Aktionen der Münchner häufig die letzte Konsequenz. In den Zweikämpfen kamen die Bayern dann oft einen Schritt zu spät und die Pässe gerieten etwas zu kurz oder zu lang. Aus diesen Fehlern kam Wolfsburg immer wieder auch in gefährlichen Zonen an den Ball.
2. Erhoffte Besserung bleibt aus
Die Staffelung mit und gegen den Ball zu verbessern – diese Hauptaufgabe hatte Kovač in der Länderspielpause anzugehen. Im Spiel gegen Wolfsburg waren hier jedoch kaum Besserungen zu sehen.
Zu Beginn meinte man eine leicht positive Tendenz zu erkennen. Alaba schob konsequent höher, während Thiago in den linken Halbraum als Verbindungsspieler rückte. Allerdings kam er sich hier häufig mit Martínez in die Quere, der ebenfalls oft links auftauchte. Doch auch dieser Ansatz verpuffte nach wenigen Minuten.
Bezeichnend eine Situation wenige Minuten vor dem Führungstreffer in der sechs Bayern-Spieler auf einer horizontalen Linie am Strafraum der Wolfsburger ohne jegliche Staffelung standen. Nur gelegentlich ließ sich James fallen, um als Verbindungsspieler zwischen dem Spielaufbau und der Angriffsreihe zu fungieren.
Auch gegen den Ball zeigte sich das Verhalten, das sich mittlerweile ins Spiel des FC Bayern eingeschlichen hat. Große Lücken aufgrund eines nicht einheitlichen Gegenpressings und immer wieder zu frühes Herausrücken.
Nun muss man dem Kroaten zugute halten, dass er nur wenige Spieler aus der ersten Mannschaft zum Einstudieren des Positionsspiels zur Verfügung hatte. Dennoch muss dies für den Trainer der Bayern in der Zukunft weiterhin der Fokus sein. In den kommenden englischen Wochen mit einer hohen Schlagzahl an Spielen wird dies jedoch schwer werden.
3. Offensive Ideenlosigkeit
Einmal mehr offenbarte Bayern sich im Spiel nach vorne gegen einen tiefstehenden Gegner die eigene Ideenlosigkeit. Die, bis zum Platzverweis von Robben, gemessenen 64% Ballbesitz führten zu viel zu wenigen zwingenden Torchancen.
Eine seltene Ausnahme bildete die Führung zum 1:0 als Thiago den Ball nicht annahm sondern auf Lewandowski durchließ, der in die Schnittstelle gestartet war. Diese Situation bildete jedoch die einzige Abweichung von der Norm.
Robben folgte dem Trend der letzten Wochen und zeigte eine blasse Vorstellung. Passend zu seinem Auftritt auch das Zustandekommen seines Platzverweises, den er selbst durch eine unnötige Schwalbe einleitete. Der Holländer leidet massiv darunter, dass ihm der Geschwindigkeitsvorteil, der ihn früher an den Gegenspielern vorbei fliegen ließ, abhanden gekommen ist. Auch das Zusammenspiel mit Kimmich hat schon bessere Tage gesehen.
Auf der anderen Seite war Gnabry oft isoliert. Der Neuzugang aus Hoffenheim wurde von Alaba nur selten unterstützt. Generell kommt der Nationalspieler über seine Geschwindigkeit, wenn er mit dem Ball auf eine unsortierte Abwehrreihe zulaufen kann. Eine Situation, die so im statischen Bayern-Spiel selten auftritt.
Wenigstens scheint Lewandowski seinen Torriecher nicht verloren zu haben. Das 2:0 bei dem Lewandowski richtig voraus ahnte, dass die Rückgabe von William zu kurz sein könnte, steht hierfür Beispiel.
4. Aufbaugegner Wolfsburg?
Die Bayern können von Glück reden, dass an diesem Samstag der Gegner nur Wolfsburg hieß. Die Leistung der Münchner war nicht wirklich besser als in den vorherigen Wochen, doch die Wölfe konnten daraus keinen Vorteil ziehen.
Ein stärkerer Gegner, der mehr Zug zum Tor entfaltet, hätte die großen Lücken gerade im Umschaltspiel besser ausnutzen können. Auch nach dem Anschlusstreffer, als die Münchner wie ein angeschlagener Boxer taumelten, fehlten der Werkself die Mittel um diese Situation konsequent auszunutzen.
Ein Befreiungsschlag sieht auf jeden Fall anders aus, als das, was der Rekordmeister heute auf dem Wolfsburger Rasen zeigte.
Die nächsten drei Spiele der Münchner sind glücklicherweise alle nicht gegen die Granden des europäischen Fußballs. Eine gute Chance zumindest durch einige Siege, wenn auch nicht vollends überzeugend, eine positive Grundstimmung vor dem Gipfeltreffen mit Borussia Dortmund am 10. November zu beschwören.