Vorschau: VfB Stuttgart – FC Bayern München

Justin Trenner 08.04.2016

Vier der letzten sechs Bundesliga-Heimspiele haben die Schwaben gewonnen und auch im Pokal machten sie gegen Borussia Dortmund lange Zeit eine gute Figur. Als Zorniger im Sommer übernahm, kam auch eine komplett neue Spielidee in den Verein. Der 48-jährige steht für Angriffslustigen Fußball, der durchaus mit der Spielweise der Leverkusener zu vergleichen ist. Frühes Anlaufen, Balleroberungen und dann über schnelle und spielintelligente Umschaltmomente zum Erfolg kommen. Die Mannschaft setzte seine Idee eigentlich sofort um. Eigentlich, weil die Ergebnisse nicht stimmten. Auf fast schon absurde Art und Weise verlor der VfB Spiele, die man niemals hätte verlieren dürfen. Die Zorniger-Elf hatte Mitte der Hinrunde im Schnitt mitunter doppelt so viele Torschüsse wie die direkte Konkurrenz im Abstiegskampf und ließ zeitgleich deutlich weniger Abschlüsse des Gegners zu. Dennoch kam der Punkt, an dem die Mannschaft das Vertrauen zum Trainer verloren zu haben schien und Kramny übernahm.

Bereits bei seinem ersten Spiel auf der Trainerbank (4:1-Niederlage in Dortmund) wurde deutlich, dass der VfB in den Mainstream zurückkehren wollte, um endlich auch die notwendigen Ergebnisse zu holen. Kramny stellte seine Mannschaft fortan im für die Bundesliga typischen 4-2-3-1 auf. Serey Dié agiert dabei immer etwas tiefer als Gentner, der die Formation durch sein Aufrücken häufig zu einem 4-1-4-1 macht. Die beiden nominellen Sechser sind der Dreh- und Angelpunkt des VfB. An ihnen orientiert sich die Mannschaft und sie führen die wichtigen Zweikämpfe gegen den Ball. Gentner steuert zudem das Pressing der Mannschaft. Über die meisten Phasen des Spiels spielen die Stuttgarter ein Mittelfeldpressing. Rückt der Kapitän heraus, ist das das Zeichen für die Mannschaft, dass der Gegner aber situativ auch stärker attackiert wird. Der Kapitän gewinnt im Schnitt 57% seiner Zweikämpfe und läuft 11,15 Kilometer pro Spiel. Das Aufbauspiel war bisher immer Serey Dié überlassen, der mit einer Passquote von 84% deutlich sicherer ist als Gentner (73%). Mit sechs Torbeteiligungen ist letzterer aber auch in der Offensive sehr wichtig für die Kramny-Elf. Dié wird den Schwaben jedoch fehlen und so ist es sehr wahrscheinlich, dass Lukas Rupp auf diese Position rücken wird. Die Lücke die dieser wiederum auf der rechten Seite hinterlässt wird vermutlich durch einen Systemwechsel auf eine Fünferkette geschlossen.

Für den FC Bayern wird es von großer Bedeutung sein das Zentrum bei Ballverlusten dicht zu machen und die Stuttgarter-Ballverteilung auf die schnellen Flügelspieler schon dort zu stoppen. Zuletzt besetzten Kostic und Rupp diese Außenpositionen. Filip Kostic kommt in dieser Bundesliga-Saison auf 10 direkte Torbeteiligungen (5 Tore, 5 Vorlagen). Pro 90 Minuten bereitet der Serbe in der Liga 2,85 Torabschlüsse vor. Seine Passquote von nur 64% zeigt aber auch sein größtes Defizit. Häufig gelingt es ihm nicht, die richtige Entscheidung vor dem Tor zu treffen. Kostic ist ein Spieler der den direkten Weg nach vorne sucht und dabei nicht selten versucht mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Dabei sind auch Flanken ein sehr beliebtes Mittel des 23-jährigen. 10,3 schlägt er im Schnitt pro Spiel (Höchstwert beim VfB) von denen aber nur 2,9 einen Mitspieler finden.

Im Zentrum komplettieren Werner und Didavi meist die starke Offensive der Schwaben. Vom zuletzt genannten geht jedoch die größte Gefahr aus. Zehn Tore hat Didavi bereits erzielt und drei weitere vorbereitet. Pro Spiel schließt der 26-jährige 3,8 Mal ab. Meist agiert er etwas hängend hinter Timo Werner. Der zukünftige Wolfsburger fackelt nicht lange und schießt auch gerne aus der Distanz. 81 Schüsse hat er in dieser Bundesliga-Saison bereits abgegeben, 45 davon außerhalb des Sechzehners. Bei Timo Werner ist das Gegenteil der Fall. Der erst 20-jährige bekommt seine Gelegenheiten fast nur im Strafraum. Er ist der Zielspieler für die Außenspieler, die meist bis zur Grundlinie durchgehen und dann Werner suchen. Von 61 Schüssen hat er nur sieben außerhalb des Sechszehners abgegeben. Sechs Tore und drei Vorlagen konnte er deutsche U-Nationalspieler in der Bundesliga bereits beisteuern. Lukas Rupp ergänzt mit seinen neun Torbeteiligungen (5 Tore, 4 Vorlagen) die starke Offensive. Nur Gladbach (59), Bayern (66) und der BVB (67) haben mehr Tore geschossen als die Stuttgarter (45).

Der gefährlichste Mann des VfB spielt nächste Saison für den VfL Wolfsburg: Daniel Didavi. (Bild: Simon Hofmann / Bongarts / Getty Images)
Der gefährlichste Mann des VfB spielt nächste Saison für den VfL Wolfsburg: Daniel Didavi. (Bild: Simon Hofmann / Bongarts / Getty Images)

Die Defensive ist der wunde Punkt des VfB. Zwar ist diese unter Jürgen Kramny deutlich stabiler geworden, aber gerade auf hohem Niveau, wie zum Beispiel in beiden Spielen gegen Dortmund, zeigten sich die Schwächen. In der 4-1-4-1 Staffelung ab es immer wieder große Lücken neben Dié in den Halbräumen, die von Gündogan und dem jeweiligen weiteren Achter sehr gut bespielt werden konnten. Hier ist es denkbar, dass Thiago diese Formationslöcher besetzt, da er für so eine Rolle prädestiniert ist. Allerdings hat man aus dem Umfeld des VfB vernommen, dass auch eine Fünferkette zuletzt trainiert wurde. Es ist möglich, dass Kramny sich ein Beispiel am FSV Mainz 05 nimmt und ein 5-2-3 aufstellt. Da Kevin Großkreutz ebenfalls ausfallen wird, könnte Klein auf die rechte Flügelverteidiger-Position rücken. Sein Pendant auf der anderen Seite wird Insua sein, während Baumgartl, Schwaab und Niedermeier die Zentrale übernehmen könnten. Auch Sunjic ist eine Alternative für die Halbverteidiger-Position.

Dieses System würde für Stuttgart gerade dann Sinn machen, wenn man hoch attackiert. Ihre Qualität im Pressing ist erheblich höher als die von den Frankfurtern oder Kölnern zuletzt. Bayern hat in der jüngeren Vergangenheit mehrfach Probleme gezeigt, wenn der Gegner sie früh gestört hat und fand zudem häufig erst spät im Spielverlauf passende Lösungen gegen eine Fünferkette. Diese Staffelung gibt dem Gegner die Möglichkeit die Flügelspieler der Bayern zu doppeln, ohne dabei aber die Kompaktheit im Zentrum zu verlieren. Potentiell hätte der VfB dieses System drauf und wenn sie den Mut haben es auch umzusetzen, könnte es für den Rekordmeister unangenehm werden. Die Guardiola-Elf schwächelte in den letzten Wochen immer wieder mal, wenngleich sie ihre Spiele auch gewinnen konnte. Wenn sie in Stuttgart ähnlich schlechte Entscheidungen im letzten Drittel trifft wie zuletzt gegen Benfica, hat der VfB alle Mittel um ihnen wehzutun.

Für die Bayern ist dieses Spiel erneut ein sehr wichtiges. Lässt man Punkte liegen und Dortmund gewinnt das Derby gegen Schalke am Sonntag, würde das den Kampf um die Schale nochmal verschärfen. Die Bundesliga hat für die Münchner den höchsten Stellenwert, wie unser Autor Felix an anderer Stelle bereits erklärte, und deshalb müssen sie auch in Stuttgart zwingend drei Punkte holen. Der VfB hat hingegen erst 33 Punkte und ist nur sechs Punkte entfernt vom Relegationsplatz. Auch für die Schwaben ist diese Saison also noch lange nicht beendet und dementsprechend kann sich der Rekordmeister auf ein kompliziertes Spiel einstellen.

Statistiken zum Spiel

Die letzten fünf Spiele gegen den VfB Stuttgart

Bilanz

  • Aus 145 Pflichtspielen konnten die Münchner 83 Siege und 27 Unentschieden mitnehmen. Lediglich 35 Spiele gingen an den VfB. Insgesamt fielen 488 Tore zwischen beiden Mannschaften, was 3,37 Treffern pro Spiel entspricht. Die Bayern (294) erzielten bisher genau 100 Tore mehr als die Schwaben (194).
  • Stuttgart hat die letzten 14 Spiele gegen den FCB verloren. Den letzten Sieg gab es für sie am 27.3.2010 in München. In dieser Saison blieben sie zwei Mal ungeschlagen gegen den späteren Meister.
  • Tore sind garantiert. In den letzten 15 Begegnungen fiel immer mindestens ein Tor. Das letzte 0-0 zwischen den beiden gab es am 31.10.2009 in Stuttgart. Insgesamt gab es erst fünf torlose Begegnungen wenn die beiden auf dem Feld standen. Zwei dieser Fünf gab es zwischen 1945 und 1963 in der Oberliga Süd.

Funfacts

  • In der Saison 2013/14 holte Pep Guardiola aus den letzten sechs Spielen in der Bundesliga 12 Punkte. Neben den beiden Niederlagen gegen Augsburg (29. Spieltag) und Dortmund (30. Spieltag), verloren die Bayern auch beide Halbfinal-Begegnungen mit Real Madrid. Im zweiten Pep-Jahr holte der Rekordmeister nur noch neun Punkte in der Liga. In Leverkusen, gegen Augsburg und in Freiburg verloren sie damals die Spieltage 31 bis 33. Darüber hinaus verlor man das Pokal-Halbfinale gegen Dortmund nach Elfmeterschießen und schied im Champions-League-Halbfinale gegen Barcelona aus. Diese Saison will der Katalane einen besseren Endspurt hinlegen.
  • Gegen Benfica coachte Guardiola sein 150. Spiel als Trainer des FC Bayern. 114 Siege, 18 Unentschieden, 18 Niederlagen, 376 Tore, 103 Gegentore und eine Siegquote von 76% stehen auf dem Konto des Katalanen.
  • Die Bayern sind weiter auf Rekord-Jagd. Zwölf Bundesliga-Siege in Folge gegen eine Mannschaft schafften bisher nur sie selbst (gegen Freiburg und Nürnberg). Sollten sie Stuttgart am Wochenende schlagen, würden sie mit dieser Marke gleichziehen.
  • Die Stuttgarter holten aus den vergangenen sieben Bundesliga-Spielen nur einen Sieg und sechs Punkte.
  • Acht Bundesliga-Spiele hatten die Bayern nach Champions-League-Auftritten und alle konnten sie gewinnen. Wichtige Punkte im Kampf um die Meisterschaft.
  • An den ersten 14 Spieltagen haben die Bayern 42 Mal getroffen. Im Schnitt entsprach dies 3,0 Toren pro Spiel. In den folgenden 14 Begegnungen gab es nur noch 24 Tore (1,7 pro Spiel) für den amtierenden Meister.
  • Gladbach (25) und der VfB Stuttgart (23) stellen die besten Offensivreihen der Rückrunde.
  • Der VfB hat in der Liga allerdings schon sieben Mal in Folge nicht zu Null gespielt. 15 Gegentore haben sie in dieser Zeit bekommen.
  • Weiter oben erwähnen wir, dass Kostic die meisten Flanken beim VfB schlägt. Aus dem Spiel heraus schlägt er sogar die meisten der Liga. Douglas Costa steht auf Platz zwei.
  • Holger Badstuber, Philipp Lahm, Joshua Kimmich, Serdar Tasci und Sven Ulreich haben allesamt eine Stuttgarter-Vergangenheit. Auf der anderen Seite hat Niedermeier seine Karriere im Jugendbereich des FC Bayern begonnen, bevor er 2009 zum VfB Stuttgart wechselte.
  • Seit 2000 sind vier Spieler direkt vom VfB Stuttgart zu den Bayern gewechselt. Neben Kimmich, Ulreich und Gomez, verpflichteten sie auch Pablo Thiam von den Schwaben. Nur aus Bremen kamen in den letzten 16 Jahren mehr Spieler zum Rekordmeister (5). Leverkusen, Gladbach (beide ebenfalls 4) und Dortmund (3) folgen direkt dahinter.

Fünf Thesen zum Spiel

  1. Der FC Bayern wird seine italienischen Wochen beenden und mindestens zwei Tore erzielen.
  2. Götze wird in der Startelf stehen.
  3. Stuttgarts starke Offensive bleibt auch in diesem Spiel nicht ohne Tor.
  4. In der Schlussviertelstunde fällt ein Tor.
  5. Javi Martínez wird treffen. Ja, ihr lest richtig.

Der negative Trend bestätigt sich. Nur eine der fünf Thesen für das Benfica-Spiel ist eingetroffen. Die Quote liegt damit bei 21 von 40 und so nur knapp über 50%.