Vorschau: TSG 1899 Hoffenheim – FC Bayern München

Maurice Trenner 03.04.2017

Für einen detaillierten Einblick in die aktuelle Situation der TSG haben wir, wie schon im Vorfeld zum Hinspiel, mit dem Blogger Julian auf Twitter @bimbeshausen gesprochen.

(Grafik: Michael Böck)

Hoffenheim belegt momentan den zweiten Platz in der Rückrundentabelle. Im Gegensatz zu anderen „Überraschungsmannschaften“ der Hinrunde wie dem 1. FC Köln erfolgte kein Einbruch. Wie schafft es das Team die Leistungen aus der Vorrunde zu wiederholen? Welche Entwicklungen siehst du konkret über die beiden Saisonhälften?

Nach der Hinrunde standen Bayern, Leipzig, Hoffenheim auf Platz 1, 2 und 3. Eine halbe Rückrunde später hat sich daran nichts geändert. Andere Mannschaften wie Hertha BSC haben den Anschluss verloren. Ein Erklärungsversuch, warum das der TSG nicht passiert ist: Wer in der Hinrunde gegen die Hertha gewinnt und in der Rückrunde noch einmal gegen die Hertha gewinnt, ist wahrscheinlich besser als die Hertha. In den vergangenen Wochen war insbesondere zu sehen, dass Hoffenheim zum Ende des Spiels hin regelmäßig mehr Kraft, Konzentration und Kreativität als die meisten anderen Bundesligisten hatte. Die Hertha hatte am Freitag nach ihrem Tor in der 32. Minute nur noch einen einzigen Torschuss, Ingolstadt wurde nach 1:2 noch 5:2 besiegt, gegen Mainz schoss die TSG drei Tore in den letzten zehn Minuten. Das mag auch daran liegen, dass sich die Leistungen der Spieler auf Kaderplatz 12-18 verbessert haben, womit die große Zahl an Jokertoren zusammenhängt.

Das Hinspiel in München endete bekanntlich 1:1. Damals waren die Hausherren vor allem zu Beginn mit dem hohen Anlaufen, gerade von Alonso, regelrecht überfordert. Allerdings konnte Bayern zur zweiten Hälfte zunehmen die Kontrolle über das Spiel gewinnen und das Unentschieden war gegen Ende fast glücklich für Hoffenheim. Wird Nagelsmann dennoch eine ähnliche Taktik wie im Hinspiel anwenden? Welche Möglichkeiten siehst du, damit das Pressing nicht wieder zusammenbricht in Hälfte zwei?

Die angesprochenen gewinnbringenden Wechsel beziehen sich vor allem auf die Stürmer. Im Gegensatz zum Hinspiel ist Uth unverletzt, Szalai formstark und Terrazzino eine spielstarke Ergänzung. Viele Einwechselspieler sind echte Verstärkungen im Laufe des Spiels und könnten insbesondere durch ein Angriffspressing ausgelaugte Stürmer hochwertig ersetzen. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass Nagelsmann sich allzu sehr am Hinspiel orientiert. Seine Mannschaft hat sich verändert und vor allem hat sich der FC Bayern verändert. Was im Hinspiel noch funktionierte, muss am Dienstag nicht mehr erfolgsversprechend sein.

Mit Niklas Süle und Sebastian Rudy verlassen im Sommer zwei Stammspieler das beschauliche Kraichgau und wechseln zum Rekordmeister. Auf was für Spielertypen kann sich der FC Bayern freuen? Welche Qualitäten bieten die beiden zusätzlich, die eventuell eher unbekannt sind?

Es würde der Scouting-Abteilung des FC Bayern München nicht gerecht, wenn man davon ausginge, dass ihnen irgendwelche Qualitäten der beiden Nationalspieler verborgen blieben. Das Auge, mit dem sie Jahr für Jahr Top-Talente wie im vergangenen Jahr Mats Hummels oder Renato Sanches entdecken, spricht für sich. Es war zu lesen, der FC Bayern suche derzeit »fieberhaft« nach einem spielintelligenten und passsicheren zentralen Mittelfeldspieler zur Nachfolge von Xabi Alonso. Sicherlich werden sie neben den Zugängen von Rudy und Süle auch dieses Spielerprofil irgendwo aufstöbern können.

Abschließend bitte noch dein Tipp für das Spiel und die restliche Saison der Hoffenheimer.

Hoffenheim spielt stärker als je zuvor und wird aller Voraussicht nach zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den Europapokal erreichen. Die Form des FC Bayern reicht derzeit für hohe Heimsiege gegen Hamburg oder Augsburg, aber auswärts wird es schon gegen Gladbach oder Hertha eng. Auf dem Papier ist dieses Gastspiel wohl für beide die größte Herausforderung des bisherigen Jahres. Da sich die wahre Klasse des FC Bayern immer in solchen Spielen zeigt, gewinnt er 0:3 durch einen Hattrick von Thomas Müller.

Die Münchner reisen nach dem überzeugenden 6:0-Sieg gegen den FC Augsburg natürlich als Favorit an. Die letzten 20 Pflichtspiele wurden allesamt nicht verloren, wobei Glanzpunkte wie das aggregierte 10:2 gegen Arsenal gesetzt wurden. Und nun geht es gegen den vermeintlichen Lieblingsgegner Hoffenheim, der in 17 Versuchen noch kein Ligaspiel gegen den FC Bayern gewinnen konnte.

Doch die Statistik trügt etwas. Gerade in Sinsheim tat sich der Rekordmeister in der Vergangenheit häufig schwer. Bei drei der fünf Siege lag man in der ersten Halbzeit zwischenzeitlich mit 0:1 in Rückstand, konnte das Spiel aber noch drehen. Unvergessen vor allem das Duell im Sommer 2015, als Kevin Volland bereits nach neun Sekunden traf und somit den Bundesliga-Rekord für das schnellste Tor einstellte.

Nur einmal schafften die Münchner einen Auswärtsieg mit mehr als einem Tor Unterschied, wobei es damals ein Last-Minute-Eigentor von Andreas Beck bedurfte.

Die Bundesligisten im Vergleich.
Zu alldem geht es am Dienstag auch gegen ein erstarktes Hoffenheim. Die Kraichgauer liegen in der Rückrundentabelle mit 17 Punkten aus neun Spielen auf Platz zwei hinter Bayern. Nachdem die TSG letzte Saison lange gegen den Abstieg kämpfte, konnte Trainer Julian Nagelsmann dieses Jahr das Ruder herumreißen.

Die Stärke der Hoffenheimer bekamen auch die Bayern beim 1:1 im Hinspiel zu spüren. Besonders in der Anfangsviertelstunde konnten die TSG durch ein hohes Pressing die bekannten Schwächen der Bayern offenlegen. Gerade Xabi Alonso wurde von Kramaric, Wagner und Demirbay häufig bereits nach Ballanahme gestört und von seinen Mitspielern isoliert durch geschicktes Zustellen der Räume isoliert. Durch das Anlaufen der Abwehrreihe und selbst von Manuel Neuer taten sich die Bayern extrem schwer und mussten häufig auf lange Bälle in Richtung Lewandowski zurückgreifen.

Dadurch wurde das Mittelfeld häufig überbrückt und die Münchner konnten ihr gewohntes Ballbesitzspiel nicht aufziehen. Erst als die TSG im weiteren Spielverlauf sich mit ihrer ersten Pressingwelle weiter zurückfallen lies, bekamen die Münchner Zugriff zum Spiel.

Doch Hoffenheim ist mittlerweile mehr als eine reine Pressing-Mannschaft. Dies wird auch gut in diesem Diagramm verdeutlicht, das gegnerische Passquote und Anzahl an Pässen pro gegnerischem Ballbesitz aufzeigt.

Das Pressing aller Bundesliga-Teams ausgewertet.
Dort liegt Hoffenheim im Mittelfeld der Bundesliga. Andere Teams wie Ingolstadt oder Frankfurt spielen hier ein deutlich aggressiveres Pressing, das beim Gegner früher zu Ballverlusten führt. Spitzenreiter in Sachen gegnerischer Passgenauigkeit sind die Leipziger, deren Hasenhüttel’sches Pressingsystem den Gegnern nur kurze Ballbesitzphasen zulässt und durch hohes Anlaufen sowie geschicktes Zustellen der Räume zu schnellen Ballverlusten führt.

Etwas überraschend liegt Bayern hier weit vorne, obwohl das aggressive und hohe Gegenpressing nach Ballverlust der Guardiola-Ära einem moderateren Anlaufen gewichen ist. Immer wieder gönnt sich Bayern hier Pausen im Pressing und lässt den Gegner kommen. Dieses taktische Mittel von Ancelotti scheint sich jedoch auszuzahlen, ist es doch effektiv.

Anpassungen fürs Rückspiel

Während die taktische Grundausrichtung der Hoffenheimer vermutlich anders aussehen wird als noch im Hinspiel, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Kraichgauer am Dienstag wieder auf ihr Pressingkonzept zurückgreift. Wie kann der FC Bayern dann hierauf reagieren?

In letzter Zeit trafen die Münchner nur noch selten auf hohes Pressing. Entweder positionierten sich die Gegner tief in der eigenen Hälfte und versuchten die Bayern mit einem Bollwerk an Verteidigern zu stoppen oder das Pressing erfolgte isoliert mit einzelnen Spielern und nicht in einem geordneten Defensivverbund. Letzteres traf auf Arsenal in weiten Phasen des Achtelfinals zu.

Der letzte richtige Pressing-Gegner waren die vorhin lobend erwähnten Leipziger, die im Dezember letzten Jahres jedoch von Bayern dominiert wurden. Eine Analyse der Spielerpositionen zeigt sehr gut die unterschiedliche Positionierung im Vergleich zum Hinspiel gegen Hoffenheim.

Vergleich der Passmaps der Spiele gegen Leipzig und Hoffenheim.
(Quelle: 11tegen11)
Während Innen- und Außenverteidiger nahezu gleich positioniert sind, so unterscheidet sich die Staffelung des Mittelfeldes deutlich. Die Besetzung Vidal, Alonso und Thiago war in beiden Spielen die gleiche. Doch während die drei gegen Hoffenheim nahezu alle auf einer Linie agierten, ist gegen Leipzig ein Mittelfeld-Dreieck erkenntlich. Thiago nutzt hier sehr gut den 10er-Raum aus, um immer als Anspielstation und Verbindungsspieler ins letzte Drittel bereit zu stehen.

Ebenso auffällig ist das Ancelotti-typische Einrücken der Außenstürmer, wodurch diese zusätzlich den 10er-Raum im Zentrum besetzen können. Zudem kann durch ein Überlaufen der Außenverteidiger so eine Überzahlsituation auf den Flügeln kreiert werden. Dieses Einrücken war auch gegen Augsburg am Wochenende häufig zu sehen, wobei vor allem Ribery daraus immer wieder gefährliche Situationen schuf.

Dies könnte auch die zu erwartende Dreierkette der Hoffenheimer vor Probleme stellen, da eine Überzahl an Angreifern herrscht. Die langen Chipbälle über die Abwehrreihe auf einen einlaufenden Lewandowski oder Müller, die bereits am Wochenende zu zwei Toren führten, können hier ebenfalls ein effektives Mittel sein.

Im Vergleich zur Partie am Wochenende kehren bei den Bayern mit Alonso und Martinez zwei Stammkräfte von ihrer Gelb-Sperre zurück. Es wird interessant zu sehen sein, wie Ancelotti damit umgeht und ob er weiter auf Rotation setzt oder versucht eine Stammelf sich für die „Wochen der Wahrheit“ einspielen zu lassen.

Gerade der Pressing-anfällige Alonso könnte ein kleines Risiko darstellen. Allerdings ist Ancelotti bisher in seiner Zeit bei Bayern nicht dadurch aufgefallen, dass er sich vom Gegner in seinem System verunsichern lies. Hier konnte er sich bisher in dieser Saison so gut wie immer auf die individuelle Klasse seines Kaders, vor allem in der Person Thiago, verlassen.

Abschließend noch Justins fünf Thesen zum Spiel

  1. Lewandowski trifft erneut.
  2. Bayern gewinnt nicht.
  3. Auch Hoffenheim erzielt mindestens ein Tor.
  4. Insgesamt fallen mindestens drei Tore.
  5. Robben ist an mindestens einem Treffer direkt beteiligt. (These wurde geändert, da Müller leider verletzt ausfällt)

Im Bundesliga-Spiel gegen Augsburg waren ganze vier Thesen richtig. Insgesamt steht Justin somit bei 90/170.